Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Oktober 2000
Aktenzeichen: 6 W (pat) 56/99

(BPatG: Beschluss v. 12.10.2000, Az.: 6 W (pat) 56/99)

Tenor

Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluß der Patentabteilung 25 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. Juni 1999 aufgehoben. Der Einspruch wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

Die Patentabteilung 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat im Einspruchsverfahren das am 23. September 1994 angemeldete Patent 44 34 027 mit Beschluß vom 7. Juni 1999 widerrufen. Das Patent betrifft eine "Führungsnut an Brückenabschnitten o.dgl. von verlegbaren Brücken und ein Verfahren zum Reparieren derselben" und umfaßt 12 Patentansprüche. Der erteilte Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

1. Führungsnut (20; 20«), die durch eine senkrechte Wandanordnung (12; 12«) und je einen von dieser ausgehenden oberen und unteren Wandabschnitt (16, 17, 17«) gebildet ist, an Brückenabschnitten (1) od. dgl. von verlegbaren Brücken, wobei die senkrechte Wandanordnung (12, 12«) über ihre gesamte Höhe auf zumindest einem Teilquerschnitt aus homogenem, vorzugsweise stranggepreßtem Material besteht, dadurch gekennzeichnet, daß die senkrechte Wandanordnung (12, 12«) um die Mitte des Brückenabschnitts (1) gegenüber zumindest einem seiner Enden über eine Teillänge desselben eine Querschnittsreduzierung (37, 38) aufweist.

Zum Wortlaut der nebengeordneten Ansprüche 3 und 12 sowie der abhängigen Ansprüche 2 und 4 bis 11 wird auf die Patentschrift verwiesen.

Gegen den Beschluß der Patentabteilung richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin. Sie hat in der mündlichen Verhandlung die Unzulässigkeit des Einspruchs geltend gemacht. Die Patentinhaberin beantragt, den Beschluß der Patentabteilung 25 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. Juni 1999 aufzuheben und den Einspruch als unzulässig zu verwerfen.

Die Einsprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Einsprechende hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, ihr Einspruchsvorbringen sei ausreichend substantiiert, da im einzelnen dargelegt wurde, daß eine Vielzahl der offenkundig vorbenutzten Panzer-Verlegebrücken "System Biber" ohne Geheimhaltung an die Bundeswehr und an ausländische Armeen ausgeliefert worden sei. Das sei in Fachkreisen allgemein bekannt gewesen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie hat auch Erfolg, weil der Einspruch als unzulässig zu verwerfen war.

1. Die Zulässigkeit eines Einspruchs ist von Amts wegen in jedem Stadium des Verfahrens und damit auch im Beschwerdeverfahren vorrangig zu prüfen (vgl BGH in GRUR 1972, 592 "Sortiergerät"; GRUR 1990, 348 "Gefäßimplantat").

Nach PatG § 59 Abs 1 hängt die Zulässigkeit eines Einspruchs ua davon ab, daß die Einsprechende einen der Widerrufsgründe des PatG § 21 geltend macht; das ist vorliegend der Fall. Desweiteren ist der Einspruch zu begründen; die ihn rechtfertigenden Tatsachen müssen innerhalb der Einspruchsfrist im einzelnen angegeben werden (PatG § 59 Abs 1 Sätze 2, 4 und 5).

Eine Begründung des Einspruchs genügt diesen gesetzlichen Anforderungen nur dann, wenn die für die Beurteilung der behaupteten Widerrufsgründe maßgeblichen Umstände so vollständig dargelegt sind, daß der Patentinhaber und das Patentamt daraus abschließende Folgerungen in bezug auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ziehen können (BGH ua in GRUR 1972, 592, 593 "Sortiergerät"; GRUR 1987, 513, 514 "Streichgarn"; GRUR 1997, 740 "Tabakdose"; GRUR 1988, 113, 114 "Alkyldiarylphosphin"; GRUR 1988, 364, 366 "Epoxidationsverfahren"; BlPMZ 1988, 289, 290 "Meßdatenregistrierung"). Diese notwendigerweise zu ziehenden abschließenden Folgerungen verlangen von der Einspruchsbegründung, daß sie sich nicht nur mit einem Teilaspekt der unter Schutz gestellten Erfindung befaßt, sondern mit der gesamten patentierten Lehre (vgl BGH GRUR 1988, 364 "Epoxidationsverfahren").

Im hier vorliegenden Fall des geltend gemachten Widerrufsgrunds der mangelnden Patentfähigkeit ist im Rahmen der von der Einsprechenden anzugebenden, den Einspruch rechtfertigenden Tatsachen, weiterhin zu fordern, daß auch der technische Zusammenhang zwischen Patentgegenstand und dem geltend gemachten Stand der Technik und die sich daraus ergebende Folgerung für die Patentfähigkeit dargelegt wird. Die Herstellung des sachlichen Bezugs zwischen Patentgegenstand und geltend gemachtem Stand der Technik ist nicht Sache des Patentamts oder des Patentinhabers. Beide müssen durch die Einspruchsbegründung in die Lage versetzt werden, ohne eigene Ermittlungen das Vorliegen des behaupteten Widerrufsgrundes prüfen zu können (vgl BGH BlPMZ 1988, 185 "Alkyldiarylphosphin").

2. Diesen Anforderungen werden die Ausführungen im einzigen innerhalb der Einspruchsfrist eingegangenen Einspruchsschriftsatz vom 19. Juni 1997 nicht gerecht.

Die Begründung des geltend gemachten Widerrufsgrunds der mangelnden Patentfähigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1 beschränkt sich auf die Ausführungen in den Abschnitten A und B des Einspruchsschriftsatzes. Die übrigen Ausführungen des Einspruchsschriftsatzes befassen sich nämlich ausschließlich mit den Ansprüchen 2 bis 12 und lassen auch indirekt keine weiteren Schlüsse auf die Patentfähigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 zu.

Die Einsprechende macht in diesen Abschnitten A und B offenkundige Vorbenutzung durch eine Panzer-Verlegebrücke "System Biber" geltend und bestreitet im Hinblick darauf die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1.

Sie verweist ferner auf eine Panzer-Verlegebrücke "System Leguan" der Patentinhaberin.

Darüber hinaus befaßt sich die Einsprechende von Seite 2, letzte Zeile bis Seite 4, Absatz 1 mit dem kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 ohne Bezugnahme auf einen konkreten Stands der Technik.

2.1 Zum Vortrag betreffend die Panzer-Verlegebrücke "System Biber"

Zu dieser von ihr geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung hat die Einsprechende im Einspruchsschriftsatz lediglich ausgeführt, daß die Panzer-Verlegebrücke "System Biber" seit Anfang der 70er Jahre hergestellt und ohne Verpflichtung zur Geheimhaltung ausgeliefert worden sei. Weiterhin hat sie vorgetragen, sie gehe davon aus, daß die Patentinhaberin die Offenkundigkeit der Biber-Brücke und der in der Biber-Brücke realisierten Details nicht bestreiten werde. Dadurch kommt sie ihrer Substantiierungspflicht nicht nach. Es wäre nämlich Sache der Einsprechenden gewesen, darzulegen, wer wann und an wen Biber-Brücken geliefert hat. Die Einsprechende hat im Einspruchsschriftsatz zum Nachweis der technischen Details zwar auf drei Zeichnungen hingewiesen, die eine Zeichnungsnummer des Bundesamts für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) in Koblenz tragen. Hieraus ergibt sich jedoch nicht, wer die Biber-Brücken geliefert hat. Zu den Fragen, an wen die Brücken geliefert wurden und ob diese überhaupt zum Einsatz kamen, enthalten weder die Zeichnungen noch der Einspruchsschriftsatz irgendwelche Angaben. Zur Offenkundigkeit der behaupteten Vorbenutzung ist lediglich gesagt, die Brücken seien ohne Verpflichtung zur Geheimhaltung ausgeliefert worden. Das bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, daß sie auch ohne Geheimhaltung zum Einsatz kamen und daß jedermann die Möglichkeit hatte, die Führungsnut der Brücke zu sehen (militärischer Bereich!).

Zur Frage, wie die Biber-Brücke überhaupt aussieht, hat die Einsprechende drei Zeichnungen vorgelegt. Daß diese Zeichnungen als öffentliche Druckschriften anzusehen seien, ist von der Einsprechenden nicht vorgetragen worden. Daß Mitarbeiter der Firma KHD und Bedienstete des BWB an der Entwicklung der Biber-Brücke beteiligt gewesen sein sollen und Zugang zu den Zeichnungen hatten, ist ein interner Vorgang ohne Öffentlichkeitswirkung. Im übrigen tragen die Zeichnungen einen Geheimhaltungsvermerk. Sie können somit für sich allein nicht als der Öffenltichkeit zugänglich gemachter Stand der Technik angesehen werden.

Die von der Einsprechenden vorgelegten Zeichnungen tragen keinen Vermerk, daß sie eine Biber-Brücke betreffen. Unterstellt man zugunsten der Einsprechenden, daß der angebotene Zeuge Lothar Emrich dies hätte bestätigen können, so ist der Vortrag der Einsprechenden auf Seite 4, Absatz 3 des Einspruchsschriftsatzes, wonach die Anlage 1 "den Untergurt mit integrierter Führungsnut eines Brückenviertels der Biber-Brücke" zeigen soll, gleichwohl nicht substantiiert und nachvollziehbar.

Unter Hinweis auf einen Pfeil "B" (es wird zugunsten der Einsprechenden angenommen, daß die Schnittlinie B-B gemeint ist) ist dort vorgetragen, daß der Querschnitt des senkrechten Wandabschnitts über einen Teil der Brücke reduziert sei. Wie die Einsprechende zu dieser Auffassung kommt, sagt sie jedoch nicht. Im vorliegenden Fall hätte dies zur Substantiierung jedoch vorgetragen werden müssen, weil sich diese Behauptung der Einsprechenden dem Fachmann schon deshalb nicht von selbst erschließt, weil im Bereich des Pfeils "B" eine Führungsnut entsprechend dem Anspruch 1, also mit einem oberen und einem unteren Wandabschnitt und demzufolge ein "senkrechter Wandabschnitt" (gemeint ist wohl die senkrechte Wandanordnung) entsprechend dem Anspruch 1 gar nicht auszumachen ist. Außerdem hat die Einsprechende zu dem Merkmal im Anspruch 1, daß die Querschnittsreduzierung "um die Mitte des Brückenabschnitts" sich befinden soll, ebenfalls nichts gesagt, so daß sich die schon in sich unzulänglichen Ausführungen aus diesem Grund sowieso nur mit einem Teilaspekt der beanspruchten Erfindung befassen.

Zu den knappen Angaben auf Seite 4, Abs. 4 ist weiter nicht erkennbar, aufgrund welcher Überlegungen die Einsprechende die "Ansicht rechts oben", zu der ein Pfeil "A" beachtet werden sollte, eine Querschnittsreduzierung sieht, obwohl sich aus der Draufsicht in Verbindung mit den Schnitten C-C bis E-E ergibt, daß der Wandabschnitt der Nut über die gesamte Länge einen gleichen Querschnitt aufweist.

Insgesamt ist somit nicht überprüfbar vorgetragen worden, aufgrund welcher Tatsachen die Einsprechende glaubt, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 neuheitsschädlich durch die Biber-Brücke vorweggenommen wird. Der unsubstantiierte Vortrag kann auch nicht durch den angebotenen Zeugen geheilt werden.

2.2 Zu der von der Einsprechenden genannten Panzer-Verlegebrücke "System Leguan" hat sie lediglich vorgetragen, daß diese von der Patentinhaberin vor dem Anmeldetag hergestellt und vertrieben worden sei. Weitere Angaben zu dieser behaupteten Vorbenutzung, zu deren Offenkundigkeit und zur Frage, inwiefern diese Brücke der Patentfähigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 nach Ansicht der Einsprechenden entgegensteht, enthält der Einspruchsschriftsatz nicht.

2.3 Ab Seite 2, letzte Zeile bis Seite 4, Absatz 1 des Einspruchsschriftsatzes stellt die Einsprechende unabhängig von den Ausführungen zu den genannten beiden offenkundigen Vorbenutzungen weitere Überlegungen zur Patenfähigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 an. Sie sind jedoch ebenfalls nicht substantiiert. Die Einsprechende nimmt zwar Bezug auf die im Anspruch 1 genannte senkrechte Wandanordnung und auf deren Querschnittsreduzierung im Mittelbereich. Ihre Ausführungen erschöpfen sich allerdings darin, daß der Konstrukteur den Querschnitt dieses "senkrechten Wandabschnitts" in geeigneter Stärke dimensioniere und, um eine Überdimensionierung zu vermeiden, im Mittelbereich der Brücke, wo die Verlegekräfte bekanntlich am geringsten seien, Mateiral beseitige. Diese überaus allgemein gehaltenen statischen Grundsätze betreffen allenfalls einen Teilaspekt der Erfindung und lassen jede Beziehung zur speziell im Patentanspruch 1 gekennzeichneten Führungsnut als Teil einer Verlegebrücke und den bei einer solchen Führungsnut gegebenen statischen Verhältnisse missen. Somit fehlt es an der Darlegung des technischen Zusammenhangs zwischen dem Patentgegenstand und dem Stand der Technik, die das Patentamt und die Patentinhaberin in die Lage versetzen würde, die mangelnde Patentfähigkeit des aus den Merkmalen des Oberbegriffs und des kennzeichnenden Teils zusammengesetzten Gegenstands des Anspruchs 1 prüfen zu können.

3. Der Einspruch erfüllt auch nicht die Zulässigkeitsanforderungen durch die Ausführungen zu den übrigen Ansprüchen.

3.1 Zum selbständigen Anspruch 3 (Nebenanspruch) führt die Einsprechende im Abschnitt D aus, daß er sich nicht wesentlich von der Kombination der Ansprüche 1 und 2 unterscheide, so daß sie auf die diesbezüglichen Ausführungen verweise. Damit treffen die die Zulässigkeit des Anspruchs 1 verneinenden Gründe auch für den Anspruch 3 zu.

3.2 Was den selbständigen Anspruch 12 (Nebenanspruch) betrifft, so beschränkt sich die Einsprechende im Abschnitt E ihres Schriftsatzes auf ihre allgemein statisch begründeten Erwägungen zum Anspruch 1 und das zum Anspruch 2 abgehandelte L-förmige Einsatzteil. Auch hier wird also auf eine weitgehendere oder gar vollständige Konkretisierung sämtlicher das Verfahren nach Anspruch 12 bildender Merkmale sowie auf deren abschließenden Vergleich mit bekannten Verfahren, wozu auch die im Anspruch 12 genannten baulichen Merkmale zählen, verzichtet. Die Ausführungen zum Anspruch 12 können die Zulässigkeit des Einspruchs damit ebenfalls nicht begründen.

3.3 Die Ausführungen in den Abschnitten C und F zu den vom Anspruch 1 bzw 3 abhängigen Ansprüchen 2 und 4 bis 11 können aus den zu den Ansprüchen 1 bzw 3 genannten Gründen ebenfalls nicht die Zulässigkeit des Einspruchs begründen, da lediglich zum kennzeichnenden Teil dieser Ansprüche 2 und 4 bis 11 Stellung genommen wurde.

4. Der Einspruchsschriftsatz vom 19. Juni 1997 enthält mithin nicht die erforderlichen Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen können. Der Einspruch ist demnach unzulässig. Aus diesem Grund war es dem Senat verwehrt, in der Sache selbst eine Entscheidung zu treffen.

Rübel Riegler Sperling Viereckbr/Cl






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Az: 6 W (pat) 56/99


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