Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. November 2001
Aktenzeichen: 7 W (pat) 53/00

(BPatG: Beschluss v. 14.11.2001, Az.: 7 W (pat) 53/00)

Tenor

Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluß der Patentabteilung 13 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 8. Juni 2000 aufgehoben und das Patent in der erteilten Fassung aufrechterhalten.

Gründe

I Die Beschwerde der Patentinhaberin ist gegen den Beschluß der Patentabteilung 13 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. Juni 2000 gerichtet, mit dem das am 7. Juli 1989 angemeldete Patent 39 22 447, für das die Priorität einer Voranmeldung in Japan (JP 188828/88) vom 27. Juli 1988 in Anspruch genommen ist, nach Prüfung eines gegen das Patent erhobenen, auf den Widerrufsgrund der fehlenden Patentfähigkeit gestützten Einspruchs mit der Begründung widerrufen worden ist, dass sein Gegenstand gegenüber dem Stand der Technik nach der deutschen Offenlegungsschrift 37 24 420 nicht mehr neu sei.

Die Patentinhaberin hat der Auffassung des Beschlusses widersprochen und mit Schriftsatz vom 4. April 2000 den Antrag gestellt, den Beschluß vom 8. Juni 2000 aufzuheben und das Patent wie erteilt aufrechtzuerhalten.

Die Einsprechende hat sich zum Beschwerdevorbringen sachlich nicht geäußert und auch keine Anträge gestellt. Sie hat mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2001 mitgeteilt, dass sie an der - auf Antrag der Beschwerdeführerin für den 7. November 2001 anberaumten - mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde. Der Verhandlungstermin ist daraufhin von Amts wegen aufgehoben worden.

Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:

"Regeleinrichtung für eine Brennkraftmaschine mit einem Zylinderdiskriminiersensor, der ein Zylinderdiskriminiersignal erzeugt; einem in jedem Motorzylinder vorgesehenes Kraftstoffeinspritzventil, korrespondierend zu den Zylindern vorgesehenen Zündspulen und einer Fehlzündungs-Detektiervorrichtung, die einen Fehlzündungszustand in irgendeinem Zylinder abhängig vom Zustand eines Signals der Zündspule erfasst; dadurch gekennzeichnet, dass eine Erfassungsvorrichtung für den fehlzündenden Zylinder das Zylinderdiskriminiersignal, das Kurbelwinkelsignal und das Ausgangssignal der Fehlzündungs-Detektiervorrichtung empfängt und allein durch Verarbeiten der genannten Signale erfasst, dass der Fehlzündungszustand kontinuierlich am selben Zylinder auftritt, und das dem fehlzündenden Zylinder zugeordnete Kraftstoffeinspritzventil selbsttätig schliesst."

Die erteilten Patentansprüche 2 bis 4 sind auf Merkmale gerichtet, mit denen die Regeleinrichtung nach Patentanspruch 1 weiter ausgebildet werden soll.

Laut Patentschrift DE 39 22 447 C2 (Sp 1 Z 28 bis 32) liegt die Aufgabe zugrunde, eine Regeleinrichtung für eine Brennkraftmaschine zu schaffen, welche einfach aufgebaut ist und eine Beschädigung des Katalysators sowie einen Brand verhindern kann.

Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig. Sie hat auch Erfolg.

Die erteilten Patentansprüche sind zulässig; ihre Merkmale sind in den ursprünglichen Unterlagen offenbart.

Der Patentgegenstand stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne von § 1 bis § 5 PatG dar.

Die Regeleinrichtung gemäß Patentanspruch 1 ist gegenüber dem Stand der Technik nach der deutschen Offenlegungsschrift 37 24 420 neu.

Sie weist in gegliedeter, am Vorschlag der Patentinhaberin angelehnter Fassung folgende Komponenten bzw Merkmale auf:

1. einen Zylinderdiskriminiersensor, der ein Zylinderdiskriminiersignal erzeugt;

2. ein Kraftstoffeinspritzventil in jedem Motorzylinder;

3. Zündspulen, die korrespondierend zu den Zylindern vorgesehen sind;

4. eine Fehlzündungs-Detektiervorrichtung, die einen Fehlzündungszustand in irgendeinem Zylinder abhängig vom Zustand eines Signals der Zündspule erfasst;

5. eine Erfassungsvorrichtung für den fehlzündenden Zylinder, die 5.1 das Zylinderdiskriminiersignal, das Kurbelwinkelsignal und das Ausgangssignal der Fehlzündungs-Detektiervorrichtung empfängt, 5.2 allein durch Verarbeiten der genannten Signale erfasst, dass der Fehlzündungszustand kontinuierlich am selben Zylinder auftritt, und 5.3 das dem fehlzündenden Zylinder zugeordnete Kraftstoffeinspritzventil selbsttätig schliesst.

Die deutsche Offenlegungsschrift 37 24 420 betrifft eine Anmeldung, die vor dem Anmeldetag des angefochtenen Patents angemeldet, aber nach dessen Prioritätstag veröffentlicht worden ist. Sie stellt damit einen Stand der Technik dar, der nur bei der Neuheitsprüfung zu berücksichtigen ist (vgl § 3 Abs 2 und § 4 Satz 2 PatG).

Sie beschreibt eine Regeleinrichtung für eine Brennkraftmaschine, mit der in Übereinstimmung mit der Aufgabe nach dem angefochtenen Patent der Gefahr einer Zerstörung des Katalysators und eines Brandes begegnet werden soll. Diese Gefahr entsteht bekanntermaßen, wenn infolge von Zündungsaussetzern unverbrannte Gase den Zylinder verlassen und an nachfolgenden heißen Bauteilen, beispielsweise im Katalysator, nachverbrennen (Sp 1 Z 36 bis 46 und Patentschrift Sp 1 Z 12 bis 21). Die bekannte wie die patentgemäße Regeleinrichtungen zielen - ebenfalls übereinstimmend - darauf ab, nichtzündende Zylinder zu identifizieren und die Kraftstoffzufuhr zu diesen Zylindern zu unterbinden (Offenlegungsschrift Sp 2 Z 20 bis 26, Patentschrift Sp 4 Z 30 bis 34).

Wie der Fachmann, als hier zuständig wird ein Fachhochschulingenieur des Maschinenbaus angesehen, der auf dem Gebiet der Regelungs- und Steuerungstechnik für Brennkraftmaschinen seit mehreren Jahren tätig ist, aus der entgegengehaltenen Offenlegungsschrift erfährt, gründet die bekannte Regeleinrichtung auf der Erkenntnis, dass ein nichtzündender Zylinder kein Drehmoment abgibt, woraus eine Ungleichförmigkeit der Drehbewegung der Kurbelwelle resultiert, deren messtechnische Erfassung zur Identifizierung eines nichtzündenden Zylinders herangezogen werden kann (Sp 2 Z 30 bis 36). Dazu sei lediglich nötig, die Zeit von zwei aufeinanderfolgenden Kurbelwellensignalen zu messen und mit der Zündung, die üblicherweise über Kurbelwellensignale ausgelöst wird, zu korrelieren (Sp 2 Z 36 bis 43). Folgerichtig verwendet die bekannte Regeleinrichtung (Fig 1 und zugehörige Beschreibung) ausschließlich Sensoren (8 bzw 5) zur Erfassung von Kurbelwellensignalen (A bzw B u C gem Fig 3) und leitet die Ausgangssignale einer Auswertungseinrichtung (Rechner 9) zur Identifizierung des nichtzündenden Zylinders zu. Der eine Sensor (5) misst die Zeit aufeinanderfolgender Zähne eines an der Kurbelwelle befestigten Zahnrads (4) (Signal C in Fig 3) und erfasst zudem die zylinderspezifischen Bezugsmarken der Kurbelwelle (Signal B in Fig 3). Letztere entsprechen dem Kurbelwinkelsignal beim Patentgegenstand. Der andere Sensor (8), der an der Nockenwelle befestigt sein kann, erzeugt ein Referenzsignal, das die Zuordnung der Signale zu den einzelnen Zylindern erlaubt. Es entspricht dem Zylinderdiskriminiersignal bei der patentgemäßen Regeleinrichtung. Im Rechner (9) wird aus den Signalwerten ein Momentandrehzahlverlauf errechnet (Fig 3 unten) und dieser daraufhin überprüft, ob und ggf nach welchem Zylinder wesentlich verringerte Drehzahlanstiege festzustellen sind. Soweit eine entsprechende Drehzahlverringerung erkannt wird, kann diese aufgrund der erfassten Kurbelwellenlage in Verbindung mit der vorgegebenen Zündfolge eindeutig einem Zylinder zugeordnet und daraufhin im folgenden Arbeitsspiel die Unterbrechung der Kraftstoffzufuhr zu diesem Zylinder durch den Rechner veranlasst werden. (Sp 4 Z 20 bis 51 iVm Fig 3).

Die bekannte Regeleinrichtung stimmt daher insoweit mit dem angefochtenen Patentgegenstand überein, als ebenfalls ein Zylinderdiskriminiersensor (Merkmal 1 des Anspruchs 1 gemäß obiger Anspruchsgliederung), ein Kraftstoffeinspritzventil für jeden Motorzylinder ("sequentielle Einspritzung" n Fig 3 und Sp 3 Z 32 bis 39; Merkmal 2), mindestens eine Zündspule (elektronische Zündvorrichtung 11, Merkmal 3) sowie eine Erfassungsvorrichtung für den fehlzündenden Zylinder (Rechner 9; Merkmal 5) vorhanden sind und die Erfassungsvorrichtung ua das Zylinderdiskriminiersignal (Signal A) und das Kurbelwinkelsignal (Signal B) empfängt, diese Signale bei der Ermittlung des fehlzündenden Zylinders berücksichtigt und ggf. das dem fehlzündenden Zylinder zugeordnete Kraftstoffeinspritzventil schliesst (Teile der Merkmale 5.1, 5.2).

Die bekannte Regeleinrichtung macht jedoch keinen Gebrauch von der patentgemäßen Fehlzündungs-Detektiervorrichtung, die einen Fehlzündungszustand in irgendeinem Zylinder abhängig vom Zustand des Signals einer dem Zylinder zugeordneten Zündspule erfasst (Merkmal 4 des Anspruchs 1), wobei das Signal der Detektiervorrichtung als weitere Eingangsgröße der Erfassungs- bzw Auswertungsvorrichtung zugeleitet und gemeinsam mit den Drehwinkelsignalen zur Identifizierung des fehlzündenden Zylinders verwendet wird (Merkmale 5.1 bzw 5.2 des Anspruchs 1).

Selbst wenn man - wie die Patentabteilung - die Erfassungsvorrichtung bzw den Rechner (9) bei der bekannten Regeleinrichtung als Fehlzündungs-Detektiervorrichtung auffassen wollte, bliebe immer noch als wesentlicher Unterschied, dass im bekannten Fall ein Signal, das von der Zündspule abgeleitet ist, nicht für die Identifizierung eines nichtzündenden Zylinders mittels der Erfassungsvorrichtung genutzt wird.

Die Einsprechende hat im Beschwerdeverfahren eine fehlende erfinderische Tätigkeit zum Auffinden des Patentgegenstandes nicht mehr geltend gemacht. Der Senat konnte auch nicht feststellen, dass die im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt berücksichtigten Druckschriften zum Stand der Technik auch in einer Zusammenschau mit der im Einspruchsverfahren zum ersten Mal genannten US-Patentschrift 44 54 560 dem Patentgegenstand entgegenstehen.

Der Patentanspruch 1 und mit ihm die auf ihn rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 4 sind somit patentfähig.

Dr. Schnegg Eberhard Köhn Frühauf Hu






BPatG:
Beschluss v. 14.11.2001
Az: 7 W (pat) 53/00


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