Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 16. Dezember 2014
Aktenzeichen: 4b O 57/13

(LG Düsseldorf: Urteil v. 16.12.2014, Az.: 4b O 57/13)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR - ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten - oder im Falle wiederholter Zuwiderhandlung Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen am Geschäftsführer, zu unterlassen,

Nadelschutzvorrichtungen, umfassend

einen Katheteransatz, einen Nadelansatz mit einer daran fixierten Nadel mit einem spitzen distalen Ende, einen Nadelschutz, der verschiebbar auf der Nadel angebracht ist, wobei der Nadelschutz einen beweglichen Nadelfänger umfasst, der in Richtung auf die Nadel vorgespannt ist, wobei sich der Nadelfänger des Nadelschutzes über das spitze distale Ende der Nadel vorwärts bewegt und dadurch das spitze distale Ende abdeckt, wenn der Nadelschutz nach vorne in die Nähe des spitzen distalen Endes der Nadel gedrückt wird, Begrenzungsmittel zum Begrenzen der Vorwärtsbewegung des Nadelschutzes längs der Nadel, wobei die Nadelschutzanordnung ferner einen Kopplungsmechanismus umfasst, der eine mechanische Trennung der Nadelschutzanordnung vom Katheteransatz verhindert, bis das spitze distale Ende sicher von dem Nadelfänger abgedeckt ist, wobei der Kopplungsmechanismus einen Arm mit einem proximalen Ende und einem distalen Ende umfasst, wobei das proximale Ende des Arms an dem beweglichen Nadelfänger angebracht ist, wobei das distale Ende des Arms einen Vorsprung aufweist, der lösbar mit dem Katheteransatz gehalten wird,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

wobei der Vorsprung des distalen Endes des Arms lösbar in einer Ausnehmung des Katheteransatzes gehalten wird und wobei das Begrenzungsmittel eine Anhängevorrichtung umfasst.

II. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die unter Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 24.05.2013 begangen hat, und zwar unter Angabe

1. der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer, wobei die entsprechenden Einkaufsbelege (Lieferscheine, hilfsweise Rechnungen in Kopie) vorzulegen sind,

2. der einzelnen Lieferungen aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, und -preisen einschließlich der Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer, wobei die entsprechenden Verkaufsbelege (Lieferscheine, hilfsweise Rechnungen in Kopie) vorzulegen sind,

3. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen einschließlich der Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,

4. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

5. den nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei es der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

III. Die Beklagte wird verurteilt, die in der Bundesrepublik Deutschland in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz beziehungsweise Eigentum befindlichen Erzeugnisse gemäß Ziffer I. zu vernichten.

IV. Die Beklagte wird verurteilt, die unter Ziffer I. bezeichneten, seit dem 24.05.2013 im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben, und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird.

V. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die in Ziffer I. bezeichneten und seit dem 24.05.2013 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

VI. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

VII. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000.000,00 EUR.

Tatbestand

Die Klägerin ist eingetragene und alleinverfügungsberechtigte Inhaberin des deutschen Teils des europäischen Patents A(nachfolgend: Klagepatent). Das Klagepatent wurde am 27.02.1997 in englischer Verfahrenssprache unter Innanspruchnahme von drei US-Prioritäten vom 27.02., 12.09. sowie 19.11.1996 angemeldet. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 24.04.2013 veröffentlicht. Das Klagepatent steht in Kraft. Die Beklagte hat gegen die Erteilung des Klagepatents Einspruch beim Europäischen Patentamt eingelegt, den die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts am 21.11.2014 abgewiesen und das Klagepatent in der erteilten Fassung aufrechterhalten hat.

Das Klagepatent betrifft einen Nadelspitzenschutz für Subkutaninjektionen. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch 1 des Klagepatents lautet in der deutschen Übersetzung:

Nadelschutzanordnung, umfassend:

a) einen Katheteransatz (13);

b) einen Nadelansatz (9, 12, 112) mit einer daran fixierten Nadel (10) mit einem spitzen distalen Ende (11);

c) einen Nadelschutz (22, 22a, 220), der verschiebbar auf der Nadel (10) angebracht ist;

d) wobei der Nadelschutz (22, 22a, 220) einen beweglichen Nadelfänger (41) umfasst, der in Richtung auf die Nadel (10) vorgespannt ist;

e) wobei sich der Nadelfänger (41) des Nadelschutzes (22, 22a, 220) über das spitze distale Ende (11) der Nadel (10) vorwärts bewegt und dadurch das spitze distale Ende (11) abdeckt, wenn der Nadelschutz (22, 22a, 220) nach vorne in die Nähe des spitzen distalen Endes (11) der Nadel (10) gedrückt wird;

f) Begrenzungsmittel zum Begrenzen der Vorwärtsbewegung des Nadelschutzes (22, 22a, 220) längs der Nadel (10);

g) wobei die Nadelschutzanordnung ferner einen Kopplungsmechanismus umfasst, der eine mechanische Trennung der Nadelschutzanordnung vom Katheteransatz (13) verhindert, bis das spitze distale Ende (11) sicher von dem Nadelfänger (41) abgedeckt ist,

wobei der Kopplungsmechanismus einen Arm (45) mit einem proximalen Ende und einem distalen Ende umfasst, wobei das proximale Ende des Arms an dem beweglichen Nadelfänger (41) angebracht ist,

wobei das distale Ende des Arms (45) einen Vorsprung (42) aufweist, der lösbar mit dem Katheteransatz (13) gehalten wird,

dadurch gekennzeichnet, dass der Vorsprung (42) des distalen Endes des Arms (45) lösbar in einer Ausnehmung (32) des Katheteransatzes (13) gehalten wird;

h) und wobei das Begrenzungsmittel eine Anhängevorrichtung (24) umfasst.

Die nachfolgenden zeichnerischen Darstellungen von Nadelschutzvorrichtungen sind der Klagepatentschrift entnommen und zeigen eine bevorzugte Ausführungsform der Erfindung im seitlichen Querschnitt. Dabei gibt die Figur 103 eine Situation wieder, in der die Nadel (10) vollständig durch den Katheter (29) durchgeführt ist. In der Figur 104 ist sie aus dem Katheter (29) herausgezogen, die Nadelschutzanordnung (22a) aber noch mit dem Katheteransatz (13) verbunden. In der Figur 105 ist schließlich die Nadelschutzanordnung (22a) vom Katheter (29) getrennt und die distale Spitze der Nadel (11) durch die Nadelschutzanordnung (22a) abgedeckt.

Die Beklagte bietet an und vertreibt im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Sicherheits-Intravenös(IV)-Katheter mit der Bezeichnung "B" in den Kathetergrößen 14G bis 22G (nachfolgend: angegriffene Ausführungsformen), wie sie im Produktkatalog der Beklagten, der als Anlage K 3 vorliegt, wiedergegeben sind. Die verschiedenen Größen der angegriffenen Ausführungsform sind im Hinblick auf die in Rede stehende Patentverletzung technisch identisch ausgestaltet und unterscheiden sich lediglich in der Artikelgröße, angegeben durch Durchmesser und Länge des jeweiligen Katheters. Die technische Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform einschließlich einzelner Details lässt sich den als Anlagen K 4, K 5 und K 9 vorgelegten Abbildungen und Zeichnungen entnehmen, auf die Bezug genommen wird. Zudem befinden sich Muster der angegriffenen Ausführungsform (Anlage K 4c) und des Clips (Anlage K 9) der angegriffenen Ausführungsform bei der Akte.

Die nachstehenden Abbildungen stammen mit Ausnahme der technischen Zeichnung von der Klägerin und geben die angegriffene Ausführungsform wieder. Die technische Zeichnung ist dem Patent EP C der Beklagten entnommen. Die Konstruktion der angegriffenen Ausführungsform entspricht im Wesentlichen dieser Zeichnung.

Die Klägerin ist der Auffassung, durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform verletze die Beklagte das Klagepatent. Unter dem Nadelfänger verstehe der Fachmann das bewegliche Element des Nadelschutzes, das der Abdeckung des spitzen distalen Endes der Nadel diene. Dieses umfasse zumindest ein Element zur Blockierung der Nadelspitze ("Abschirmelement") und das Element, an dem dieses Abschirmelement montiert sei ("Finger"). Dieser Nadelfänger müsse einer Spannung ausgesetzt sein, die in Richtung auf die Nadel zeige, er müsse aber nicht die Nadel berühren. Soweit der Nadelfänger über die distale Spitze der Nadel hinaus vorwärts bewegt werden solle, genüge dafür jede Relativbewegung. Ob dann der Schutzmechanismus durch die Nadel ausgelöst werde, sei unerheblich. Dies alles sei bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall. Zudem sei der Kopplungsmechnismus mit seinem proximalen Ende am Nadelfänger angebracht, da zum Nadelfänger auch der bewegliche Arm des Clips des Nadelschutzes gehöre. Schließlich weise der Katheteransatz der angegriffenen Ausführungsform eine Ausnehmung auf, in die der Vorsprung des distalen Endes des Arms eingreife.

Nach Rücknahme eines ursprünglich gestellten Antrags auf Entfernung aus den Vertriebswegen beantragt die Klägerin nun noch

- wie erkannt-

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem das Klagepatent EP AB1 betreffenden Einspruchsverfahren auszusetzen.

Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag entgegen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch. Der Nadelfänger (296) der angegriffenen Ausführungsform sei nicht in Richtung auf die Nadel vorgespannt (Bezugsziffern beziehen sich auf die aus dem Patent EP C der Beklagten stammenden Zeichnungen), da er sie nicht berühre. Er bewege sich auch nicht über das spitze distale Ende der Nadel vorwärts, wenn der Nadelschutz (1212) nach vorn in die Nähe des spitzen distalen Endes der Nadel gedrückt werde. Das Abschirmelement bewege sich vielmehr bei Auslösung des Schutzmechanismus seitlich zur Nadel. Zudem werde der Schutzmechanismus der angegriffenen Ausführungsform durch die Nadel ausgelöst, sobald diese mit ihrer Spitze über das Element (291) des Nadelschutzes (1212) bewegt werde. Denn zum Nadelfänger gehörten nur solche Teile des Nadelschutzes, die sich über die Nadelspitze hinweg bewegten. Der Finger des Nadelschutzes gehöre nicht zum Nadelfänger. Daher sei auch das proximale Ende des Arms (152) des Kopplungsmechanismus am Nadelschutz (1212) und nicht am Nadelfänger (296) angebracht. Zudem werde der Vorsprung des distalen Endes des Arms nicht in einer Ausnehmung des Katheteransatzes gehalten. Gehe man mit der Klägerin davon aus, dass ein Vorsprung, ein Flansch oder ein Luer-Lock-Anschluss keine Ausnehmung sei, fehle es an einer solchen auch bei der angegriffenen Ausführungsform. Abgesehen davon werde sich das Klagepatent im Einspruchsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen, so dass die Verhandlung auszusetzen sei.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll vom 17.07.2014 verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung der Erzeugnisse, Rückruf aus den Vertriebswegen sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1 und 3, 140b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB.

I.

Das Klagepatent betrifft Schutzvorrichtungen für Nadelspitzen von Subkutannadeln. Das Klagepatent erläutert einleitend, dass Subkutannadeln in der Medizin zur Injektion von Medikamenten oder Verdünnungsmitteln verwendet würden oder um einen IV-Zugang in einen Patienten zu legen oder Blut, Körperflüssigkeit oder Proben zu entnehmen (Abs. [0011]; Textstellen ohne Bezugsangabe stammen aus der Übersetzung der Klagepatentschrift, Anlage K 1a). Dabei stelle sich im Rahmen des Einsetzvorgangs das Problem, dass sich der Benutzer nach Zurückziehen der Nadel aus dem Patienten an der freiliegenden Nadelspitze stechen und infizieren könne. Ebenso könne der Benutzer in den Kontakt mit toxischen Substanzen kommen. Unabhängig davon, ob sie im medizinischen oder industriellen Bereich eingesetzt werden, stellten exponierte Subkutannadeln eine Gefahr dar, dass sich der Benutzer verletze (Abs. [0012]). Die Klagepatentschrift führt aus, dass diese Gefahr einen Bedarf für eine kostengünstige Schutzvorrichtung der Nadelspitze ausgelöst habe, die zufällige Nadelstiche verhindere.

Im Stand der Technik seien verschiedene Schutzvorrichtungen für Subkutannadeln bekannt (Abs. [0014]). Diese seien jedoch mit verschiedenen Nachteilen behaftet (Abs. [0016] bis [0017]). Bei einer Vielzahl der auf dem Markt vorhandenen Sicherheits-Subkutanvorrichtungen bestehe das Problem, dass sie von Hand betätigt werden müssten. Der Benutzer müsse einen zusätzlichen Arbeitsschritt ausführen, damit der Sicherheitsmechanismus überhaupt zur Wirkung komme. Zwar seien auch Vorrichtungen verfügbar, bei denen die Nadeln in die Spritze zurückgezogen würden. Hier seien die Herstellungskosten jedoch so hoch, dass die Produkte kaum erschwinglich seien.

Vor diesem Hintergrund besteht die Aufgabe (das technische Problem) unter anderem darin, eine kostengünstige Sicherheits-Subkutanvorrichtung mit universeller Verwendbarkeit bereit zu stellen (Abs. [0017]), die automatisch einen zufälligen und unbeabsichtigten Kontakt mit der benutzten Nadelspitze durch Abdeckung verhindert, sicher vor Fehlbedienung und für den einmaligen Gebrauch bestimmt ist sowie eine Trennung des Katheters von der den Katheter tragenden Vorrichtung vermeidet, bis die Nadelspitze sicher abgedeckt ist (Abs. [0022], [0023], [0027], [0034]).

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent in seinem Anspruch 1 eine Nadelschutzvorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

1. Nadelschutzanordnung, umfassend:

1.1 einen Katheteransatz (13);

1.2 einen Nadelansatz (9, 12, 112) mit einer daran fixierten Nadel (10) mit einem spitzen distalen Ende (11);

1.3 einen Nadelschutz (22, 22a, 220), der verschiebbar auf der Nadel (10) angebracht ist;

1.4 Begrenzungsmittel.

2. An dem Nadelansatz (9, 12, 112) ist eine Nadel (10) fixiert mit einem spitzen distalen Ende (11).

3. Der Nadelschutz (22, 22a, 220)

3.1 ist auf der Nadel (10) verschiebbar angebracht und

3.2 umfasst einen beweglichen Nadelfänger (41).

4. Der Nadelfänger (41)

4.1 ist in Richtung auf die Nadel (10) vorgespannt,

4.2 bewegt sich über das spitze distale Ende (11) der Nadel (10) vorwärts und

4.3 deckt dadurch das spitze distale Ende (11) ab, wenn der Nadelschutz (22, 22a, 220) nach vorne in die Nähe des spitzen distalen Endes (11) der Nadel (10) gedrückt wird.

5. Das Begrenzungsmittel

5.1 dient dem Begrenzen der Vorwärtsbewegung des Nadelschutzes (22, 22a, 220) längs der Nadel (10) und

5.2 umfasst eine Anhängevorrichtung (24).

6. Die Nadelschutzanordnung umfasst ferner einen Kopplungsmechanismus.

6.1 Der Kopplungsmechanismus verhindert eine mechanische Trennung der Nadelschutzanordnung vom Katheteransatz (13), bis das spitze distale Ende (11) sicher von dem Nadelfänger (41) abgedeckt ist.

6.2 Dabei umfasst der Kopplungsmechanismus einen Arm (45) mit einem proximalen Ende und einem distalen Ende.

6.2.1 Das proximale Ende des Arms ist an dem beweglichen Nadelfänger (41) angebracht.

6.2.2 Das distale Ende des Arms (45) weist einen Vorsprung (42) auf, der lösbar mit dem Katheteransatz (13) gehalten wird.

6.2.3 Der Vorsprung (42) des distalen Endes des Arms (45) wird lösbar in einer Ausnehmung (32) des Katheteransatzes (13) gehalten.

II.

Durch eine Nadelschutzanordnung im Sinne des Klagepatents ist es möglich, die Nadelspitze automatisch abzudecken, wenn die Nadel aus dem Katheter gezogen wird, und sicherzustellen, dass der Katheteransatz erst dann von der Nadelschutzanordnung getrennt wird, wenn das spitze distale Ende der Nadel tatsächlich abgedeckt ist. Dies erfolgt im Wesentlichen durch die konstruktive Gestaltung der Nadelschutzanordnung mit dem Nadelfänger und dem Kopplungsmechanismus.

1.

Gemäß Merkmal 3.1 ist der Nadelschutz auf der Nadel verschiebbar. Dadurch ist es möglich, die Nadel aus dem Katheteransatz zu ziehen und zugleich den Nadelschutz in Richtung auf das spitze distale Ende der Nadel zu schieben. Ob insofern der Nadelschutz auf der Nadel verschoben wird oder der Nadelschutz am Katheteransatz gehalten und die Nadel aus dem Nadelschutz gezogen wird, ist unbeachtlich. Entscheidend ist eine Beweglichkeit von Nadel und Nadelschutz zueinander in axialer Richtung der Nadel. Das Begrenzungsmittel sorgt letztlich dafür, dass der Nadelschutz nicht von der Nadel abgezogen werden kann (Merkmal 5), sondern nach seiner Aktivierung das spitze distale Ende der Nadel weiterhin bedeckt.

2.

Zur Abdeckung der Nadelspitze weist der Nadelschutz gemäß Merkmal 3.2 einen beweglichen Nadelfänger auf. Der Nadelfänger kann gemäß Merkmal 4.2 über das spitze distale Ende der Nadel vorwärts geschoben werden und deckt gemäß Merkmal 4.3 das spitze distale Ende ab, wenn der Nadelschutz in die Nähe des spitzen distalen Endes der Nadel gedrückt wird. Bereits daraus ergibt sich, dass sich der Nadelfänger zunächst radial neben der Nadel befindet. Erst wenn der Nadelfänger die Nadelspitze abdeckt, befindet er sich axial vor der Nadel. Die Abdeckung der Nadelspitze erfolgt, wenn der Nadelfänger mit dem Nadelschutz auf der Nadel verschoben und über die Nadelspitze hinaus bewegt wurde. Damit der Nadelfänger von einer Position radial neben der Nadel in eine Position axial vor der Nadel bewegt werden kann, ist er gemäß Merkmal 3.2 beweglich und gemäß Merkmal 4.1 in Richtung auf die Nadel vorgespannt. Wird der Nadelfänger über das spitze distale Ende der Nadel hinaus vorwärts geschoben, entlädt sich die Vorspannung und der Nadelfänger wird aus der Position radial neben der Nadel in die Position axial vor der Nadelspitze gedrückt, so dass er die Spitze der Nadel abdeckt. Bei dieser Bewegung handelt es sich zwangsläufig um eine radiale Bewegung. Die im Merkmal 4.2 beschriebene Vorwärtsbewegung beschreibt vor diesem Hintergrund eine Bewegung in axialer Richtung der Nadel. Indem sie über die Nadelspitze hinausgeht, ist sichergestellt, dass der Nadelfänger vor der Nadelspitze positioniert wird, wenn er in die Abdeckposition gedrückt wird.

Konstruktiv umfasst der Nadelfänger jedenfalls ein Abschirm- oder Abdeckelement, mit dem die Spitze der Nadel abgedeckt wird. Auf dieses Bauteil ist der Nadelfänger jedoch nicht beschränkt. Bereits der Wortlaut des Klagepatentanspruchs mit dem Begriff "beweglicher Nadelfänger" in Merkmal 3.2 weist darauf hin, dass auch weitere Bauteile des Nadelschutzes, die an der radialen Bewegung des Abschirmelements teilnehmen wie etwa Vorspannelemente oder ähnliches, konstruktiv zum Nadelfänger gehören. Dies ergibt sich auch aus der Beschreibung des Klagepatents. So umfasst der Nadelfänger (41) in der Figur 103 des Klagepatents einen Einführabschnitt (33), um dort das elastische Teil zu positionieren (Abs. [0183]). Es handelt sich dabei genau um den beweglichen Teil des Nadelschutzes, der zur Aktivierung des Nadelschutzes führt, mithin das Abschirmelement vor die Nadelspitze bewegt. Gleiches ergibt sich aus den Figuren 116 und 118, die einen Nadelfänger (41) mit einem Vorsprung (83) zum Anbringen des Nadelfängers im Nadelschutz, eine Einführseite 33 zum Positionieren eines elastischen Teils, eine Kerbe 61 zum Behalten der Ausdehnungskraft des elastischen Teils am Fänger 41 und eine Vielzahl von Seiten oder Leisten 46 zum Umfassen der Nadelspitze zeigen (Abs. [0204] bis [0206]). Auch wenn dort von einem separaten Nadelfänger die Rede ist (Abs. [0206]), schließt die Darstellung des Ausführungsbeispiels nicht aus, dass dieser identisch ist mit dem beweglichen Nadelfänger, wofür schon die Verwendung desselben Bezugszeichens (41) spricht. Aus der Anordnung, dass sich der Nadelfänger über das spitze distale Ende Nadel vorwärts bewegen lässt, lässt sich ebenfalls nicht ableiten, dass zum Nadelfänger nur solche Teile des Nadelschutzes gehörten, die sich tatsächlich über die Nadelspitze hinweg bewegten. Denn mit dem Wortlaut ist es ohne weiteres vereinbar, wenn sich nur ein Abschnitt des Nadelfängers über das Ende der Nadel hinweg bewegt. Aus diesem Grund kann auch aus dem Unteranspruch 4 und den weiteren von der Beklagten zitierten Textstellen (Abs. [0040], [0183] und [0195]) für ein engeres Verständnis des Begriffs des Nadelfängers nichts hergeleitet werden. Auch die Anordnung des Klagepatentanspruchs, den Arm des Kopplungsmechanismus mit seinem proximalen Ende am Nadelfänger anzubringen (Merkmal 6.2.1), lässt nicht erkennen, warum dadurch der Nadelfänger auf das vertikale Abdeckelement des Nadelschutzes beschränkt sein sollte. Weder nach dem Wortlaut, noch nach der Beschreibung des Klagepatents oder der Funktion des Kopplungsmechanismus ist dies erforderlich.

Ebenso wenig ergibt sich daraus, dass der Nadelfänger oder auch nur das Abdeckelement vor, während oder nach dem Auslösen des Schutzmechanismus die Nadel unmittelbar berühren müsste. Wie der Fachmann die Vorspannung des Nadelfängers in Richtung auf die Nadel konstruktiv umsetzt, ist ihm überlassen. Der Klagepatentanspruch gibt nicht vor, dass der Nadelfänger dafür die Nadel berühren müsste. Etwas anderes folgt auch nicht aus der für die Auslegung des Klagepatentanspruchs maßgeblichen englischen Fassung des Klagepatents. Die Wendung "being biased toward the needle" lässt nicht erkennen, dass der Nadelfänger zwingend die Nadel berühren muss. Auch die Bewegung des Nadelfängers über das spitze distale Ende der Nadel vorwärts (Merkmal 4.2) erfordert keine Berührung von Nadelfänger und Nadel, da mit diesem Merkmal lediglich die Bewegung des Nadelfängers in axialer Richtung der Nadel über die Nadelspitze hinaus beschrieben wird (s.o.). Dass in den Ausführungsbeispielen Ausführungsformen gezeigt werden, bei denen der Nadelfänger die Nadel berührt, vermag eine einschränkende Auslegung des weiter gefassten Klagepatentanspruchs nicht zu begründen.

3.

Die Funktion des Kopplungsmechanismus besteht gemäß Merkmal 6.1 darin zu verhindern, dass der Nadelschutz vom Katheteransatz getrennt werden kann, bevor das spitze distale Ende der Nadel sicher vom Nadelfänger abgedeckt ist. Zu diesem Zweck umfasst der Kopplungsmechanismus gemäß Merkmal 6.2 einen Arm, der mit seinem proximalen Ende am Nadelfänger angebracht ist (Merkmal 6.2.1) und dessen distales Ende einen Vorsprung aufweist (Merkmal 6.2.2), der lösbar in einer Ausnehmung des Katheteransatzes gehalten wird (Merkmal 6.2.3). Die Funktionsweise des Kopplungsmechanismus sieht so aus, dass der Katheteransatz über seine Ausnehmung und den Vorsprung des Kopplungsmechanismus am Nadelfänger gehalten wird. Ist also der Katheter mit dem Katheteransatz in die gewünschte Position gebracht und soll die Nadel aus dem Katheter gezogen werden, bleiben der Nadelschutz und der Katheteransatz zunächst verbunden. Mit dem Herausziehen der Nadel wird der Nadelschutz nach vorne auf das distale Ende der Nadel hin verschoben. Erreicht der Nadelfänger die Position jenseits der Nadelspitze, in der sich die Vorspannung entlädt, bewegt sich der Nadelfänger in radialer Richtung über das spitze distale Ende der Nadel und deckt sie ab. Mit dieser Bewegung des Nadelfängers wird auch der mit seinem proximalen Ende am Nadelfänger angebrachte Arm des Kopplungsmechanismus bewegt. Durch diese Bewegung des Arms tritt der am distalen Ende des Arms befindliche Vorsprung des Kopplungsmechanismus aus der Ausnehmung des Katheteransatzes heraus und der Nadelschutz wird vom Katheteransatz gelöst. Der Nadelansatz mit dem Nadelschutz kann nun vom Katheter mit dem Katheteransatz entfernt werden.

Soweit die Beklagte meint, ein Vorsprung, ein Flansch oder ein Luer-Lock-Anschluss könnten keine Ausnehmung im Sinne des Klagepatentanspruchs darstellen, begegnet dies Zweifeln. Letztlich kann aber - bereits mit Blick auf die angegriffene Ausführungsform - dahinstehen, welche räumlichkörperliche Gestalt eine patentgemäße Ausnehmung im Einzelnen haben muss. Eine Vertiefung, wie sie sich typischerweise bei der Wegnahme von Material aus einer Werkstückoberfläche ergibt, mit Seitenwänden, von denen der Vorsprung des Kopplungsmechanismus, wenn er in der Vertiefung zur Aufnahme gelangt, jedenfalls eine hintergreift, so dass der Katheteransatz nicht in axialer Richtung der Nadel abgezogen werden kann, kann in jedem Fall als Ausnehmung im Sinne des Klagepatentanspruchs angesehen werden. Es ist entgegen der Auffassung der Beklagten jedoch nicht erforderlich, dass die Ausnehmung so gestaltet ist, dass sie den Vorsprung des Kopplungsmechnismus beidseitig umschließt. Auch wenn die für die Auslegung maßgebliche englische Fassung des Klagepatentanspruchs die Wendung "retained within a recess" verwendet, kann daraus nicht abgeleitet werden, dass der Vorsprung des Kopplungsmechanismus an den Seitenwänden der Ausnehmung zur Anlage gelangen muss. In Abhängigkeit von der geometrischen Beschaffenheit der Oberfläche, in die die Ausnehmung eingebracht ist, wird eine Ausnehmung regelmäßig zwei oder mehr Seitenwände haben. Innerhalb einer so gestalteten Ausnehmung kann der Vorsprung des Kopplungsmechanismus lösbar gehalten werden. Funktional ist insofern nur erforderlich, dass der Nadelschutz nicht axial vom Katheteransatz getrennt werden kann. Dafür muss der Vorsprung nicht an sämtlichen Seitenwänden der Ausnehmung zur Anlage gelangen. Es genügt, wenn er die dem Nadelschutz zugewandte Seitenwand hintergreift. Soweit sich die Beklagte im Übrigen zur Begründung ihrer Auffassung auf die Ausführungsbeispiele des Klagepatents stützt, vermögen diese eine einschränkende Auslegung des Klagepatentanspruchs ohnehin nicht zu begründen.

Dieses Verständnis steht nicht im Widerspruch zur Auslegung der Einspruchsabteilung des EPA in der Einspruchsentscheidung vom 21.11.2014. Soweit die Einspruchsabteilung zur Begründung ihrer Entscheidung ausführt, dass eine Ausnehmung im Sinne des Klagepatents einen umschlossenen Raum umfassen müsse, innerhalb dessen, das heißt in seiner Umgrenzung, der Vorsprung gehalten werde, schließt dies nicht aus, dass die Ausnehmung durch eine Vertiefung gebildet wird, die lediglich in axialer Richtung durch eine vordere und hintere Seitenwand begrenzt ist. Dass der Vorsprung des Kopplungsmechanismus unmittelbar an den in axialer Richtung vorderen und hinteren Wandungen der Ausnehmung anliegen muss, ist auch nach der Auslegung der Einspruchsabteilung nicht erforderlich. Ebenso wenig ist es notwendig, dass eine Ausnehmung in Umfangsrichtung seitlich begrenzt ist. Dies behauptet auch die Beklagte nicht. Sollte hingegen die Einspruchsabteilung von einem engeren Verständnis ausgegangen sein, vermag sich die Kammer dem nicht anzuschließen: Weder der Begriff der Ausnehmung noch ihre Haltefunktion lassen eine so enge Auslegung zu. Funktional ist lediglich erforderlich, dass der Vorsprung, wenn er in der Vertiefung zur Aufnahme gelangt, die Seitenwand hintergreift und der Katheteransatz nicht in axialer Richtung der Nadel abgezogen werden kann.

III.

Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht sämtliche Merkmale des Klagepatentanspruchs. Dies ist zwischen den Parteien mit Ausnahme der Merkmale 4.1, 4.2, 6.2.1 und 6.2.3 zu Recht unstreitig. Aber auch die weiteren Merkmale weist die angegriffene Ausführungsform auf.

Bei der angegriffenen Ausführungsform besteht der Nadelfänger zumindest aus dem Fingerelement (291) und dem Abschirmelement (296) des nachstehend wiedergegebenen Federclips (1212) der angegriffenen Ausführungsform (die Bezugsziffern beziehen sich auf die nachstehende Abbildung des Federclips aus dem Patent EP C der Beklagten).

Dieser Nadelfänger ist im Sinne des Merkmals 4.1 in Richtung auf die Nadel vorgespannt, wie die beiden nachstehenden Abbildungen zeigen. Die erste Abbildung gibt den Federclip im gespannten Zustand wieder, die zweite Abbildung nach Entladung der Vorspannung. Aus den Abbildungen ist ersichtlich, dass das Fingerelement an der Bewegung teilnimmt und damit zu Recht als Bestandteil des Nadelfängers anzusehen ist. Dass der Nadelfänger die Nadel nicht unmittelbar berührt, ist nach zutreffender Auslegung unbeachtlich.

In jedem Fall kann der Nadelfänger gemäß Merkmal 4.2 über das spitze distale Ende der Nadel vorwärts bewegt werden. Wird die Nadel soweit aus dem Nadelansatz gezogen, mithin der Nadelschutz soweit nach vorne in die Nähe der Nadelspitze gedrückt, dass der Federclip freigegeben wird, deckt der Nadelfänger mit dem Abschirmelement (296) gemäß Merkmal 4.3 das spitze distale Ende der Nadel ab.

Die angegriffene Ausführungsform umfasst auch einen Kopplungsmechanismus im Sinne von Merkmal 6.2. Es handelt sich um den am Ende des Fingerelements (291) angeformten Arm (152). Dieser ist mit seinem proximalen Ende am Nadelfänger angebracht (Merkmal 6.2.1). Das distale Ende dieses Arms (152) weist einen Vorsprung auf, der in dem Patent EP C der Beklagten mit der Bezugsziffer (153) versehen ist. Der Vorsprung (153) wird zudem lösbar mit dem Katheteransatz in einer Ausnehmung des Katheteransatzes gehalten (Merkmale 6.2.2 und 6.2.3). Die Funktionsweise des Kopplungsmechanismus ist in den Figuren des Patents EP Cder Beklagten wiedergegeben (s.o.), wobei die räumlichkörperliche Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform in dieser Hinsicht im Detail weniger aus der Zeichnung des Patents EP C der Beklagten erkennbar ist als aus der nachstehenden Abbildung, die von der Beklagten stammt und auch von ihr beschriftet wurde.

Nach zutreffender Auslegung ist die Stelle, in die der Vorsprung (153) am Katheteransatz eintaucht, als Ausnehmung zu qualifizieren. Denn insgesamt hat der Katheteransatz in diesem Bereich eine zylindrische Form und die Stelle, in die der Vorsprung (153) eintaucht, nimmt sich als Vertiefung infolge einer Wegnahme von Material aus, die an einem Teil des Umfangs der zylindrischen Form eingebracht ist. Die Vertiefung hat insofern an den beiden Seiten in axialer Richtung Seitenwände, während sie in Umfangsrichtung in den Zylindermantel übergeht. Der Vorsprung (153) hintergreift die in Richtung Nadelansatz weisende Seitenwand und wird so lösbar mit dem Katheteransatz gehalten. Dass die gegenüberliegende Seitenwand angeschrägt ist und nicht unmittelbar am Vorsprung (153) anliegt, dieser also nicht im engeren Sinne umschlossen ist, ist unbeachtlich. Weder der Begriff der Ausnehmung, noch die Funktion, den Vorsprung lösbar zu halten, erfordern eine solche räumlichkörperliche Gestalt der Ausnehmung. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung der Einspruchsabteilung: Soweit darin ausgeführt wird, dass eine abgeschrägte Seitenwand nicht geeignet sei, die Bewegung des Vorsprungs zu beschränken, ist damit die Haltefunktion der Ausnehmung angesprochen, die lediglich dafür sorgen muss, dass der Katheteransatz nicht in axialer Richtung der Nadel abgezogen werden kann. Eine entsprechende Seitenwand auf der gegenüberliegenden Seite der Ausnehmung ist insofern nicht erforderlich.

IV.

Die Beklagte ist der Klägerin gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet, da sie durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform von der Lehre des Klagepatents Gebrauch macht, ohne dazu berechtigt zu sein.

Weiterhin hat die Klägerin gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 und 2 PatG, weil die Beklagte die Patentverletzung schuldhaft beging. Als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin als Inhaberin des Klagepatents durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist. Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.

Weiterhin hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Vernichtung der angegriffenen Ausführungsform aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 1 PatG. Die für den Vernichtungsanspruch erforderlichen Voraussetzungen des § 139 Abs. 1 PatG liegen vor. Darüber hinaus hat die Beklagte nicht in Abrede gestellt, zumindest im Besitz der beanstandeten Erzeugnisse zu sein. Dies liegt bereits deswegen nahe, da die Beklagte die angegriffenen IV-Katheter selbst vertreibt.

Schließlich hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückruf der angegriffenen IV-Katheter aus den Vertriebswegen gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 3 PatG, da die Beklagte mit der angegriffenen Ausführungsform dieses Typs die klagepatentgemäße Erfindung im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG benutzt, ohne dazu berechtigt zu sein.

V.

Für eine Aussetzung der Verhandlung gemäß § 148 ZPO besteht kein Anlass, nachdem das Europäische Patentamt mit der nach Schluss der mündlichen Verhandlung ergangenen Entscheidung das Klagepatent uneingeschränkt aufrechterhalten hat.

Dies gilt auch im Hinblick auf die D2. Soweit es im vorliegenden Fall auf das Merkmal der Ausnehmung im Sinne des Klagepatents ankommt, geht das Verständnis der Kammer nicht über die Auslegung der Einspruchsabteilung des EPA hinaus. Eine Aussetzung der Verhandlung ist vor dem Hintergrund nicht veranlasst.

VII.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.

Streitwert: 1.500.000,00 EUR






LG Düsseldorf:
Urteil v. 16.12.2014
Az: 4b O 57/13


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/2735a9d8b7e0/LG-Duesseldorf_Urteil_vom_16-Dezember-2014_Az_4b-O-57-13




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