Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. Januar 2007
Aktenzeichen: 30 W (pat) 241/04

(BPatG: Beschluss v. 29.01.2007, Az.: 30 W (pat) 241/04)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. September 2002 und vom 28. Juni 2004 aufgehoben, soweit darin die Löschung der Marke 398 10 516 angeordnet wurde.

2. Der Widerspruch aus der IR-Marke 498 422 wird auch insoweit zurückgewiesen.

Gründe

I.

Am 13. Mai 1998 unter der Nummer 398 10 516 in das Markenregister eingetragen und am 20. Juni 1998 veröffentlicht worden ist Cetec für "Arzneimittel, pharmazeutische Erzeugnisse sowie chemische Erzeugnisse für die Gesundheitspflege, diätetische Erzeugnisse für Kinder und Kranke; Ärztliche Versorgung, Gesundheits- und Schönheitspflege".

Gegen die Eintragung ist u. a. am 14. Juli 1998 Widerspruch erhoben worden aus der seit 1986 international registrierten Marke 498 422 ZYRTEC, die in der Bundesrepublik Deutschland Teilschutz genießt für "Produits pharmaceutiques antiallergiques qui s'obtiennent uniquement sur prescription medicale".

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat im Erstbeschluss die Gefahr von Verwechslungen teilweise bejaht und die teilweise Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke angeordnet, nämlich für "Arzneimittel, pharmazeutische Erzeugnisse sowie chemische Erzeugnisse für die Gesundheitspflege, diätetische Erzeugnisse für Kinder und Kranke". Im Übrigen ist dieser Widerspruch zurückgewiesen worden. Die Erinnerung der Inhaberin der angegriffenen Marke ist erfolglos geblieben. Zur Begründung ist im Wesentlichen darauf Bezug genommen, dass auch unter Zugrundelegung noch strengere Anforderungen die Marken in klanglicher Hinsicht zu stark angenähert seien.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat Beschwerde eingelegt. Sie meint, dass durch die Unterschiede in den Wortanfängen insbesondere auch angesichts der Verordnungspflicht der Waren der Widerspruchsmarke ein Auseinanderhalten der Marken gewährleistet sei.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß, die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts im Umfang der teilweisen Löschung aufzuheben und den Widerspruch auch insoweit zurückzuweisen.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

In ihrer Begründung greift sie die Erwägungen der Markenstelle auf.

Wegen weiterer Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist begründet. Es besteht nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 107 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG mit der IR-Marke 498 422 ZYRTEC.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr hat nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls zu erfolgen. Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von den Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und - davon abhängig - der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren, so dass ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen hohen Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (ständige Rechtsprechung z. B. EuGH GRUR 2006, 237, 238 Nr. 18 f. - PICASSO; BGH WRP 2006, 92, 93 Nr. 12 - coccodrillo).

Der Senat geht mangels anderweitiger Anhaltspunkte von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit von einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke insgesamt aus.

Für die Beurteilung der Warenähnlichkeit ist die Registerlage maßgeblich. Die Marken können sich danach angesichts der im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke enthaltenen Oberbegriffe "Arzneimittel, pharmazeutische Erzeugnisse", die die speziellen Anti-Allergika der Widerspruchsmarke umfassen können, in diesem Bereich auf identischen Produkten begegnen. Ob bei den Waren "diätetischen Erzeugnisse..." und "chemische Erzeugnisse für die Gesundheitspflege" von engerer Ähnlichkeit mit den rezeptpflichtigen Anti-Allergika der Widerspruchsmarke auszugehen ist, erscheint fraglich. Immerhin wird die Abgrenzung zwischen beiden Produktbereichen hier dadurch erleichtert, dass wegen der Rezeptpflicht in aller Regel Fachpersonal in den Erwerbsvorgang eingeschaltet ist. Die Waren können sich also nur in der Apotheke gegenüberstehen, wo zudem eine räumliche Trennung zwischen verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und frei verkäuflichen Produkten gegeben sein wird. Der Festlegung des Grades der Ähnlichkeit im Einzelnen bedarf es letztlich aber nicht. Denn auch wenn zu Gunsten der Widersprechenden insgesamt von identischen Waren ausgegangen wird, ist die Gefahr rechtserheblicher Verwechslungen zu verneinen.

Da die Waren der Widerspruchsmarke der Rezeptpflicht unterliegen, ist die Gefahr von Begegnungen der Zeichen bei Laien ohne Einschaltung des Fachverkehrs erheblich eingeschränkt. Auch bei einseitiger Rezeptpflicht ist verstärkt auf den Fachverkehr (insbesondere Ärzte und Apotheker) abzustellen, der erfahrungsgemäß im Umgang mit Arzneimitteln sorgfältiger ist und deshalb seltener Markenverwechslungen unterliegt (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. § 9 Rdn. 122; BGH GRUR 1999, 587 - Cefallone). Allerdings darf die Gefahr mündlicher Benennungen verschreibungspflichtiger Arzneimittel durch den Patienten nicht völlig vernachlässigt werden. Bei diesen ist aber grundsätzlich davon auszugehen, dass nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware unterschiedlich hoch sein kann (vgl. z. B. BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TIS-SERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 li. Spalte - ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. - Lloyd/Loint's). Insbesondere bei allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, wenden die Abnehmer den Produkten und ihrer Kennzeichnung regelmäßig gesteigerte Aufmerksamkeit zu (vgl. BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal; BPatG GRUR 2004, 950, 951 - ACELAT/Acesal). Markenunterschiede werden insoweit daher eher auffallen als bei Verbrauchsgütern des täglichen Bedarfs, die eher flüchtig und ohne größere Sorgfalt bei der Auswahl erworben werden.

Unter Berücksichtigung der aufgezeigten vorliegend relevanten Umstände, die immer noch einen deutlichen Markenabstand bedingen, erachtet der Senat den Abstand der Marken für ausreichend.

Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Ähnlichkeit der Marken ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen (vgl. EuGH GRUR Int. 2004, 843, 845 Nr. 29 - MATRATZEN; BGH a. a. O. - coccodrillo, Nr. 17).

Was die Ähnlichkeit der Marken in dem maßgeblichen Gesamteindruck anbelangt, tritt in schriftbildlicher Hinsicht die auffällig abweichende Gestaltung der vorderen Wortteile, die für den bildlichen - wie auch den klanglichen - Gesamteindruck von besonderer Bedeutung sind, mit "Ce-/CE-" und "Zyr-/ZYR-" gegenüber dem übereinstimmenden hinteren Wortbereich "-tec/-TEC" bei jeder berücksichtigungsfähigen Schreibweise in einer die Gefahr von Verwechslungen klar ausschließenden Weise hervor. Die Buchstaben als solche sind nicht identisch und weisen auch figürlich keine markanten Übereinstimmungen auf; zudem enthält die Widerspruchsmarke einen zusätzlichen Buchstaben "R", was sich auf die Wortlänge auswirkt und angesichts der relativ kurzen Wörter nicht zu übersehen ist. Im Vordergrund steht dabei die drucktechnische Schreibweise, da eine handschriftliche Wiedergabe wegen der weitgehend maschinellen Bearbeitung z. B. von Bestellungen und angesichts des wachsenden EDV-Einsatzes im täglichen Geschäftsverkehr und auch beim Verkauf jedenfalls von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln immer mehr an Bedeutung verliert (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 9 Rdnr. 145). Auch bei handschriftlichen Verschreibungen, soweit diese noch relevant sind, ergeben sich keine die Gefahr von Verwechslungen begründenden Übereinstimmungen wie z. B. gemeinsame Unterlängen oder Rundungen, zumal das Schriftbild der Marken erfahrungsgemäß besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende Wort (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 9 Rdnr. 143).

Im - wie oben ausgeführt nicht im Vordergrund stehenden - Klangbild stimmen die Vergleichsmarken zwar in der Silbenzahl und der Endsilbe "-tec/-TEC" überein. Durch die Unterschiede in den allgemein stärker beachteten Wortanfängen sind die Marken in ihrem Gesamteindruck aber noch ausreichend abgegrenzt. Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass der Konsonant "Y" der Widerspruchsmarke regelmäßig nicht als "i", sondern als geschlossenes "ü" artikuliert wird (vgl. Duden, Das Aussprachewörterbuch, 4. Aufl., S. 105). Eine Aussprache als "i" ist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zu erwarten wie z. B. bei Namen oder am Wortende (vgl. Duden a. a. O. S. 105 Nr. 3, S. 106 Nr. 4, 5), was hier nicht der Fall ist. Die Aussprache als "ü" ist auch in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen, was sich in der Aussprache von Wörtern wie "Zyniker, Symbol, Sympathie, Dynamik, Gymnastik, Lyrik, Tyrann, Typ" zeigt, so dass nicht in rechtserheblichem Umfang mit einer dem Vokal "i" entsprechenden Artikulation zu rechnen ist. Mit dem an gleicher Stelle gelegenen, weich klingenden Vokal "e" hebt sich die angegriffene Marke von dem wie "ü" ausgesprochenen "Y" der Widerspruchsmarke in prägnanter Weise ab. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Anfangssilbe "Ce-" der angegriffenen Marke nur aus zwei Buchstaben besteht, die Anfangssilbe "ZYR-" der Widerspruchsmarke hingegen aus drei Buchstaben, was sich auch auf den Klang auswirkt; der Klangcharakter der angegriffenen Marke ist dadurch kurz, während der zusätzliche Buchstabe "R" im Anschluss an "Ü" in der Widerspruchsmarke zu einer klanglichen Dehnung, einem Klangbogen führt, auch wenn das "R" als solches nicht markant anklingt. Dies gilt auch dann, wenn für den Buchstaben "C" vor dem Vokal "e" von einer Aussprache entsprechend "Ts" ausgegangen wird. Die klanglichen Unterschiede zwischen dem Konsonanten "Y" gegenüber dem Vokal "e" und dem zusätzlichen "R" in der Widerspruchsmarke werden auch unter noch zu berücksichtigenden ungünstigen Übermittlungsbedingungen hinreichend sicher wahrgenommen. Demgegenüber befinden sich die klanglichen Übereinstimmungen in dem im Allgemeinen weniger beachteten Wortende. Berücksichtigt man, dass es sich um relativ kurze und leicht erfassbare Markenwörter handelt, bei denen Abweichungen stärker auffallen und auch besser und genauer in Erinnerung bleiben als bei längeren Markenwörtern (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 9 Rdn. 135), reichen die aufgezeigten Unterschiede noch aus, um eine klangliche Verwechslungsgefahr im markenrechtlich relevanten Umfang auszuschließen.

Auch in begrifflicher Hinsicht weisen die Markenwörter im Gesamteindruck keine die Verwechslungsgefahr begründenden Übereinstimmungen auf; die Anfangssilben sind Phantasiebestandteile ohne jegliche Übereinstimmungen, so dass sich eine im Gesamteindruck verwechselbare Begrifflichkeit aus der den Marken gemeinsamen Endung "-tec/TEC" (Technik), die im pharmazeutischen Bereich nicht verbreitet ist, nicht herleiten lässt.

Eine Verwechslungsgefahr aus anderen Gründen ist nicht ersichtlich.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bietet der Streitfall keinen Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).






BPatG:
Beschluss v. 29.01.2007
Az: 30 W (pat) 241/04


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