Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 17. März 1995
Aktenzeichen: 6 U 14/94
(OLG Köln: Urteil v. 17.03.1995, Az.: 6 U 14/94)
Die Bezeichnungen (Marken) Stadadorm und Staurodorm, die für verschreibungspflichtige Durch- und Einschlafmittel benutzt werden, sind miteinander verwechslungsfähig.
Tenor
I.) Die Berufung der Beklagten gegen das am 16. Dezember 1993 verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 81 O 80/94 - wird unter der nachfolgend aufgeführten klarstellenden Neufassung des Hauptausspruches der landgerichtlichen Entscheidung zurückgewiesen.
Die Beklagte wird verurteilt,
1.) es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für verschreibungspflichtige Schlafmittel (Ein- und/oder Durchschlafmittel) das Zeichen STADADORM zu benutzen;
2.) in die Teillöschung des unter dem Aktenzeichen St 16070/5 WZ beim Deutschen Patentamt angemeldeten Zeichens (Marke)"STADADORM" einzuwilligen, soweit es für die Waren "Schlafmittel" (Ein- und/oder Durchschlafmittel) eingetragen ist.
II.) Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
III.)Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf jedoch die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, und zwar hinsichtlich der Vollstreckung wegen der Hauptsache in Höhe von 250.000 DM und wegen der Kosten in Höhe von 43.000 DM, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. Beiden Parteien wird nachgelassen, die Sicherheit durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu erbringen.
IV.) Die Beschwer der Beklagten wird auf 250.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien sind Konkurrenten als Hersteller von
Arzneimitteln.
Die Klägerin ist Inhaberin des u.a. für Arzneimittel mit
Priorität zum 17.2.1961 eingetragenen Warenzeichens 765674
"Staurodorm". Gegen die Eintragung dieses Zeichens hat die Beklagte
vergeblich aus ihrem damaligen Zeichen 633481 "Stadadorm"
Widerspruch eingelegt.
Die Beklagte hat das Warenzeichen 16070/5 "Stadadorm" mit
Priorität zum 10.2.1989 angemeldet, die Klägerin hat gegen diese
Anmeldung Widerspruch eingelegt, der ebenfalls vergeblich geblieben
ist. Wegen der Einzelheiten des Anmeldeverfahrens wird auf die
Anlage 1 zur Klageschrift Bezug genommen. Die Beklagte hat im Laufe
des Widerspruchsverfahrens die Anmeldung auf
verschreibungspflichtige Präparate beschränkt.
Die Klägerin verwendet ihr Warenzeichen seit November 1966 für
ein rezeptpflichtiges Mittel gegen Ein- und Durchschlafstörungen.
In den Jahren 1966 bis 1972 erzielte sie einen geschätzten Absatz
von 40 Mio Packungen und gehörte damit zeitweilig zu den
Marktführern. Seit Einführung der Benzodiacepine zu Beginn der
70-iger Jahre geht der Umsatz jedoch kontinuierlich zurück. Wegen
der Einzelheiten der Umsatz- und Absatzentwicklung wird auf die
Darstellung der Klägerin im Schriftsatz vom 6.7.1993 (Bl.56 ff)
einerseits und die Anlagen B3 und B4 zum diesbezüglich
unwidersprochen gebliebenen Schriftsatz der Beklagten vom 23.7.1993
(Bl.62 ff) andererseits Bezug genommen. Auch die Werbeaufwendungen
der Klägerin, die seit dem Jahre 1990 keine Anzeigen für ihr
Präparat mehr schaltet, sind rückläufig. Hierzu wird ebenfalls auf
den vorbezeichneten Schriftsatz der Klägerin Bezug genommen.
Die Klägerin verlangt die Unterlassung der Benutzung des
Warenzeichens Stadadorm und die Einwilligung in die Lö- schung
dieses Zeichens in der Warenzeichenrolle. Sie vertritt unter
Berufung auf die §§ 15,24,31 WZG,823,1004 BGB die Auffassung, die
Zeichen Staurodorm und Stadadorm seien verwechslungsfähig.
Hierzu hat sie im einzelnen vorgetragen:
Die beiden Zeichen seien sowohl in klanglicher, als auch in
bildlicher Hinsicht miteinander verwechselbar. So seien die sich
gegenüberstehenden Vokale "au" und "a" sowie "o" und "a" in hohem
Maße klangverwandt, auch wiesen beide Zeichen dieselbe
beherrschende Lautfolge auf. In bildlicher Hinsicht bestünden
Übereinstimmungen am Wortanfang und am Wortende und auch die
Divergenzen im Wortinneren wiesen in Schreibschrift eine hohe
Ähnlichkeit auf.
Die Verwechslungsgefahr sei im übrigen erhöht, weil dem Zeichen
Staurodorm wegen der starken Benutzung ein erhöhter Schutzumfang
zukomme. In diesem Zusammenhang werde der Umsatzrückgang durch die
langjährige Benutzung kompensiert, die bewirkt habe, daß sich das
Zeichen bei den betroffenen Verkehrskreisen, insbesondere den
Ärzten und Apothekern, nachhaltig eingeprägt habe. Im Hinblick auf
den Umsatzaufbau in drei Jahrzehnten spiele der derzeitige Rückgang
keine Rolle, zumal in den letzten Jahren noch 3/4 Mio Packungen
verkauft worden seien.
Es komme hinzu, daß Warenidentität vorliege. Wegen der Endsilbe
"dorm", die auf Schlafen hindeute, sei auch das Zeichen der
Beklagten nur für Schlafmittel geeignet.
Die Verwechslungsgefahr sei auch nicht deswegen reduziert, weil
für ihr Präparat Verschreibungspflicht bestehe. Auch Ärzte und
Apotheker erwarteten bei derart ähnlichen Bezeichnungen nicht, daß
die Präparate von verschiedenen Herstellern stammten. Schließlich
erfahre ihr Zeichen auch keine Schwächung durch andere Zeichen,
weil diese einen hinreichend weiten Abstand zu ihrem Zeichen
hielten und überdies hierfür einen zu geringen Umsatz
aufwiesen.
Die Klägerin hat b e a n t r a g t,
die Beklagte zu verurteilen,
1.) es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM zu
unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für verschreibungspflichtige
Arzneimittel das Zeichen STADADORM zu benutzen;
2.) in die Löschung des unter dem Aktenzeichen St 16070/5 WZ
beim Deutschen Patentamt angemeldeten Zeichens "STADADORM"
einzuwilligen.
Die Beklagte hat b e a n t r a g t,
die Klage abzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, die Zeichen seien nicht
verwechselbar und hat dazu vorgetragen:
Die identische Schlußsilbe "dorm" müsse bei dem Vergleich außer
Betracht bleiben, weil sie einen Bestimmungshinweis darstelle und
bei einer Vielzahl von Präparaten Verwendung finde. Die
verbleibenden Wortteile "Stauro" und "Stada" seien unverwechselbar
verschieden. So werde ihr Zeichen durch die Iteration des "a"
geprägt und hebe sich der einleitende Vokal "a" von dem
einleitenden "au" des Klägerzeichens hinreichend ab. Darüber hinaus
seien die Vokale der zweiten Silbe unterschiedlich und werde diese
Silbe durch die unterschiedlichen Konsonanten "r" und "d"
eingeleitet. Auch optisch bestehe eine hinreichende
Unterscheidbarkeit. Während das Klagezeichen durch die beiden
Oberlängen in zwei gleiche Teile geteilt werde, sei ihr Zeichen von
dem Auf und Ab am Wortanfang gekennzeichnet.
Dem Klagezeichen komme auch keine erhöhte Kennzeichnungskraft
zu. Es könne dahinstehen, ob die frühere Benutzungshäufigkeit
damals zu einer Erhöhung der Kennzeichnungskaft geführt habe.
Angesichts des Umsatzrückganges liege jetzt jedenfalls keine
erhöhte Kennzeichnungskraft mehr vor.
Im übrigen sei die Kennzeichnungskraft durch die Verwendung der
Präparatbezeichnungen Alfadorm, Radedorm, Avedorm, Alsadorm und
Dalmadorm sogar geschwächt. Dalmadorm liege nach dem
Arzneiverordnungsreport für 1992 und 1993 auf der Liste der nach
Verordnungen führenden Präparaten ca. 100 Plätze vor
Staurodorm.
Schließlich sei ein weiteres Unterscheidungsmerkmal dadurch
entstanden, daß die Klägerin ihr Produkt seit Mai 1981 als
"Staurodorm neu" vertreibe.
Das L a n d g e r i c h t hat die Beklagte antragsgemäß
verurteilt und ausgeführt, dem klägerischen Zeichen komme trotz des
Umsatzrückganges noch heute eine gesteigerte Kennzeichnungskraft
zu, weil der früher erlangte hohe Bekanntheitsgrad bis heute
fortwirke. Angesichts der Tatsache, daß beide Zeichen nur für
Medikamente derselben Indikationsgruppe verwendet werden könnten,
halte die Bezeichnung Stadadorm nicht genügend Abstand von dem
klägerischen Zeichen.
Mit ihrer gegen dieses Urteil gerichteten B e r u f u n g
wiederholt die Beklagte unter Vertiefung ihres Sachvortrages, daß
die streitgegenständlichen Bezeichnungen bildlich und klanglich
verschieden seien. Wegen des rein beschreibenden Charakters der
Schlußsilbe "dorm" sei allein auf die erste Worthälfte des
Zeichens, also den Bestandteil "Stada", abzustellen. Eine
Verwechslung sei auch deswegen nicht zu befürchten, weil den
Apothekern und Ärzten die Bezeichnung "Stada" ein Begriff sei.
Diese Bezeichnung stelle den prägenden Betandteil ihrer Firma dar
und werde auch für eine Vielzahl anderer Arzneimittel benutzt. Sie
und die von ihr kontrollierte Vertriebsgesellschaft St. GmbH hätten
in den letzten Jahren einen Werbeaufwand von mehr als 11 Mio
DM/Jahr betrieben. Darüber hinaus sei sie den Ärzten und Apothekern
auch aus ihrer Geschichte bekannt. Bei der "Stada" habe es sich
ursprünglich um eine Gemeinschaftseinrichtung der deutschen
Apotheker gehandelt, mit der diese gegen Ende des letzten
Jahrhunderts dem Vordringen der pharmazeutischchemischen Industrie
und der Herstellung abgabefertiger Arzneimittelspezialitäten
begegnet seien. Der Name "Stada" sei in den 30-iger Jahren dieses
Jahrhunderts als Abkürzung für "Standesgemeinschaft deutscher
Apotheker" entstanden und später als Abkürzung für
"Standartpräparate deutscher Apotheker" verwendet worden.
Gegen das Bestehen einer Verwechslungsgefahr spreche auch, daß
es sich um verschreibungspflichtige Präparate und bei dem Mittel
der Klägerin ausweislich der Umsatzzahlen offenbar um ein
auslaufendes Produkt handele.
Schließlich sei von Bedeutung, daß sie bereits im Jahre 1953 ein
Schlafmittel "Stadadorm" auf den Markt gebracht habe, das in den
Jahren 1978 bis 1983 Umsätze von jährlich zwischen 2.902 DM und
57.926 DM erbracht habe. Wenn die Klägerin - wie sie behaupte - in
dieser Zeit durch intensive Benutzung eine hohe Kennzeichnungskraft
ihrer Bezeichnung erreicht habe, so sei dies demnach während ihrer,
der Beklagten, gleichzeitigen Anwesenheit auf dem Markt geschehen,
was ebenfalls gegen eine Verwechslungsgefahr spreche.
Die Beklagte b e a n t r a g t,
in Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage
abzuweisen.
Die Klägerin b e a n t r a g t,
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß Unterlassung
der Verwendung des Zeichens "Stadadorm" nur für Schlafmittel (Ein-
und Durchschlafmittel) und die Einwilligung in die Löschung des
Warenzeichens derart begehrt wird, daß sich diese nur auf die
Verwendung für "Schlafmittel (Ein- und Durchschlafmittel)"
bezieht.
Sie bestreitet unter Wiederholung und Vertiefung ihres
erstinstanzlichen Vortrages eine erhöhte Aufmerksamkeit der
betroffenen Verkehrskreise auf den Firmenbestandteil "Stada" in dem
Zeichen der Beklagten sowie die von der Beklagten für "Stadadorm"
bis 1983 behaupteten Umsatzzahlen. Das Zeichen "Staurodorm" habe
weiterhin eine starke Kennzeichnungskraft. Der Umsatzrückgang sei
rückläufig, im Jahre 1992 seien 762.000 Packungen verkauft worden.
Auch habe sie bei 22.500 Arztgesprächen in den alten und 2.900
Arztgesprächen in den neuen Bundesländern Werbematerial über ihr
Produkt verteilt und so für dessen fortbestehende Bekanntheit
gesorgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, die
sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Gründe
Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen
Erfolg.
Die Klage ist gemäß §§ 14 Abs.2 Ziff.2 und Abs.5, 51 Abs.1 und
Abs.5, 55 Abs.1 und 2 Ziff.2 MarkenG begründet. Die vorstehenden
Bestimmungen finden gemäß § 152 des auf Grund von Art.50 Abs.3
Markenrechtsreformgesetz am 1.Januar 1995 in Kraft getretenen
Markengesetzes auch auf Marken Anwendung, die vor dem 1.Januar 1995
eingetragen worden sind. Hierunter fallen auch Zeichen, die nach
dem Warenzeichengesetz in die Zeichenrolle eingetragen sind (vgl. §
3 MarkenG).
Der mit Ziffer 1) des Klageantrages geltendgemachte
Unterlassungsanspruch ergibt sich aus § 14 Abs.5 i.V.m. Abs.2
Ziffer 2 MarkenG. Die Beklagte nimmt durch das für sie eingetragene
Warenzeichen Stadadorm ein Zeichen für sich in Anspruch, das wegen
der Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke Staurodorm der Klägerin
und der Ähnlichkeit oder sogar Identität der durch die Marke und
das Zeichen erfaßten Waren für das Publikum im Sinne von § 14 Abs.2
Ziff.2 MarkenG die Gefahr von Verwechslungen hervorruft.
Zur Beurteilung dieser Frage sind die von der Rechtsprechung in
der Vergangenheit zur früheren Gesetzteslage gemäß §§ 15,24,31 WZG
herausgebildeten Grundsätze heranzuziehen, weil das neue Recht -
soweit dies für den vorliegend geltendgemachten
Unterlassungsanspruch von Bedeutung ist - gegenüber der früheren
Rechtslage inhaltlich keine abweichenden Voraussetzungen
enthält.
Es entspricht - wie der BGH in seiner Entscheidung vom 29.9.1994
(GRUR 95,50 f "Indorektal/Indohexal") mit Nachweisen wiederholend
ausgeführt hat - gefestigter Rechtsprechung, daß die Beurteilung
der Verwechslungsgefahr nicht nur durch die Ähnlichkeit der
verwendeten Bezeichnungen, sondern auch durch die
Kennzeichnungskraft der zu schützenden Bezeichnung und insbesondere
durch die Warennähe der bezeichneten Produkte mitbestimmt wird. Das
mithin schon in der Vergangenheit (auch) maßgebliche Kriterium der
Warennähe findet heute in dem Gesetzeswortlaut ("Identität oder
Ähnlichkeit der... erfaßten Waren...") seinen Niederschlag. Ebenso
ist auch der Umfang der Kennzeichnungskraft des Klagezeichens nach
neuem Recht weiter maßgeblich. Aus der Begründung zum Markengesetz,
die die Möglichkeit des Rückgriffs auf die bisherige Praxis für
einzelne Fragen ausdrücklich enthält (BT Drucksache 12/6581 Seite
58 f), ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber
hinsichtlich dieses Kriteriums von der gefestigten und bewährten
Rechtsprechung abweichen wollte.
1.)
Das Klagezeichen Staurodorm besitzt - auch heute noch -
zumindest durchschnittliche Kennzeichnungskraft.
Der Bezeichnung kommt zunächst von Hause dieser Grad der
Kennzeichnungskraft ohne weiteres zu. Es handelt sich um einen
zusammengesetzten Phantasienamen von nicht ungewöhnlicher Länge,
der aussprechbar ist und sich leicht einprägt. Die Endsilbe "dorm"
weist zwar wegen ihres zumindest für die betroffenen Fachkreise der
Ärzte und Apotheker, die lateinische Sprachkentnisse besitzen,
offensichtlichen Sinngehalts, der sich auf das Schlafen bezieht,
für sich genommen keine besondere Kennzeichnungskraft auf.
Demgegenüber gelten die vorerwähnten Eigenschaften aber
uneingeschränkt für den verbleibenden Wortbestandteil "Stauro".
Überdies ist zu berücksichtigen, daß die Endsilbe "dorm" nicht für
sich steht, sondern mit dem übrigen Bestandteil den Gesamtbegriff
"Staurodorm" bildet und diesen dadurch mitprägt.
Die Kennzeichnungskraft ist weder durch die rückkläufigen
Absatzzahlen noch durch die von der Beklagten aufgeführten
Drittzeichen oder die zeitweilige frühere Marktpräsenz von
Stadadorm in einer Weise geschwächt, daß der Grad der
durchschnittlichen Kennzeichnungskraft inzwischen unterschritten
wäre. Hinsichtlich der Verkehrsbekanntheit ist zu berücksichtigen,
daß die anfänglichen hohen Umsatzzahlen sich zunächst erhöhend auf
die Kennzeichnungskraft ausgewirkt haben. Die unbestrittenen
Umsätze von 40 Mio Packungen in den Jahren 1966 bis 1972 haben der
Klägerin die Stellung einer Marktführerin eingebracht und durch die
damit zumindest in den erwähnten Fachkreisen einhergehende hohe
Verkehrsbekanntheit eine Erhöhung der schon vom Wortlaut her
zumindest durchschnittlichen Kennzeichnungskraft bewirkt. Dieser
hohe Bekanntheitsgrad mag angesichts der erheblichen
Umsatzrückgänge seit den 70iger Jahren heute nicht mehr unverändert
bestehen. Gleichwohl kommt der Phantasiebezeichnung "Stau- rodorm"
auch heute noch zumindest durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu.
Hierfür ist von Bedeutung, daß die durchgängige Marktpräsenz von
Staurodorm seit nunmehr fast 30 Jahren und der doch nicht ganz
niedrige derzeitige Absatzumfang sowie die Propagierung des
Produktes gegenüber Ärzten durch Pharmavertreter der Klägerin sich
in nicht unerheblicher Weise stabilisierend auf die Bekanntheit des
Zeichens auswirken. Die Klägerin hat in den Jahren 1988 - 1992
immerhin noch 4 Millionen Packungen umgesetzt. Sie hat überdies
durch die mit der Berufungserwiderung unwidersprochen vorgetragenen
über 25.000 Arztgespräche im Jahre 1993 noch in jüngerer
Vergangenheitg massiv zur Stabilisierung und Erhöhung ihrer
Bekanntheit in Fachkreisen beigetragen.
Die Kennzeichnungskraft von Staurodorm wird auch nicht durch
Drittzeichen weiter geschwächt. Dabei kommt der von der Beklagten
in erster Instanz hervorgehobenen Tatsache, daß eine Vielzahl von
Präparaten die Endsilbe "dorm" in der Bezeichnung führen, keine
besondere Bedeutung zu, weil diese Silbe durch ihren eindeutigen
Bezug zum Schlafen die Kennzeichnungskraft der Begriffe, in denen
sie verwendet wird, nicht nennenswert prägt. Was die mit der
Klageerwiderung (S.4) speziell angeführten Zeichen angeht, so kann
der Senat von vornherein deswegen nicht von einer nennenswerten
Schwächung durch diese Zeichen ausgehen, weil keine Umsatzzahlen zu
diesen Präparaten mitgeteilt worden sind, die dies rechtfertigen
könnten. Nach den - unwidersprochen - von der Beklagten
vorgetragenen Umsatzzahlen dieser Präparate kommt eine nennenswerte
Schwächung durch diese Mittel nicht in Betracht. Hinzukommt, daß
die Präparate teilweise (Betadorm und Moradorm) rezeptfrei
vertrieben werden und sich schon dadurch von Staurodorm hinlänglich
unterscheiden. Schließlich halten die Bezeichnungen auch sämtlich
deutlichen Abstand zu der Klagemarke Staurodorm.
Was die frühere Benutzung der Bezeichnung Stadadorm durch die
Beklagte angeht, so kommt dieser ebenfalls keine nenneswerte
schwächende Wirkung zu Lasten der Bezeichnung Staurodorm zu.
Insoweit ist zunächst zu beachten, daß das Präparat, ausgehend von
der Darstellung der Beklagten selbst, bereits seit 1983, also
inzwischen seit mehr als 11 Jahren, nicht mehr auf dem Markt ist.
Überdies weisen die - abgesehen von dem letzten Jahr 1983 - stark
rückläufigen mitgeteilten Umsatzzahlen für die Jahre ab 1978 aus,
daß das Präparat nur in sehr geringem Umfang abgesetzt worden ist.
Ein Umsatz von nur 13.990 DM, wie er für das Jahr 1978 behauptet
worden ist, vermag das Mittel nicht in einer Weise bekanntzumachen,
die die Kennzeichnungskraft der ähnlichen Bezeichnung Staurodorm
maßgeblich schwächen könnte. Dies gilt erst recht für die späteren,
von dem letzten mitgeteilten Umsatzjahr 1983 abgesehen, noch
niedrigeren Umsätze, die nach 1978 getätigt worden sein sollen.
2.)
Es besteht auch eine ganz erhebliche Warennähe.
Das gilt jedenfalls für die Verwendung der zu Gunsten der
Beklagten eingetragenen Bezeichnung Stadadorm für Schlafmittel, wie
sie allein mit der Klage angegriffen wird und wie sie die Beklagte
früher auch verwendet hat. Die Verwendung für ein anderes
Arzneimittel dürfte im übrigen wegen der die Wirkung eindeutig
kennzeichenden Endsilbe "dorm" ohnehin praktisch ausscheiden.
Bei Verwendung der Bezeichnung für ein Schlafmittel steht der
Klagemarke Staurodorm für Arzneimittel ein solches mit identischem
Indikationsgebiet gegenüber. Beide dann vorhandenen Präparate
stellen Schlafmittel dar und können sich allenfalls noch durch
unterschiedliche Wirkstoffe voneinander unterscheiden. Es besteht
somit dann, was keiner näheren Begründung bedarf, offenbar eine
hohe Warennähe, bei etwa gleichem von der Beklagten verwendetem
Wirkstoff sogar Warenidentität.
Diese - vom möglichen Fall der Warenidentität abgesehen in jedem
Falle vorliegende - hohe Warennähe wird schließlich auch nicht etwa
dadurch relativiert, daß die im Hinblick auf die
Rezeptpflichtigkeit des Mittels Staurodorm in erster Linie
betroffenen Fachkreise der Ärzte und Apotheker gewöhnt sind, auch
Medikamente mit ähnlichen Bezeichnungen voneinander zu
unterscheiden. Hierzu schließt sich der Senat den überzeugenden
Ausführungen des BGH in dessen beiden ebenfalls rezeptpflichtige
Medikamente betreffenden Entscheidungen "Corvaton/Corvasal" (GRUR
93,118,119) und "In- dorektal/Indohexal" (GRUR 95,50,52) an, wonach
auch Ärzte und Apotheker nicht damit zu rechnen pflegen, daß
Arzneimittel mit identischem Indikationsgebiet von
unterschiedlichen Herstellern unter Bezeichnungen angeboten werden
könnten, die sich nur geringfügig voneinander unterscheiden. Allein
daß im vorliegenden Fall - abweichend von den vorzitierten
Entscheidungen - der Grad der Ähnlichkeit der verwendeten
Wirkstoffe nicht feststeht, weil die Beklagte ein konkretes Produkt
noch nicht (wieder) auf den Markt gebracht hat, rechtfertigt es
nicht, die Frage abweichend von dem BGH zu entscheiden.
3.)
Unter diesen Umständen der bestehenden - zumindest -
durchschnittlichen Kennzeichnungskraft von Staurodorm und einer für
den Fall der Nutzung des Zeichens Stadadorm für ein Schlafmittel
ebenfalls bestehenden großen Warennähe, wäre die
Verwechslungsgefahr allenfalls dann zu verneinen, wenn nur ein
geringer Ähnlichkeitsgrad zwischen beiden Bezeichnungen oder eine
deutliche Unterscheidbarkeit bestünde (vgl.zu dieser Konstellation
BGH GRUR 93,118,119 - "Corva- ton/Corvasal").
Das ist jedoch nicht der Fall. Im Gegenteil weisen die
Bezeichnungen erhebliche Ähnlichkeiten auf.
Beide Bezeichnungen sind in etwa gleich lang und bestehen aus 3
Silben. Die Endsilbe der Bezeichnungen ist identisch. Dem mag für
sich genommen keine besondere Bedeutung zukommen, weil die
Identität sich auf den kennzeichnungsschwachen Teil der Begriffe
bezieht, hinzukomt indes eine Reihe von Ähnlichkeiten in Bezug auf
die jeweiligen ersten beiden Silben der Bezeichnungen. So sind
beide in klanglicher Hinsicht ähnlich strukturiert, weil die
betreffenden Vokale klangverwandt sind. In der ersten Silbe stehen
sich mit dem Vokal "a" und dem Diphtong "au" zwei offene Laute
gegenüber, dasselbe gilt für die beiden Vokale der zweiten Silbe,
nämlich das "a" in Stadadorm und das offen gesprochen "o" in
Staurodorm. Die verwendeten Konsonanten sind überwiegend, nämlich
die gerade am markanten Wortanfang stehenden beiden Buchstaben
"St", identisch. Überdies werden beide Begriffe auf der ersten
Silbe betont, was auch in der Klangfolge der gesprochenen Worte zu
dem Eindruck erheblicher Ähnlichkeit beiträgt. Diese eine deutliche
Ähnlichkeit belegenden Einzelheiten werden nicht durch die gewisse
Eigentümlichkeit aufgewogen, die die Wiederholung des Konsonanten
"d" in dem Begriff Stadadorm diesem verleiht. Es überwiegen
vielmehr bei der gebotenen Gesamtschau der prägenden Elemente die
Ähnlichkeiten sogar deutlich. Das gilt überdies auch in bildlicher
Hinsicht: Übereinstimmungen bestehen insoweit hinsichtlich nicht
nur der letzten 4, sondern auch hinsichtlich der 3 ersten, an dem
regelmäßig besonders augenfälligen Wortanfang stehenden Buchstaben
Sta.
4.)
Nach alledem ist die Verwechslungsgefahr zu bejahen.
Daran vermag es schließlich auch nichts zu ändern, wenn
entsprechend der Behauptung der Beklagten in den betreffenden
Fachkreisen der Begriff "Stada" aus den von ihr näher dargelegten
Gründen bekannt sein sollte.
Dies vermöchte zunächst von vornherein die Verwechslungsgefahr
bei den - wenn auch in geringerem Maße - ebenfalls betroffenen
Patienten nicht auszuräumen. Dasselbe gilt für die auch nach dem
Vortrag der Beklagten vorhandenen Teile der Fachkreise, denen die
Erläuterung des Begriffes "Stada" oder dieser Begriff als solcher
unbekannt ist. Insbesondere die auch betroffenen Hilfskräfte von
Ärzten und Apothekern dürften keineswegs auch nur überwieghend
(heute noch) wissen, welche historische Bedeutung der Begriff
hatte.
Der Senat sieht davon ab, zu dem Grad der Bekanntheit des
Begriffes "Stada" dem Beweisantritt der Beklagten durch Einholung
eines Gutachtens nachzugehen.
Auch bei solchen Ärzten oder Apothekern, die wissen, daß der
Begriff "Stada" eine besondere Bedeutung hatte, ist eine
Verwechslung nämlich nicht ausgeschlossen. Auch diese Personen
unterliegen aus den im einzelnen oben dargestzellten Gründen der
Gefahr, die Bezeichnungen oder die mit ihnen versehene Präparate
miteinander zu verwechseln. Die Verwechslungsgefahr wird nämlich
nicht dadurch ausgeräumt, daß auch dem Namen des angegriffenen
Zeichens, hier Stadadorm, eine gewisse Bekanntheit zukommt. Auch
ein Arzt, dem die frühere Stada in irgendeiner Weise (noch)
geläufig ist, ist nicht davor geschützt, in dem Bestreben ein
rezeptpflichtiges Schlafmittel zu verschreiben, wenn ein Mittel
"Stadadorm" auf dem Markt ist, dieses mit Staurodorm oder
Staurodorm mit diesem zu verwechseln.
Nach alledem ist der Unterlassungsanspruch begründet. Dem steht
auch § 153 Abs. 1 Marken 6 nicht entgegen, weil der Klägerin - wie
oben dargestellt - der Unterlassungsanspruch auch nach den früheren
einschlägigen Bestimmungen der §§ 15, 24, 31 WZG im gleichen Umfang
zustand.
II
Ebenso begründet ist damit - ohne daß dies näherer Ausführungen
bedürfte - der Anspruch auf Einwilligung in die teilweise Löschung
des Zeichens in der Warenzeichenrolle gemäß §§ 51 Abs.1 und 5
i.V.m. § 55 Abs.2 Ziffer 2 MarkenG. Der Klägerin steht aus den oben
unter I im einzelnen dargelegten Gründen ein Recht im Sinne des §
12 MarkenG mit älterem Zeitrang zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO. Soweit die
Klägerin in der Berufungsverhandlung vom 3. Februar 1995 ihren
Antrag dem Wortlaut nach eingeschränkt hat, liegt entgegen der von
der Beklagten geäußerten Auffassung eine Teilklagerücknahme, aus
der sich die Kostenfolge aus §§ 269 Abs.3, 523 ZPO ergeben würde,
nicht vor. Die Klägerin hat mit der Neufassung des Wortlautes ihres
Antrages diesen lediglich ihrem von Anfang an geltendgemachten
Begehren angepaßt. Sie hatte bereits auf den Seiten 8 f der
Klageschrift zum Ausdruck gebracht, daß sie die Unterlassung der
Benutzung und die Einwilligung in die Lö- schung des Warenzeichens
nicht für alle Arzneimittel, sondern nur für Schlafmittel
begehre.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§
708 Nr.10, 711 ZPO.
Die gemäß § 546 Abs.2 ZPO festzusetzende Beschwer der Beklagten
entspricht dem Wert ihres Unterliegens im Rechtsstreit.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 250.000 DM
OLG Köln:
Urteil v. 17.03.1995
Az: 6 U 14/94
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/262f03be9fcb/OLG-Koeln_Urteil_vom_17-Maerz-1995_Az_6-U-14-94