Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 16. März 2015
Aktenzeichen: I-2 W 3/15

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 16.03.2015, Az.: I-2 W 3/15)

Tenor

I.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss II der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 28. November 2014 wird zurückgewiesen.

II.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

III.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

IV.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 40.945 €.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt von den Beklagten die Erstattung von Kosten eines außergerichtlichen Vergleichs und von Patentanwaltskosten.

Mit Urteil vom 15. November 2012 (Bl. 132 ff. d.A.) hat das Landgericht die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patentes 1 810 916 zur Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf, Schadenersatz und Erstattung von Rechtsverfolgungskosten verurteilt und die Klage im Umfang eines Teils der geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten und eines Teils der geforderten Zinsen abgewiesen. Gegen diese Entscheidung legten die Beklagten mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2012 (Bl. 187/188 d.A.) Berufung ein und zeigten an, ihr Verfahrensbevollmächtigter sei auch als Patentanwalt zur Mitwirkung im Berufungsverfahren bestellt worden. Mit Schreiben vom 18. Januar 2013 (Bl. 298 d.A.) beauftragte die Klägerin ihre Verfahrensbevollmächtigten und Patentanwälte für die Berufungsinstanz tätig zu werden.

Mit Anwaltsschreiben vom 7. Februar 2013 (Anlage AK 1, Bl. 269 d.A.) teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie beabsichtige unter dem Eindruck der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren gegen das vorbezeichnete Patent vor dem Europäischen Patentamt, ihre Berufung zurückzunehmen und den Vertrieb der patentverletzenden Fahrradcomputer vom Typ "Mini" umgehend einzustellen; im Übrigen regte sie Vergleichsverhandlungen an. Abschließend bat sie um Bestätigung, zur Vermeidung unnötiger Kosten möge sich noch kein Prozessvertreter für das Berufungsverfahren bestellen, bis entschieden sei, ob das Berufungsverfahren durchgeführt werde.

Mit Schriftsatz vom 21. Februar 2013 (Bl. 195 f. d.A.) bestellte sich der Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin für das Berufungsverfahren und zeigte die Mitwirkung der Patentanwälte seiner Sozietät an.

Unter dem 20./21. März 2013 schlossen die Parteien einen außergerichtlichen Vergleich, der in Bezug auf die Kosten folgende Regelung enthält (Anlage 8, 5/7, Bl. 252 d.A.):

§ 4

Bezüglich der Kosten vereinbaren die Parteien:

- Die Kostenentscheidung des Urteils vom 15.11.2012 des Landgerichts Düsseldorf (Az.: 4b O 110/11) bleibt von diesem Vergleich unberührt.

- Die Kosten des Berufungsverfahrens richten sich nach § 516 Abs. 3 ZPO.

- Die Kostenentscheidung der Einspruchsabteilung des EPA bleibt von diesem Vergleich unberührt.

- Bezüglich der übrigen Kosten wird die Anwendbarkeit von § 98 S. 1, 2 ZPO ausgeschlossen.

- Materiellrechtliche Schadensersatzansprüche bleiben von dieser Kostenregelung unberührt.

In der Einleitung ihres dieses Vergleichsangebot enthaltenden Schreibens führt die Klägerin aus (Anlage 8, 1/7; Bl. 248 d.A.):

Auch wenn unsere Mandantin mit der Streichung des fraglichen Satzes aus dem Vergleichsvorschlag vom 11. März 2013 einverstanden ist, so ist unsere Mandantin nicht damit einverstanden, bezüglich des Berufungsverfahrens oder des Vergleichsabschlusses Kosten zu tragen.

Nach Abschluss des Vergleichs ist unsere Mandantin durchaus gesprächsbereit, um die Höhe eines von ihrem Mandanten zu zahlenden Geldbetrages, der sowohl die Kostenerstattung als auch den Schadensersatz umfasst, zu verhandeln. ...

Mit Anwaltsschreiben vom 21. März 2013 (Anlage 8, 6/7; Bl. 253 ff. d.A.) teilten die Beklagten mit, sie nähmen das Vergleichsangebot an. Das Schreiben enthält folgenden Zusatz:

Alles Weitere, also die Klarstellung einer Gültigkeit des § 2 des Vergleichs, auch im Hinblick auf Ihre Mandantin und die Frage der konkreten Höhe der Kostenerstattung und des Schadensersatzes, wird - wie bereits telefonisch ausführlich besprochen und erörtert - noch gesondert zu besprechen und zu regeln sein.

Nachdem die Beklagten ihre Berufung mit auf den 21. Februar 2013 datiertem Schriftsatz (gemeint ist offensichtlich 21. März 2013) zurückgenommen hatten, hat der Senat sie mit Beschluss vom 25. März 2013 des eingelegten Rechtsmittels der Berufung für verlustig erklärt und ihnen die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner auferlegt.

Von den Kosten zweiter Instanz meldete die Klägerin zur Festsetzung gegen die Beklagten als Rechtsanwaltskosten eine 1,1 Verfahrensgebühr (4.946,60 €), eine 1,2 Terminsgebühr (5.395,20 €), die Auslagenpauschale (20 €) und Kosten des außergerichtlichen Vergleichs in Höhe von insgesamt 12.594 € sowie patentanwaltliche Kosten im selben Umfang an.

Das Landgericht hat im angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss II vom 28. November 2014 (Bl. 320, 321 d.A.) lediglich Rechtsanwaltskosten im Umfang der geltend gemachten Verfahrensgebühr nebst Auslagenpauschale anerkannt und die übrigen Kosten abgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kosten der außergerichtlichen Einigung seien grundsätzlich nicht von der Kostengrundentscheidung nach § 516 Abs. 3 ZPO umfasst, und außergerichtliche Vereinbarungen seien nur beachtlich, wenn sie unstreitig seien, was hier nicht der Fall sei. Die Verfahrensgebühr für den Patentanwalt nebst Auslagenpauschale sei nicht erstattungsfähig, weil eine Mitwirkung des Patentanwalts aus der Sachakte nicht hervorgehe und dessen behauptete Beauftragung in diesem Verfahrensstadium noch nicht notwendig gewesen sei.

Mit ihrer sofortigen Beschwerde verfolgt die Klägerin die abgesetzten Kosten weiter und macht geltend, die Terminsgebühr sei durch die vergleichsweise erzielte Einigung entstanden. Fehlerhaft sei auch die Auffassung des Landgerichts, die Einigungsgebühr werde nicht von der Kostengrundentscheidung nach § 516 Abs. 3 ZPO erfasst. Die Erstattung richte sich nach den §§ 91 ff. ZPO; § 98 ZPO sei durch die Kostenregelung des Vergleiches ausgeschlossen, weshalb die Erstattungspflicht der Beklagten im Vergleich bereits vereinbart sei. Bei der Absetzung der Patentanwaltskosten habe das Landgericht übersehen, dass nach § 143 Abs. 3 PatG die Kosten für die Mitwirkung eines Patentanwaltes stets erstattungsfähig seien, ohne dass geprüft werden dürfe, ob dessen Mitwirkung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO war.

Die Klägerin beantragt,

den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss wie folgt zu ändern:

Aufgrund des Beschlusses des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 25. März 2014 (Az.: I-2 U 97/12) sind von den Beklagten 45.911,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 11. Juni 2014 an die Klägerin zu erstatten.

Die Beklagten beantragen,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung und treten den Ausführungen der Klägerin entgegen. Insbesondere meinen sie, der Vergleich enthalte ungeachtet des vereinbarten Ausschusses der Anwendung des § 98 ZPO keine Erstattungspflicht der Beklagten in Bezug auf die hier geltend gemachten Kosten, und der Mitwirkung des Patentanwalts habe es im damaligen Stadium des Berufungsverfahrens noch nicht bedurft.

Mit Beschluss vom 28. Januar 2015 (Bl. 246 f. d.A.) hat das Landgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht die hier erstattet verlangten Kosten des außergerichtlichen Vergleichs und des Patentanwalts abgesetzt.

1.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist innerhalb der in § 569 Abs. 1 ZPO bestimmten Frist von zwei Wochen beginnend mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung beim Landgericht eingegangen. Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss ist den Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin am 11. Dezember 2014 zugestellt worden (Bl. 328 d.A.); ihre sofortige Beschwerde ist am 29. Dezember 2014 (Bl. 329 d.A.) unter Berücksichtigung der vorausgegangenen Weihnachtsfeiertage noch rechtzeitig bei Gericht eingegangen.

2.

Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die abgesetzten Kosten sind zu Recht nicht als erstattungsfähig anerkannt worden.

a)

aa) Die Kosten des außergerichtlichen Vergleichs sind schon deshalb nicht erstattungsfähig, weil außergerichtliche Vergleiche anders als gerichtliche nur in Ausnahmefällen zur Festsetzung geeignete Titel im Sinne des § 103 Abs. 1 ZPO sind. Zwar hat der Bundesgerichtshof seine frühere Rechtsprechung (NJW 2002, 3713 = MDR 2002, 1395 und NJW 2006, 1523 = MDR 2006, 1375), die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines außergerichtlichen Vergleichs setze eine titelschaffende gerichtliche Protokollierung voraus, inzwischen aufgegeben (BGH NJW 2007, 2187 Tz. [7] = MDR 2007, 979; MDR 2011, 571) und verlangt im Grundsatz nur noch, dass die Voraussetzungen des VV 1000 I 1 RVG erfüllt sind. Bei Vereinbarungen, die zur Verfahrensbeendigung, etwa durch Klagerücknahme, führen, setzt die Festsetzung der Einigungsgebühr nach VV 1000 RVG allerdings voraus, dass die Titulierung die Einbeziehung der Vergleichskosten erkennen lässt. Auch eine Vereinbarung, nach der eine Partei die Kosten des Rechtsstreits übernimmt, umfasst die Kosten eines außergerichtlichen Vergleichs nur, wenn ein dahingehender Parteiwille erkennbar ist (BGH NJW 2009, 519, 520, Tz. [13] - [16] = MDR 2009, 112, 113; MDR 2011, 571; zum Ganzen ferner Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., §§ 103, 104 Rdnr. 21, Stichworte "Außergerichtlicher Vergleich" und "Auslegungen"). Außergerichtliche Vereinbarungen sind im Festsetzungsverfahren nur zu beachten, wenn sie unstreitig sind (LG Köln, JurBüro 2003, 200; OLG Hamburg, JurBüro 1985, 1720; Zöller/Herget a.a.O., Stichwort "Außergerichtliche Vereinbarungen"). Darauf hat bereits das Landgericht zutreffend hingewiesen. Fehlt es an einer entsprechenden Vereinbarung hinsichtlich der Kosten eines außergerichtlichen Vergleichs, erfasst die Grundentscheidung über die Kosten des Rechtsstreits die Kosten eines außergerichtlichen Vergleichs nicht. Deren Verteilung richtet sich dann unabhängig von der Verteilung der Kosten des Rechtsstreits nach § 98 S. 1 ZPO (BGH, MDR 2011, 571).

bb) Im vorliegenden Fall enthält der außergerichtliche Vergleich zwischen den Parteien vom 20./21. März 2013 zwar die Vereinbarung, dass die Anwendbarkeit des § 98 ZPO ausgeschlossen sein soll, er sieht aber nicht vor, dass die Beklagten die Kosten des Vergleichs, und erst recht nicht den hier von der Klägerin zur Festsetzung angemeldeten Betrag übernehmen. In Bezug auf die Kostenverteilung besagt § 4 des Vergleiches nur, dass die Beklagten diejenigen Kosten zu übernehmen haben, die ihnen das Landgericht im Urteil vom 15. November 2012 und der Senat nach Berufungsrücknahme gemäß § 516 Abs. 3 ZPO auferlegt haben und solche, die sie nach der Kostenentscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes zu tragen haben.

Dass in § 4, 4. Spiegelstrich des Vergleichs bezüglich der übrigen Kosten - womit ersichtlich die Kosten des außergerichtlichen Vergleichs gemeint sind - die Anwendbarkeit des § 98 Satz 1 und 2 ZPO ausgeschlossen worden ist, führt im vorliegenden Fall noch nicht zu einer vertraglich übernommenen Kostenpflicht der Beklagten. Im Grundsatz macht ein vereinbarter Ausschluss des § 98 ZPO zwar nur Sinn, wenn die Parteien gleichzeitig eine Regelung treffen, wie die Kosten statt dessen verteilt werden sollen. Denn der Ausschluss des § 98 ZPO besagt für sich allein nur, dass die dort vorgesehene Aufhebung der Kosten gegeneinander hier nicht stattfinden soll und lässt offen, was an die Stelle der gesetzlichen Regelung treten soll. Das ist auch hier so und war von den Parteien seinerzeit auch gewollt, denn beide sind bei Abschluss des Vergleiches davon ausgegangen, dass die Kosten der außergerichtlichen Einigung im Grundsatz von den Beklagten zu tragen sind, dass aber der konkret von ihnen zu erstattende Betrag noch in weiteren Verhandlungen festgelegt werden muss. Im vorliegenden Kostenfestsetzungsverfahren sind die Parteien nicht einmal hierüber einig, denn nur die Klägerin ist der Auffassung, aus dem Ausschluss der Anwendbarkeit des § 98 ZPO folge zwangsläufig die Kostenerstattungspflicht der Beklagten, während die Beklagten meinen, die Frage der Kostenerstattung bedürfe nach dem Ergebnis der bisherigen Vereinbarungen noch einer separaten Regelung. Zu Recht hat das Landgericht unter diesen Umständen eine Festsetzung der Kosten des außergerichtlichen Vergleichs abgelehnt. Ob der Vergleich tatsächlich eine Kostentragungspflicht der Beklagten enthält, kann unter diesen Umständen offen bleiben, denn im Kostenfestsetzungsverfahren wäre die Vereinbarung, wie oben bereits erwähnt wurde, nur berücksichtigungsfähig, wenn sie auch in Bezug auf ihren Inhalt unstreitig wäre.

Wollte man dagegen annehmen, dass zwischen den Parteien Einigkeit über die weitere Behandlung der hier in Rede stehenden Kosten des außergerichtlichen Vergleichs erzielt worden ist, widerlegt der vorgelegte Schriftverkehr eindeutig den Standpunkt der Klägerin, aus dem Ausschluss der Anwendbarkeit des § 98 Satz 1 und 2 ZPO ergebe sich automatisch die Kostentragungspflicht der Beklagten. Zwar hatte die Klägerin in ihrem Anwaltsschreiben vom 20. März 2013 (Anlage 8, 1/7; Bl. 248 d.A.) ihrem Vergleichsangebot vorausgeschickt, sie sei nicht damit einverstanden, bezüglich des Berufungsverfahrens oder des Vergleichsverfahrens irgendwelche Kosten zu tragen, aber das bringt lediglich ihre grundsätzliche Weigerung zum Ausdruck, mit diesen Kosten belastet zu werden. Im unmittelbar anschließenden Absatz erklärt sie selbst, sie sei nach Abschluss des Vergleichs bereit, über die Höhe des von den Beklagten zu zahlenden Geldbetrages, der sowohl Kostenerstattung als auch Schadenersatz umfassen soll, zu verhandeln. Im selben Sinne hatten sich auch die Beklagten erklärt, indem sie in ihrem Annahmeschreiben (Anlage 8, 6/7 und 7/7; Bl. 253, 254 d.A.) hervorhoben, die Frage der konkreten Höhe der Kostenerstattung und des Schadensersatzes sei wie bereits zuvor telefonisch erörtert noch gesondert zu regeln. Damit war die Erstattungspflicht der Beklagten lediglich dem Grunde nach festgelegt, während die genaue Höhe der Erstattungssumme noch weiterer Verhandlungen bedarf. Dass inzwischen eine teilweise Einigung jedenfalls in Höhe der hier erstattet verlangten Kosten erzielt worden ist, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Die unwidersprochene Erklärung der Klägerin, sie sei jedenfalls insoweit nicht zur Übernahme von Kosten bereit, bildet keine geeignete Grundlage für diese Annahme, sie ist auch im Rahmen der Vergleichsverhandlungen von keiner der Parteien so verstanden worden; anderenfalls wäre in der begleitenden Korrespondenz die Frage der konkreten Höhe der Kostenerstattung nicht als noch regelungsbedürftig bezeichnet worden.

b)

Kosten für die Mitwirkung des Patentanwalts in der Berufungsinstanz kann die Klägerin nicht erstattet verlangen, weil sie durch die frühzeitige Einschaltung des Patentanwalts gegen ihre Verpflichtung zur möglichst kostensparenden Prozessführung verstoßen hat. Diese Verpflichtung legt dem Rechtsmittelbeklagten im Anfangsstadium des Rechtsmittelverfahrens Zurückhaltung auf. Sobald das Rechtsmittel eingelegt ist, darf er zwar seinerseits einen Rechtsanwalt beauftragen, für den deshalb auch die Verfahrensgebühr erstattungsfähig ist (BGH, MDR 2003, 530; OLG Naumburg, MDR 2012, 553). Die grundsätzliche Pflicht zur kostenschonenden Prozessführung verlangt jedoch, dass er mit der weitere Kosten auslösenden Stellung eigener Sachanträge wartet, bis eine Rechtsmittelbegründung vorliegt und damit feststeht, dass das Rechtsmittelverfahren tatsächlich durchgeführt wird (BGH NJW 2003, 756 und 1324). Sobald das gegnerische Rechtsmittel begründet ist, ist allerdings ein Zurückweisungsantrag zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig und führt zur Kostenerstattung nach § 91 ZPO. Abweichend hiervon darf ein Patentanwalt erst hinzugezogen werden, wenn die gegnerische Berufungsbegründung vorliegt (zum Ganzen siehe auch Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 7. Aufl., Rdnrn. 673, 674). Vor Begründung der Berufung ist die Hinzuziehung eines Patentanwalts auf Seiten des Rechtsmittelbeklagten regelmäßig nicht notwendig (OLG Stuttgart, GRUR-RR 2004, 279 = MDR 2004, 472 [Leitsätze] - Patentanwaltskosten bei Rechtsmittelrücknahme). Dem lässt sich nicht mit Erfolg entgegenhalten, § 143 Abs. 3 PatG schließe die Prüfung, ob eine Hinzuziehung des Patentanwalts in Patentverletzungsstreitigkeiten im Rechtsmittelverfahren notwendig ist, aus. Denn es ist gerade die Frage, in welchem Stadium des Rechtsmittelverfahrens die Anwendbarkeit des § 143 Abs. 3 PatG einsetzt. Erst von diesem Zeitpunkt an hat eine Überprüfung der Notwendigkeit einer Hinzuziehung des Patentanwalts zu unterbleiben. Jedenfalls solange der Berufungskläger keine Sachanträge gestellt und keine Berufungsbegründung vorgelegt hat, können regelmäßig sämtliche verfahrensbezogenen Handlungen für den Berufungsbeklagten noch von dessen Rechtsanwalt allein wahrgenommen werden. Das ist eine Folge des Gleichgewichts, das die Kostenerstattungsregelungen in Bezug auf den Kostenaufwand zu Beginn des Rechtsmittelverfahrens herstellen sollen. Der Berufungskläger ist gehalten, noch keine Sachanträge zu stellen, solange noch nicht feststeht, ob das Berufungsverfahren überhaupt durchgeführt werden soll; für den Berufungsbeklagten bedeutet das, dass auch er noch keine Sachanträge stellen darf und mit der Hinzuziehung eines Patentanwalts noch warten muss.

So war die Lage auch im Streitfall. Die Beklagten hatten mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2012 (Bl. 187 f. d.A.) Berufung gegen das landgerichtliche Urteil eingelegt, ohne Sachanträge zu stellen, und sogleich beantragt, aufgrund der am 6. Februar 2013 stattfindenden mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt die Berufungsbegründungsfrist um zwei Monate zu verlängern. Damit war für die Klägerin zu erkennen, dass die Berufungseinlegung zunächst nur fristwahrend erfolgte, die weitere Durchführung des Berufungsverfahrens aber in jedem Fall vom Ergebnis des Einspruchsverfahrens abhängig gemacht werden sollte. Dass sie unter diesen Umständen dennoch bereits im Januar 2013 neben ihrem Verfahrensbevollmächtigten einen Patentanwalt hinzuzog, war zu diesem Zeitpunkt nicht erforderlich. Umso mehr gilt dies, nachdem die Beklagten mit Schreiben vom 7. Februar 2013 mitgeteilt hatten, nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vor dem Europäischen Patentamt sei beabsichtigt, die Berufung zurück zu nehmen und den Vertrieb der angegriffenen Gegenstände umgehend einzustellen, und ausdrücklich darum gebeten hatten, dass sich zur Vermeidung unnötiger Kosten kein Vertreter für das Berufungsverfahren bestellt, bis entschieden sei, ob die Berufung durchgeführt wird. Unter diesen Umständen verstieß die Klägerin eindeutig gegen das Gebot kostensparender Prozessführung, wenn sich dennoch mit Schriftsatz vom 21. Februar 2013 für sie auch Patentanwälte zur Mitwirkung im Berufungsverfahren bestellten. Ihrer Auffassung, dieser Schriftsatz habe lediglich die Zustimmung der Klägerin zur erbetenden Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist enthalten, stelle aber keine Mitwirkungsanzeige der Patentanwälte dar, widerspricht dessen Inhalt eindeutig, weil dort die Mitwirkung der Patentanwälte ausdrücklich angezeigt wird. Es sind auch keine Gründe dargetan noch sonst ersichtlich, aus denen die Klägerin schon patentanwaltlichen Beistand benötigt hätte, solange die Beklagten noch nicht zu erkennen gegeben hatten, ob sie die Berufung überhaupt durchführen wollten. Ohne Kenntnis der Berufungsbegründung war nicht absehbar, welche Angriffe die Beklagten erheben wollten, und ohne Kenntnis der Berufungsangriffe ist auch nicht abzusehen, welche technischen Fragen mit einem Patentanwalt erörtert werden müssen, um die Berufungsangriffe zu widerlegen. Auch Vorbereitungen, die unabhängig von der Kenntnis der gegnerischen Berufungsbegründung möglicherweise sinnvoll erscheinen könnten, sind im Streitfall nicht zu erkennen. Mit dem technischen Gebiet, auf dem sich die Lehre des Klageschutzrechtes bewegte, waren die Patentanwälte der Klägerin aufgrund ihrer Mitwirkung im erstinstanzlichen Verfahren vertraut, und auch aus dem Einspruchsverfahren gab es nichts, was im Hinblick auf das vorliegende Verletzungsverfahren schon die Mitwirkung eines Patentanwaltes bedingte.

III.

Als unterlegene Partei hat die Klägerin nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Es bestand keine Veranlassung, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 574 ZPO hierfür ersichtlich nicht gegeben sind.

Dr. K. F. Dr. B.






OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 16.03.2015
Az: I-2 W 3/15


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