Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. April 2009
Aktenzeichen: 7 W (pat) 350/06

(BPatG: Beschluss v. 08.04.2009, Az.: 7 W (pat) 350/06)

Tenor

Das Patent 10 2004 047 449 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 8, eingeg. per Fax am 23. März 2009 (Bl. 104, 105, 108 d. Gerichtsakte), Patentansprüche 9 bis 16, eingeg. per Fax am 20. März 2009 (Bl. 68, 69 d. GA), Beschreibung Seiten 2/11 und 3/11, eingeg. per Fax am 23. März 2009 (Bl. 106, 107 d. GA), mit Einfügung des per Fax am 20. März 2009 eingeg. Einschubs 1 (Bl. 64 d. GA) nach dem Absatz [0003] und des per Fax am 23. März 2009 eingeg. Einschubs 2 (Bl. 109 d. GA) nach dem Absatz [0004], Beschreibung Seiten 4/11 bis 6/11 und 4 Blatt Zeichnungen (Figuren 1 bis 11) gemäß Patentschrift 10 2004 047 449.

Gründe

I.

Gegen die am 2. März 2006 veröffentlichte Erteilung des deutschen Patents 10 2004 047 449 mit der Bezeichnung "Blockierbare Kolben-Zylindereinheit" ist durch die S... GmbH in A..., am 31. Mai 2006 Einspruch er hoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, dass der Gegenstand des Patents nicht patentfähig sei.

Die Einsprechende hat den Widerruf des angefochtenen Patents beantragt. Sie hat geltend gemacht, dem Patentgegenstand fehle gegenüber dem Stand der Technik nach DE 103 49 157 A1 (kurz: E1) die Neuheit. Zur Begründung mangelnder Neuheit und fehlender erfinderischer Tätigkeit hat sie ferner unter Beweisangebot eine offenkundige Vorbenutzung durch vor dem Anmeldetag des Streitpatents an einen ihrer Kunden gelieferte Pneumatik-Zylinder, sog. Gas-Federn, geltend gemacht und als Nachweis hierfür Lieferscheine vorgelegt.

Mit Schreiben vom 1. Dezember 2008 hat die Einsprechende ihren Einspruch zurückgenommen.

In einer Zwischenverfügung vom 19. Januar 2009 hat der erkennende Senat der Patentinhaberin mitgeteilt, dass die Neuheit des Gegenstandes gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 aufgrund des Inhalts der älteren Anmeldung gemäß der nachveröffentlichten Druckschrift E1 in Frage stehen könnte.

Am 20. März 2009 und 23. März 2009 hat die Patentinhaberin zuletzt neue Patentansprüche 1 bis 16 sowie eine neue Beschreibungseinleitung eingereicht. Sie beantragt, das Patent auf der Grundlage der geänderten Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten.

Sie hat ausgeführt, der beschränkt verteidigte Gegenstand gemäß dem neuen Anspruch 1 gehe auf die erteilten Ansprüche 1, 2 und 6 sowie auf die ursprüngliche Offenbarung der Anmeldung, Seite 8, letzter Absatz bis Seite 9, 3. Absatz zurück.

Der geltende, am 23. März 2009 eingegangene Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Blockierbare Kolben-Zylindereinheit mit einem an beiden Enden verschlossenen, mit unter Druck stehendem Fluid gefülltem Zylinder, in dem ein gegenüber der Innenwand des Zylinders abgedichteter Kolben verschiebbar geführt ist, der den Zylinder in einen ersten Arbeitsraum und einen zweiten Arbeitsraum unterteilt, mit einer an dem Kolben angeordneten rohrartigen Kolbenstange, die durch den zweiten Arbeitsraum und eine das eine Ende des Zylinders verschließende Führungsund Dichtungseinheit aus dem Zylinder herausgeführt ist, mit einer in der Kolbenstange verschiebbar angeordneten Betätigungsstange, deren eines Ende an dem aus dem Zylinder herausragenden Ende der Kolbenstange herausragt und durch deren anderes Ende ein Ventilschieber eines in dem Kolben angeordneten Blockierventils axial verschiebbar beaufschlagbar ist, durch das der erste Arbeitsraum über eine Verbindung mit dem zweiten Arbeitsraum verbindbar ist, mit einem Bereich reduzierten Durchmessers zwischen zwei Bereichen größeren Durchmessers des Ventilschiebers, der von einer Kammer umschlossen ist, die über eine Verbindungsöffnung mit dem zweiten Arbeitsraum verbunden ist, wobei der eine Bereich größeren Durchmessers des Ventilschiebers mit radialem Spiel durch eine Ventilöffnung in den ersten Arbeitsraum ragt, dadurch gekennzeichnet, dass der Durchtrittsquerschnitt der von dem Blockierventil öffenbaren Verbindung bei Einschubbewegung der Kolbenstange (11) in den Zylinder (1) größer ist als bei Ausschubbewegung, wobei die Ventilöffnung (24) eine Ringkammer (16) mit zwei in einem axialen Abstand voneinander ausgebildeten Ringschultern (18, 19) aufweist und in der Ringkammer (16) ein Dichtring

(17)

angeordnet ist, der mit seiner radial umlaufenden äußeren Mantelfläche dicht an der zylindrischen Wand der Ringkammer

(16)

in Anlage und zwischen den Ringschultern (18, 19) axial verschiebbar ist und durch dessen radial umlaufende innere Mantelfläche der durch die Ringkammer(16) ragende Bereich (20) größeren Durchmessers des Ventilschiebers (13, 13', 13") dicht umschließbar ist, wobei der Ventilschieber (13, 13', 13") zwischen seinem dem ersten Arbeitsraum (8) zugewandten Bereich (20)

größeren Durchmessers und seinem Bereich (22) reduzierten Durchmessers einen Übergangsbereich (25, 25') sich verringernden Querschnitts aufweist und wobei bei in den ersten Arbeitsraum bewegtem Ventilschieber (13, 13', 13") und in Ausfahrrichtung bewegtem Kolben 4 der Dichtring (17) derart den Übergangsbereich (25, 25') umgibt, dass zwischen dem Ventilschieber (13, 13', 13") und dem Dichtring (17) ein Ringspalt (26) geringen Querschnitts geöffnet ist."

Zum Wortlaut der dem Anspruch 1 nachgeordneten Ansprüche 2 bis 8, eingegangen per Fax am 23. März 2009, und 9 bis 16, eingegangen per Fax am 20. März 2009, die weitere Ausgestaltungen des Gegenstandes nach dem Hauptanspruch beinhalten, wird auf die Akte verwiesen.

II.

Der Senat ist für die Entscheidung im vorliegenden Einspruchsverfahren auch nach der -mit Wirkung vom 1. Juli 2006 erfolgten -Aufhebung der Übergangsvorschriften des § 147 Abs. 3 PatG noch auf Grund des Grundsatzes der "perpetuatio fori" gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO analog i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG analog zuständig (im Anschluss an den Beschluss des 23. Senats vom 19. Oktober 2006 -Az.: 23 W (pat) 327/04).

III.

Der zulässige, insbesondere fristund formgerecht erhobene Einspruch ist nach der Beschränkung des angefochtenen Patentgegenstandes begründet.

Der Gegenstand des angefochtenen Patents in der Fassung der geltenden Patentansprüche stellt eine patentfähige Erfindung i. S. d. §§ 1 bis 5 PatG dar. Die geltenden Patentansprüche 1 bis 16 sind zulässig. Ihre Merkmale sind in der Streitpatentschrift und in den ursprünglichen Unterlagen offenbart.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist gegenüber dem in der nachveröffentlichten Druckschrift E1 beschriebenen Gegenstand neu.

In unstreitiger Übereinstimmung mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1 des verteidigten Patents umfasst E1 -unter Bezugnahme auf die Figuren 1 bis 7 mit zugehöriger Beschreibung und unter Angabe der dort verwendeten Bezugszeichen -eine blockierbare Kolben-Zylindereinheit mit einem an beiden Enden 2, 5 verschlossenen, mit unter Druck stehendem Fluid gefülltem Zylinder 1, in dem ein gegenüber der Innenwand des Zylinders 1 abgedichteter Kolben 12 verschiebbar geführt ist, der den Zylinder 1 in einen ersten Arbeitsraum 16 und einen zweiten Arbeitsraum 15 unterteilt, mit einer an dem Kolben 12 angeordneten rohrartigen Kolbenstange 8, die durch den zweiten Arbeitsraum 15 und eine das eine Ende 5 des Zylinders 1 verschließende Führungsund Dichtungseinheit 6 aus dem Zylinder 1 herausgeführt ist, mit einer in der Kolbenstange 8 verschiebbar angeordneten Betätigungsstange 42, deren eines Ende an dem aus dem Zylinder 1 herausragenden Ende der Kolbenstange 8 herausragt und durch deren anderes Ende ein Ventilschieber 30, 40, 32, 33 eines in dem Kolben 12 angeordneten Blockierventils 20 axial verschiebbar beaufschlagbar ist, durch das der erste Arbeitsraum 16 über eine Verbindung 21, 26 -29 mit dem zweiten Arbeitsraum 15 verbindbar ist, mit einem Bereich 40 reduzierten Durchmessers zwischen zwei Bereichen 30, 35 größeren Durchmessers des Ventilschiebers 30, 40, 32, 33, der von einer Kammer 25, 39 umschlossen ist, die über eine Verbindungsöffnung 28 mit dem zweiten Arbeitsraum 15 verbunden ist, wobei der eine Bereich größeren Durchmessers des Ventilschiebers 30, 40, 32, 33 mit radialem Spiel durch eine Ventilöffnung 21 in den ersten Arbeitsraum 16 ragt.

Ebenfalls unstreitig weist die bekannte Kolben-Zylinder-Enheit die aus dem erteilten Anspruch 2 in den kennzeichnenden Teil des geltenden Anspruchs 1 aufgenommenen Merkmale auf, wonach die Ventilöffnung 21 eine Ringkammer 25, 39 mit zwei in einem axialen Abstand voneinander ausgebildete Ringschultern (am Ringboden 24 u. Zwischenring 38) aufweist und in der Ringkammer 25, 39 ein Dichtring (Drosselelement 36) angeordnet ist, der mit seiner radial umlaufenden Mantelfläche dicht an der zylindrischen Wand der Ringkammer 25, 39 in Anlage und zwischen den Ringschultern 24, 38 axial verschiebbar ist und durch dessen radial umlaufende innere Mantelfläche der durch die Ringkammer 25, 39 ragende Bereich 35 größeren Durchmessers des Ventilschiebers 30, 40, 32, 33 dicht umschließbar ist.

Auch die aus dem erteilten Anspruch 6 in den kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 aufgenommenen Merkmale, wonach der Ventilschieber 30, 40, 32, 33 zwischen seinem dem ersten Arbeitsraum 16 zugewandten Bereich 35 größeren Durchmessers und seinem Bereich 40 reduzierten Durchmessers einen Übergangsbereich (zwischen 35 und 40) sich verringernden Querschnitts aufweist, sind bei dem bekannten Gegenstand vorhanden, wie ohne weiteres aus den Figuren ersichtlich ist.

Weiterhin ist das aus dem kennzeichnenden Teil des erteilten Anspruchs 1 im geltenden Anspruch 1 verbliebene Merkmal, wonach der Durchtrittsquerschnitt der von dem Blockierventil öffenbaren Verbindung bei Einschubbewegung der Kolbenstange in den Zylinder 1 größer ist als bei Ausschubbewegung, aus E1 bekannt. In Figur 6 der E1 ist die Stellung des Kolbens nach der Einschubbewegung der Kolbenstange gezeigt (Absätze 0038 und 0039 der E1). Bei geöffnetem Blockierventil und Bewegung der Kolbenstange 8 in den Zylinder 1 hinein liegt im ersten Arbeitsraum 16 ein höherer Druck als im zweiten Arbeitsraum 15 vor, wodurch der Dichtring bzw. das Drosselelement 36 von dem Ventilschieberteil mit größerem Durchmesser in den Bereich 40 des Ventilschiebers mit verringertem Durchmesser gedrückt wird. Der Strömungsquerschnitt zwischen Drosselelement 36 und Ventilschieber (bei 40) ist hierdurch freigegeben, so dass das Fluid sowohl über die Bypassnut 29 als auch über den zusätzlich freigegebenen Querschnitt im Überströmkanal 25, 39 in den zweiten Arbeitsraum 15 abfließen kann. Dagegen kehren sich bei Ausschubbewegung der Kolbenstange 8 die Druckverhältnisse in den beiden Arbeitsräumen um, wodurch das Drosselelement 36 den Überströmkanal 25, 39 (Figur 5) sperrt und das Fluid nur über die Bypassnut 29 vom zweiten Arbeitsraum 15 höheren Drucks in den ersten Arbeitsraum 16 niedrigeren Drucks überströmen kann.

Die Kolben-Zylindereinheit nach dem verteidigten Anspruch 1 macht dagegen nicht von einer 2-kanaligen Überströmmöglichkeit (Bypass 29 einerseits, Bypass 29 und Überströmkanal 25, 39 andererseits) gemäß E1 Gebrauch. Der Überströmquerschnitt wird bei vorliegendem Erfindungsgegenstand allein durch den Spalt zwischen Dichtring 17 und Ventilschieber 13 in der Ringkammer 16 bestimmt, wobei der Überströmquerschnitt (Ringspalt 26) u. a. zwischen dem Dichtring 17 und dem von ihm umschlossenen Übergangsbereich 25 mit in Axialrichtung veränderlichem Querschnitt des Ventilschiebers 13 gebildet wird (Figuren 3 und 4 und zugehörige Beschreibung). Entsprechend dieser Konzeption ist als letztes Merkmal im geltenden Anspruch 1 noch angegeben, dass bei in den ersten Arbeitsraum bewegtem Ventilschieber und in Ausfahrrichtung bewegtem Kolben 4 der Dichtring 17 den Übergangsbereich 25 derart umgibt, dass zwischen dem Ventilschieber 13 und dem Dichtring 17 ein Ringspalt geringen Querschnitts geöffnet ist.

Eine derartige Ringspaltgestaltung bei in Ausfahrrichtung bewegtem Kolben ist bei der Kolben-Zylindereinheit nach Druckschrift E1 ersichtlich nicht vorgesehen (vgl. Fig. 5 i. V. m. Absatz [0037]), da zwischen dem Dichtring bzw. Drosselelement 36 und Ventilschieber 30 kein Ringspalt verbleibt und im Übrigen der Ventilschieber in diesem Bereich zylindrisch ist (Wand 35), also keinen Übergangsbereich sich verringernden Querschnitts aufweist.

Zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit der Lehre des geltenden Anspruchs 1 kann die Druckschrift E1 gem. § 3 Abs. 2 PatG nicht herangezogen werden.

Durch Zurücknahme des Einspruchs ist die Einsprechende nicht mehr am Verfahren beteiligt. Der von ihr behaupteten und von der Patentinhaberin bestrittenen offenkundigen Vorbenutzung eines nicht näher aufgezeigten oder beschriebenen Gegenstandes, kann daher nicht mehr durch Beweiserhebung nachgegangen werden. Es liegt auch kein sonstiger dem Gegenstand nach Anspruch 1 entgegenstehender druckschriftlicher Stand der Technik vor.

Bei dieser Sachlage war das angefochtene Patent im beantragten Umfang beschränkt aufrecht zu erhalten.

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BPatG:
Beschluss v. 08.04.2009
Az: 7 W (pat) 350/06


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