Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. August 2002
Aktenzeichen: 29 W (pat) 125/01
(BPatG: Beschluss v. 14.08.2002, Az.: 29 W (pat) 125/01)
Tenor
Die Beschwerde der Löschungsantragstellerin wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die am 17. Januar 1997 angemeldete Wort-Bildmarkeist für eine Vielzahl von Waren der Klassen für 10,16, 18, 20, 21, 25, 26 und 28 am 12. Februar 1997 unter der Nummer 397 01 805 in das Markenregister eingetragen worden. Die Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Antrag, die Marke wegen des Vorliegens absoluter Schutzhindernisse für die Erzeugnisse der Klasse 16 teilweise zu löschen (§§ 54 Abs. 1, 50 Abs. 1 MarkenG), mit Beschluss vom 26. Januar 2001 zurückgewiesen. Der angegriffenen Marke habe weder zum Zeitpunkt der Anmeldung noch zum Zeitpunkt der Lösungsentscheidung jegliche Unterscheidungskraft gefehlt noch liege eine beschreibende oder täuschende Angabe bzw. ein Gattungsbegriff vor oder habe vorgelegen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3, 4 MarkenG). Die Marke bestehe aus der Bezeichnung für eine Popgruppe. Der Name oder das Bild einer Person bezeichne oder beschreibende lediglich diese selbst, nicht aber Merkmale von Waren. Selbst ein eventuell inhaltsbeschreibender Titel (z. B. bei Druckschriften oder Kalendern) begründe nach der Rechtsprechung (BPatG BlPMZ 1999, 43 - Michael Schumacher) noch kein Freihaltungsbedürfnis an derartigen Waren für den allgemeinen Wettbewerb. Namen oder Bilder von Personen seien auch unterscheidungskräftig, weil jeder Name ohne weiteres herkunftsweisende Originalität besitze. Bei Namen von gegenwärtigen Personen der Zeitgeschichte könne es sich außerdem nicht um eine Gattungsbezeichnung handeln. Darüber hinaus sei auch die Verwendung von solchen Namen nicht allgemein verkehrsüblich. Eine ersichtliche Täuschungsgefahr sei ebenfalls nicht gegeben, denn die tatsächlichen oder angeblichen rechtlichen Beziehungen zwischen Inhaber und Namensträger seien im deutschen Markeneintragungsverfahren irrelevant. Ebenso seien Probleme der Pressefreiheit im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Löschungsantragstellerin. Sie ist der Ansicht, der Marke fehle in Bezug auf die angegriffenen Waren jegliche Unterscheidungskraft, denn die Bezeichnung "Backstreet Boys" für eine Popgruppe werde von den Medien stark genutzt und verbreitet und sei dadurch der deutschen Bevölkerung bekannt. Aus diesen Gründen würden die angesprochenen Verkehrskreise bei einem mit "Backstreet Boys" bezeichneten Kalender davon ausgehen, dass dieser Kalender Bilder dieser Gruppe enthalte. Außerdem bestehe ein Freihaltungsbedürfnis gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Die Frage einer beschreibenden Bedeutung könne nur unter Berücksichtigung der von der angegriffenen Marke betroffenen Waren beurteilt werden. In Bezug auf Kalender liege ein rein beschreibender Begriffsinhalt vor, weil "Backstreet Boys" lediglich den Inhalt der Ware, nämlich Fotos der Gruppe, bezeichne. Im übrigen sei bei der Auslegung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Recht der Pressefreiheit Rechnung zu tragen, die schwerer wögen als das Schutzrecht für einen Namen. Im Übrigen sei eine Täuschungsgefahr gegeben, wie ein Vergleich mit der englischen Rechtsprechung zeige, die im Lichte der Harmonisierung der Europäischen Rechtsprechung zu berücksichtigen sei.
Die Löschungsantragstellerin beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluß der Markenabteilung aufzuheben und die teilweise Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Für die angegriffenen Waren der Klasse 16 sei die verfahrensgegenständliche Wort-Bildmarke ein englischsprachiges Fantasiezeichen, das nicht zur Bezeichnung der Art, Beschaffenheit oder sonstiger Merkmale dieser Waren dienen könne. Bei der Betrachtung der markenrechtlichen Schutzfähigkeit sei die Bekanntheit der Marke nicht zu berücksichtigen, sondern deren Begriffsinhalt rein abstrakt zu würdigen. Fragen der Informations- und Pressefreiheit seien im vorliegenden Verfahren nicht zu erörtern. Außerdem seien diese Rechte gar nicht betroffen, denn diese beinhalteten nicht das Recht, dass jeder Verlag Druckereierzeugnisse unter der Bezeichnung einer Popgruppe frei kommerziell vermarkten könne. Eine mit der hier angegriffenen Marke identische sei im Vereinigten Königreich eingetragen worden.
Nach der Rechtsprechung zur Schutzfähigkeit einer Marke, die aus der Abbildungen eines bekannten Sportlers bestanden habe und die auch für Namen von Prominenten gelten müsse, handele es sich bei derartigen Zeichen nicht um beschreibende Angaben für Druckereierzeugnisse. Ein anderes Ergebnis würde auch dazu führen, dass ein Prominenter für seine erworbene Bekanntheit bestraft würde. Allenfalls könne durch die Verwendung solcher Namen der Eindruck entstehen, die Namensverwendung geschehe mit Einverständnis des Namensinhabers. Es sei auch üblich, dass Kalenderhersteller mit Prominenten Vereinbarungen über die Herausgabe von Druckereierzeugnissen mit deren Abbildungen unter deren Namen schlössen. Einen Grund für ein Freihaltungsbedürfnis sei daher nicht ersichtlich.
Da es sich vorliegend um eine Fantasiebezeichnung handele, fehle nicht jegliche Unterscheidungskraft. Es handele sich nicht um eine Gattungsbezeichnung oder um einen geläufigen Ausdruck der Wirtschaft- und Werbesprache, umgangssprachliche Anpreisung oder sloganartige Kaufaufforderung.
Die angegriffene Marke sei auch nicht geeignet, das Publikum zu täuschen, weil nach der Fassung des Verzeichnisses der Waren nicht ausgeschlossen sei, dass es sich um Druckereierzeugnisse mit Bildern der Backstreet Boys handele.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze samt Unterlagen sowie die Amtsakte 397 01 805.3 (S 288/98) Lösch Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde ist fristgemäß und auch im übrigen zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Markenabteilung hat zu Recht dem Antrag auf teilweise Löschung zurückgewiesen, denn die angegriffene Marke war im Zeitpunkt ihrer Eintragung schutzfähig und ist zwischenzeitlich auch nicht schutzunfähig geworden (§§ 50, 54, 8 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3 und 4 MarkenG).
2. Die Eintragbarkeit von Titeln von Rundfunk- bzw. Fernsehsendungen, Druckschriften oder anderen Medienträgern, die eine Inhaltsangabe für solche Medienerzeugnisse darstellen können, - nur unter diesem Gesichtspunkt kommt eine Schutzunfähigkeit der angegriffenen Marke in Betracht - bemisst sich nach den allgemeinen Regeln, wobei an die markenrechtliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) andere Anforderungen als an die Unterscheidungskraft von Werktiteln gemäß § 5 Abs. 3 MarkenG zu stellen sind, zumal Werktitel im allgemeinen nur der Unterscheidung eines Werks von einem anderen dienen und in der Regel keinen Hinweis auf den Hersteller oder Inhaber des Werks und damit auf eine bestimmte betriebliche Herkunft enthalten. Demnach kann auch titelschutzfähigen Bezeichnungen die Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) fehlen, sofern sie einen naheliegenden Werkinhalt treffend und erschöpfend beschreiben. Außerdem kann ihrer Eintragung ein Freihaltungsbedürfnis entgegenstehen (vgl. BGH GRUR 2000, 882 - Bücher für eine bessere Welt; BGH GRUR 2001, 1043 - Gute Zeiten - schlechte Zeiten; BGH GRUR 2001 1042 - REICH UND SCHOEN). Allerdings vermag der bloße Umstand, dass Informationsträgern eine nahezu unbegrenzte Themenvielfalt zugrunde gelegt werden kann, nicht zur Verneinung der Schutzfähigkeit aller Ausdrücke zu führen, die auch nur irgendwie als Angabe eines Themenbereichs (theoretisch) in Betracht kommen könnten. Vielmehr muss die Behandlung des Themas in der fraglichen Form und unter Verwendung des betreffenden Titels sich als naheliegend und branchenüblich darstellen. Auch die bloße Beliebtheit einer Bezeichnung als Markenbestandteil reicht nicht ohne weiteres zur Verneinung der Unterscheidungskraft und zur Zurückweisung als beschreibende Angabe (vgl. Althammer/Ströbele, Markengesetz, 6. Aufl., § 8 Rdn 54, 116).
3. Eine verfassungskonforme Auslegung von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG führt nicht zu einer generellen Schutzunfähigkeit von Namen berühmter Personen als Marke für Druckereierzeugnisse. Es ist bereits sehr zweifelhaft, ob der Markenschutz überhaupt Gegenstand des Art. 5 GG ist, weil die Eintragung einer Marke kein Benutzungsrecht verleiht und die Marke ausschließlich ein Kennzeichnungsrecht darstellt. Selbst wenn man aber die Regelung des Art. 5 GG in diesem Zusammenhang für beachtlich halten sollte, ist zu berücksichtigen, dass die Schranken dieses Grundrechts auf Presse-, Meinungs- und Informationsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 2 GG durch die allgemeinen Gesetze bestimmt werden, zu denen auch das Markengesetz gehört (vgl. Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 6. Aufl. 2002 Art. 5 Rdn 56 ff, Art. 19 Rdn 4; Leipholz/Rinck, Grundgesetz, 7. Aufl., Art. 5 Rdn 681).
4. Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob Rechte am eigenen Bild oder Rechte am eigenen Namen sowie Persönlichkeitsrechte (BPatG BlPMZ 1999, 43, 44 - Portrait-Foto) die Schutzfähigkeit von Eigennamen als Marken begründen können und eine Abweichung von dem Grundsatz rechtfertigen, dass allein die Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise entscheidend ist (vgl. etwa Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 1998, § 8 Rdn 25), denn jedenfalls handelt es sich im vorliegenden Fall nach Auffassung des Senats nicht um einen Namen, der in entscheidungserheblichem Maße als Angabe des Inhalts oder des Themas von Druckereierzeugnissen angesehen wird. Die angegriffenen Waren der Klasse 16 richten sich an breiteste Verkehrskreise, die alle Altersgruppen, Interessengruppen und Bildungsstufen umfassen. Dagegen handelt es sich bei den "Backstreet Boys" um eine zwar recht bekannte Popgruppe, die aber nur ein alters- und interessenmäßig begrenztes - jugendliches - Publikum mit einem bestimmten Musikgeschmack anspricht. Damit ist zu erwarten, dass die angemeldete Bezeichnung lediglich einem verhältnismäßig geringen Teil der angesprochenen Verkehrskreise ein Begriff ist, der für die Verneinung jeglicher Unterscheidungskraft nicht ausreicht, zumal die englische Wortfolge auch den für große Teile des deutschen Verkehrs erkennbare Bedeutung "Hinterhof-Jungen" hat.
5. Eine beschreibende Angabe im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG liegt ebenfalls nicht vor. Abgesehen davon, dass die Wortfolge "Backstreet Boys" einen Begriff beinhaltet, handelt es sich - wie bereits oben ausgeführt - bei der Popgruppe "Backstreet Boys" nicht um den angesprochenen breiten Verkehrskreisen durchwegs bekannte Persönlichkeiten, deren Bekanntheit vergleichbar mit Sängern oder Darstellern wie Luciano Pavarotti, Placido Domingo, den Beatles, Rolling Stones, Frank Sinatra, Michael Jackson oder Britney Spears wäre. Nach Auffassung des Senats bestehen daher keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass die Behandlung des Themas in der fraglichen Form und unter Verwendung der angegriffenen Marke in ihrer eingetragenen Form sich als naheliegend und branchenüblich darstellt.
6. Auch der Eintragungsversagungsrund des § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG, der als Unterfall fehlender Unterscheidungskraft angesehen wird (EuGH GRUR 2001, 1148 - Bravo Ziff. 24, 25, 28 f.), scheidet unter Berücksichtung der Auslegung des Art. 3 Abs. 1 Buchst. d der Ersten Richtlinie des Rates der EG durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften aus. Danach steht Art. 3 Abs. 1 Buchst. d der Ersten Richtlinie des Rates der EG (umgesetzt in § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG) der Eintragung nur entgegen, wenn die Marke aus Zeichen oder Angaben besteht, die zur Bezeichnung der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen üblich geworden sind, wobei dies in Verbindung mit den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen nachweisbar sein müsste. Dies kann aber - wie bereits oben erläutert - vorliegend nicht hinreichend klar belegt werden.
7. Eine Eignung der angegriffenen Marke, das Publikum insbesondere über die Art, die Beschaffenheit oder die geographische Herkunft der Waren zu täuschen (§ 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG) besteht ebenfalls nicht. Im markenrechtlichen Eintragungsverfahren in der Bundesrepublik Deutschland kann die Täuschungseignung nur anhand der Aktenlage unter Zuhilfenahme des Fachwissens und des vorhandenen Prüfungs- und Recherchematerials der Markenstelle, der Markenabteilung bzw. des Senats beurteilt werden (vgl. Althammer/Ströbele, Markengesetz, 6. Aufl., § 8 Rdn. 237; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 1998, § 8 Rdn. 98). Demnach kann eine Eignung zur Täuschung nur dann angenommen werden, wenn im Hinblick auf die konkreten Waren und Dienstleistungen der Anmeldung bzw. Eintragung sowie auf den Anmelder bzw. Markeninhaber keine Benutzungsform denkbar ist, in der das Zeichen ohne Täuschung verwendet werden könnte. Auf die tatsächliche Verwendung der Marke im wirtschaftlichen Verkehr kommt es im markenrechtlichen Eintragungs- (und Löschungs-)Verfahren nicht an (vgl. Althammer/Ströbele, Markengesetz, 6. Aufl., § 8 Rdn. 237; Ingerl/Rohnke, aaO., Rdn 99, 102). Dieses Kriterium der Ersichtlichkeit gilt gemäß § 37 Abs. 3 MarkenG grundsätzlich nur für das Eintragungsverfahren. Jedoch handelt es sich auch beim Löschungsverfahren um ein registerrechtliches Verfahren und eine Löschung setzt voraus, dass das Schutzhindernis nicht nur zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Löschung, sondern auch bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffen Marke vorlag, so dass die Unterscheidung des Prüfungsmaßstabs im Eintragungs- und Löschungsverfahren theoretisch ist (Althammer/Ströbele, Markengesetz, 6. Aufl., § 8 Rdn. 238). Eine Täuschungseignung besteht hier nicht, weil zum einen die angegriffenen Waren sich nach der Registerlage auch auf Produkte beziehen können, die mit den "Backstreet Boys" in irgendeiner Beziehung stehen. Zum anderen ist im Zuge der zunehmenden Vermarktung der Namen bekannter Persönlichkeiten bei der Produktwerbung der Gedanke an tatsächliche Beziehungen zu den beworbenen Waren oder Dienstleistungen eher fern (BPatGE 29, 89 - BORIS). Soweit die tatsächliche Verwendung der Marke in irreführender Weise geschieht, ist der Weg zu den Zivilgerichten gegeben (z.B. §§ 49 Abs. 2 Nr. 2, 55 MarkenG), wo auch außermarkenrechtliche Gesichtpunkte Berücksichtigung finden können.
8. Zu einer Kostenauferlegung nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht keine Veranlassung.
Vors. Richterin Grabrucker kann wegen einer Dienstreise nicht unterschreiben.
Pagenberg Pagenberg Guth Cl
BPatG:
Beschluss v. 14.08.2002
Az: 29 W (pat) 125/01
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