Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Dezember 2007
Aktenzeichen: 28 W (pat) 115/07

(BPatG: Beschluss v. 05.12.2007, Az.: 28 W (pat) 115/07)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 12 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. November 2004 und vom 13. Dezember 2006 aufgehoben.

Wegen des Widerspruchs aus der GM 140 335 wird die Löschung der angegriffenen Marke 303 62 928 angeordnet.

Gründe

I.

Am 6. Februar 2004 ist die Wort-Bild-Marke 303 62 928 in das Register eingetragen worden für folgende Waren der Klasse 12:

"Fahrzeuge zur Beförderung auf dem Lande; Kraftfahrzeuge; Automobile; Omnibusse; Lastwagen; Personenkraftfahrzeuge; Gabelstapler; Autozubehör, nämlich Luftpumpen".

Dagegen ist Widerspruch erhoben worden aus der Gemeinschafts-Bild-Marke 140 335 die seit dem 1. Dezember 1998 in das europäische Register eingetragen ist u. a. für die Waren der Klasse 12

"Fahrzeuge; Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder auf dem Wasser".

Die Markenstelle für Klasse 12 hat diesen Widerspruch mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen mit der Begründung, dass sich die Vergleichsmarken auch im Bereich identischer Waren und bei Annahme einer erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nicht verwechselbar nahe kämen. Die jüngere Marke setze sich aus Wort- und Bildzeichen zusammen und werde von dem Wortbestandteil SANYI geprägt. Das folge aus einem von der ständigen Rechtsprechung anerkannten Erfahrungsgrundsatz, wonach der Verkehr bei dem Zusammentreffen von Wort- und Bildbestandteilen in der Regel dem Wort als einfachster und kürzester Bezeichnungsform eine prägende Wirkung zumesse. Da es für den prägenden Wortbestandteil der angegriffenen Marke in der Widerspruchsmarke, die ein reines Bildzeichen sei, keine Entsprechung gebe, könne es schon deswegen zu keiner markenrechtlichen Verwechslungsgefahr kommen. Eine solche Verwechslungsgefahr lasse sich selbst dann nicht feststellen, wenn man von einer selbständig prägenden Bedeutung des Bildbestandteils in der jüngeren Marke ausginge und nur diesen Bildbestandteil mit der Widerspruchsmarke vergleiche. Denn beide Bilder würden sich deutlich von einander unterscheiden. Die einzige Gemeinsamkeit bestehe in der Kombination aus einem Dreizackstern und einem Kreis. In der angegriffenen Marke sei der Dreizackstern selbst jedoch erheblich anders gestaltet als in der Widerspruchsmarke. Es komme hinzu, dass der Radius des Kreises deutlich kleiner sei als der des Dreizacksterns und deswegen die drei Strahlen des Sterns kreuzt, während im Bild der Widerspruchsmarke der Kreis den Radius des Sterns genau umläuft und die Spitzen des Sterns nur in ihrem äußersten Punkt berührt.

Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Widersprechende ihren Widerspruch weiter. Sie behauptet, die Widerspruchsmarke sei in Deutschland und weltweit berühmt, genieße jedenfalls eine besonders hohe Kennzeichnungskraft. Seit dem Jahr 1909 werde sie durchgehend zuerst in Deutschland und dann international für Kraftfahrzeuge aller Art, insbesondere für Personenwagen, Transporter, Lastwagen und Omnibusse sowie für das Zubehör für diese Kraftfahrzeuge benutzt. Dazu hat sich die Widersprechende u. a. auf die von ihr zu den Akten gereichten Belege berufen, darunter Artikel der Zeitschrift "Business Week" aus den Jahren 2002 und 2003, in denen die Widerspruchsmarke in einem Ranking der 100 stärksten Marken weltweit jeweils den 10. Rang einnahm. Weiter ist die Widersprechende der Auffassung, daß der aus einem dreizackigen Stern mit eingeschriebenem Kreis bestehende Bildanteil der jüngeren Marke eine selbständig prägende Wirkung entfalte, die nach den markenrechtlichen Vorgaben für eine mögliche Verwechslung der Widerspruchs-Bild-Marke auch isoliert gegenüber gestellt werden müsse und bei einem solchen Vergleich der älteren Marke verwechselbar nahekomme. Jedenfalls im Bereich der großen Autohersteller sei es üblich, dass das jeweilige Unternehmen neben dem Firmennamen auch ein bestimmtes Bildzeichen führe und bewerbe und der angesprochene Verkehr dieses Bild auch in Alleinstellung auf den ersten Blick mit dem Herkunftsunternehmen identifiziere. Dazu hat sich die Widersprechende beispielsweise auf die Ringe von Audi sowie die Embleme von Porsche und Toyota berufen. Als ein solches Zeichen trete auch der dreizackige Stern mit eingeschriebenem Kreis in der angegriffenen Marke in Erscheinung. Dieses Zeichen würde sich in wesentlichen Bestandteilen an die Widerspruchsmarke anlehnen. Wegen des weiten Schutzumfangs der Widerspruchsmarke würde das zur markenrechtlichen Verwechslungsgefahr führen.

Die Widersprechende beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 12 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. November 2004 und vom 13. Dezember 2006 aufzuheben und wegen des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 140 335 die Löschung der angegriffenen Marke 303 62 928 anzuordnen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffenen Beschlüsse für zutreffend. Zum Grad der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hat die Inhaberin der angegriffenen Marke wörtlich vortragen lassen: "Die Berühmtheit der Marke "Mercedes Benz" werde nicht angezweifelt. Auch der "Mercedes-Stern" dürfte durchaus bekannt sein". Aus der Sicht der Markeninhaberin kann der Stern mit eingeschriebenen Kreis in ihrer Marke schon deswegen keine selbständig prägende Wirkung entfalten, weil der deutsche Verkehr den Wortbestandteil "SANYI" nicht als Firmenzeichen einordnen, sondern die Wort-Bild-Marke nur in ihrer Gesamtheit wahrnehmen werde. Darin liege auch der Unterschied zu dem Sachverhalt, wie er der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs EuGH GRUR 2005, 1042 - THOMSON LIFE - zugrundegelegen hätte. Selbst wenn ein isolierter Vergleich zwischen dem dreizackigen Stern mit eingeschriebenem Kreis aus der angegriffenen Marke mit dem Widerspruchszeichen markenrechtlich zulässig sein sollte, lasse sich keine Verwechslungsgefahr feststellen. Dafür seien die Unterschiede zwischen beiden Bildelementen zu deutlich. Das ganze Design der Widerspruchsmarke sei feingliedrig und elegant, das des Bildelements aus der angegriffenen Marke sei dagegen deutlich gröber und erinnere am ehesten an das Backenfutter einer Werkzeugmaschine. Im Übrigen würden kreisförmige oder dreiarmige Elemente auch für die Embleme anderer Autofirmen verwandt, z. B. im Fall der Autohersteller Honda, Mazda und Toyota, ohne dass der Verkehr diese Zeichen mit dem Mercedes-Stern verwechseln würde.

Zu den weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Akten.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechende ist auch in der Sache erfolgreich, weil zwischen den Vergleichsmarken eine bildliche Verwechslungsgefahr i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 125b Nr. 1 MarkenG besteht.

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von den Marken erfassten Waren. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und - davon abhängig - der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 [Nr. 22] - Sabèl/Puma; GRUR Int. 2000, 899, 901 [Nr. 40] - Marca/Adidas; GRUR 2006, 237, 238 [Nr. 18 f.] - PICASSO; BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND; GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN/REVIAN; GRUR 2002, 626, 627 - IMS; GRUR 2004, 865, 866 - Mustang; GRUR 2005, 513, 514 - MEY/Ella May). So kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH GRUR 2006, 237, 238 (Nr. 18 f.) - PICASSO; vgl. auch BGH GRUR 2006, 859, 860 (Nr. 16) - Malteserkreuz).

Da die Inhaberin der angegriffenen Marke die Einrede der Nichtbenutzung nicht erhoben hat, beurteilt sich die Frage der Warenähnlichkeit nach der Registerlage. Die Waren der angegriffenen Marke sind mit den Waren aus der Klasse 12, für die die Widerspruchsmarke (auch) eingetragen ist, identisch oder diesen Waren sehr ähnlich. Ob die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke den Grad einer notorischen Bekanntheit i. S. v. §§ 4 Nr. 3 und 10 i. V. m. § 125b Nr. 1 MarkenG erreicht hat, kann dahinstehen. Jedenfalls ist als unstreitig anzusehen, dass die Widerspruchsmarke nicht nur in Deutschland, sondern innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften jedenfalls seit dem Tag der Anmeldung der angegriffenen Marke bis zum Zeitpunkt dieser Entscheidung einen sehr hohen Bekanntheitsgrad genießt. Den insoweit schlüssigen Sachvortrag der Widersprechenden hat die Markeninhaberin nicht substantiiert bestritten. Daher ist von einer sehr hohen Kennzeichnungskraft und einem entsprechend weiten Schutzumfang der älteren Marke auszugehen, was in den angefochtenen Beschlüssen nicht hinreichend berücksichtigt worden ist.

Wegen der vorgenannten Umstände muß die jüngere Marke einen deutlichen Abstand zu der älteren Marke einhalten. Diesen Anforderungen genügt die angegriffene Marke nicht, weil sie der Widerspruchsmarke bildlich verwechselbar nahekommt. Die angegriffene Marke setzt sich aus Wort- und Bild-Elementen zusammen, die in drei Ebenen übereinander angeordnet sind, wobei das Wort-Element "SANYI" in einer deutlich wahrnehmbaren Größe in der Mitte steht. Darüber steht ein Gebilde mit drei gleichen Zacken, die in gleichen Abständen konzentrisch angeordnet sind und denen - wiederum konzentrisch - ein Kreis eingeschrieben ist, dessen Radius kleiner ist als der der drei Zacken. Unterhalb des Buchstaben "A" des Wort-Elements "SANYI" sind - etwas abgesetzt - drei waagerechte Linien angeordnet und unter dem Buchstaben "N" eine solche Linie. In seiner Gesamtheit läßt sich dieses kombinierte Zeichen von der Widerspruchsmarke, die ein reines Bildzeichen ist, ohne weiteres unterscheiden.

Innerhalb der Gesamtheit der angegriffenen Marke kommt jedoch dem Bildelement oberhalb des Wortes "SANYI" eine selbständig kennzeichnende Stellung zu mit der Folge, dass dieser Markenbestandteil selbständig kollisionsbegründend sein kann und es im vorliegenden Fall auch ist. In dem hier maßgeblichen Bereich des Kraftfahrzeughandels ist der Verkehr daran gewöhnt, dass der jeweilige Hersteller kontinuierlich neben dem Unternehmensnamen ein Buchstabenkürzel - wie z. B. "VW" für den Hersteller "Volkswagen" - oder ein Bildzeichen führt und bewirbt und sowohl im Zusammenhang mit dem Unternehmensnamen als auch in Alleinstellung als selbständiges Herkunftszeichen verwendet. Solche Embleme sind z. B. von den Herstellern Audi, Mazda, Peugeot, Porsche oder Toyota bekannt. Die Widerspruchsmarke gehört auch dazu. Dieser Praxis entspricht der graphische Aufbau der angegriffenen Marke, bei der für den deutschen Verkehr das obere Bild-Element und das mittig angeordnete Wort-Element "SANYI" deutlich in Erscheinung treten, während den unter dem Wort angeordneten waagerechten Linien als einfachen graphischen Elementen keine Kennzeichnungskraft zukommt. Auf eine mögliche begriffliche Bedeutung, die diese Linien in der chinesischen Schriftsprache haben mögen, kommt es dabei nicht an, weil diese Bedeutung beim deutschen Verkehr nicht als bekannt vorausgesetzt werden kann. Diese Umstände sind die Gründe für die Einordnung des oberen Bildelements in der angegriffenen Marke als einem Markenbestandteil mit selbständig kennzeichnender Stellung (vgl. BGH GRUR 2006, 859 ff., Nr. 19 ff., 22 - Malteserkreuz).

Das obere Bildelement in der angegriffenen Marke greift alle wesentlichen Elemente der Widerspruchsmarke auf. Es handelt sich um ein Gebilde mit drei in gleichmäßigen Abständen konzentrisch angeordneten Zacken, die sich nach außen hin regelmäßig verjüngen. Wie der Mercedes-Stern setzt dieses Gebilde auf einer waagerechten Ebene auf, die zwischen den Endpunkten von zwei der drei Zacken verläuft, so dass der dritte Zacken vertikal nach oben zeigt. Diesem Gebilde ist ein Kreis eingeschrieben, der im äußeren Bereich des Radius der drei Zacken liegt. Angesichts der hohen Warenähnlichkeit und der deutlich gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke reichen diese Übereinstimmungen für die Feststellung einer bildlichen Verwechslungsgefahr aus. Die ebenfalls feststellbaren Abweichungen zwischen dem Bild-Element der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke sind nicht stark genug, um diese Verwechslungsgefahr sicher auszuschließen. Insbesondere stellt es keinen wesentlichen Unterschied dar, dass der Kreis - anders als in der Widerspruchsmarke - nicht die äußersten Punkte des dreizackigen Gebildes umläuft, sondern innerhalb dieses Gebildes verläuft. Denn wie in der Widerspruchsmarke ist dieser Kreis dem dreizackigen Gebilde konzentrisch eingeschrieben und durch seinen Verlauf im äußeren Bereich von dessen Radius weicht er nur wenig von dem Verlauf der Kreisform in der Widerspruchsmarke ab.

Soweit in den angegriffenen Beschlüssen der Markenstelle die Auffassung vertreten worden ist, die angegriffene Marke könne der Widerspruchsmarke schon deswegen nicht verwechselbar nahekommen, weil im vorliegenden Fall der in ständiger Rechtsprechung anerkannte Erfahrungsgrundsatz zur Anwendung komme, wonach beim Zusammentreffen von Wort- und Bildbestandteilen der Verkehr i. d. R. dem Wort als einfachster und kürzester Bezeichnungsform eine prägende Bedeutung zumesse, verkennt dieser Ansatz, dass dieser Grundsatz nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur für den Fall einer möglichen klanglichen Verwechslungsgefahr gilt. Bei der Prüfung einer bildlichen Verwechslungsgefahr kann nach dieser Rechtsprechung jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Verkehr bei der rein visuellen Wahrnehmung einer Wort-Bild-Marke nur an dem Wort orientiere, ohne den Bildbestandteil in sein Erinnerungsbild aufzunehmen (vgl. BGH GRUR 2005, 419, 423 - Räucherkate, GRUR 2002. 1067m 1069 - DKV/OKV).

Aus diesen Gründen waren die angegriffenen Beschlüsse aufzuheben und die angegriffene Marke in vollem Umfang zu löschen.

Für eine Kostenauferlegung nach § 71 Abs. 1 MarkenG besteht keine Veranlassung.

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BPatG:
Beschluss v. 05.12.2007
Az: 28 W (pat) 115/07


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