Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Juli 2006
Aktenzeichen: 29 W (pat) 29/05
(BPatG: Beschluss v. 19.07.2006, Az.: 29 W (pat) 29/05)
Tenor
Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. Januar 2005 und vom 19. August 2004 werden aufgehoben.
Gründe
I.
Die ursprünglich als Gemeinschaftsmarke angemeldete Wortmarke Sputniksoll nach einem Umwandlungsantrag für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 18, 38 und 41 in das Markenregister eingetragen werden.
Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 19. August 2004 teilweise zurückgewiesen, nämlich für die Waren "bespielte mechanische, magnetische, magnetooptische, optische und elektronische Träger für Ton und/oder Bild und/oder Daten; Spielprogramme für Computer; Datenbanken; Druckereierzeugnisse, nämlich Zeitungen, Zeitschriften, Magazine, Broschüren, Faltblätter, Prospekte, Programmhefte, Pressemappen, Fotomappen, Bücher, Kalender, Plakate (Poster), auch in Buchform, Lehr- und Unterrichtsmittel in Form von Druckereierzeugnissen" und für die Dienstleistungen "Veranstaltung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen, Film-, Ton-, Video- und Fernsehproduktion; Veröffentlichung und Herausgabe von elektronisch wiedergebbaren Text-, Grafik-, Bild- und Toninformationen, die über Datennetze abrufbar sind; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen". Diesbezüglich sei der angemeldete Begriff eine freihaltebedürftige und nicht unterscheidungskräftige Sachangabe. "Sputnik" sei das russische Wort für Gefährte und der im Inland weitgehend geläufige Name des ersten von der UdSSR gestarteten künstlichen Erdsatelliten. Bezüglich der zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen beschreibe "Sputnik" deren Inhalt. Auf die Eintragung ähnlicher Marken könne sich die Anmelderin nicht berufen. Für die geltend gemachte Verkehrsdurchsetzung reichten die pauschalen Angaben der Anmelderin nicht aus.
Die hiergegen eingelegte Erinnerung wurde mit Beschluss vom 11. Januar 2005 zurückgewiesen.
Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt und das Verzeichnis im Laufe des Beschwerdeverfahrens eingeschränkt auf die Waren und Dienstleistungen der Klasse 9: mit Musik bespielte mechanische, magnetische, magnetooptische, optische und elektronische Träger für Ton; Musikdatenbanken;
Klasse 16: Druckereierzeugnisse, nämlich Musikzeitungen, Musikzeitschriften, Musikmagazine, Musikbroschüren, Musikfaltblätter, Prospekte zu Musikhörfunkprogrammen, Programmhefte zu Veranstaltungen eines Musikhörfunkprogramms, Pressemappen zu Veranstaltungen eines Musikhörfunkprogramms und zu einem Musikhörfunkprogramm, Fotomappen zu Musikhörfunkprogrammen; Bücher, Kalender, Plakate (Poster), auch in Buchform, eines Musikhörfunkprogrammes;
Klasse 38: Veranstaltung von Musik-Hörfunkprogrammen;
Klasse 41: Tonproduktion eines Musikhörfunkprogrammes; Veröffentlichung und Herausgabe von elektronisch wiedergebbaren Text-, Grafik-, Bild- und Toninformationen über ein Musikhörfunkprogramm, die über Datennetze abrufbar sind; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen eines Musikhörfunkprogramms.
Die Anmelderin ist der Auffassung, dass die Einschränkungen zulässig seien und dass der Begriff "Sputnik" für die nunmehr noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen, die keinerlei Bezug zur Raumfahrt haben, die erforderliche Unterscheidungskraft besitzen und nicht freihaltungsbedürftig seien.
Sie beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. August 2004 und vom 11. Januar 2005 aufzuheben.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg, da die angemeldete Marke für die noch verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen weder als beschreibende Angabe noch auf Grund fehlender Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen ist (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG).
1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. BGH GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard m. w. N.). Sie entspricht der Hauptfunktion der Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 229, Rn. 27 ff. - BioID).
Die Beurteilung der Unterscheidungskraft hat sich daher einerseits an den beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits an der Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise zu orientieren. Die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt einer Wortmarke nur dann, wenn das Zeichenwort eine für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehende Sachaussage darstellt oder es sich um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom angesprochenen Publikum stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (vgl. BGH GRUR 1999, 1089 - YES; GRUR 2003, 1050 - Cityservice; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard). Dies ist für die nach der Einschränkung des Verzeichnisses verbleibenden Waren und Dienstleistungen nicht der Fall.
Bei "Sputnik" handelt es sich - wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat - um den im Inland geläufigen Namen des ersten von der Sowjetunion ins All geschickten Satelliten (vgl. auch Wahrig, Deutsches Wörterbuch 7. Aufl. 2000), dem weitere folgten (z. B. Sputnik II und III mit "Hundebesatzung"). Wie aus den der Anmelderin in der mündlichen Verhandlung vom 8. Februar 2006 übergebenen Rechercheunterlagen hervorgeht, ist insbesondere der erste Sputnik Gegenstand von druckschriftlichen oder elektronischen Publikationen, die den entsprechenden Titel "Sputnik" tragen oder die den Satelliten zum Inhalt haben (z. B. www.weltchronik.de "Sputnik I"; www.heise.de "Der Weggefährte: der Schock des Jahrhunderts [Update]"; sputnikbook.com Paul Dickson "Sputnik"). Für Waren, die sich thematisch mit dem bzw. den Satelliten mit der Bezeichnung Sputnik befassen können, wie allgemein Druckereierzeugnisse oder Veranstaltungen und Sendungen zum Thema Raumfahrt, erschöpft sich das Wort "Sputnik" daher in einem reinen Sachhinweis auf Inhalt und Thematik. Dies gilt wegen der Nähe von Dienstleistungen, die der Produktion entsprechender Werke dienen, zum Werktitel und dem mit ihm bezeichneten Inhalt der Produktionen auch für die entsprechenden Dienstleistungen (vgl. BGH GRUR 2001, 1042 f. - REICH UND SCHÖN; GRUR 2001, 1043 ff. - Gute Zeiten - schlechte Zeiten; MarkenR 2003, 148 ff. - Winnetou).
Hinsichtlich der nunmehr noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen fehlt es aber an jeglichem Zusammenhang mit der Raumfahrt allgemein oder dem sowjetischen Satelliten "Sputnik". Sie beziehen sich nach der zulässigen Beschränkung nur noch auf Musik oder Musikhörfunkprogramme, so dass keinerlei Verbindung mehr zu der oben genannten geläufigen Bedeutung des Markenworts vorliegt. Dementsprechend hat das Zeichenwort für die verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen keinen beschreibenden Bezug. Bei dieser Sachlage besteht kein hinreichender Anhalt dafür, dass die angesprochenen breiten Verkehrskreise die Bezeichnung "Sputnik" nicht als Herkunftshinweis und damit als Unterscheidungsmittel auffassen.
2. Das Zeichen ist auch nicht nach nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen. Dies ist nur bei solchen Marken der Fall, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr insbesondere zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Dieses Schutzhindernis besteht auch dann, wenn eine Benutzung als Sachangabe noch nicht zu beobachten ist, eine solche Verwendung aber in Zukunft jederzeit erfolgen kann. Insoweit bedarf es allerdings der Feststellung, dass eine derartige beschreibende Verwendung vernünftigerweise zu erwarten ist (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, Rn. 97 - POSTKANTOOR; GRUR 2004, 680, Rn. 38 - BIOMILD; BGH GRUR 2003, 343, 344 - Buchstabe Z; GRUR 2005, 578, 581 - LOKMAUS). Da die angemeldete Marke für die noch verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen keinerlei beschreibenden Aussagegehalt aufweist, ist nicht erkennbar, welche Merkmale oder Eigenschaften mit der Bezeichnung "Sputnik" konkret beschrieben werden könnten. Ein Bedürfnis diese Bezeichnung für den Geschäftsverkehr als Sachangabe freizuhalten, besteht danach nicht.
BPatG:
Beschluss v. 19.07.2006
Az: 29 W (pat) 29/05
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