Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 26. Oktober 2009
Aktenzeichen: NotZ 1/09
(BGH: Beschluss v. 26.10.2009, Az.: NotZ 1/09)
Tenor
Die sofortigen Beschwerden des Antragstellers und des weiteren Beteiligten gegen den Beschluss des Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Köln vom 20. Februar 2009 werden zurückgewiesen.
Der Antragsteller und der Beteiligte haben je zur Hälfte die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und die dem Antragsgegner im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 €
festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller und der weitere Beteiligte bewarben sich mit zwei anderen Rechtsanwälten um eine vom Antragsgegner am 15. Mai 2007 im Justizministerialblatt für Nordrhein-Westfalen (JMBl. S. 122) für den Amtsgerichtsbezirk A. ausgeschriebene Notarstelle. Das Auswahlverfahren wurde gemäß § 17 der Allgemeinen Verfügung des Justizministeriums über die Angelegenheiten der Notarinnen und Notare vom 8. März 2002 (JMBl. S. 69), geändert durch Allgemeine Verfügung vom 4. November 2004 (JMBl. S. 256; im Folgenden AVNot 2004) durchgeführt. Bewerbungsschluss war der 15. Juni 2007.
Mit Schreiben vom 28. Dezember 2007 teilte der Antragsgegner dem weiteren Beteiligten mit, dass nach der für ihn ermittelten Gesamtpunktzahl von 136,55 Punkten seine Bewerbung keinen Erfolg haben könne und er beabsichtige, die Stelle dem Antragsteller mit einer Gesamtpunktzahl von 136,9 Punkten zu übertragen. Veranlasst durch den geringen Punkteabstand überprüfte der Antragsteller seine Bewerbungsunterlagen. Mit Schreiben vom 15. Januar 2008 korrigierte er unter Vorlage entsprechender Bescheinigungen der von ihm vertretenen Notare und einer bis dahin noch nicht vorgelegten Teilnahmebescheinigung vom 21. März 2006 über eine am 10. März 2006 besuchte Fortbildungsveranstaltung die Punktzahl für Beurkundungen um insgesamt 0,7 Punkte nach unten und die für Fortbildungen um einen Punkt nach oben. Zusätzlich wies er auf die möglicherweise übersehenen notariellen Bezüge seiner Dissertation hin.
Die daraufhin vorgenommene Neubewertung ergab für den Antragsteller eine Gesamtpunktzahl von nunmehr 136,2 Punkten. Dabei blieben die nachgemeldete Fortbildungsveranstaltung wegen Nichteinhaltung der Bewerbungsfrist (Verstoß gegen das Stichtagsprinzip des § 6b Abs. 4 Satz 1 BNotO) und seine Dissertation mangels ausreichender notarspezifischer Bezüge unberücksichtigt. Beim weiteren Beteiligten verblieb es bei den bereits zuerkannten 136,55 Punkten. Mit Schreiben vom 15. Mai 2008 unterrichtete der Antragsgegner den Antragsteller über die neu ermittelten Gesamtpunktzahlen und teilte ihm mit, dass er beabsichtige, die Stelle dem nunmehr vor ihm platzierten weiteren Beteiligten zu übertragen.
Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Antragsteller in der Hauptsache begehrt, den Antragsgegner unter Aufhebung des vorgenannten Bescheides zu verpflichten, ihn zum Notar im Amtsgerichtsbezirk A. zu bestellen, hilfsweise, ihn auf seine Bewerbung hin neu zu bescheiden. Das Oberlandesgericht hat unter Zurückweisung des Hauptantrags dem Hilfsantrag stattgegeben. Dagegen richten sich die sofortigen Beschwerden, mit denen der Antragsteller seinen Hauptantrag weiterverfolgt und der weitere Beteiligte die Zurückweisung auch des Hilfsantrages begehrt.
II. Die sofortigen Beschwerden sind zulässig (§ 111 Abs. 4 BNotO, § 42 Abs. 4 BRAO). Insbesondere ist auch beim weiteren Beteiligten die gemäß § 111 Abs. 4 Satz 2 BNotO, § 46 Abs. 6 Satz 2 BRAO, § 20 Abs. 1 FGG erforderliche materielle Beschwer gegeben. Durch den mit dem Hilfsantrag auf Neubescheidung erzielten Teilerfolg des Antrags auf gerichtliche Entscheidung wird nicht nur die vorgesehene Besetzung mit dem Beteiligten zu seinen Ungunsten verzögert, vielmehr begründet dies unmittelbar auch die Gefahr, dass die Stelle mit dem konkurrierenden Antragsteller besetzt wird. Die dem Antragsgegner bindende Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts ermöglicht eine Neubescheidung zum Nachteil des Beteiligten. Er kann daher diese Entscheidung des Oberlandesgerichts überprüfen lassen, ohne zunächst einen - ihn belastenden - neuen Bescheid des Antragsgegners abwarten zu müssen (Senat, Beschlüsse vom 23. Juli 2007 - NotZ 35/07 - juris Rn. 5 und 28. November 2005 - NotZ 26/05 - DNotZ 2006, 228, 229; jeweils m.w.N.).
Die Rechtsmittel haben indessen in der Sache keinen Erfolg.
1. Sofortige Beschwerde des Antragstellers Ohne Erfolg beanstandet der Antragsteller, die Auswahlentscheidung sei bereits deswegen rechtswidrig, weil der Antragsgegner zu seinen Lasten die nachgemeldete Fortbildungsveranstaltung als nicht fristgerecht unberücksichtigt gelassen habe, während die ebenfalls nachgereichten Bescheinigungen des Notars L. vom 13. August 2007 und die des Präsidenten des Landgerichts vom 14. August und 21. November 2007 zugunsten des weiteren Beteiligten Berücksichtigung gefunden hätten (a). Zu Unrecht wendet er sich ferner gegen die ihm für seine Dissertation nicht gewährten (b) und die dem Beteiligten für seine Langzeitvertretungen zugesprochenen Sonderpunkte (c). Schließlich greifen die weiteren gegen die Berechnung der dem weiteren Beteiligten für getätigte Urkundsgeschäfte zuerkannten Punkte erhobenen Einwände nicht durch (d).
a) Der Antragsgegner hat die Stichtagsregelung des § 6b Abs. 4 Satz 1 BNotO insgesamt fehlerfrei angewandt.
aa) Zu Recht hat er die Teilnahme an der Fortbildungsveranstaltung unberücksichtigt gelassen, die der Antragsteller bei seiner Bewerbung irrtümlich nicht angegeben und erstmalig nach Ablauf der Bewerbungsfrist in seinem die Bewerbungsangaben korrigierenden Schriftsatz vom 15. Januar 2008 erwähnt und belegt hat. Eine Anrechnung nach § 17 Abs. 2 Nr. 3 AVNot 2004 bei der Punkteermittlung kam danach nicht in Betracht, weil der Antragsteller die hierfür erforderlichen Nachweise entgegen § 6b Abs. 4 Satz 1 BNotO nicht innerhalb der Bewerbungsfrist beigebracht hat.
Nach dieser Vorschrift sind bei der Auswahlentscheidung nach § 6 Abs. 3 BNotO nur solche Umstände zu berücksichtigen, die bei Ablauf der Bewerbungsfrist bereits vorlagen. Die Justizverwaltung darf die fachliche Eignung eines Bewerbers um das Amt des Notars nur dann bejahen, wenn diese bis zum Ablauf der Bewerbungsfrist nachgewiesen ist, soweit es sich nicht um bloße nachträgliche Erläuterungen eines bereits rechtzeitig eingebrachten Umstands handelt. Das gilt, anders als der Antragsteller meint, nicht nur für die Erbringung, sondern vor allem auch für den Nachweis der fachlichen Leistungen. Dieser setzt neben der Mitteilung des Bewerbers, welche von ihm bei der Vorbereitung auf den Notarberuf bereits erbrachten Leistungen zu seinen Gunsten in die Auswahlentscheidung einbezogen werden sollen, die fristgemäße Vorlage entsprechender Bescheinigungen voraus. Insoweit dient die Festlegung des Stichtags der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, aber auch der Gleichbehandlung aller Bewerber aufgrund einer einheitlichen Bewerbungssituation, die nur gewährleistet ist, wenn zu Beginn des Auswahlverfahrens sämtliche für jeden Bewerber maßgeblichen Kriterien feststehen (st. Rspr.; siehe nur Senat BGHZ 165, 146, 154 f.; 126, 39, 46 ff.; Beschlüsse vom 11. August 2009 - NotZ 5/09 Rn. 9; vom 17. November 2008 - NotZ 18/08 - juris Rn. 6; vom 20. November 2006 - NotZ 15/06 - NJW 2007, 1283 Rn. 32 und vom 11. Juli 2005 - NotZ 29/04 - ZNotP 2005, 431, 433; jeweils m.w.N.).
Für die vom Antragsteller unter Berufung auf die im Bewerbungsverfahren geäußerte Auffassung der Westfälischen Notarkammer vom 29. Oktober 2007 und vom 11. April 2008, die Entstehungsgeschichte (BT-Drucks. 13/4184) und Teile der Literatur (Schmitz-Valckenberg in Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG 2. Aufl. § 6b BNotO Rn. 12) verlangte Handhabung, es genüge, wenn die berücksichtigungsfähigen Umstände bei Ablauf der Bewerbungsfrist vorhanden waren, der Nachweis könne dann stets nachgereicht werden, ist gegenüber der gefestigten, soweit ersichtlich in der Literatur nicht dezidiert angegriffenen Rechtsprechung des Senats kein Raum. Dabei ist zu betonen, dass mit dieser Rechtsprechung keine Unzuträglichkeiten für die Bewerber verbunden sind. Es versteht sich, dass etwa dann, wenn die Bestätigung des Veranstalters über eine kurz vor Ende der Bewerbungsfrist besuchte Fortbildungsveranstaltung erst nach Ablauf der Frist erstellt wird und deshalb nicht rechtzeitig vorgelegt werden kann, eine nachgereichte Bescheinigung berücksichtigt werden kann, da insoweit die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 6b Abs. 3 BNotO erfüllt sind (vgl. Senat, Beschluss vom 20. November 2006 - NotZ 15/06 - ZNotP 2007, 70, 73 Rn. 33). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, da der Besuch der Veranstaltung und die Erteilung der Bescheinigung mehr als ein Jahr vor dem Ende der Bewerbungsfrist erfolgten.
Dies alles gilt im Streitfall umso mehr, als der Antragsteller die Fortbildungsveranstaltung bei Bewerbungsschluss noch nicht einmal erwähnt hatte, sie als anrechnungsfähiger Umstand mithin noch nicht einmal eingebracht war; die allgemeine Bitte, besuchte Fortbildungsveranstaltungen zu berücksichtigen, ist keinesfalls ausreichend.
Auch eine "am Gerechtigkeitsdenken orientierte" Sichtweise, wie sie der Antragsteller einfordert, weil zu seinen Lasten die korrigierten, zu einem Abzug von 0,7 Punkten führenden Notarbescheinigungen über Urkundsgeschäfte zugrunde gelegt wurden, gebietet keine andere Beurteilung. Die gebotene Korrektur bereits vorgelegter, aber fehlerbehafteter Nachweise ist etwas anderes als die Anerkennung einer neu vorgelegten (fehlerfreien) Qualifizierungsbescheinigung.
Es handelt sich bei letzterer auch nicht um eine rein ergänzende Erläuterung, mit der in zulässiger Weise bloße Mängel rechtzeitig eingebrachter und an sich belegter Umstände behoben werden könnten (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 14. Juli 2003 - NotZ 2/03 - NJW 2003, 2752, 2753). Die Fortbildungsveranstaltung, deren Meldung zunächst versehentlich unterblieben war, sollte vielmehr als qualifizierender Umstand nach Ende der Bewerbungsfrist erstmalig eingebracht und nachgewiesen werden.
bb) Die vom Antragsteller beanstandeten Bescheinigungen des Notars L. und des Präsidenten des Landgerichts zugunsten des weiteren Beteiligten enthalten dagegen solche zulässigen nachträglichen näheren Erläuterungen und Klarstellungen bereits rechtzeitig eingebrachter und im Wesentlichen belegter Umstände aus dem Bereich Beurkundungen und (Langzeit-)Vertretungen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 17. November 2008 - NotZ 16/08 - juris Rn. 13; vom 14. April 2008 - NotZ 119/07 - NJW-RR 2008, 1292, 1294 Rn. 22 und vom 22. November 2004 - NotZ 16/04 - NJW 2005, 212, 214).
Unter dem 13. August 2007 bescheinigte Notar Lengelsen - im Nachgang zu seiner Bescheinigung vom 15. Juni 2007 - lediglich, dass die Vertretungszeit im Wesentlichen unter Beachtung der maßgeblichen berufsrechtlichen Vorschriften (BNotO, BeurkG, DONot, Richtlinien der Notarkammer nach § 67 Abs. 2 BNotO) durchgeführt worden ist. Diese zusätzliche Bescheinigung wird erst seit der Änderung der AVNot durch die Allgemeine Verfügung vom 4. November 2004 verlangt (§ 18 Abs. 2 Nr. 5 AVNot n.F.). Das Fehlen dieser "Formalie" in der ursprünglichen Bescheinigung ist dadurch zu erklären, dass vom Notar Lengelsen noch ein alter Bescheinigungsvordruck benutzt worden war, der diese weitere Erklärung noch nicht enthalten hatte. Die "nachgeschobene" Bescheinigung änderte jedoch nichts daran, dass die wesentliche Information - Anzahl und Beschaffenheit der vom Notarvertreter in der Vertretungszeit getätigten Urkundsgeschäfte - in der gebotenen Form vor Ablauf der Bewerbungsfrist vorgelegen hatte.
Auch bei den beiden Bescheinigungen des Präsidenten des Landgerichts handelt es sich um entsprechende bloße Präzisierungen (vgl. Senatsbeschluss vom 17. November 2008 aaO). Die in der Bewerbung bereits angegebene Verwaltung des Notariats K. lief bei Bewerbungsschluss noch; es liegt demnach auf der Hand, dass die am 14. August 2007 erteilte Bescheinigung über die im Verwaltungszeitraum getätigten Urkundsgeschäfte, die ohnehin von dem im Bewerbungsverfahren berichtspflichtigen Präsidenten des Landgerichts als Aufsichtsbehörde zu fertigen war (vgl. § 17 Abs. 2 Nr. 4 AVNot 2004), erst nach Ablauf der Bewerbungsfrist erstellt werden konnte.
Die zusätzlich vom Antragsgegner angeforderte Bescheinigung des Präsidenten des Landgerichts vom 21. November 2007 über die Beurkundungstätigkeit in der Zeit vom 17. bis 27. Mai 2007 diente lediglich dazu, beim Antragsgegner entstandene Zweifel über die Bewertung der für die im Zeitraum vom 17. April 2004 bis 30. Juni 2004 in der Bescheinigung des Notars K. vom 31. Dezember 2006 ausgewiesenen fünf berücksichtigungsfähigen Niederschriften dadurch auszuräumen, dass die einzelnen Urkundstätigkeiten - was nach den Vorgaben des Vordrucks nicht erforderlich ist - "taggenau" dokumentiert werden.
Die im Zusammenhang mit der verspäteten Vorlage von Bescheinigungen von dem weiteren Beteiligten und dem Antragsteller gegenseitig geäußerten Zweifel an der persönlichen Eignung des Bewerbungsgegners sind haltlos; für die Auswahlentscheidung ist dieser Streit ohne jegliche Bedeutung.
b) Beurteilungsfehlerfrei hat der Antragsgegner die Dissertation des Antragstellers aus dem Bereich des Koalitions- und Tarifrechts nicht für sonderpunktfähig i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 6 g AVNot 2004 eingestuft. Eine solche Promotion besagt lediglich, dass der Antragsteller in der Lage ist, zu einem ihm gestellten Thema wissenschaftlich zu arbeiten. Es handelt sich um eine allgemeine juristische Leistung, die in keiner Sonderbeziehung zum Notarberuf steht. Sie hat grundsätzlich keine Aussagekraft für die Befähigung, das Amt als Notar in der täglichen Praxis auszuüben (st. Rspr.; Senat BGHZ 124, 327, 338; Beschlüsse vom 20. November 2006 - NotZ 15/06 - ZNotP 2007, 70, 74 Rn. 40; und vom 24. Juli 2006 - NotZ 11/06 - ZNotP 2006, 435, 436 Rn. 13 sowie NotZ 3/06 - ZNotP 2006, 392, 393 Rn. 8). Die vom Antragsteller demgegenüber herausgestellten Bezüge seiner Arbeit zu Fragen "auch notarspezifischen Ursprungs" vermögen eine hinreichende Zusatzqualifizierung für die notarielle Praxis, wie sie für die Vergabe von Sonderpunkten erforderlich ist, nicht zu untermauern.
c) Die Vergabe von Sonderpunkten für die beiden Langzeitvertretungen des weiteren Beteiligten weist trotz der - auch in der Stellungnahme der westfälischen Notarkammer vom 29. Oktober 2007 angemerkten - zahlenmäßig geringen Urkundsgeschäfte während der jeweiligen Zeiträume vom 17. April bis 30. Juni 2004 und vom 1. Januar bis 15. Juni 2007 im Ergebnis keine Beurteilungsfehler auf.
Mit den Sonderpunkten wird nicht die Beurkundungstätigkeit als solche honoriert - diese fließt bereits über § 17 Abs. 2 Nr. 4 AVNot 2004 in die Ermittlung der Gesamtpunktzahl ein -, sondern die mit der Leitung eines Notariats verbundene Führungsverantwortung in organisatorischer, personeller und technischer Hinsicht (Senat, Beschlüsse vom 17. November 2008 - NotZ 16/08 - juris Rn. 14 und 14. April 2008 - NotZ 1/08 - juris Rn. 8 m.w.N.). Dabei hat der Antragsgegner in nicht zu beanstandender Weise die Größe des Notariats nach den unterschiedlichen Urkundsaufkommen in den beiden Zeiträumen gewichtet und dementsprechend verschieden mit 0,2 Punkten bzw. 0,1 Punkten je Vertretungsmonat bewertet (vgl. Senat, Beschluss vom 24. Juli 2006 - NotZ 3/06 - aaO Rn. 7: 0,5 Sonderpunkte pro Halbjahr bei Notarvertretung bzw. -verwaltung von durchschnittlichem Umfang; siehe ferner Senat, Beschluss vom 23. Juli 2007 - NotZ 8/07 - NJW-RR 2008, 567 Rn. 9: 0,5 Punkte pro Halbjahr für Tätigkeiten beim Aufbau des Notariatswesens in Bosnien und Herzegowina ohne praktische Beurkundungstätigkeit).
d) Auf einem Missverständnis beruht schließlich der Einwand des Antragstellers, bei den dem Beteiligten zuerkannten Punkten für von ihm vorgenommene Beurkundungen ergebe sich eine bislang nicht aufgeklärte Divergenz von 8,5 Punkten. Aus den auf diesen Einwand dem Antragsteller bereits vom Oberlandesgericht übersandten Bewerbungsunterlagen des weiteren Beteiligten ergibt sich unschwer, dass dem Beteiligten für die einzelnen bescheinigten Urkundsgeschäfte insgesamt 80 Punkte anerkannt wurden und zwar 57,2 Punkte gemäß Bescheinigungen Notar K. (328 x 0,1 Punkte + 122 x 0,2 Punkte) und 22,8 Punkte gemäß Bescheinigungen Notar L. (132 x 0,1 Punkte + 48 x 0,2 Punkte). Die Erwägungen des Antragstellers über etwaige Doppelzählungen entbehren daher jeder Grundlage.
2. Sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten Zutreffend hat das Oberlandesgericht ausgeführt, dass der Antragsgegner bei der Bewerberauswahl zwischen den Beteiligten und dem Antragsteller den ihm in § 6 Abs. 3 Satz 1 und 2 BNotO eingeräumten Beurteilungsspielraum (BGHZ 124, 327, 330 ff.) überschritten und damit den Antragsteller in seinen Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1, Art. 33 Abs. 2 GG rechtswidrig beeinträchtigt hat (vgl. § 111 Abs. 1 BNotO), weil er dem weiteren Beteiligten allein aufgrund der von diesem nach dem Punktesystem der AVNot 2004 erzielten höheren Gesamtpunktzahl den Vorzug gegeben hat und nicht - wie es geboten gewesen wäre - über den bloßen Vergleich der erzielten Punkte hinaus eine abschließende, alle Gesichtspunkte umfassende Beurteilung der fachlichen Eignung der Bewerber vorgenommen hat (Senat, Beschluss vom 26. März 2007 - NotZ 38/06 - NJW-RR 2007, 1130, 1132 Rn. 17 m.w.N.).
a) Allerdings bestehen keine Bedenken dagegen, dass der Antragsgegner zur Auswahl unter mehreren Bewerbern um eine freie Notarstelle deren fachliche Leistung nach dem Punktesystem gemäß AVNot 2002 in der - im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 110, 304, 324 ff.) modifizierten - Fassung der AVNot 2004 bewertet (Senat, Beschluss vom 26. März 2007 aaO S. 1131 Rn. 10) und grundsätzlich dem punktstärksten Bewerber den Vorzug gibt (Senat, Beschlüsse vom 24. Juli 2006 - NotZ 3/06 - ZNotP 2006, 392, 393 f. Rn. 13 und - NotZ 11/06 - NJW 2006, 3211 f. Rn. 7). Jedoch bergen das Punktesystem und die darauf beruhende Einordnung der fachlichen Qualifikation der Bewerber in einer Rangskala die Gefahr, dass den Besonderheiten des Einzelfalles nicht immer ausreichend Rechnung getragen und daher das Maß der fachlichen Eignung des einzelnen Bewerbers unvollständig ermittelt oder unzutreffend in einen Vergleich mit derjenigen der Mitbewerber eingestellt wird. Daher ist vor einer endgültigen Auswahl zu prüfen, ob für die jeweiligen Bewerber besondere Umstände ersichtlich sind, die in das an festen Kriterien (Examensnote, Dauer der anwaltlichen Tätigkeit, theoretische Fortbildung, praktische Beurkundungserfahrung) ausgerichtete Punktesystem keinen Eingang gefunden haben, aber dennoch zu berücksichtigen sind, um die Kenntnisse und Fähigkeiten des Bewerbers zutreffend und vollständig zu erfassen. Dem trägt die AVNot 2004 zunächst mit der in § 17 Abs. 2 Nr. 6 vorgesehenen Vergabe von Sonderpunkten Rechnung. Darüber hinaus ist aber auch zu fragen, ob die in das Punktesystem aufgenommenen Kriterien und sonst eingeflossenen Gesichtspunkte im jeweiligen Einzelfall angemessen gewichtet sind. Hierzu ist zu prüfen, ob der ermittelte Rang eines Bewerbers etwa deswegen dessen fachliche Eignung im Vergleich zu schlechter platzierten Mitbewerbern unzutreffend widerspiegelt, weil die für ihn errechnete Gesamtpunktzahl maßgeblich durch eine einseitige Betonung eines der festen Bewertungskriterien bedingt ist, etwa auf einer im großen Umfang ausgeübten Beurkundungstätigkeit beruht, während eine nennenswerte Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen nicht zu verzeichnen ist; denn die fachliche Eignung lässt sich nur unter Heranziehung beider Komponenten - der theoretischen Fortbildung wie der praktisch erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse - zuverlässig beurteilen (Senat, Beschlüsse vom 23. Juli 2007 - NotZ 10/07 - juris Rn. 14 und - NotZ 8/07 - ZNotP 2007, 475, 477 Rn. 13 f.; vom 26. März 2007 aaO Rn. 17 ff. und vom 24. Juli 2006 - NotZ 3/06 - ZNotP 2006, 392, 394 Rn. 16; jeweils m.w.N.).
b) Ein derartiger Sonderfall liegt hier vor.
Der weitere Beteiligte hat sein Gesamtpunktergebnis im Wesentlichen aus Beurkundungen erzielt, wobei ihm 60 Beurkundungspunkte unmittelbar gut geschrieben wurden, während weitere 20 "Beurkundungspunkte" nach Maßgabe des § 17 Abs. 2 Nr. 5 Satz 2 AVNot 2004 auf den Bereich Fortbildungen übertragen wurden. Diese - im Kern nicht zu beanstandende - "Berechnungsmodalität" darf aber den Blick darauf nicht verstellen, dass der Beteiligte mit Ausnahme des Grundkurses keine einzige Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen nachgewiesen und daher keinen einzigen "echten" Fortbildungspunkt erzielt hat. Es besteht demnach ein evidentes Ungleichgewicht zwischen theoretisch und praktisch erworbenem Wissen. Diese einseitige Qualifizierung spiegelt sich zusätzlich bei einem Vergleich der Ergebnisse des zweiten Staatsexamens und in der Vergabe von 1,05 Sonderpunkten für Langzeitvertretungen wider. Bei der deswegen gebotenen wertenden Gesamtschau sind alle relevanten Gesichtspunkte, also - entgegen der Auffassung des weiteren Beteiligten - auch etwaige Erkenntnisse, die sich aus den so genannten festen Kriterien für die Punktebemessung und dem gesamten beruflichen Werdegang ziehen lassen, zu berücksichtigen. Daher musste der Antragsgegner prüfen, ob Anlass bestehen konnte, den Antragsteller, bei dem ein einigermaßen ausgewogenes Verhältnis der beiden Kriterien "Fortbildung" und "Beurkundungen" (17,5 Punkte zu 37,6 Punkte) und eine insgesamt gleichmäßigere Qualifizierung über Theorie und Praxis zu verzeichnen ist, trotz seiner nur um 0,35 Punkte geringeren Gesamtpunktzahl vorzuziehen. Diese wertende Gesamtschau hat der Antragsgegner bislang - entgegen der Auffassung des weitere Beteiligten - nicht vorgenommen; sie ist insbesondere nicht - worauf das Oberlandesgericht zutreffend hinweist - durch den ersten Besetzungsbericht obsolet geworden.
Schlick Wendt Herrmann Eule Brose-Preuß
Vorinstanz:
OLG Köln, Entscheidung vom 20.02.2009 - 2 VA (Not) 20/08 -
BGH:
Beschluss v. 26.10.2009
Az: NotZ 1/09
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