Landgericht Osnabrück:
Urteil vom 20. Oktober 2005
Aktenzeichen: 4 O 84/05 (8), 4 O 84/05

(LG Osnabrück: Urteil v. 20.10.2005, Az.: 4 O 84/05 (8), 4 O 84/05)

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 13.799,40 EUR nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 22.01.2005 zu zahlen. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, zukünftigen Schaden in Form von Mehraufwand aufgrund der Infizierung der Tiere (Rinder) mit BHV-1 zu tragen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 1/5, der Beklagte zu 4/5.

Das Urteil ist für die Parteien gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche wegen Infizierung ihres Rindviehs in ihrem Milchviehbetrieb in ... geltend.

Am 27.08.2003 und 26.09.2003 führte der beim Beklagten angestellte und für diesen tätige Tierarzt Dr. ... mit einem praxiseigenen Impfbesteck, das auch für andere Impfstoffe gegen Trichophytie, BRSV und BHV 1 allgemein genutzt wird, im Betrieb der Beklagten eine Impfung des Rindviehs gegen den Virus BVD durch im Rahmen eines Sanierungsverfahrens. Es wurde geimpft mit zwei BVD-Impfstoffen, nämlich dem Totimpfstoff Mucobovin der Firma M und dem Lebendimpfstoff Vacuviron, auf deren überreichte Anwendungs- und Abgabebelege verwiesen wird. Am 27.08.2003 führte der Tierarzt mit diesem Besteck auch eine Impfung mit einer BHV-1 Lebendvakzine durch bei dem Landwirt ... und am 26.09.2003 wurde mit dem Besteck bei zwei Betrieben eine BHV-1-Vakzine eingesetzt, und zwar jedes Mal Lebendimpfstoffe in den bäuerlichen Betrieben ... und .... Im Januar 2004 zeigten sich angesichts des Vermarktungsversuchs von zwei Färsen der Klägerin, dass diese im konventionellen Test positiv auf BHV-1 reagierten, sich also Antikörper gebildet hatten. Der konventionelle Test unterscheidet nicht danach, ob eine Feldvirusinfektion oder eine Impfinfektion zur Bildung der Antikörper von BHV-1 geführt hat. Diese Unterscheidung ermöglicht der gE-Test, in welchem geimpfte Tiere negativ reagieren, während geimpfte Tiere im konventionellen Test positiv reagieren nach Antikörpern durch Markerimpfstoff. Bei der Klägerin reagierten bei einer Tankmilchprobe am 21.05.2003 sämtliche Kühe negativ. Am 27.01.2004 anlässlich einer nach dem positiven Befund durchgeführten Tankmilchprobe ergab sich im konventionellen Test ein positives Ergebnis und darauf durchgeführte Einzeltieruntersuchungen ergaben, dass von 98 Tiere 51 positiv reagierten, 4 fraglich waren und 43 negativ waren und von 36 Rindern 20 Tiere positiv waren. Bei positiv und fraglich reagierenden Tieren wurde außerdem der gE-Test durchgeführt und bei sämtlichen Tieren war in diesem Test das Ergebnis negativ, womit eine Feldvirusinfektion mit BHV-1 unstreitig auszuschließen war. Als theoretische Möglichkeiten der Infizierung mit BHV-1 bzw. zur Bildung von Antikörpern kam in Betracht, dass ein Dritter die Tiere gegen BHV-1 geimpft hatte, sich Spuren von Lebendimpfstoff gegen BHV-1 im Impfbesteck befanden, als die Tiere gegen BVD geimpft wurden, sich Totimpfstoff im Impfbesteck befand, als diese gegen BVD geimpft wurden oder das Impfmittel vertauscht wurde. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass bei ordnungsgemäßer Reinigung weiterhin die Gefahr gegeben ist, die sich in der Herde der Klägerin realisiert hat, also selbst eine ordnungsgemäße Reinigung nicht ausreichend ist, die Infizierung bzw. Bildung von Antikörpern zu verhindern, sondern eine Sterilisation durchgeführt werden sollte (Schriftsatz des Beklagten vom 21.02.2005, S. 4 oben). Die Klägerin trägt vor, das Verschulden des Beklagten sei indiziert durch die Verursachung der Infizierung bzw. Bildung von Antikörpern. Ursache sei unzureichende Reinigung oder Vertauschung der Impfstoffe. Es sei die Impfung unter aseptischen Bedingungen erforderlich gewesen bzw. mit sterilisiertem Besteck, was lege artis sei. Das entsprechende Erfordernis sei bekannt auch aus den Beipackzetteln der Impfstoffe, einer Mitteilung der Nds. Tierseuchenkasse vom 07.08.2003 (auf deren Inhalt insgesamt Bezug genommen wird).

Nur der Beklagte bzw. für ihn seine Tierärzte hätten die Tiere im fraglichen Zeitraum geimpft und sie seien nicht auftragsgemäß gegen BHV geimpft worden und nur der Beklagte habe die Tiere im fraglichen Zeitraum auch tierärztlich behandelt.

Die Klägerin behauptet, BHV-1-positive Tiere seien aufgrund der schlechteren Labortechniken im Ausland im Export nicht abzusetzen, was auf dem Deutschen Markt jedoch durchschlage. Es ergebe sich auf dem Deutschen Markt ebenfalls ein Wertverlust, den die Klägerin unter Bezugnahme auf eine Schadensschätzung der Weser-Ems Union vom 09. Juni 2004, auf welche insgesamt Bezug genommen wird, mit 100,00 EUR zzgl. MWSt/Kuh (nach drei oder mehr Kalbungen), mit 230,00 EUR zzgl. MWSt pro junger Kuh (mit einer oder zwei Abkalbungen), mit 270,00 EUR plus MWSt/Färse (tragend) bemisst. Unter Zugrundelegung von 30 Kühen, 19 jungen Kühen und 23 Färsen, insgesamt inkl. 9 % MWSt 14.802,20 EUR. Zudem seien in den Folgejahren Untersuchungen notwendig, nämlich statt der obligatorischen Tankmilchprobe Einzeltierproben jährlich bei zusätzlichen Kosten für zusätzliche Arbeit von zwei Arbeitskräften bei den Testen von 1.500,00 EUR in den nächsten 10 Jahren bis alle Impflinge bzw. Tiere mit Antikörpern den Betrieb verlassen hätten. Insoweit forderte die Klägerin zunächst Leistung, nunmehr jedoch Feststellung für die Zukunft.

Des Weiteren fordert die Klägerin Kosten außergerichtlicher Anwaltsvertretung unter Vortrag, dass außergerichtliche Vertretung vor dem 01.07.2004 in Auftrag gegeben worden sei, jedoch bereits bedingter Klagauftrag, so dass Bedingungseintritt erst nach dem 01.07.2004 gegeben gewesen sei, so dass sich die Klagforderung um 275,21 EUR erhöhe.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 15.077,41 EUR zu zahlen nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (22.01.2005),

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, zukünftigen Schaden aufgrund der Infizierung der Tiere mit BHV-1 zu tragen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, die von ihm vorgetragene Reinigung des Impfbestecks, nämlich Spülung mit klarem Wasser ohne Zusatz von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln, habe dem Stand tiermedizinischer Technik zum Zeitpunkt der Impfung im Bestand der Klägerin entsprochen. Danach sei nicht zu desinfizieren und zu sterilisieren gewesen. Es habe keine gegenteiligen Äußerungen einer zuständigen Stelle gegeben, dass entgegen der so geübten Praxis anders zu verfahren gewesen sei. Eine erstmalige Empfehlung zur Verwendung eigenen Impfbestecks nur für BHV-1-Impfungen sei erstmalig im August 2002 durch die Bayrische Landestierärztekammer erfolgt, ein Jahr später durch die Landestierärztekammer Mecklenburg-Vorpommern, ohne dass die für den Beklagten zuständige Landestierärztekammer oder andere Vereinigungen eine entsprechende Empfehlung gegeben hätten. Also sei die Praktizierung anlässlich der Impfungen im Bestand der Klägerin Standard gewesen. Impfstoffe seien nicht vertauscht worden. Der Beklagte widerspricht der Schadenschätzung hinsichtlich der Einschätzung eines Minderwertes vom 09. Juni 2004, da die konkreten tatsächlichen Umstände der Schätzung nicht dargestellt seien, Auktionen nicht genannt würden, noch sonstige Marktbeobachtungen dargestellt seien. Zudem seien in den einzelnen bewerteten Gruppen teilweise Tiere, deren Bewertung weniger gut gewesen sei, ohne dass sich dies in der Bewertung ausgewirkt hätte. Die Tiere seien im Übrigen unversehrt und für ihre Zwecke der Erwirtschaftung von Milch und der Schlachtung uneingeschränkt geeignet. Die Beklagte bestreitet, dass die Klägerin Tiere zur Vermarktung vorgesehen habe, wie die Klägerin es vorgetragen hat, nämlich, dass die weibliche Nachzucht zu einem Anteil bis zu 2/3 zur Vermarktung vorgesehen sei. Der Beklagte bestreitet, dass sich entsprechend der Behauptung der Klägerin bei einer Einbringung des Herdbestandes in eine GbR eine niedrigere Bewertung des eingebrachten Anteils in Form von Rindvieh ergäbe, zumal die Tiere innerhalb der GbR zur Produktion von Milch eingesetzt würden, so dass ein Abschlag nicht gerechtfertigt sei. Die Beklagte bestreitet einen Anspruch auf Ersatz zukünftigen Schadens unter Bestreiten der zu erwartenden zusätzlichen Arbeitskosten. Der Beklagte trägt im Übrigen vor, dass es veterinärmedizinische Anordnungen für die Sanierung zu BHV-1-Sanierung geben kann, wofür der Impfstoff von der Tierseuchenkasse zur Verfügung gestellt würde. Möglicherweise habe sich die Klägerin einem entsprechenden Sanierungsverfahren angeschlossen.

Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und Erklärungen in der mündlichen Verhandlung verwiesen. Das Gericht hat Beweis erhoben. Auf das Ergebnis wird Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist im erkannten Umfange begründet zu einem geringen Teil nicht.

Die Klägerin hat Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1 BGB, da der Beklagte durch seinen Erfüllungsgehilfen Dr. ... anlässlich der Impfung des Rindviehs der Klägerin diese Tiere wertmindernd beschädigt hat. Der Beklagte war beauftragt, die Tiere gegen BVD zu impfen. Dabei ist es zur Infizierung mit Impfstoff gegen BHV-1 gekommen, so dass im konventionellen Antikörpertest 51 Tiere und weitere 20 Rinder positiv Antikörper von BHV-1 aufwiesen, im gE-Test keins der Tiere, womit feststeht, dass die Tiere nicht durch den Feldvirus infiziert wurden, sondern durch Markerimpfstoff. Die entsprechenden Feststellungen zu den Reaktionen auf den einen oder anderen Test ergeben sich aus den Befundberichten der LUFA vom 29.01.2004, 30.01.2004 und 10.03.2004.

1. Die Verursachung der Bildung von BHV-1 Antikörpern ist der Impftätigkeit des angestellten Tierarztes des Beklagten Dr. ... vom 27.08.2003 bzw. 26.09.2003 zuzuschreiben. Dies ergibt sich zum einen aus dem äußeren Ablauf des Geschehens. Danach waren die Tiere der Klägerin am 21.05.2003 BHV-1-antikörperfrei ausweislich einer Prüfung gemäß Tankmilchprobe der LUFA Nord-West vom 28.05.2003. Am 27.01.2004 ergab sich jedoch die Infizierung gemäß den bereits in Bezug genommenen weiteren LUFA-Befundberichten vom 30.01.2004, 12.02.2004 und 10.03.2004, auf welche insgesamt Bezug genommen wird. In der Zwischenzeit war die Impfung an den genannten 2 Tagen von Dr. ... durchgeführt worden. Der Zeuge ... hat glaubhaft € auch bezogen auf sein persönliches Aussageverhalten trotz seiner Interessenlage als Ehemann der Klägerin € bekundet, dass in der Zwischenzeit keine anderen Impfungen vorgenommen wurden und in der Zwischenzeit nur vereinzelt Tiere behandelt wurden ärztlich, wenn sie erkrankt waren. Impfungen und routinemäßige Behandlungen haben nicht stattgefunden. Zur Behandlung kranker Tiere war nur der Beklagte tätig. Es kann somit ausgeschlossen werden, dass andere Tierärzte möglicherweise infizierende Behandlungen vorgenommen haben.

Zudem ist zu berücksichtigen, dass ausweislich der Aussage des Dr. ... dieser einen Impfrevolver zur Impfung der Tiere der Klägerin benutzte, den er auch vorher bereits für Impfungen in anderen Betrieben verwendet hatte. Dabei gab der Zeuge zunächst an, dass er vorher in den anderen Betrieben gegen BHV-1 geimpft hatte, was er anschließend jedoch insoweit relativierte als er sich nicht erinnern konnte, ob er an den Impftagen bei der Klägerin auch vorher in anderen Betrieben gegen BHV-1 geimpft hatte. Jedenfalls konnte er dies auch nicht ausschließen. Dr. ... bestätigte, dass er das Impfbesteck jeweils in der Weise gereinigt hatte, dass er es, ohne es auseinander zu nehmen, mit klarem Wasser spülte, indem er es unter fließendes Wasser hielt, einige Male mit Wasser aufzog und wieder ausspritzte. Schon nach eigenem Vortrag des Beklagten mit Schriftsatz vom 21.02.2005 ergibt sich hieraus, dass dieses in dieser Weise "ordnungsgemäß" gereinigte Impfbesteck die Gefahr in sich barg, die sich in der Herde der Klägerin sodann mit Antikörpern gegen BHV-1 realisierte. Es war deshalb aufgrund dieser Reinigung davon auszugehen, dass diese Reinigung nicht ausreichend war, um die Infizierung zu vermeiden. Entsprechend hat der Sachverständige Privatdozent Dr. ... in einer sein schriftliches Gutachten bestätigenden Weise am 06. Oktober 2005 mündlich bestätigt, dass sich mit der von Dr. ... beschriebenen Reinigung ein mittleres bis hohes Risiko ergab, dass bei nachfolgenden Impfungen die Tiere mit BHV-1 infiziert würden bzw. Antikörper dagegen bilden würden. Es handelt sich dabei um die zweithöchste Wahrscheinlichkeitsstufe der von Dr. ... in seinem schriftlichen Gutachten dargestellten Gefährdungskaskade, zumal Dr. ... bestätigt hat, dass er für die an den Impftagen bei der Klägerin in anderen Betrieben vorgenommenen Impfungen gegen BHV-1 sowohl Totimpfstoffe gegen BHV-1 aber auch Lebendimpfstoffe gegen BHV-1 verwendete. Gerade die Verwendung von Lebendimpfstoff gegen BHV-1 bedeutete bei der vorgenommenen Reinigung durch Dr. ... ausweislich des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. ... dieses besonders hohe Risiko, dass er hier als gegeben ansah. Damit ist nach Auffassung des Gerichts die hohe Wahrscheinlichkeit der Infizierung der Tiere der Klägerin durch die Impfungen des Beklagten bzw. des Dr. ... erwiesen, zumal der Sachverständige seine Darlegung zum Infektionsrisiko noch unterlegt hat mit der Schilderung eines Experiments aus dem Jahre 2004, wonach BHV-1-Lebendimpfstoffe selbst in hoher Verdünnung in BVD-Impfstoffen zu Antikörpern gegen BHV-1 führten. Selbst wenn der Grad der Wahrscheinlichkeit des mittleren bis hohen Risikos nicht als überzeugender Nachweis der Verursachung angesehen werden sollte, ist gleichwohl normativ von einer entsprechenden Verursachung durch den Beklagten auszugehen, denn der Sachverständige hat nachvollziehbar und überzeugend beschrieben, dass die Impfung gegen BVD nach bloßer Spülung des Impfbestecks nicht lege artis war sondern eine weitergehende Desinfizierung hätte stattfinden müssen. Im übrigen erforderte der bei Klägerin gegen BVD verwendete Impfstoff gem. vorgelegtem Beipackzettel die Verwendung steriler Gerätschaft, wogegen ebenfalls verstoßen wurde. Wenn aber nicht lege artis vorgegangen wird bei der Impfung, obliegt es dem Beklagten, die hohe Wahrscheinlichkeit der Infizierung der Tiere durch diese Impfungen zu widerlegen. Einen solchen Beweis hat der Beklagte nicht geführt.

2. Der Beklagte hat die Infizierung der Tiere als Pflichtverletzung auch zu vertreten. Der Sachverständige hat überzeugend dargelegt, dass die Verwendung des Impfbestecks nach der von Dr. ... beschriebenen objektiv unzureichenden Reinigung nicht lege artis war. Es hätte das Impfbesteck nach der Impfung in anderen Betrieben gegen BHV-1 gewechselt werden müssen oder es hätten bei der Impfung im Betrieb der Klägerin Einmalbestecke verwendet werden müssen. Inzidenter ergibt sich auch, dass ausreichend gewesen wäre bei Verwendung des gleichen Impfbestecks, dass dieses zuvor gereinigt, also mit Wasser abgespült und sodann fachgerecht sterilisiert worden wäre auch gem. Beipackzettel zum Vacoviron. All diese kunstgerechten Möglichkeiten hat Dr. ... nicht wahrgenommen. Er hätte dies jedoch entgegen ständiger Übung der Praxis vor Ort in den Ställen tun müssen. Denn zum einen ist die Einhaltung der Kunstregeln Pflicht, auch wenn dies unpraktikabel ist. Dies entspricht in Übereinstimmung mit der Beurteilung des Dr. ... auch der von Prof. Dr. ... gegenüber dem Landgericht Oldenburg, wonach die Wiederverwendung des Impfbestecks nach Reinigung in 2002 nicht dem Standard niedergelassener Tierärzte entsprach. Im Übrigen wies die Nds. Tierseuchenkasse bereits mit Schreiben vom 07.08.2003 an Landkreise, Städte und Regionen und die entsprechenden Veterinärämter auf die entsprechende Gefahr der Infizierung hin und forderte die Trennung von BHV-1-Impfbestecken von denen einer BVD-Impfung. Entsprechend legte Prof. Dr. ... dar, dass bereits im August 2002 erstmalig eine Empfehlung zur Verwendung eines eigenen Impfbestecks für die BHV-1-Impfung ins Internet eingestellt und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Dies bestätigend hat der Sachverständige Dr. ... dargelegt, dass bereits im Jahre 2001 lokal, jedoch im Internet eine entsprechende Empfehlung zugänglich war und dass ab 2001 auf Ärztekongressen entsprechende Gefährdungspotentiale und Kontaminationsfälle aufgrund der Verwendung der Impfbestecke für verschiedene Impfungen dargestellt wurden. Die Tierärztekammer Bayern stellte die entsprechende Gefahr danach 2001 dar, die Tierärztekammer Schleswig-Holstein in 2003. Zwar wurden die entsprechenden Gefahren und Empfehlungen in den Pflichtblättern für Tierärzte nach Darstellung des Sachverständigen Dr. ... nicht schon ab 2001 veröffentlicht sondern im Deutschen Tierärzteblatt z. B. erstmals erst 2005 und die früheren Gefahrenhinweise und Empfehlungen hatten auch Widerspruch geerntet. Gleichwohl kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, dass ihm die Empfehlungen und Gefahrenhinweise nicht hätten bekannt sein müssen und können, da es sich um Empfehlungen und Hinweise fremder Tierseuchenkassen und Tierärztekammern gehandelt habe, nicht um die seiner für ihn zuständigen Tierärztekammer, denn wenn der Beklagte von der Übung lege artis abweichen wollte und dies tat er unzweifelhaft nach Darlegung des Sachverständigen und von Anweisungen im Beipackzettel, so musste er sich über bloße Pflichtblätter für Tierärzte hinausgehend über die Gefahrenlosigkeit und Risikolosigkeit seines Vorgehens € wenn auch ständiger Praxis entsprechend € zusätzlich informieren. Es hätte ihm deshalb oblegen, die ganz besonderen Informationsmöglichkeiten etwa im Internet, die bei Impfung in den Beständen der Klägerin schon gegeben waren, sich zu Nutze zu machen. Da er dies nicht tat, gehen die Folgen der Übung, die nicht den Kunstregeln entsprach, zu seinen Lasten. Dies würde selbst dann gelten, wenn er sich der Auffassung zu Gefahren und Risiken nicht angeschlossen hätte entsprechend dem Widerspruch gegen erstmalig veröffentlichte Risikohinweise und Kontaminierungsgefahren.

3. Der Klägerin ist ein Schaden entstanden.

Insoweit gilt zunächst, dass die Wertminderung einer Sache ein Schaden ist, auch wenn sie sich noch nicht in einem Verkauf konkretisiert hat (BGH NJW 97, 2595). Im Übrigen hat zur Bewertung des Schadens das Gericht den insoweit sachverständigen Zeugen ... vernommen. Der Sachverständige ... hat bereits in seinem schriftlichen Gutachten dargestellt, dass die Rinder mit dem Status "BHV-1-Marker geimpft, gE-Antikörper negativ" im Vergleich zu Tieren, die den Status "BHV-1-negativ ohne Impfung" besitzen zu geringeren Marktpreisen gehandelt werden. Er hat dies damit begründet, wie es auch der Sachverständige Zeuge ... bestätigt hat, dass in BHV-1-freien Zuchtbetrieben, die nicht impfen, die schnelle und billige Diagnostik über Tankmilchproben bei markerinfizierten Tieren nicht möglich ist, so dass selbst bei nur einem Impftier aufwendig über Einzelblutproben abgeklärt werden muss.

Der Sachverständige hat die Grundsätze der Wertminderung insoweit dargestellt und empfohlen, für die Schätzung aktueller Marktinformationen und deren Bewertung durch einen erfahrenen unabhängigen Viehhandelsexperten (Zuchtverbände) eine Bewertung einzuholen, wobei regionale Gegebenheiten zu berücksichtigen sind, wie auch die Nutzungsrichtung der Tiere, ihr Alter und der Zuchtwert. Der Zeuge ... ist ein solcher erfahrener Experte eines Zuchtverbandes und nach seinen Angaben langjährig auch mit der Schätzung von Tieren dieses Zuchtverbandes befasst.

Er ist Geschäftsführer des Zuchtverbandes Weser-Ems Union, des Zuchtverbandes für Rinderzüchter in dem hier betroffenen Bereich. Dieser Verband führt die Stammunterlagen der Tiere aus dem Verbandsbereich, also auch der Tiere, die von seiner Schadensschätzung im Juni 2004 betroffen sind, so dass dem Zeugen sämtliche Abstammungs- und Leistungsdaten der Tiere und ihre Exterieurdaten bekannt waren bei seiner Schätzung, ausweislich der Aussage des Zeugen in der mündlichen Verhandlung vom 06. Oktober 2005. Er hat die Tiere in seiner Schätzung in drei Kategorien eingeteilt, weshalb auf die schriftliche Schadenschätzung vom 09.06.2004 Bezug genommen wird.

Die Vermarktungsfähigkeit der Tiere der Klägerin ist nach den Darlegungen des sachverständigen Zeugen ... nicht zweifelhaft, was den Darlegungen des Sachverständigen ... jedenfalls inzidenter auch zu entnehmen ist. Zwar hat der Zeuge ... in seiner schriftlichen Schadenschätzung dargelegt, dass die Tiere gemäß Kategorie I seiner Schadenschätzung selten im Handel sind und dreißig der hier betroffenen Tiere der Klägerin sind solche Tiere der Kategorie I. Aber jedenfalls sind sie hin und wieder im Handel und der Zeuge hat nachvollziehbar dargelegt, dass etwa 1/3 der Tiere dieser Kategorie vermarktbar sind. An der Vermarktbarkeit der Tiere der Kategorien II und III gemäß Schadenschätzung besteht nach Aussagen des Zeugen ... schon gar kein Zweifel, welchen Angaben sich das Gericht anschließt. Der Aussage des Zeugen ... ist in diesem Zusammenhang zu entnehmen, dass die Tiere der Kategorie II (junge Kühe) und III (Färsen) auch vermarktet werden sollten. Der Zeuge hat angegeben, dass die weibliche Nachzucht aufgezogen wird bei der Klägerin, zum Teil im eigenen Bestand behalten wird, andererseits zum Teil jedoch auch vermarktet wird nach der ersten Abkalbung. Wenn auch selten, so jedoch werden auch ältere Kühe von der Klägerin gehandelt ausweislich der Aussage des Zeugen .... Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass für diese Tiere angesichts auch der Angaben des sachverständigen Zeugen ... hierzu kein Handelsmarkt vorhanden ist und nicht Preise für Handelsware als solche (nicht Schlachtvieh) vorhanden ist.

Der sachverständige Zeuge ... hat nachvollziehbar zunächst auch die Ausgangspreise für die Tiere der verschiedenen Kategorien dargestellt, nämlich 1.300,00 EUR für Tiere der Kategorie I, also Kühe, 1.150,00 EUR für Tiere der Kategorie II, also junge Kühe und 1.350,00 EUR für Tiere der Kategorie III, also Färsen. Er hat sodann in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen ... eine Wertminderung durch Infizierung mit BHV-1-Antikörpern dargestellt. Diese Wertminderung beläuft sich bei alten Kühen, also Tieren der Kategorie I, nach seiner Einschätzung auf 100,00 EUR netto zuzüglich MWSt., bei Tieren der Kategorie II auf 230,00 EUR plus MWSt. und bei Tieren der Kategorie III auf 270,00 EUR plus MWSt.. Es handelt sich bei den Tieren der Kategorie II und III jeweils um 20 % des ursprünglichen Marktpreises. Der sachverständige Zeuge hat zum einen angeführt, dass er die Bewertung auch aufgrund eigener Inaugenscheinnahme der Herde vorgenommen hat. Er hat sodann Punktbewertungen gegeben, die sich auch ausrichteten an dem Alter der Tiere. Diese Punktbewertungen bezogen sich auf das Exterieur der Tiere, wie der sachverständige Zeuge ausgeführt hat, waren jedoch insoweit innerhalb der einzelnen Kategorien nicht einheitlich, sondern es gab in der Kategorie I auch zwei oder drei Tiere, die nicht mit gut oder sehr gut exterieurmäßig von ihm beurteilt wurden, in der Kategorie II fünf Tiere, die nicht mit gut eingeordnet wurden exterieurmäßig und in der Kategorie III zwei oder drei Tiere. Aber diese Punktebewertung bezog sich nur auf das Exterieur. Im Übrigen kamen Leistungsmerkmale hinzu, die das wichtigste Merkmal für die Bewertung der Tiere waren und sich nicht im Punktesystem niederschlugen. Dabei kann gemäß Darstellung des sachverständigen Zeugen nicht davon ausgegangen werden, dass durchgehend das Exterieur höher bewertet wird als die hinzukommenden Leistungsmerkmale, so dass aufgrund des Exterieurs nicht schon feststeht, dass ein Minderwert des Tieres vorhanden ist. Vielmehr ist das Leistungsmerkmal das wichtigste Beurteilungsmerkmal. Entsprechend waren die Tiere der Kategorie I ausnahmslos mit hohen Eigenleistungen ausgestattet, wie die Tiere der Kategorie II durchweg hohe Leistungen aufwiesen und wiesen die Färsen, also Tiere der Kategorie III, bis auf drei Ausnahmen, ein sehr hohes Leistungsniveau aus. Der sachverständige Zeuge hat sodann zu Recht unter Einbeziehung seiner Erfahrungen und von Marktbeobachtungen eine generalisierende Beurteilung abgegeben. Dem sachverständigen Zeugen standen die Erfahrungen aus ständiger Auktionsvermarktung zur Verfügung gerade auch aus dem Bereich, aus welchem die geschädigten Tiere stammten. Die Rinderzüchter aus dem Weser-Ems Bereich, also dem Bereich, aus dem die geschädigten Tiere stammen, sind obligatorisch verpflichtet, nur Auktionen im Bereich des Zuchtverbandes, dessen Geschäftsführer der sachverständige Zeuge ist, aufzusuchen und nur hier ihre Tiere zu vermarkten, soweit sie auf Auktionen vermarktet werden sollen. Im Übrigen ist die generalisierende Beurteilung deshalb gerechtfertigt, weil der sachverständige Zeuge dargelegt hat, dass die Beurteilung auf der Grundlage einer Inaugenscheinnahme unter Kenntnis der verbuchten Leistungsmerkmale nur eine momentane Bewertung ermöglicht, sich die Leistungsmerkmale jedoch innerhalb kurzer Zeit wieder verändern können, etwa bis zur nächsten Auktion oder bis zum Verkauf, so dass nur eine generalisierende Betrachtung und Durchschnittsbewertung möglich ist. Zudem ist eine solche generalisierende Beurteilung auch deshalb erforderlich, weil bei einigen Schichten von Käufern die Infizierung eine geringe Bedeutung hat, so dass die Abschläge geringer ausfallen können, bei anderen Käuferschichten der Abschlag höher sein wird, weil die Infizierung für sie wesentliche Bedeutung hat. Des Weiteren ist eine solche generalisierende Bewertung erforderlich, weil die im Einzelfall hoch bewerteten Tiere einen höheren Preis ausgangsweise bereits erzielen werden als den Durchschnittpreis, den der sachverständige Zeuge angegeben hat, als schwächere Tiere. Bei ersterer Gruppe wird der Wertabschlag bei BHV-1-Infizierung höher sein müssen als bei ausgangsweise geringer bewerteten Tieren. Generalisierend ergibt sich dann der vom sachverständigen Zeugen eingeschätzte Wertabschlag für den gesamten Schnitt der einzelnen Kategorien der Tiere.

Entsprechend ergibt sich für die seltener vermarkteten Kühe nur ein Abschlag im Wert von durchschnittlich 100,00 EUR zzgl. MWSt/Tier, wie der sachverständige Zeuge nachvollziehbar und überzeugend dargelegt hat.

Allerdings ist mit der Angabe des Zeugen ... davon auszugehen, dass die Klägerin konkret keine Färsen vermarktet sondern ganz selten ältere Kühe und im Übrigen junge Kühe, also Tiere der Kategorie II gemäß Schadenschätzung vom 09. Juni 2004. Die von der Klägerin behauptete Anzahl der infizierten Tiere, nämlich 30 Kühe, 19 junge Kühe und 23 Färsen ist zwischen den Parteien nicht streitig gewesen. Es ergibt sich somit für die 30 Kühe ein Wertverlust von 3.000,00 EUR zzgl. MWSt. (30 x 100,00 EUR zzgl. MWSt), im Übrigen für 19 junge Kühe ein Wertverlust von 230,00 EUR/Tier plus MWSt. Für die 23 Färsen ist ebenfalls nur dieser Wertverlust anzusetzen, da nach Angaben des Zeugen ... Färsen durch die Klägerin nicht veräußert werden. Es ist also von einem Wertverlust für 19 junge Kühe und 23 Färsen von je 230,00 EUR zzgl. MWSt. auszugehen, d. h. 9.660,00 EUR plus MWSt.. Der Mehrwertsteuersatz von 9 % ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Klägerin bzw. ihr Betrieb ist nicht vorsteuerabzugsberechtigt ausweislich der an den Zeugen ... gerichteten Bescheinigung des Finanzamtes Lingen vom 09. September 2005. Danach werden die Umsätze als Land- und Forstwirt gemäß § 24 Umsatzsteuergesetz nach Durchschnittssätzen versteuert, so dass der Klägerin bei (Vermarktung der Tiere) die Mehrwertsteuer auf den Wertverlustbetrag entgeht.

Es ergibt sich somit ein zu ersetzender Wertverlust von 12.660,00 EUR zzgl. 9 % MWSt., d. h. 13.799,40 EUR. Soweit die Beklagte sich auf die mögliche Anordnung einer Sanierung berufen hat, wirkt sich dies auf die Höhe des Schadensersatzes nicht aus. Der Sachverständige hat hierzu in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass das Sanierungsverfahren von jedem Rinderzuchtbetrieb durchlaufen werden muss, um den Bestand als BHV-1-frei geltend zu erhalten. Dies ist das Sanierungsverfahren. Das Sanierungsverfahren muss immer wieder, nämlich dreimal im Jahr durchlaufen werden, um sich diesen Freiheitsstatus zu erhalten. Erforderlich ist bei BHV-1-freien Beständen nur eine Tankmilchprobe zum Nachweis der Freiheit. Hieraus ergibt sich bereits der Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung wegen zukünftiger Schäden. Bei nicht von BHV-1-freien Tierbeständen ist die Tankmilchprobe nicht ausreichend. Es müssen Einzeltierproben genommen werden ausweislich des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. .... Diese Kosten sind höher, als wenn eine bloße Tankmilchprobe genommen werden müsste. Es kann dabei die Höhe im Einzelnen dahingestellt bleiben, jedenfalls ist die Entstehung dieser Kosten in Zukunft wahrscheinlich.

Soweit die Klägerin vorprozessuale nicht anrechenbare Rechtsanwaltskosten nach RVG geltend macht (275,21 EUR), besteht dieser Anspruch nicht, denn ausweislich des eigenen Vortrages der Klägerin wurde der Auftrag an die Klägervertreter bereits vor dem 01.07.2004 zur Vertretung in der Gesamtangelegenheit erteilt, so dass die Abrechnung noch nach BRAGO zu erfolgen hat. Nicht entscheidend ist, dass der Auftrag für das gerichtliche Verfahren später bzw. vorher nur bedingt erteilt wurde.

Die Zinsentscheidung folgt aus § 288 Abs. 2 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

....






LG Osnabrück:
Urteil v. 20.10.2005
Az: 4 O 84/05 (8), 4 O 84/05


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