Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Juni 2011
Aktenzeichen: 21 W (pat) 45/10

(BPatG: Beschluss v. 09.06.2011, Az.: 21 W (pat) 45/10)

Tenor

Die Erinnerung des Anmelders gegen den Beschluss der Rechtspflegerin vom 14. Januar 2011 wird zurückgewiesen.

BPatG 152

Gründe

I.

Die Prüfungsstelle für Klasse A 61 F des Deutschen Patentund Markenamts hat die vom Anmelder am 25. August 2003 mit der Bezeichnung "Visuelles Hörgerät" eingereichte Patentanmeldung durch Beschluss vom 23. März 2007 zurückgewiesen. Zur Begründung ist in der Entscheidung ausgeführt, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht zulässig und der nach den Hilfsanträgen 1 bis 3 wegen mangelnder Neuheit nicht gewährbar sei.

Am 30. März 2007 ist die Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses mit Einschreiben durch Übergabe an die vom Anmelder dem Deutschen Patentund Markenamt mit Schreiben vom 12. September 2005 genannte Adresse verfügt worden, obwohl der Anmelder bereits mit Schreiben vom 25. August 2006 eine neue Adresse mitgeteilt hatte. Ein Nachweis dieser Zustellung durch das Deutsche Patentund Markenamt konnte nicht erbracht werden.

Mit einem weiteren Schreiben vom 5. Oktober 2009, eingegangen beim Deutschen Patentund Markenamt am 7. Oktober 2009, hat der Anmelder eine weitere Adressänderung und die Einrichtung eines Nachsendeauftrags mitgeteilt. Am 27. Oktober 2009 ist erneut eine Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses verfügt worden, diesmal mit Postzustellungsurkunde, allerdings an die am 25. August 2006 mitgeteilte, wiederum nicht mehr zutreffende Anschrift.

Laut der bei der Amtsakte befindlichen, am 7. November 2009 hinsichtlich der nunmehr angegebenen gültigen Adresse berichtigten, Postzustellungsurkunde wurde der Zurückweisungsbeschluss dem Anmelder durch Einlegen in den zu seiner Wohnung gehörenden Briefkasten am 9. November 2009 zugestellt. Mit am 6. Dezember 2009 beim Deutschen Patentund Markenamt eingegangenen Schreiben vom 6. Dezember 2009 hat der Anmelder Dienstaufsichtsbeschwerde, hilfsweise Beschwerde erhoben. In dem Schreiben führt er aus, dass ihm der Beschluss vom 23. März 2007 laut Vermerk des Zustellers am 9. November 2009 zugegangen sei, er die Gültigkeit des Beschlusses rechtzeitig innerhalb eines Monats nach Zustellung aber aus formellen Gründen nicht anerkenne, da die in dem Beschluss ("Bescheid") angegebene Adresse nicht mit der dem Patentamt bekannten übereinstimme, also nicht an ihn gerichtet gewesen sei. Er fordere eine nochmalige korrekte Übersendung an seine aktuelle Adresse. Des Weiteren führt der Anmelder aus, weshalb er den Beschluss sachlich für unrichtig und den sachbearbeitenden Prüfer für ungeeignet halte. Aus den von ihm im Einzelnen aufgeführten Gründen fordere er, die Ungültigkeit des Beschlusses ("Bescheides") vom 23. März 2007 zu bestätigen und wenn möglich den Prüfer zu seinem Schutz von dem Fall abzuziehen, da er ihn andernfalls in Regress nehmen könnte. Er lehne aus den von ihm genannten Gründen eine reguläre Beschwerde und die zusätzliche Entrichtung von 200,--€ ab. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Schreiben des Anmelders vom 6. Dezember 2009 Bezug genommen. Mit Schreiben vom 19. März 2010 hat das Deutsche Patentund Markenamt die Dienstaufsichtsbeschwerde abschlägig verbeschieden und den Anmelder auf die Beschwerdemöglichkeit nach § 73 PatG hingewiesen. Außerdem wurde der Zurückweisungsbeschluss nochmals zugestellt, nämlich am 24. April 2010.

Am 22. April 2010 hat der Anmelder 200,--€ einbezahlt und am 12. August 2010 beim Deutschen Patentund Markenamt nach dem Sachstand des Beschwerdeverfahrens nachgefragt. Das Deutsche Patentund Markenamt ist zugunsten des Anmelders davon ausgegangen, dass nicht festgestellt werden könne, zu welchem Zeitpunkt er Kenntnis von dem Zurückweisungsbeschluss erlangt habe, und hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Gericht vorgelegt.

Mit Bescheid vom 27. Dezember 2010 ist dem Anmelder seitens des Gerichts mitgeteilt worden, dass die tarifmäßige Gebühr am 22. April 2010 eingezahlt worden sei, mithin nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von einem Monat nach der am 9. November 2009 fehlerfrei bewirkten Zustellung des angefochtenen Beschlusses. Der Anmelder hat dazu erklärt, dass laut Rechtsbehelfsbelehrung im Zurückweisungsbeschluss die Beschwerdegebühr innerhalb der Beschwerdefrist zu zahlen sei. Seine Beschwerde sei wirksam mit Ablehnung der Dienstaufsichtsbeschwerde am 23. März 2010 geworden, woraufhin er rechtzeitig innerhalb eines Monats am 22. April 2010 die Beschwerdegebühr entrichtet habe.

Mit Beschluss vom 14. Januar 2011 hat die zuständige Rechtspflegerin festgestellt, dass die Beschwerde als nicht erhoben gilt.

Gegen diesen ihn am 27. Januar 2011 zugestellten Beschluss wendet sich der Anmelder mit seiner am 10. Januar 2011 bei Gericht eingegangenen Erinnerung vom 9. Februar 2011.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Die zulässige Erinnerung ist nicht begründet. Da der Anmelder die Beschwerdegebühr nicht innerhalb der Frist des § 73 Abs. 2 PatG bezahlt hat, gilt seine Beschwerde als nicht eingelegt, § 3 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 6 Abs. 2 PatKostG.

In diese Zahlungsfrist ist der Anmelder weder vom Deutschen Patentund Markenamt wiedereingesetzt worden noch kann ihm gemäß § 123 Abs. 2 S. 3 PatG Wiedereinsetzung von Amts wegen durch das Gericht gewährt werden. Denn der Anmelder war nicht ohne Verschulden gehindert, die Zahlungsfrist einzuhalten (§ 123 Abs. 1 S. 1 PatG).

1. Mit seiner als "Dienstaufsichtsbeschwerde/hilfsweise Beschwerde" überschriebenen Eingabe vom 6. Dezember 2009 hat der Anmelder zum Einen -wie dies dem Wesen einer Dienstaufsichtsbeschwerde entspricht -die nicht ordnungsgemäß erfolgte Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses gerügt. Bei einer Dienstaufsichtsbeschwerde handelt es sich um einen gesetzlich nicht geregelten Rechtsbehelf, aufgrund dessen ein angenommenes Fehlverhalten eines Angehörigen des öffentlichen Dienstes zur Überprüfung gestellt wird. Dementsprechend hat der Beschwerdeführer grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass die angesprochene Behörde den Vorgang inhaltlich prüft und die Beschwerde beantwortet. Dies ist vorliegend mit dem Schreiben des Deutschen Patentund Markenamts vom 19. März 2010 geschehen.

2. Zum Anderen hat der Anmelder sich auch inhaltlich mit dem Zurückweisungsbeschluss auseinander gesetzt und dessen sachliche Überprüfung mit dem Ziel einer Aufhebung angestrebt. Dies ist mit den Mitteln einer Dienstaufsichtsbeschwerde, die sich nur gegen persönliches Verhalten richtet, nicht zu erreichen. Daher ist sein Schreiben von vorneherein auch als Beschwerde zu werten. Deren Voraussetzungen hat der Anmelder jedoch nicht erfüllt, da er die Beschwerdegebühr nicht gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 PatKostG rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist des § 73 Abs. 2 PatG bezahlt hat. Daher gilt die Beschwerde als nicht eingelegt, wie die Rechtspflegerin in dem vom Anmelder angegriffenen Beschluss zutreffend festgestellt hat.

2.1. Entgegen der Auffassung des Anmelders konnte er die Beschwerde nicht hilfsweise einlegen für den Fall, dass seine Dienstaufsichtsbeschwerde keinen Erfolg haben würde. Der Dienstaufsichtsbeschwerde kommt gegenüber der regulären Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zu, so dass ihre Erhebung dem Eintritt der formellen Bestandskraft der sachlich angefochtenen Entscheidung nach Ablauf der Beschwerdefrist nicht entgegen steht. Außerdem ist die Erhebung einer Beschwerde als Prozesshandlung bedingungsfeindlich, eine bedingt eingelegte Beschwerde daher unzulässig. Die Frage der Zulässigkeit der Beschwerde kann vorliegend allerdings dahinstehen, da die gesetzliche Fiktion in § 6 Abs. 2 PatKostG zur Folge hat, dass die Beschwerde als nicht eingelegt, also als nicht existent angesehen wird. Daher kann über ihre Zulässigkeit nicht entschieden werden.

2.2. Die Beschwerde ist auch nicht deshalb wirksam eingelegt worden, weil dem Anmelder seitens des Deutschen Patentund Markenamts Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist gewährt worden wäre, was grundsätzlich auch ohne Antrag von Amts wegen möglich ist (§ 123 Abs. 2 S. 3, 2. Halbsatz PatG).

Zwar befindet sich bei der Akte ein Vermerk des stellvertretenden Abteilungsleiters der zuständigen Patentabteilung vom 27. Oktober 2010, dass "die Zustellung des ZRW-Beschlusses unglücklich gelaufen ist und unklar ist, zu welchem Zeitpunkt der Anmelder tatsächlich Kenntnis von dem ZRW-Beschluss erhalten hat, (daher) wird zugunsten des Anmelders davon ausgegangen, dass eine fristgerechte Beschwerde nach § 73 vorliegt, für die rechtzeitig die Gebühr bezahlt wurde. Abgeholfen wird jedoch nicht ...". Dies kann jedoch nicht als Wiedereinsetzungsentscheidung angesehen werden. Vielmehr enthält der Vermerk, der schon formal nicht in Beschlussform ergangen ist, insoweit nur die Rechtsansicht des stellvertretenden Abteilungsleiters, der sich im Übrigen ersichtlich nicht im Einzelnen mit den Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung von Amts wegen befasst hat. Dies ergibt sich einmal aus der Äußerung, dass nicht feststellbar sei, zu welchem Zeitpunkt der Anmelder von dem Zurückweisungsbeschluss Kenntnis erlangt hat, obwohl dies aus dem Schreiben des Anmelders vom 6. Dezember 2009 zweifelsfrei hervorgeht. Darüber hinaus bezieht sich der Vermerk offenbar auf die in der Zuleitungsverfügung angesprochene (erneute) Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses am 24. April 2010, die zeitlich nach der Entrichtung der Beschwerdegebühr am 22. April 2010 durch den Anmelder lag, so dass sich die Frage der Wiedereinsetzung aus Sicht des stellvertretenden Abteilungsleiters gar nicht stellte. Gegen die Annahme, dass Wiedereinsetzung von Amts wegen gewährt werden sollte, spricht schließlich auch noch der Umstand, dass der Beschwerde nicht abgeholfen wurde, was die Zuständigkeit des Deutschen Patentund Markenamts für eine Wiedereinsetzung ausschließt und das Gericht nicht binden könnte (vgl. BPatG Mitt. 2010, 430).

2.3. Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen nach § 123 Abs. 1, 2 PatG durch das Gericht scheidet ebenfalls aus. Wiedereinsetzung setzt generell voraus, dass ein Verfahrensbeteiligter ohne Verschulden verhindert war, eine gegenüber dem Deutschen Patentund Markenamt einzuhaltende Frist zu wahren, deren Versäumung einen unmittelbaren Rechtsnachteil zur Folge hat. In diesem Fall muss er grundsätzlich innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses Wiedereinsetzung beantragen. Innerhalb dieser Frist müssen die Tatsachen vorgetragen werden, die die Wiedereinsetzung begründen (§ 123 Abs. 2 S. 2 PatG), also insbesondere die Umstände, die ein Verschulden desjenigen, der die Frist versäumt hat, ausräumen, und die versäumte Handlung nachgeholt werden.

Sind diese Voraussetzungen offensichtlich erfüllt, kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag von Amts wegen gewährt werden, § 123 Abs. 2 S. 3, 2. Halbsatz PatG (vgl. Schulte, PatG, 8. Aufl. 2008, § 123 Rdn. 18). Zwar hat der Anmelder am 22. April 2010 die Beschwerdegebühr bezahlt, dies war aber weder rechtzeitig noch hat er die Frist unverschuldet versäumt.

Die Beschwerdeund damit die Zahlungsfrist haben mit der Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses am 9. November 2009 zu laufen begonnen. Die Zustellung war ordnungsgemäß, da der Beschluss mit Rechtsmittelbelehrung ausweislich der Postzustellungsurkunde am 9. November 2009 in den zur Wohnung des Anmelders in B..., I... S..., gehörenden Briefkasten eingelegt worden ist (§ 127 Abs. 1, 1. Halbsatz PatG i. V. m. §§ 2 Abs. 3, 3 Abs. 1, Abs. 2 VwZG i. V. m. § 180 ZPO). Damit war die Zustellung am 9. November 2009 wirksam vorgenommen, auf die spätere Zustellung vom 24. April 2010 kommt es daher nicht an. Selbst wenn die Zustellung vom 9. November 2009 aufgrund der zunächst fehlerhaften Adressierung an einem formellen Mangel gelitten hätte, was indes nicht der Fall war, wäre dieser Mangel jedenfalls am 9. November 2009 gemäß § 8 VwZG geheilt gewesen. Spätestens an diesem Tag hat der Anmelder nämlich die Sendung nachweislich erhalten, wie sich aus seinem Schreiben vom 6. Dezember 2009 ergibt.

Demnach hätte der Anmelder die Beschwerdegebühr bis spätestens 9. Dezember 2009 einzahlen müssen. Dies ist aber nicht geschehen, insbesondere nicht ohne Verschulden. Verschulden umfasst Vorsatz und jeden Grad von Fahrlässigkeit. Hier hat der Anmelder die Gebühr, wie sich seinem Schreiben vom 6. Dezember 2009 entnehmen lässt, in Kenntnis der auf der ersten Seite des Beschlusses abgedruckten Rechtsmittelbelehrung bewusst, also vorsätzlich nicht bezahlt. Dieses Verhalten kann auch vor dem Hintergrund, dass die für die Zurückweisung seiner Anmeldung genannten Gründe den Anmelder nicht überzeugt und offensichtlich auch erbost haben, nicht als unverschuldet angesehen werden. Es ist nicht ersichtlich, insbesondere nicht offenkundig, aus welchen Gründen der Anmelder entgegen der eindeutigen Hinweise in der Rechtsmittelbelehrung glaubte, die Beschwerdegebühr nicht bezahlen zu müssen und gleichwohl die Bestandskraft des Zurückweisungsbeschlusses verhindern zu können. Auf die Richtigkeit seiner Auffassung, dass die Beschwerde erst mit Ablehnung der Dienstaufsichtsbeschwerde wirksam werden würde, durfte er als juristischer Laie nicht vertrauen. Ihm fällt insoweit mindestens Fahrlässigkeit zur Last (§ 276 BGB). Fahrlässig handelt der Beteiligte, der nicht die für einen gewissenhaften, seine Belange sachgerecht wahrnehmenden Verfahrensbeteiligten gebotene und ihm nach den konkreten Umständen zumutbare Sorgfalt aufbringt. Zwar werden von einem nicht patentund verfahrensrechtlich geschulten, nicht anwaltlich vertretenen Anmelder keine vertieften Rechtskenntnisse erwartet. Die Verantwortung für die ordnungsgemäße Einlegung eines Rechtsmittels trifft jedoch auch die juristisch nicht geschulten Verfahrensbeteiligten grundsätzlich allein; er hat sich von sich aus rechtzeitig über Form und Frist eines Rechtsmittels gegen eine für ihn nachteilige Entscheidung zu erkundigen (ständige Rechtsprechung: vgl. Beschluss des 12. Zivilsenates des Bundesgerichtshofs vom 19. März 1997, Az.: XII ZP 139/96, zitiert nach Juris, Rdn. 3 m. w. N.) und kann sich erst Recht nicht über eine ihm erteilte Rechtsmittelbelehrung hinwegsetzen.

Dr. Winterfeldt Baumgärtner Dr. Morawek Veit Pü






BPatG:
Beschluss v. 09.06.2011
Az: 21 W (pat) 45/10


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