Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Juni 2000
Aktenzeichen: 28 W (pat) 87/99

(BPatG: Beschluss v. 28.06.2000, Az.: 28 W (pat) 87/99)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 29 vom 28. August 1997 und vom 13. April 1999 aufgehoben, soweit der Widerspruch auch wegen der Waren: "Sahneerzeugnisse; Butter und Fettkonzentrate, kochfertige Suppen, Suppenextrakte; Suppenaromen und Suppenwürzen, Mayonnaisen; Saucen, auch in Form von Dressings, Saucenpulver (als Nahrungsmittel); Backwaren, Konditorwaren,"

zurückgewiesen wurde.

Insoweit wird wegen des Widerspruchs aus der Marke 394 10 303 die Löschung der angegriffenen Marke 395 36 971 angeordnet.

Gründe

I.

Gegen die seit dem 17. April 1996 für zahlreiche Waren der Klassen 29, 30, 32, 33, 1, 3 und 5, u. a. für

"Molkereiprodukte als Nahrungsmittel für den Endverbraucher sowie für gewerbliche Zwecke zur Nahrungsmittelproduktion, insbesondere Milch und Milchpulver; Milchmischgetränke mit überwiegendem Milchanteil; Joghurt-, Quark-, Sahne- und Buttermilcherzeugnisse; Butter und Fettkonzentrate; Eiweißkonzentrate; Desserts aus Joghurt, Quark und/oder Sahne; kochfertige Suppen, Suppenextrakte; Suppenaromen und Suppenwürzen, Mayonnaisen; Saucen, auch in Form von Dressings, Saucenpulver (als Nahrungsmittel); Nudel- und Teigwaren; Backwaren, Konditorwaren, Speiseeis; Süßspeisen, Bonbons;"

eingetragene Marke 395 36 971 Wortessaist Widerspruch erhoben aus der Marke 394 10 303 siehe Abb. 1 am Endeeingetragen seit dem 17. August 1995 für die Waren

"Milchprodukte, nämlich Sahne und Sauerrahm; Speiseöle und Speisefette, insbesondere Margarine, Schmelzmargarine, Siedefette und Mayonnaise, Ketchup, Soßen, Salatsoßen, Curry, zubereiteter Meerrettich, Senf, Essig, Würzmittel, Fleisch-, Fisch-, Geflügel-, Kartoffel- und Gemüsekonserven, Suppenkonserven (ausgenommen Kaltschalen) Suppenpräparate, nämlich Suppenextrakte, Fertiggerichte, in der Hauptsache bestehend aus Fleisch, Fisch, Geflügel, Gemüse, Kartoffeln, Nudeln und/oder Reis; Fertigmassen zur Herstellung von Florentiner-Gebäck, Kokosmassen zur Herstellung von Kokosmakronen, Fertigmischungen für Herstellungen von Brandteigen, Mohnmassen zum Füllen und Belegen von feinen Backwaren, Sahnefonds zur Verzierung und Füllung von Torten und Schnitten, Fruchtfüllungen für Kuchen, Torten und Stückgebäck, Feinbackmittel zur Herstellung von Brandmassen-Gebäcken, Quarkteigen, Biskuitmassen, Wiener-Massen und Sand-Massen, Aromen für Backzwecke, Backessenzen, Gelees zum Aufgießen und Abgelieren von Obsttorten und Obstkuchen, Cremes zum Füllen von Schnitten, Torten und Kuchen; Frischfleisch, Fischwaren, Schinken und Wurstwaren, Käse, Kartoffelzubereitungen, nämlich Kartoffelklöße, Kartoffelpüree, Kartoffelkroketten und Pommes frites; Fertigmassen zur Herstellung pikanter Backwaren, nämlich Massen zur Herstellung von pikantem Quarkteig, Massen zur Herstellung von Zwiebelkuchen, Snack-Gebäck und Pizzen, pulverisierte Mischung zur Herstellung von Eierguß für pikante Kuchen, Käsecreme zur Füllung von Snacks; rote Grütze."

Die Markenstelle hat den Widerspruch zurückgewiesen, da auch bei teilweiser Identität der Waren wegen geringer Gemeinsamkeiten der Marken eine Verwechslungsgefahr nicht zu befürchten sei.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie hat den Widerspruch auf die im Tenor genannten Waren beschränkt und führt aus, daß angesichts der Warenidentität die jüngere Marke den erforderlichen Abstand, insbesondere in klanglicher Hinsicht, nicht mehr einhalte.

Die Widersprechende beantragt, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und dem Widerspruch im beantragten Umfang stattzugeben.

Seitens der Markeninhaberin lag weder Antrag noch Stellungnahme vor. Sie ist ihrer Ankündigung folgend auch im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig und hat im beantragten Umfang Erfolg. Nach Ansicht des Senats besteht bezüglich der im Tenor genannten Waren Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zwischen den einander gegenüberstehenden Kennzeichnungen. Dem liegt die Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zugrunde, insbesondere die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, wie der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (BGH BlPMZ 1999, 226 "LION DRIVER").

Da Benutzungsfragen vorliegend nicht aufgeworfen werden, ist hinsichtlich der Warensituation von der Registerlage auszugehen. Nachdem die Widersprechende ihren Widerspruch auf einzelne Waren der Klasse 29 und 30 beschränkt hat, liegen die noch streitigen Waren überwiegend im Identitätsbereich. Was die von der Markeninhaberin beanspruchten Backwaren und Konditorwaren betrifft, ist zumindest von einer deutlichen Warennähe zu den Fertigmassen bzw -mischungen zur Herstellung von Gebäck bzw Teigen der Widersprechenden auszugehen (vgl Richter/Stoppel 11. Aufl, S 73, re Sp, Backwaren/Backmischungen). Vor diesem Hintergrund sind an den von der jüngeren Marke zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr einzuhaltenden Abstand erhöhte Anforderungen zu stellen, wobei eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zugrunde gelegt wird.

Ein ausreichender Markenabstand kann indes angesichts der deutlichen klanglichen Annäherungen nicht mehr als gewährleistet angesehen werden. Kollisionsfördernd wirkt sich dabei aus, daß beide Marken für Produkte des täglichen Lebens beansprucht werden, die auch ein durchschnittlich informierter aufmerksamer und verständiger Verbraucher im Lebensmittelbereich eher flüchtig erwirbt, wobei er aus der unsicheren Erinnerung heraus seine Kaufentscheidung trifft. Da die Aussprache des Konsonanten "V" auch wie "W" erfolgen kann, ist nicht auszuschließen, daß der jeweilige Wortanfang klanglich identisch wiedergegeben wird, während sich die Abweichungen der Marken auf die regelmäßig ohnehin weniger beachteten und dazu auf dem angesprochenen Warengebiet weitgehend verbrauchten und typischen Endungen "ella/essa" beschränken. Angesichts der weit überwiegenden klanglichen Gemeinsamkeiten kann vor dem dargestellten Warenhintergrund insgesamt eine Verwechslungsgefahr nicht mehr ausgeschlossen werden, so daß dem Widerspruch in dem beantragten Umfang stattzugeben war, ohne daß der Fall zu einer Kostenauferlegung Anlaß gab (§ 71 Abs 1 MarkenG).

Stoppel Grabrucker Martensprö

Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/28W(pat)87-99.2.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 28.06.2000
Az: 28 W (pat) 87/99


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