Landgericht Berlin:
Urteil vom 13. Januar 2009
Aktenzeichen: 15 O 957/07

(LG Berlin: Urteil v. 13.01.2009, Az.: 15 O 957/07)

Tenor

1. Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin € 1.469,65 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 09.12.2008 zu zahlen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Beklagte zu 1) 2/5 und der Beklagte zu 2) 3/5 zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, gegenüber dem Beklagten zu 2) jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 %.

Tatbestand

Die Klägerin ist ein Zeitarbeitsunternehmen und tritt seit 1960 unter dem Firmenschlagwort "..." auf. Sie ist Inhaberin einer seit 2005 für die Dienstleistungen ihres Geschäftsfeldes in Kraft stehenden Wortmarke "..."

sowie der Internetdomain www....de. Die Klägerin ist bundesweit in über 100 Niederlassungen tätig, beschäftigt ca. 4.000 Mitarbeiter und erzielte im Jahre 2007 einen Umsatz von mehr als 140 Millionen Euro.

Der Beklagte zu 1) war der administrative Ansprechpartner in Deutschland zur Domain "www...de", die für ein Unternehmen mit Sitz in Dubai, firmierend unter ... , registriert war. Die Domaininhaberin ... parkte die Domain bei der ... GmbH, die auf der Webseite der Domain thematisch passende Google-AdWord-Anzeigen schaltete. Durch das Anklicken dieser Anzeigen von Besuchern, die in der Regel versehentlich auf die Seite www...de geraten waren, generierte die ... gemeinsam mit der ... GmbH und Google Werbeeinnahmen.

Die ... verfügte Ende 2006 über ca. 45.000 de-Domains, die als sog. "Vertipper-Domains" an andere ähnliche Domains oder Firmen angelehnt waren, um über zufällige Besucher Werbeeinnahmen zu generieren.

Der Beklagte zu 1) war bzw. ist der administrative Ansprechpartner im Sinne der Denic-Domainrichtlinien für eine Vielzahl solcher Domains in Deutschland, die für die ... und andere Inhaber registriert waren bzw. sind, so z.B. für "www...de", "www...de", www...de, "www...de", "www...de" oder "www...de".

Diese Tätigkeit als administrative Ansprechpartner ist dem Beklagten zu 1) vom Beklagten zu 2) für dessen Mandanten vermittelt worden. Der Beklagte zu 1) erhält dafür eine Aufwandsentschädigung. Der Registrierungsprozess einer solchen Domain erfolgt vollautomatisiert, ohne dass der Beklagte zu 1) eine Nachricht davon erhält, dass eine bestimmte Domain registriert worden ist, für die er als administrativer Ansprechpartner eingetragen wurde.

Der Beklagte zu 1) ist im Hinblick auf seine Stellung als administrativer Ansprechpartner für die Domain "www...de" am 21.02.2007 und für die Domain www...de am 02.04.2007 jeweils wegen markenrechtlicher Verletzungen abgemahnt worden und hat entsprechende strafbewehrte Unterlassungserklärungen abgegeben.

Die Klägerin nahm den Beklagten im Verfahren 15 O 174/07 vor der erkennenden Kammer auf Freigabe der Domain "www...de" in Anspruch. Nach der Kenntnisnahme von dem geltend gemachten Anspruch der Klägerin legte der Beklagte zu 1) sein Amt als administrativer Ansprechpartner nieder, was am 16.06.2007 zur Löschung der streitgegenständlichen Domain führte. Ferner gab der Beklagte zu 1) in dem vorgenannten Verfahren ein Anerkenntnis ab und wurde entsprechend verurteilt. In Anwendung des § 93 ZPO sind die Kosten des Rechtstreits der Klägerin auferlegt worden. Der Beklagte zu 1) erwirkte daraufhin gegen die Klägerin einen Kostenfestsetzungsbeschluss über € 1.469,65 zuzüglich Zinsen und trat den zugrunde liegenden Erstattungsanspruch an den Beklagten zu 2) ab. Die Klägerin rechnete gegen den Kostenerstattungsanspruch mit einem vermeintlichen Schadensersatzanspruch aus der Verletzung ihres Kennzeichens "..." auf, den die Klägerin auf eine angemessene Lizenzgebühr von mindestens € 2.000,00 bezifferte.

Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte zu 1) habe sich wegen einer schuldhaften Markenrechtsverletzung schadensersatzpflichtig gemacht.

Sie nahm die Beklagten deshalb mit der vorliegenden Vollstreckungsabwehrklage zunächst auf Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss in Anspruch. Im Verlaufe des Verfahrens bezahlte die Klägerin die titulierte Forderung an den Beklagten zu 2). Daraufhin haben die Klägerin und der Beklagte zu 1) die Vollstreckungsabwehrklage mit widerstreitenden Kostenanträgen übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Die Klägerin beantragt nunmehr noch,

den Beklagten zu 2) zu verurteilen, an sie € 1.469,65 nebst Zinsen in Höhe

von 5 Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 09.12.2008 zu zahlen.

Der Beklagte zu 2) beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten meinen, ein aufrechenbarer Gegenanspruch sei nicht entstanden, weil der Beklagte zu 1) - wenn überhaupt - als Störer nur auf Unterlassung der Domainregistrierung gehaftet habe. Hinsichtlich einer Markenrechtsverletzung sei der Beklagte zu 1) weder als Täter noch als Teilnehmer anzusehen, so dass

Schadensersatzansprüche nicht in Betracht kämen.

Für die weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die in der Hauptsache zuletzt lediglich noch den Beklagten zu 2) betreffende Klage ist begründet.

Die Klägerin kann von dem Beklagten zu 2) gem. § 812 Abs. 1 S. 1 BGB Rückzahlung in Höhe von € 1.469,65 verlangen, die sie - offenbar zur Abwendung der Zwangsvollstreckung - auf die im Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 10.12.2007 (15 O 174/07) titulierte Forderung gezahlt hat.

Denn die im Kostenfestsetzungsbeschluss titulierte Forderung war bereits zuvor durch die Aufrechnung der Klägerin mit einem erststelligen Teilbetrag eines Schadensersatzanspruchs aus der Verletzung ihres Kennzeichenrechts "..." gem. § 389 BGB erloschen, so dass der Betrag ohne Rechtsgrund gezahlt worden ist.

Der Klägerin stand gegen den Beklagten zu 1) wegen einer verletzungsfähigen Benutzung ihrer Internetdomain €www...de€ sowie ihrer Wortmarke "..." ein Schadensersatzanspruch gem. den §§ 4 Nr. 1, 5, 14 Abs. 2, Abs. 6, 15 Abs. 2, Abs. 5 MarkenG in Höhe von mindestens € 1.469,65 zu.

Die Benutzung der zugunsten der in Dubai ansässigen ... als Inhaberin eingetragene Domain www...de im geschäftlichen Verkehr stellte eine Verletzung der Rechte der Klägerin an ihrer Marke und geschäftlichen Bezeichnung "..." dar. Dies ist zwischen den Parteien nicht streitig. Ebenso wenig streitig ist, dass sich der der Klägerin deshalb zustehende angemessene Lizenzschaden auf mindestens € 1.469,65 belief.

Streitig ist allein die Frage, ob der Beklagte zu 1) in seiner Funktion als für die rechtsverletzende Domain www...de bei der DENIC Domain-Verwaltungs- und Vertriebsgesellschaft eG registrierter administrativer Ansprechpartner auf Schadensersatz haftet.

Zwar ist der Beklagte zu 1) nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs - worauf die Beklagten zutreffend hingewiesen haben - nicht als unmittelbarer Täter und auch nicht als Gehilfe einer Markenverletzung durch die ... als Domaininhaberin anzusehen. Denn der Beklagte zu 1) hat die rechtsverletzende Domain nicht selbst benutzt und besaß diesbezüglich auch keinen Täterwillen. Ferner ist der für eine Gehilfenstellung erforderliche Vorsatz, der sich auf die konkret drohende Haupttat beziehen muss, bei dem Beklagten zu 1) nach dem Sach- und Streitstand nicht feststellbar (vgl. zu diesen Voraussetzungen BGH GRUR 2004, 1287 ff. - Internet-Versteigerung I; BGH GRUR 2007, 708 ff. - Internet-Versteigerung II; BGH GRUR 2007, 890 ff. - Jugendgefährdende Medien bei eBay). Als deliktsrechtlicher Störer ist der Beklagte zu 1) nur zur Unterlassung und Beseitigung, nicht aber zum Schadensersatz verpflichtet (vgl. BGH GRUR 2001, 82 ff. - Neu in Bielefeld I).

Eine Schadensersatzverpflichtung des Beklagten zu 1) ergibt sich vorliegend aber auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Täterhaftung wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten im Immaterialgüterrecht (vgl. dazu BGH GRUR 2007, 890 ff. - Jugendgefährdende Medien bei eBay; BGH GRUR 1995, 601 ff. - Bahnhofsverkaufsstellen; BGH GRUR 1984, 54 ff. - Kopierläden).

Der Bundesgerichtshof hat ausdrücklich klargestellt, dass Verkehrssicherungspflichten, die im Anwendungsbereich des § 823 Abs. 1 BGB seit langem anerkannt sind, ebenso im Immaterialgüterrecht gelten (BGH GRUR 2007, 890 - juris Rn. 36). Es sei ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft oder andauern lässt, die ihm zumutbaren Maßnahmen und Vorkehrungen treffen muss, die zur Abwendung der daraus Dritten drohenden Gefahren notwendig sind (BGH, a.a.O.).

Diese Verkehrssicherungspflicht konkretisiert sich im vorliegenden Bereich als Prüfungspflicht. Haftungsvoraussetzung ist daher die Verletzung von Prüfungspflichten, deren Bestand und Umfang sich im Einzelfall aus einer Abwägung aller betroffenen Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen ergibt. Entsprechend den zur Störerhaftung entwickelten Grundsätzen kommt es entscheidend darauf an, ob und inwieweit dem in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (BGH, a.a.O. - juris Rn. 38).

Nach dem aktuellen Stand der Rechtsprechung des BGH ist die Abgrenzung der Störerhaftung von der Haftung wegen einer Verkehrssicherungspflichtverletzung zwar nicht völlig geklärt (zur Kritik an der Lehre von der Störerhaftung im Wettbewerbsrecht vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Aufl., § 8 Rn. 2.15).

Eine generelle Abkehr von der Lehre der Störerhaftung ist vom BGH aber (noch) nicht vollzogen worden, weil er für die Erläuterung der Verkehrssicherungs-/Prüfungspflicht auf die zur Störerhaftung entwickelten Grundsätze Bezug genommen hat (BGH, a.a.O. - juris Rn 38).

Derjenige, der einen adäquat kausalen Beitrag für eine Rechtsverletzung leistet (Störer), eröffnet damit in seinem Verantwortungsbereich regelmäßig eine Gefahrenquelle und begründet Verkehrssicherungs- bzw. Prüfungspflichten. Sowohl für die Störer- als auch für die Täterhaftung ist eine Verletzung dieser Pflichten erforderlich. Für Qualifikation als Störer genügt eine nicht vorwerfbare (schuldlose) Verletzung, während Täter nur derjenige sein kann, der vorwerfbar (schuldhaft) die ihn treffenden Prüfungspflichten missachtet.

Bezogen auf den vorliegenden Fall ist ein adäquat kausaler Tatbeitrag des Beklagen zu 1) gegeben. Denn ohne Mitwirkung des Beklagten als inländischer administrativer Ansprechpartner wäre eine Domainregistrierung bei der Denic nicht möglich gewesen und die streitgegenständliche Markenverletzung nicht eingetreten.

Durch die Übernahme dieser Funktion hat der Beklagte zu 1) objektiv in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle geschaffen, die nach den Umständen entsprechende Verkehrssicherungspflichten auslösen kann. Wollte man dies verneinen, müsste man auch die Unterlassungshaftung als Störer ablehnen, was nicht ernsthaft in Betracht kommt.

Unter welchen Voraussetzungen diese Verkehrssicherungspflichten in Form von Prüfungspflichten einsetzen und wie weit sie reichen, ist eine Frage des Einzelfalls. Vorliegend ist eine Pflichtverletzung gegeben.

Der Beklagte zu 1) kann sich nicht auf seine vermeintlich untergeordnete Funktion als administrativer Ansprechpartner zurückziehen, mit der Folge, dass eine Prüfungspflicht generell erst nach einem konkreten Hinweis auf eine einzelne Rechtsverletzung einsetzt. Es ist möglich, dass die einem administrativen Ansprechpartner obliegende Prüfungspflicht aufgrund bestimmter Anhaltspunkte bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingreift, etwa, wenn es offensichtlich ist, dass ein Domaininhaber, der über eine Vielzahl von Domains verfügt, einen potentiell rechtswidrigen Geschäftszweck wie das Generieren von Einnahmen mit Hilfe sog. "Vertipper-Domains" verfolgt.

Das ist vorliegend der Fall. Denn der Beklagte zu 1) war bzw. ist der administrative Ansprechpartner für eine Vielzahl solcher Domains in Deutschland, die für die ... und andere Inhaber registriert waren bzw. sind, so z.B. für "www...de", "www...de", www...de, "www...de", "www...de" oder "www...de". Auch wenn der Registrierungsvorgang einer Domain automatisiert abläuft und der administrative Ansprechpartner keine unmittelbare Mitteilung davon erhält, muss dem Beklagten zu 1) bewusst gewesen sein, dass es sich dabei jedenfalls teilweise um sog. Vertipper-Domains handelt. Denn der Beklagte zu 1) ist bereits im Februar 2007 hin-sichtlich der Vertipper-Domains "www...de" und €www...de€ wegen Markenverletzungen abgemahnt worden.

Hinzu kommt, dass sich der Beklagte zu 1) im Vorfeld bereit erklärt hat, für eine unüberschaubare Zahl an Domains als administrativer Ansprechpartner zu fungieren. Deshalb traf den Beklagten zu 1) nicht lediglich eine nachgängige, d.h. eine erst aufgrund eines konkreten Hinweises einsetzende Prüfungspflicht dahingehend, ob er ggf. an einem rechtswidrigen Domainsystem mitwirkt oder eine einzelne Domain irreführend ist.

Wer sich bereit erklärt, für eine unbestimmte Vielzahl von Domains die Funktion des notwendigen administrativen Ansprechpartners zu übernehmen, muss bereits im Vorfeld prüfen, welche Eintragungsziele und Nutzungsinteressen sein(e) Auftraggeber verfolgen. Denn es ist nach den Umständen, insbesondere dem Geschäftsmodell der ... nahe liegend, dass jedenfalls ein Teil der Domains zur Generierung von Werbeeinnahmen verwendet werden, in dem sie an Domains bekannter Unternehmen angelehnt sind.

Es besteht keine Veranlassung den Beklagten zu 1) hinsichtlich der Anforderungen an die von ihm zu erfüllenden Prüfungspflichten zu privilegieren, wie das nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs betreffend die DENIC wegen Allgemeinnützigkeit des Domainvergabesystems und betreffend eBay wegen eines unzumutbaren technischen Aufwandes, den eine Vorabprüfung aller Angebote verursachen würde, der Fall ist. Der Beklagte zu 1) war in der Lage, das Geschäftsmodell der ... zu prüfen und festzustellen, dass er für eine Vielzahl von sog. Vertipper-Domains als administrativer Ansprechpartner registriert ist. Es wäre auch ohne weiteres möglich gewesen, sich darüber informieren zu lassen, für welche Domains er als administrativer Ansprechpartner eingetragen wird bzw. worden ist. Gerade bei dem automatisierten Verfahren bestand dazu für den Beklagten zu 1) Veranlassung, um zu verhindern, dass seine Funktion zur Begehung von Rechtsverletzungen ausgenutzt wird.

Dem Beklagten zu 1) ist deshalb hinsichtlich der vorliegend streitgegenständlichen Markenverletzung auch dann fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen, wenn er tatsächlich keine Kenntnis von der konkreten Domainregistrierung hatte.

Die Kostenentscheidung folgt betreffend den Beklagten zu 2) aus § 91 Abs. 1 ZPO und betreffend den Beklagten zu 1) aus § 91a Abs. 1 ZPO. Auch der Beklagte zu 1) hat danach die anteiligen Kosten des Verfahrens zu tragen, weil die Klage bis zu ihrer Erledigung zulässig und begründet war.

Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht hinsichtlich des Beklagten zu 2) auf § 709 ZPO.






LG Berlin:
Urteil v. 13.01.2009
Az: 15 O 957/07


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