Anwaltsgerichtshof Rostock:
Beschluss vom 25. Juli 2007
Aktenzeichen: AGH 6/07 (II/03)

(AGH Rostock: Beschluss v. 25.07.2007, Az.: AGH 6/07 (II/03))

Nach § 44 Satz 2 StPO, der gem. § 116 Satz 2 BRAO für das anwaltsgerichtliche Verfahren entsprechend gilt, ist die Versäumung einer Rechtsmittelfrist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den §§ 35a, 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 StPO unterblieben ist. § 35a StPO schreibt vor, dass der Betroffene über die Möglichkeiten der Anfechtung und die dafür vorgeschriebenen Fristen und Formen bei Bekanntmachung der Entscheidung zu belehren ist. Zu belehren ist der Betroffene selbst dann, wenn er rechtskundig oder durch einen Anwalt verteidigt oder vertreten ist. Die Form der Belehrung hat klar, unmissverständlich und vollständig zu sein. Sie muss Angaben über die Möglichkeit der Anfechtung, die Art des Rechtsmittels, die dafür vorgesehene Frist und Form, den Beginn der Frist, das Gericht bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, und die Tatsache, dass das Rechtsmittel innerhalb der Frist bei dem bezeichneten Gericht eingegangen sein muss enthalten. Das Unterlassen der Belehrung führt zur Anwendung des § 44 Satz 2 StPO, wobei die unvollständige Belehrung der unterlassenen Belehrung gleichsteht.

Tenor

1. Dem Rechtsanwalt wird auf seinen Antrag vom 24.05.2007 Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des Anwaltsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 03.05.2007, Az.: I AG 16/06, bewilligt.

2. Die sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts vom 24.05.2007 gegen den Beschluss des Anwaltsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 03.05.2007, Az.: I AG 16/06, wird zurückgewiesen.

3. Der Rechtsanwalt trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und seine eigenen notwendigen Auslagen.

4. Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf 250,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Rechtsanwalt wendet sich gegen die im anwaltsgerichtlichen Verfahren ergangene Kostenfestsetzung.

Mit Beschluss vom 26.03.2007 setzte das Anwaltsgerichts Mecklenburg-Vorpommern (fortan: Anwaltsgericht) die entsprechenden Kosten auf 515,00 € fest und bestimmte hierzu, dass sich der Betrag - aus den im Einzelnen aufgeführten - Zustellungs- und Gerichtskosten sowie den Zeugenauslagen zusammensetzt. Dagegen legte der Rechtsanwalt unter dem 13.04.2007 Erinnerung ein und wandte sich vor allem gegen die Erstattungspflicht der festgesetzten Zeugenauslagen.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 03.05.2007 wies das Anwaltsgericht die Erinnerung zurück und begründete dies damit, das Rechtsmittel sei sowohl unzulässig wie unbegründet. In der erteilten Rechtsmittelbelehrung heißt es:

"Gemäß § 199 Abs. 2 S. 3 BRAO kann gegen die Entscheidung des Anwaltsgerichts sofortige Beschwerde eingelegt werden".

Dieser Beschluss wurde dem Rechtsanwalt am 10.05.2007 zugestellt. Dagegen gerichtet legte er unter dem 24.05.2007, eingegangen beim Anwaltsgericht am gleichen Tage, sofortige Beschwerde ein und stellte hilfsweise den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand.

Der Rechtsanwalt teilte mit, die Begründung der sofortigen Beschwerde bleibe einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten. Zum Hilfsantrag auf Wiedereinsetzung führt er an, der Zurückweisungsbeschluss vom 04.05.2007 genüge nicht den an eine Rechtsmittelbelehrung zu stellenden Anforderungen.

II.

Der gem. §§ 116 Satz 2 BRAO, 45 StPO zulässige Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde ist begründet.

1. Die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde (§ 199 Abs. 2 Satz 3 BRAO) gegen die Festsetzung der Kosten des Verfahrens vor dem Anwaltsgericht nach § 199 BRAO beträgt gem. §§ 116 Satz 2 BRAO, 311 Abs. 2 StPO eine Woche. Diese Frist hat der Rechtsanwalt versäumt.

2. Indes war er an der Einhaltung der Frist ohne sein Verschulden gehindert, so dass ihm auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren ist.

a) Nach § 44 Satz 2 StPO, der gem. § 116 Satz 2 BRAO für das anwaltsgerichtliche Verfahren entsprechend gilt, ist eine Rechtsmittelfrist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den §§ 35a, 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 StPO unterblieben ist. § 35a StPO schreibt vor, dass der Betroffene über die Möglichkeiten der Anfechtung und die dafür vorgeschriebenen Fristen und Formen bei Bekanntmachung der Entscheidung zu belehren ist. Zu belehren ist der Betroffene auch selbst dann, wenn er rechtskundig oder durch einen Anwalt verteidigt oder vertreten ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., § 35a Rn. 4 m.w.N.). Die Form der Belehrung hat klar, unmissverständlich und vollständig zu sein (Meyer-Goßner, a.a.O., § 35a Rn. 7; BGHSt 24, 15, 25). Sie muss Angaben über die Möglichkeit der Anfechtung, die Art des Rechtsmittels, die dafür vorgesehene Frist und Form, den Beginn der Frist, das Gericht bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, und die Tatsache, dass das Rechtsmittel innerhalb der Frist bei dem bezeichneten Gericht eingegangen sein muss (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 35a Rn. 10 m.w.N.), enthalten. Das Unterlassen der Belehrung führt zur Anwendung des § 44 Satz 2 StPO, wobei die unvollständige Belehrung der unterlassenen Belehrung gleichsteht (Meyer-Goßner, a.a.O., § 35a Rn. 13; BGH, NStZ 1984, 181).

b) Die vorliegend vom Anwaltsgericht verwendete (formularmäßige) Belehrung genügt diesen Anforderungen nur unvollständig, denn sie beschränkt sich auf die Wiedergabe des Gesetzeswortlautes nach § 199 Abs. 2 Satz 3 BRAO, ohne mit der verlangten Klarheit die Frist, die Form und den Beginn der Frist, das Gericht, bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist und den Eingang des Rechtsmittels bei dem zuständigen Beschwerdegericht, auszuweisen. Folglich ist dem Rechtsanwalt Wiedereinsetzung nach § 44 Satz 2 StPO zu gewähren.

III.

Die mit der gewährten Wiedereinsetzung als zulässig zu behandelnde sofortige Beschwerde erweist sich als unbegründet.

Denn zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, hat das Anwaltsgericht in dem angefochtenen Beschluss auch die Auferlegung der Zeugenauslagen, die durch die durchgeführte Beweisaufnahme entstanden sind, für gerechtfertigt erachtet. Die - trotz Ankündigung - nicht begründete Beschwerde bringt dagegen nichts Entscheidungserhebliches vor.

IV.

Die Kostenentscheidung begründet sich aus §§ 116 BRAO, 473 StPO. Die Festsetzung des Geschäftswertes hat ihre Rechtsgrundlage in § 202 Abs. 2 BRAO i. V. m. § 30 KostO und entspricht dem Kosteninteresse des Rechtsanwalts, nicht für die angefallenen Zeugenauslagen aufkommen zu müssen.






AGH Rostock:
Beschluss v. 25.07.2007
Az: AGH 6/07 (II/03)


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