Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 26. März 2007
Aktenzeichen: AnwZ (B) 23/06
(BGH: Beschluss v. 26.03.2007, Az.: AnwZ (B) 23/06)
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. Januar 2006 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Gegenstandswert wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der am 28. März 1947 geborene Antragsteller ist seit 1974 als Rechtsanwalt und bei dem Amtsgericht E. und dem Landgericht K. , seit 2002 auch bei dem Oberlandesgericht D. zugelassen. Mit Verfügung vom 10. Mai 2005 hat die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls widerrufen. Auf den Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof den Bescheid aufgehoben. Dagegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, deren Zurückweisung der Antragsteller beantragt.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 und 4 i. V. m. § 224a Abs. 5 Nr. 4 BRAO), hat in der Sache aber keinen Erfolg. Der Anwaltsgerichtshof hat die Voraussetzungen für einen Widerruf der Zulassung wegen Vermögensverfalls zutreffend verneint.
1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtssuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall wird nach dieser Vorschrift vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO, § 915 ZPO) eingetragen ist. Im Übrigen liegt ein Vermögensverfall vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, geraten und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr., Senat, Beschl. v. 25. März 1991, AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Beschl. v. 21. November 1994, AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126; Beschl. v. 3. Juli 2006, AnwZ (B) 28/05, unveröff.).
2. In diesem Sinne war das Vermögen des Antragstellers bei Erlass der angefochtenen Verfügung in Verfall geraten. Über das Vermögen des Antragstellers war zwar das Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden. Der Antragsteller war auch weder in dem Schuldnerverzeichnis des Insolvenzgerichts noch dem des Amtsgerichts eingetragen. Er hat im Verlauf des Verfahrens vor dem Anwaltsgerichtshof schließlich auch nachweisen können, dass die meisten der offenen Forderungen, die gegen ihn durchgesetzt wurden, bei Erlass der Widerrufsverfügung bereits beglichen waren. Offen waren aber Forderungen der Bayerischen Hypovereinsbank im Gesamtbetrag von 2.136.955,03 €. Zur Erfüllung dieser Forderungen war der Antragsteller, was er selbst einräumt, auf Dauer außerstande.
3. Der Antragsteller hat aber, was im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen ist (BGHZ 75, 356, 357; 84, 149, 150), im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof eine befristete Stillhaltevereinbarung mit der Gläubigerin vorgelegt, wonach diese von Vollstreckungsmaßnahmen absieht, wenn der Antragsteller monatlich 500 € zahlt. Ob damit, wie der Anwaltsgerichtshof meint, der Vermögensverfall entfallen ist, ist nicht frei von Zweifeln, kann aber offen bleiben. Selbst wenn diese Vereinbarung den Vermögensverfall noch nicht beseitigt haben sollte, scheidet ein Widerruf aus. Bei den besonderen Umständen des vorliegenden Sonderfalls sind die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet.
4. Der Antragsteller war und ist bislang nicht in das Schuldnerverzeichnis des Insolvenz- oder des Vollstreckungsgerichts eingetragen. Er ist wegen eines einzigen Immobilienengagements in Vermögensverfall geraten. Er hat die dabei aufgelaufenen Verbindlichkeiten bis auf die Forderung der Gläubigerin sämtlich beseitigt und keine neuen entstehen lassen. Die verbliebene Gläubigerin hat ihm zwar die Verbindlichkeit nicht förmlich erlassen. Sie hat sich aber vertraglich verpflichtet, aus ihr nicht vorzugehen, wenn der Antragsteller seine gegebenenfalls auch erhöhten Ratenzahlungs- und Informationspflichten einhält. Die Raten sind so bemessen, dass der Antragsteller sie aus seinen Einnahmen bestreiten kann. Damit hat die Gläubigerin dem Antragsteller einen geregelten Schuldendienst ermöglicht, der ihm ein geordnetes Wirtschaften erlaubt. Daran ändert es nichts, dass diese Vereinbarung befristet ist. Die Vereinbarung dient auch dem Interesse der Gläubigerin, die die Forderung sonst abschreiben müsste. Die Befristung hat deshalb ersichtlich nur den Zweck, den Antragsteller zur ordnungsgemäßen Erfüllung anzuhalten und die Raten anzuheben, wenn die Einkommensverhältnisse des Antragstellers dies erlauben. Dementsprechend hat das von der Gläubigerin beauftragte Inkassounternehmen die Vereinbarung inzwischen bis zum Ablauf des 30. September 2007 verlängert. Dass sich dies in Zukunft ändern wird, wenn der Antragsteller wie bisher seine Verpflichtungen einhält, ist auch nach Einschaltung dieses Unternehmens nicht zu erwarten. Rechtsuchende müssen deshalb nicht befürchten, dass die Gläubigerin oder ein anderer Gläubiger auf Fremdgelder zugreift, die an den Antragsteller zur Weiterleitung an Mandanten, Versicherer oder Verfahrensgegner gezahlt werden. Dafür, dass der Antragsteller selbst auf Mandantengelder zugreifen könnte, war und ist nichts ersichtlich. Der Antragsteller nahm und nimmt als Fachanwalt für Familienrecht ständig in nicht unerheblichem Umfang Fremdgelder für seine Mandanten entgegen. Diese trennt er sorgsam von seinem sonstigen Vermögen. Er verwaltet die Fremdgelder ordnungsgemäß und ohne jede Beanstandung. Das war auch bisher schon der Fall, insbesondere auch zu einer Zeit, in der sich der Antragsteller in größerer finanzieller Bedrängnis befunden hat. Die besonderen Umstände dieses Sonderfalls lassen daher ausnahmsweise erwarten, dass die Interessen der Rechtsuchenden auch weiterhin nicht gefährdet sind. Das schließt einen Widerruf wegen Vermögensverfalls aus.
III.
Bei der Kostenentscheidung hat der Senat berücksichtigt, dass der Widerrufsbescheid begründet war und wegen der während des gerichtlichen Verfahrens entfalteten Bemühungen des Antragstellers aufzuheben war.
Terno Otten Schmidt-Räntsch Schaal Wosgien Quaas Martini Vorinstanz:
OLG Hamm, Entscheidung vom 16.01.2006 - 1 ZU 54/05 -
BGH:
Beschluss v. 26.03.2007
Az: AnwZ (B) 23/06
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