Landgericht Köln:
Urteil vom 24. August 2011
Aktenzeichen: 84 O 52/11

(LG Köln: Urteil v. 24.08.2011, Az.: 84 O 52/11)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.00,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen,

Unternehmer, an deren Kraftfahrzeug die Beklagte die Reparatur einer Scheibe durchgeführt hat, im Anschluss an die Abwicklung dieses Auftrags auf Handy aus London anzurufen und/oder anrufen zu lassen, um nach ihrer Zufriedenheit mit der Geschäftsabwicklung zu fragen, wenn der betreffende Unternehmer kein Einverständnis mit einem solchen Anruf erklärt hatte und der Beklagten seine Handynummer nur überlassen hatte, weil diese ihn bei der telefonischen Vereinbarung eines Reparaturtermins „für den Fall der Fälle“ hierum gebeten hatte.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 208,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2011 zu zahlen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist hinsichtlich des Tenors zu I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 € und im übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist ein umfassend aktivlegitimierter Verband im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.

Die Beklagte betätigt sich auf dem Gebiet der Reparatur und des Austausches von Fahrzeugglasscheiben.

Anfang September 2009 ließ Herr Rechtsanwalt Dr. N bei der Beklagten einen Steinschlagschaden in der Frontscheibe seines geschäftlich genutzten Pkw beseitigen. Bei der vorausgegangenen telefonischen Terminsvereinbarung wurde er „für den Fall der Fälle“ nach seiner Handynummer gefragt, die er auch mitteilte. Nachdem der Auftrag durchgeführt und Herr Dr. N sein Fahrzeug zurückerhalten hatte, erhielt er am 08.09.2009 auf seinem Handy einen Anruf aus London von einem von der Beklagten beauftragten Marktforschungsinstitut, das seine Zufriedenheit mit der Geschäftsabwicklung durch die Beklagte erfragen wollte. Ein Einverständnis mit einem solchen Anruf hatte Herr N nie erklärt.

Wegen des Inhalts der Befragung nimmt die Kammer auf die Anlage B 2 sowie auf die im Hilfsantrag eingeblendete konkrete Verletzungsform Bezug.

Die telefonische Befragung wurde nicht nur in Deutschland von der Beklagten, sondern auch weltweit von der Konzernmutter der Beklagten, der Z SA mit Sitz in Luxemburg, und anderen zu dem Konzern gehörenden Gesellschaften durchgeführt. Die Durchführung der Befragung oblag der in London ansässigen Marktforschungsgesellschaft GfK NOP Ltd., einem Tochterunternehmen der GfK SE in O. Die Erhebung der Daten dient dem Ziel, die Akzeptanz und die Bewertung der Dienstleistungen der Z Gruppe weltweit über einen längeren Zeitraum zu ermitteln. Bei der Befragung werden alle Berufsstandsregeln, der für die Markt- und Sozialforschung geltende Anonymisierungsgrundsatz sowie die Datenschutzbestimmungen beachtet. Insbesondere kann die Beklagte nicht erkennen, welcher Kunde welche Antwort gegeben hat oder welcher Kunde die Dienstleistung der Beklagten wie bewertet. Auch ist es nicht möglich, einzelne Kunden aufgrund ihrer gegebenen Antwort oder ihrer Bewertung anzusprechen, sie für weitere Dienstleistungen zu bewerben oder anzusprechen.

Die Klägerin, die in diesem Anruf einen Verstoß gegen §§ 7 Abs. 1, Abs. 2 Ziffer 2 UWG sieht, mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 20.10.2009 (Anlage 1) erfolglos ab.

Mit der vorliegenden Klage verfolgt die Klägerin ihr Unterlassungsbegehren weiter. Darüber hinaus begehrt sie Ersatz des ihr mit ihrer Abmahnung entstandenen Aufwandes in Höhe von 208,65 €.

Die Klägerin beantragt,

I. wie erkannt;

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.00,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen,

Unternehmer, an deren Kraftfahrzeug die Beklagte die Reparatur einer Scheibe durchgeführt hat, im Anschluss an die Abwicklung dieses Auftrags auf Handy aus London anzurufen und/oder anrufen zu lassen, um nach ihrer Zufriedenheit mit der Geschäftsabwicklung zu fragen, wenn der betreffende Unternehmer kein Einverständnis mit einem solchen Anruf erklärt hatte und der Beklagten seine Handynummer nur überlassen hatte, weil diese ihn bei der telefonischen Vereinbarung eines Reparaturtermins „für den Fall der Fälle“ hierum gebeten hatte, wenn dies wie nachstehend wiedergegeben erfolgt:

(Es folgt eine 2-seitige Darstellung)

II. wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält einen Verstoß gegen § 7 UWG nicht für gegeben. Es liege weder eine geschäftliche Handlung noch eine „Werbung“ im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG vor. Vielmehr handele es sich bei der telefonischen Befragung ihrer Kunden um Forschungshandeln, das von Art. 5 Abs. 3 GG gedeckt sei. Die richtlinienkonforme Auslegung des Begriffs „geschäftliche Handlung“, wie er in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG genannt sei, verbiete es, Handlungen, die nur mittelbar der Absatzförderung dienten, überhaupt als „geschäftliche Handlung“ zu qualifizieren. Die Erhebung von Daten per Telefon durch ein Marktforschungsinstitut diene gerade vorrangig anderen Zielen als der Beeinflussung geschäftlicher Entscheidungen des Verbrauchers. Die Erhebung diene vorrangig (und überhaupt alleine) dem Zweck, eine mathematischstatistische Basis für eine gemäß den anerkannten Methoden der Markt- und Sozialforschung durchzuführende Analyse und Auswertung des Datenmaterials zu erhalten. Wegen der Zweckgebundenheit der per Telefon zu erhebenden Daten könne es überhaupt nicht um die Beeinflussung geschäftlicher Entscheidungen des Befragten gehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat Erfolg.

Im Einzelnen:

I. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin ist aus § 3 Abs. 1, §§ 7 Abs. 1, Abs. 2 Ziffer 2, 2. Alt, §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG begründet.

Die Kammer verweist zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Urteil des 6. Zivilsenates des Oberlandesgerichts Köln vom 12.12.2008 - 6 U 41/08 - (Magazindienst 2009, 266-270). Danach ist eine „Werbung mit Telefonanrufen“ im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG zu bejahen, wenn sich ein Demoskopie-Institut telefonisch an Verbraucher wendet, um im Auftrag eines Unternehmens deren Zufriedenheit mit dessen Leistungen zu erfragen.

Diese Grundsätze sind entgegen der Ansicht der Beklagten auch auf den vorliegenden Fall zu übertragen.

Der von der Beklagten veranlasste und ihr daher zuzurechnende telefonische Anruf der Marktforschungsgesellschaft GfK NOP Ltd. aus London stellt eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar. Hierunter fällt „jedes Verhalten einer Person … vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrages über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt …“. Wie die Klägerin zutreffend herausgearbeitet hat, ist ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem Warenabsatz im Sinne einer Zielgerichtetheit nicht erforderlich. Erfasst werden vielmehr alle Handlungen, die mit der Vertragsdurchführung objektiv zusammenhängen. Das erfüllt eine Kundenzufriedenheitsbefragung im Anschluss an die Vertragsabwicklung selbst dann, wenn sie in eine Marktforschung eingekleidet ist.

Aus der UGP- Richtlinie kann die Beklagte für ihre Auffassung Nichts herleiten.

Zum einen fällt das hier streitgegenständliche Verhalten bereits nicht in den Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie, da der streitgegenständliche Telefonanruf nicht bei einem Verbraucher, sondern bei einem Unternehmer erfolgt ist.

Zum anderen ist der Klägerin darin beizupflichten, dass es angesichts der bewusst sehr weiten Definition des Begriffes der „Geschäftspraktik“ in der UGP-Richtlinie bzw. des Begriffs der „geschäftlichen Handlung“ in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG nur darum geht, Handlungen, die mit dem Waren- bzw. Dienstleistungsabsatz inhaltlich in keinerlei oder nur in absolut entferntem Sachzusammenhang stehen, von der Anwendung der UGP-Richtlinie bzw. des UWG auszunehmen. Bei einem Anruf, mit dem ein Unternehmer die Kundenzufriedenheit ermitteln lässt und sei dies nur um einen generellen Überblick zu erhalten, ist ein unmittelbarer inhaltlicher Sachzusammenhang mit der Vertragsdurchführung gegeben, so dass dieser Anruf als „Geschäftspraktik“ im Sinne der UGP-Richtlinie und als „geschäftliche Handlung“ im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG anzusehen ist.

Bei dem streitgegenständlichen Anruf handelt es sich auch um „Werbung“ im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG.

Da § 7 UWG allein dem Zweck dient, die Marktteilnehmer vor Belästigungen zu schützen, die mit Telefonanrufen verbunden sind, ist der Begriff der „Werbung“ weit auszulegen. Hierunter fallen auch Handlungen, die den Absatz nur mittelbar fördern (so bereits OLG Köln, a.a.O., aus Juris Rn. 13), mithin auch Anrufe zur Fortsetzung oder Erweiterung bereits bestehender Vertragsbeziehungen (Ubber in Harte/Henning, UWG, 2. Auflage, § 7 UWG, Rn 148 m.w.N.). Ein Anruf, mit dem ein Kunde gefragt wird, ob er mit der erbrachten Leistung zufrieden war, dient objektiv auch der Fortsetzung der Kundenbeziehung. Dem Kunden wird der Eindruck vermittelt, dass der Unternehmer sich weiter um ihn bemüht. Auch bringt der Unternehmer sich bei dem Kunden in Erinnerung, was der Kundenbindung dient. Dem stehen auch nicht die statistischen Erwägungen der Beklagten entgegen, wonach Glasschäden nur ca. alle zehn Jahre auftreten. Zum einen kann auch eine „Jahrhunderthochwasser“ in zwei aufeinanderfolgenden Jahren auftreten. Zum anderen verfügen Unternehmer regelmäßig über mehrere Fahrzeuge oder gar Fahrzeugflotten. Schließlich ist auch an Weiterempfehlungen zu denken.

Dass von einer zumindest mutmaßlichen Einwilligung des Herrn Dr. N auszugehen wäre, behauptet die Beklagte selbst nicht, so dass sich insoweit weitere Ausführungen erübrigen.

Liegt damit ein Verstoß gegen §§ 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. UWG vor, so ist der Anspruch begründet. Einer Prüfung der Erheblichkeit des Verstoßes im Sinne des § 3 UWG bedarf es nicht, weil § 7 UWG nur unzumutbare Belästigungen erfasst und diese nicht unerheblich sein können (vgl. BGH GRUR 2007, 607, Rn. 23 - Telefonwerbung für Individualverträge).

II. Da die Abmahnung der Klägerin vom 20.10.2009 berechtigt war, hat die Beklagte auch den mit ihr verbundenen Aufwand zu ersetzen, § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

Streitwert: 25.000,00 €






LG Köln:
Urteil v. 24.08.2011
Az: 84 O 52/11


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