Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Januar 2004
Aktenzeichen: 29 W (pat) 287/02

(BPatG: Beschluss v. 28.01.2004, Az.: 29 W (pat) 287/02)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. August 2001 und 28. August 2002 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke 1 106 784 hinsichtlich der Ware "Bekleidungsstücke" zurückgewiesen worden ist.

2. Die Löschung der Marke 399 62 776 für die Ware "Bekleidungsstücke" wird angeordnet.

3. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die Eintragung der Marke 399 62 776 my sportfür die Waren der Klasse 25 Bekleidungsstücke; Schuhwaren; Kopfbedeckungist Widerspruch erhoben worden aus der prioritätsälteren Marke 1 106 784 MEY eingetragen für die Waren der Klasse 25 Gestrickte und gewirkte Leibwäsche.

Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit zwei Beschlüssen vom 23. August 2001 und 28. August 2002 zurückgewiesen. Die beiderseitigen Waren und Dienstleistungen seien zwar teilweise identisch bzw. ähnlich, eine Verwechslungsgefahr bestehe aber mangels Markenähnlichkeit nicht. Dem Bestandteil "my" komme im Gesamteindruck der angegriffenen Marke keine selbständig kollisionsbegründende Wirkung zu. Das angesprochene Publikum erfasse "my sport" als Gesamtbegriff und orientiere sich nicht allein an dem Bestandteil "my".

Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, die Vergleichswaren "gestrickte und gewirkte Leibwäsche" sowie "Bekleidungsstücke" seien identisch. Hinsichtlich der weiteren von der angegriffenen Marke erfassten Waren "Schuhwaren; Kopfbedeckung" bestehe nach der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts und des Bundesgerichtshofs Warenähnlichkeit. Die angegriffene Marke werde im Gesamteindruck von dem Begriff "my" geprägt, weil der weitere Bestandteil "sport" im Bekleidungsbereich eine rein beschreibende Bedeutung habe. Dabei sei zu berücksichtigen, dass das angesprochene Publikum bei Unterwäsche und Damentageswäsche überwiegend nur Einwortmarken kenne und daher in dem Bestandteil "my" der angegriffenen Marke den selbständig kennzeichnenden Teil erkennen werde. Die sich gegenüberstehenden Begriffe "my" und "mey" seien sowohl klanglich als auch schriftbildlich hochgradig ähnlich. Auf Grund ihres Bekanntheitsgrades, des Marktanteils und der getätigten Werbeaufwendungen komme der Widerspruchsmarke außerdem eine erhöhte Kennzeichnungskraft zu. Daher bestehe für das Publikum auch die Gefahr einer assoziativen Verwechslungsgefahr.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, die Beschlüsse der Markenstelle vom 23. August 2001 und 28. August 2002 aufzuheben und im Umfang des Widerspruchs die Löschung der Marke 399 62 776 anzuordnen.

Die Markeninhaber haben sich in der Sache nicht geäußert und keine Anträge gestellt.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg. Hinsichtlich der Ware "Bekleidungsstücke" besteht für das Publikum die Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Insoweit ist die angegriffene Marke daher zu löschen (§ 43 Abs 2 iVm § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG).

1. Die Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG ist einerseits abhängig von der Identität oder Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken und andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der von den beiden Marken erfassten Waren und Dienstleistungen, wobei von dem Leitbild eines durchschnittlich informierten aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher auszugehen ist (vgl EuGH GRUR 1999, 734, 836 - Lloyd; BGH 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND). Darüber hinaus sind alle weiteren Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, insbesondere die Kennzeichnungskraft der älteren Marke. Die verschiedenen für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr heranzuziehenden Faktoren stehen in einer Wechselwirkung, so dass zB ein geringerer Grad der Markenähnlichkeit durch eine höhere Kennzeichnungskraft der älteren Marke bzw durch einen höheren Grad an Ähnlichkeit ausgeglichen werden kann (stRspr vgl EuGH aaO - Lloyd; BGH WRP 2003, 521, 524 - Abschlussstück). Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall in dem im Tenor genannten Umfang die Gefahr von Verwechslungen gegeben.

2. Der im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke enthaltene Oberbegriff "Bekleidungsstücke" umfasst die von der Widerspruchsmarke erfassten "gestrickte und gewirkte Leibwäsche", so dass sich die beiderseitigen Marken auf identischen Waren begegnen können (vgl BGH GRUR 1998, 924 - salvent/Salventerol).

3. Im Bereich dieser identischen Waren kommt der Widerspruchsmarke eine erhöhte Kennzeichnungskraft zu. Dabei sind bei der Bestimmung der Kennzeichnungskraft insbesondere die kennzeichnenden Eigenschaften der Marke, der gehaltene Marktanteil, die Intensität, geografische Verbreitung und Dauer ihrer Benutzung sowie der Werbeaufwand und der Bekanntheitsgrad der Marke im Verkehr zu berücksichtigen (vgl EuGH aaO - Lloyd; BGH GRUR 2002, 1067 - DKV/OKV). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung der erhöhten Kennzeichnungskraft ist der Anmeldetag der angegriffenen Marke (vgl BGH aaO - DKV/OKV; GRUR 2002, 544 - BANK 24).

3.1. Unter Berücksichtigung der von der Widersprechenden im Beschwerdeverfahren eingereichten Unterlagen geht der Senat davon aus, dass die Marke "MEY" zum maßgeblichen Zeitpunkt im Oktober 1999 bereits über eine beachtliche Verkehrsbekanntheit verfügte. Die "BRIGITTE Kommunikationsanalyse '98" weist für das Marktsegment "Unterwäsche/Dessous" auf der Grundlage einer bundesweiten Befragung von ca 5.000 Frauen im Alter von 14 bis 64 Jahren im Zeitraum vom November 1997 bis Januar 1998 für die Marke "MEY" einen Bekanntheitsgrad von 34 % aus (s S 54). Eine im gleichen Umfang im Zeitraum vom November 1999 bis Januar 2000 durchgeführte Befragung ergibt den selben Prozentsatz (vgl "Brigitte Kommunikationsanalyse" 2000, S 91). Die Widersprechende hat außerdem eine Auswertung der seit 1988 durchgeführten Kommunikationsanalysen vorgelegt, wonach sich der Bekanntheitsgrad der Marke "MEY" von 16 % im Jahr 1988 auf 38 % im Jahr 2002 gesteigert hat. Ferner verweist sie auf das Ergebnis einer im Jahr 2000 durchgeführten GfK-Studie, in der ausgehend von einem Gesamtmarktanteil der Herstellermarken im Marktsegment "Damentageswäsche" von 41,7 % für die Marke "MEY" ein Marktanteil von 7,1 % ermittelt worden ist. Diese Studie rechtfertigt die Annahme, dass die Marke "MEY" auch im Oktober 1999 im Bereich Damenunterwäsche mit einem vergleichbaren Marktanteil präsent war.

3.2. Auf Grund der dargelegten intensiven Benutzung der Widerspruchsmarke für Damenunterwäsche seit 1988, des erworbenen Marktanteils und der durch Meinungsumfragen belegten Markenbekanntheit bei etwa einem Drittel der angesprochenen Verkehrskreise ist von einer deutlich gesteigerten Kennzeichnungskraft der älteren Marke und einem entsprechend erweiterten Schutzumfang auszugehen.

4. Unter Berücksichtigung der Warenidentität und der erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hält der Senat den Abstand der Marken nicht für ausreichend, um für das Publikum die Gefahr klanglicher Verwechslungen auszuschließen.

4.1. Bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit ist grundsätzlich auf den Gesamteindruck der beiderseitigen Marken abzustellen, denn der angesprochene Durchschnittsverbraucher nimmt ein Kennzeichen regelmäßig als Ganzes wahr (st Rspr, vgl BGH GRUR 2000, 506 - ATTACHÉ/TISSERAND mwN). Allerdings setzt dies bei einer mehrteiligen Marke voraus, dass auch die einzelnen Bestandteile für sich genommen schutzfähig sind. Ein Bestandteil, dem für die beanspruchten Waren absolute Schutzhindernisse entgegenstehen, nimmt aus Rechtsgründen nicht an der Prägung des Gesamteindrucks teil (vgl BGH GRUR 2002, 814 - Festspielhaus; WRP 2003, 1431 - Kinder).

4.2. Der Bestandteil "sport" der angegriffenen Marke ist für die Ware "Bekleidungsstücke" schutzunfähig, weil er lediglich den Verwendungszweck dieser Waren als Sportbekleidung beschreibt. Nach den oben ausgeführten Grundsätzen kann dieser Bestandteil keine Prägung des Gesamteindrucks bewirken, so dass sich für den Zeichenvergleich der Bestandteil "my" der angegriffenen Marke und die Widerspruchsmarke "MEY" gegenüberstehen. Die klangliche Identität dieser beiden Wörter hat das Gericht bereits in einem früheren Verfahren festgestellt (vgl BPatG 26 W (pat) 49/02 - my/MEY). Auch für den Senat bestehen keine Zweifel, dass das gängige englische Pronomen "my" bei mündlicher Wiedergabe wie "mai" ausgesprochen wird, denn die deutsche Übersetzung im Sinne von "mein" legt diese Aussprache nahe. Inwieweit darüber hinaus auch eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr anzunehmen ist, kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben, denn obwohl Marken in klanglicher, schriftbildlicher und begrifflicher Hinsicht vom angesprochenen Publikum wahrgenommen werden, reicht die Übereinstimmung in einer Hinsicht für die Annahme der Verwechslungsgefahr aus (vgl BGH GRUR 1999, 214 - Lions).

5. Hinsichtlich der mit der angegriffenen Marke gekennzeichneten Waren "Schuhwaren; Kopfbedeckungen" besteht dagegen keine Gefahr, dass sie irrtümlich demselben Unternehmen zugeordnet werden, weil insoweit zu den von der Widerspruchsmarke erfassten Waren allenfalls eine entfernte Warenähnlichkeit besteht. Bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit sind die das Verhältnis der Waren zueinander bestimmenden Faktoren zu berücksichtigen, wozu insbesondere ihre Beschaffenheit, ihre regelmäßige betriebliche Herkunft, ihre regelmäßige Vertriebs- oder Erbringungsart, ihr Verwendungszweck, ihre wirtschaftliche Bedeutung und ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte zählen. Weisen die Vergleichswaren hinsichtlich dieser Faktoren so enge Berührungspunkte auf, dass das Publikum bei einer Kennzeichnung mit identischen Marken annehmen könnte, die Waren stammten aus demselben Unternehmen, so ist von einer beachtlichen Warenähnlichkeit auszugehen (vgl EuGH GRUR 1998, 922 - CANON; BGH GRUR 2001, 507 - EVIAN/REVIAN).

5.1. In Bezug auf die von der Widerspruchsmarke erfassten Waren "Gestrickte und gewirkte Leibwäsche" und den "Schuhwaren" der angegriffenen Marke sind für den Senat keine Anhaltspunkte für eine Warenähnlichkeit ersichtlich. Diese Waren unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Beschaffenheit, ihres Verwendungszwecks sowie in Herstellung und Vertrieb deutlich voneinander. Dass in Kaufhäusern durchaus an Wäscheabteilungen angrenzende Schuhabteilungen zu finden sind, rechtfertigt für sich allein jedenfalls nicht die Annahme einer gemeinsamen betrieblichen Herkunft ausgehen.

5.2. Gleiches gilt hinsichtlich der Widerspruchswaren und der von der angegriffenen Marke erfassten "Kopfbedeckung". Zwar können Kopfbedeckungen aus gestrickten oder gewirkten Materialien hergestellt und insbesondere im Bereich der Sportbekleidung zusammen verkauft werden. Es lässt sich aber nicht feststellen, dass Wäschehersteller regelmäßig auch als Hersteller von Kopfbedeckungen am Markt auftreten, so dass insoweit nicht anzunehmen ist, dass das Publikum Fehlvorstellungen über eine gemeinsame betriebliche Herkunft dieser Waren unterliegt.

6. Die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle waren daher unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen teilweise aufzuheben und die Löschung der jüngeren Marke für die Ware "Bekleidungsstücke" anzuordnen.

7. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (§ 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG).

Grabrucker Baumgärtner Fink Cl






BPatG:
Beschluss v. 28.01.2004
Az: 29 W (pat) 287/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/24bf8769bfad/BPatG_Beschluss_vom_28-Januar-2004_Az_29-W-pat-287-02




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share