Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. April 2000
Aktenzeichen: 24 W (pat) 154/99

(BPatG: Beschluss v. 11.04.2000, Az.: 24 W (pat) 154/99)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die dreidimensionale, in den Farben Weiß und Pink gehaltene Darstellungsiehe Abb. 1 am Endeist am 26. November 1998 zur Eintragung in das Register angemeldet worden, und zwar ursprünglich für die folgenden Waren der Klassen 1, 3 und 21:

"Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke, Entkalkungsmittel; Seifen, Wasch- und Bleichmittel, Mittel zum Spülen von Geschirr und Wäsche, Putz- und Poliermittel, chemische Mittel zum Reinigen von Holz, Metall, Glas, Kunststoff, Stein, Porzellan und Textilien; Schwämme, Putztücher, Putzzeug, Geschirrspültücher".

Die Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch einen Beamten des höheren Dienstes diese Anmeldung mit Beschluß vom 22. April 1999 teilweise zurückgewiesen, nämlich "für alle Waren außer Schwämme, Putztücher, Putzzeug, Geschirrspültücher". Die ablehnende Entscheidung hat die Markenstelle damit begründet, daß dem angemeldeten Zeichen jegliche Unterscheidungskraft iSv § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG fehle. Die angemeldete Darstellung stelle einen sogenannten "Tab" dar, das sei in Tablettenform gepreßtes Pulver, das sich in letzter Zeit - neben Flüssigkeiten und losem Pulver - als Darreichungs- und Dosierungsform für Reinigungs- und Spülmittel für Wäsche und Geschirr, für Wasserenthärter und für Reinigungsmittel für Gebißspangen durchgesetzt habe. Für diese Feststellungen hat die Markenstelle eine Reihe von Hinweisen auf aktuelle Anbieter solcher "Tabs" gegeben. Ebenfalls bekannt und verbreitet sei die Gestaltung dieser "Tabs" mit zwei Lagen, was idR als Hinweis auf verschiedene Wirkungen des angebotenen Mittels, uU auch in zeitlicher Abfolge, eingesetzt werde. Auch die konkrete Farbkombination Weiß-Pink bewege sich im Rahmen des Üblichen; denn den angesprochenen Verkehrskreisen seien bereits rosafarbene Waschpulver und Weichspüler bekannt. Als naturgetreue Abbildung der beanspruchten Waren, die sich ohne gestalterische Originalität ganz im Rahmen dessen bewege, was der Verkehr von den einschlägigen Warenbereichen kenne und erwarte, könne das angemeldete Zeichen keine Unterscheidungskraft entfalten.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie meint, die angemeldete Marke sei unterscheidungskräftig iSv § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG und begründet diese Rechtsauffassung wie folgt:

Die Gestaltung der Marke sei phantasievoll und originell, denn sie sei nicht aus technischen Gründen vorgegeben und entspräche auch nicht den sonst auf dem Markt befindlichen "Tabs". Insbesondere die Farbkombination Weiß-Pink sei ungewöhnlich und werde nach dem Wissen der Anmelderin derzeit von niemandem im einschlägigen Warenbereich verwandt.

Die Markenämter in Frankreich und in Belgien hätten bereits dreidimensionale Marken für "Tabs" eingetragen. Weiter trägt die Anmelderin - allerdings ohne nähere Konkretisierung - vor, daß die mit "Tabs" bezeichnete Darreichungs- und Dosierungsform im wesentlichen von der Anmelderin und einer bestimmten Konkurrentin entwickelt und auf den Markt gebracht worden und im Zeitpunkt der ersten Markenanmeldungen auf diesem Gebiet noch nicht üblich gewesen sei. Erst in der Zeit nach diesen ersten Anmeldungen habe sich diese neue Dosierungsform weit verbreitet.

Im Laufe des gerichtlichen Verfahrens hat die Anmelderin auf die Waren der Klasse 1 aus dem Warenverzeichnis für das angemeldete Zeichen verzichtet und die Waren aus der Klasse 3 auf "Waschmittel" beschränkt.

Sie beantragt (sinngemäß), den angegriffenen Beschluß der Markenstelle für die Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. April 1999 aufzuheben.

Hilfsweise regt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde bzw eine Vorlage beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) an.

Außerdem beantragt die Anmelderin die vorläufige Aussetzung des Verfahrens mit der Begründung, sie habe dreidimensionale Marken in Form von zweifarbigen Tabs beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt angemeldet, deren Eintragung das Amt auch im Beschwerdeverfahren abgelehnt habe. Gegen diese Entscheidungen habe die Anmelderin beim EuGH - Gericht erster Instanz (EuG) - Klage erhoben. Mit Rücksicht auf diese Verfahren möge das hiesige ausgesetzt werden. Die Anmelderin hält eine Aussetzung auch deswegen für erforderlich, weil sie bei einer Anmeldung beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt die Priorität der vorliegenden Anmeldung beansprucht habe.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig, aber nicht begründet. Denn unbeschadet der Markenfähigkeit der angemeldeten Marke iSv § 3 MarkenG ist diese von der Eintragung ausgeschlossen, weil ihr iSv § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG jegliche Unterscheidungskraft für die nunmehr noch in Anspruch genommene Ware "Waschmittel" fehlt.

Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um die naturgetreue und maßstabsgerechte Wiedergabe einer möglichen Darreichungsform der im Warenverzeichnis genannten Waren. Die Marke besteht in einem flachen kreisförmigen Zylinder, der sich aus einer weißen und einer pinkfarbenen Schicht zusammensetzt, die beide etwa gleich dick sind. Die pinkfarbene Schicht liegt oben und hat abgeschrägte Kanten. Die Oberflächen sind porös ausgestaltet. Dieses Erscheinungsbild entspricht den sogenannten "Tabs". Dabei handelt es sich um in Tablettenform gepreßtes Pulver als Darreichungs- und Dosierungsform für bestimmte Wirkstoffe. "Tabs" sind in den letzten Jahren im Bereich von "Waschmitteln" zu einer verbreiteten Alternative zu losen Pulvern und zu Flüssigkeiten geworden.

Als naturgetreue Wiedergabe einer möglichen und verbreiteten Darreichungsform für die im Warenverzeichnis genannten Waren ist die angemeldete Marke grundsätzlich nicht dazu geeignet, gegenüber den angesprochenen Verkehrskreisen als Hinweis auf die Herkunft der Waren aus einem bestimmten Unternehmen im Unterschied zu Waren aus anderen Unternehmen zu wirken (vgl BGH GRUR 1999, 495, 496 "Etiketten"; GRUR 1997, 527, 529 "Autofelge"). Denn die Ware als Objekt der Kennzeichnung kann nicht ihr eigenes Kennzeichnungsmittel sein (vgl Ströbele, GRUR 1999, 1041, 1042). Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die angemeldete Marke eine von den üblichen und gewöhnlichen Warenformen deutlich abweichende Gestaltung hätte, die eigentümlich und originell genug wäre, um die Herkunftsfunktion einer Marke zu erfüllen. Das ist nicht der Fall.

Maßgebend für die Beurteilung dessen, was aus der Sicht des angesprochenen Endverbrauchers üblich ist, ist (auch) der Zeitpunkt der beantragten Eintragung. Das ist im Beschwerdeverfahren der Zeitpunkt, zu dem der abschließende Beschluß ergeht. Sofern die Anmelderin die Rechtsauffassung zum Ausdruck bringen sollte, das Gericht müsse bei seiner Entscheidung auf den Zeitpunkt der Anmeldung und nicht auf den der Beschlußfassung abstellen, kann ihr nicht gefolgt werden. Denn für das Eintragungsverfahren gilt der anerkannte Grundsatz, daß es für die Frage nach bestehenden Schutzhindernissen iSv § 8 Abs 2 Nr 1 - 3 MarkenG sowohl auf den Zeitpunkt der Eintragung als auch auf den Zeitpunkt der Anmeldung ankommt (vgl Althammer/ Ströbele, Markengesetz, 5. Aufl 1997, § 8 Rdn 7 mwNachw). Das folgt auch aus § 37 Abs 2 MarkenG, der bestimmt, daß eine Marke, unter der Voraussetzung, daß der Anmelder einer entsprechenden Verschiebung des Zeitranges zustimmt, eingetragen werden kann, wenn die Schutzhindernisse des § 8 Abs 2 Nr 1, 2 und 3 MarkenG nach der Anmeldung, aber vor der Eintragung weggefallen sind. Vorliegend ist daher auch maßgeblich, welche Bedeutung die angesprochenen Verkehrskreise dem angemeldeten Gegenstand zum jetzigen Zeitpunkt beilegen.

Die wesentlichen Gestaltungsmerkmale der angemeldeten Marke sind ihre Form als flacher Zylinder mit kreisförmigem Grundriß und der zweifarbige Aufbau dieses Zylinders in zwei Lagen, der untere davon in Weiß, der obere in der Farbe Pink. Jedes dieser Gestaltungslemente bewegt sich im Rahmen des Üblichen. "Tabs" werden in Deutschland in einfachen geometrischen Formen angeboten, überwiegend als flache Quader und als flache Zylinderformen. Maßgebend für die äußere Form sind die leichte Handhabbarkeit durch den Endverbraucher und das Ziel, möglichst viele "Tabs" in möglichst kleinen Verpackungen unterbringen zu können. Die abgeschrägten Kanten des angemeldeten Gebildes enthalten keine originelle gestalterische Eigenheit. Für das Gesamterscheinungsbild des abgebildeten "Tabs" sind sie unwesentlich. Sofern die angesprochenen Verkehrskreise sie gleichwohl wahrnehmen, werden sie darin in erster Linie eine technische Maßnahme sehen, deren Zweck es ist, ein Abbröckeln der schmalen Kanten zu verhindern, die ohne Abschrägung im äußersten Bereich notwendig dünn und zerbrechlich wären.

Der Aufbau des Zylinders mit zwei Lagen in verschiedenen Farben entspricht ebenfalls der für "Tabs" üblich gewordenen Gestaltung. Viele "Tabs" werden mit eben diesem Aufbau als sogenannte "Zwei-Phasen-Tabs" vertrieben. Damit wird die Behauptung verbunden, die "Tabs" entwickelten zwei verschiedene Wirkungen (zB Bleichen und Reinigen). Üblich sind Kombinationen einer Lage in der Farbe des verarbeiteten Pulvers - meistens weiß - mit einer zweiten, gefärbten Schicht. Für diese eingefärbte Schicht üblich geworden sind die Grundfarben Gelb, Blau, Rot und Grün in verschiedenen Schattierungen.

Auf derselben Linie liegt auch die Farbkombination Weiß-Pink. Wie die Markenstelle - von der Anmelderin unwidersprochen - festgestellt hat, gibt es bereits rosafarbenes Waschmittel und rosafarbene Weichspüler. Aus diesen Gründen ist die farbliche Gestaltung des von der angemeldeten Marke dargestellten "Tabs" im Vergleich zu den bereits verbreiteten Farbgestaltungen unter keinem Gesichtspunkt eigenartig oder prägnant.

Es gibt auch keine sonstigen Anhaltspunkte dafür, daß die angesprochenen Verkehrskreise die Farbgestaltung von "Tabs" als Herkunftshinweis auf bestimmte Unternehmen begreifen würden. Vielmehr werden alle "Tabs", gerade auch diejenigen der Anmelderin, in solchen Verpackungen angeboten und verkauft, die an erster Stelle einen großen und hervorgehobenen Hinweis auf die konkrete Marke dieses Mittels tragen wie zB "ARIEL" oder - im Falle der Anmelderin - "SOMAT" und "PERSIL", und häufig auch die Dachmarke wie zB "Henkel". Daneben hat die - ebenfalls übliche - Abbildung eines "Tabs" auf diesen Packungen ausschließlich warenbeschreibenden Charakter. Die Tatsache, daß ein solches Mittel in Form von "Tabs" angeboten wird, bedeutet für den Verbraucher an erster Stelle eine leichte Handhabung, ua, daß die Dosierung dieses Mittels ohne weiteren Abmeßvorgang durch die Anzahl der verwendeten Tabletten bestimmt wird.

Die Bewertung der angemeldeten Marke als nicht unterscheidungskräftig steht im Einklang mit der sonstigen Rechtsprechung des erkennenden Gerichts und mit den einschlägigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes. Die Senate des Bundespatentgerichts haben wiederholt festgestellt, daß dreidimensionale Marken, die aus der beanspruchten Ware selbst bestehen, in der Regel nicht unterscheidungskräftig sein können (vgl BPatG GRUR 1999, 56 "Taschenlampen"; BlPMZ 1998, 533 "Trinkglas mit Luftblasen"; PAVIS PROMA, 25 W (pat) 174/98 "Tablettenform", demnächst veröffentlicht in BPatGE 41, 211). Diese Rechtsprechung steht im Einklang mit den Grundsatzentscheidungen des Bundesgerichtshofs zu entsprechenden zweidimensionalen Warenabbildungen (vgl BGH GRUR 1995, 732, 734 "Füllkörper"; GRUR 1997, 527, 529 "Autofelge"; GRUR 1999, 495 "Etiketten").

Die stattgebenden Beschlüsse des 26. Senats vom 17. November 1999 in dem Verfahren 26 W (pat) (131/99) und weiteren Parallelverfahren bilden keine Ausnahme von dieser Spruchpraxis. In diesen Verfahren ging es um die Eintragung von zweidimensionalen Darstellungen zweilagiger "Tabs" mit einem andersfarbigen runden Einschluß in der farbigen Schicht. Ausgehend von der bisherigen Rechtsprechung des Bundespatentgerichts und des Bundesgerichtshofs hat der 26. Senat festgestellt, daß das Gestaltungselement des runden andersfarbigen Einschlusses in der eingefärbten Schicht des abgebildeten "Tabs" im einschlägigen Warenbereich der Klassen 1 und 3 ungebräuchlich sei. Gestaltung und Lage des Kerns seien so originell und prägnant, daß dadurch die angemeldete Marke unterscheidungskräftig werde. Die stattgebenden Entscheidungen des 26. Senats beruhen daher nicht auf einer Abweichung von rechtlichen Grundsatzentscheidungen der bisherigen Rechtsprechung, sondern auf der Anwendung dieser Rechtsprechung auf einen konkreten Sachverhalt, der sich von dem vorliegenden wesentlich unterscheidet.

Die Frage nach einer etwaigen Indiz- oder Bindungswirkung von Entscheidungen des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt ist schon deshalb nicht erheblich, weil nach den Erkenntnissen des Senats dieses Amt trotz einer Reihe entsprechender Anmeldungen letztlich keine zwei- oder dreidimensionalen Abbildungen von "Tabs" als Marken eingetragen hat. Vielmehr haben sowohl die Prüfer als auch die Beschwerdekammern dieses Amtes solche Anmeldungen wiederholt zurückgewiesen und zwar ebenfalls mit der Begründung, daß der jeweils angemeldeten Marke die erforderliche Unterscheidungskraft fehle (vgl HABM Mitt 1999, 471, 473 "Tabs (viereckig, rot/weiß)").

Hervorzuheben ist auch ein Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 14. Oktober 1999, mit dem der von derselben Anmelderin getätigten Anmeldung einer dreidimensionalen Marke in Form eines weißgrünen "Tabs" die Unterscheidungskraft abgesprochen wurde (vgl SchwBG MarkenR 2000, 55, 56 "Tablette weißgrün").

Sofern - nach dem Vortrag der Anmelderin - dreidimensionale Abbildungen von "Tabs" in Belgien und Frankreich registriert worden sein sollen, können diese Umstände keine Indizwirkung für die Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke im deutschen Markenrechtssystem begründen. Eine tatsächliche Indizwirkung ausländischer Voreintragungen ist bislang allenfalls für einen bestimmten Bereich des Freihaltungsbedürfnisses anerkannt worden und zwar insoweit, als die Eintragung einer fremdsprachigen Angabe in einem Land des betreffenden Sprachkreises indiziell dagegen spricht, daß die fragliche Angabe nach dem originären Sprachverständnis eine zur freien Verwendbarkeit benötigte beschreibende Bezeichnung darstellt (Althammer/Ströbele, aaO, § 8, Rdn 59 mwNachw).

Die Beurteilung der Unterscheidungskraft bemißt sich dagegen ausschließlich nach der Auffassung der inländischen Verkehrskreise (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 8 Rdn 14), die sich von den Auffassungen ausländischer Verkehrskreise im Einzelfall stark unterscheiden kann. Abgesehen von der Tatsache, daß die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke keine Ermessens-, sondern eine reine Rechtsfrage darstellt, ist im übrigen zu bedenken, daß regelmäßig nur die Verneinung der Schutzfähigkeit einer Anmeldung, nicht jedoch die positive Eintragungsentscheidung schriftlich begründet wird. Die Gründe der handelnden Behörde für die Eintragung sind insoweit häufig nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Die bloße Tatsache der Eintragung gibt auch keinen Aufschluß darüber, ob es sich möglicherweise um ein Versehen oder eine Ausnahmeentscheidung handelt und in welchem Umfang gleichgelagerte Anmeldungen womöglich unangefochten zurückgewiesen wurden (vgl auch BPatG PAVIS PROMA, 25 W (pat) 174/98 "Tablettenform", demnächst veröffentlicht in BPatGE 41, 211).

Aus den vorstehend dargelegten Gründen war die Beschwerde der Anmelderin zurückzuweisen, weil der angemeldeten Marke die gem § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft fehlt.

Für die von der Anmelderin angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde ist kein Raum, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 83 Abs 2 MarkenG nicht erfüllt sind. So ist nach Ansicht des Senats nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden. Zur Bejahung dieses Tatbestandsmerkmals des § 83 Abs 2 Nr 1 MarkenG reicht nicht aus, daß die Sache von besonderer Wichtigkeit für die Beteiligten ist (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 83 Rdn 12). Auch die Tatsache, daß eine neue Rechtsfrage vorliegt, zu der sich der Bundesgerichtshof noch nicht ausdrücklich geäußert hat, rechtfertigt für sich allein die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht. Ansonsten hätte nach Inkrafttreten des Markengesetzes praktisch in jedem Beschwerdeverfahren die Rechtsbeschwerde zugelassen werden müssen, weil nahezu alle entscheidungserheblichen Rechtsbegriffe nach Maßgabe der Markenrechtsrichtlinie neu zu bestimmen waren, wobei naturgemäß entsprechende Vorentscheidungen des Bundesgerichtshofs noch nicht vorliegen konnten. In diesem Zusammenhang darf der gesetzgeberische Zweck der Zulassungsbeschränkung nicht außer Betracht bleiben, wonach dadurch die Belastung des Bundesgerichtshofs möglichst gering gehalten werden soll (vgl dazu bereits die Begründung zum 6. Überleitungsgesetz, BlPMZ 1961, 140, 156 f). Im vorliegenden Fall ist für den Senat auch kein Grund ersichtlich, weshalb der Bundesgerichtshof bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken, die aus der beanspruchten Ware selbst bestehen, von seinen wiederholt bestätigten Grundsätzen zur Bewertung naturgetreuer Warenabbildungen abweichen sollte. Insoweit beschränkt sich der Beschluß des erkennenden Senats auf die Beurteilung der konkret angemeldeten Marke auf der Grundlage allgemein anerkannter Rechtsgrundsätze, wobei die Problematik vor allem in der tatsächlichen Bewertung der angemeldeten Form besteht. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Wie ausgeführt vertreten sowohl die Senate des Bundespatentgerichts wie auch ausländische und europäische Rechtsmittelinstanzen zur Frage der Eintragungsfähigkeit dreidimensionaler Warenformen im wesentlichen übereinstimmende Auffassungen. Hiervon grundsätzlich abweichende Entscheidungen von Zivilgerichten in Rechtsmittelverfahren sind dem Senat nicht bekannt. Die von der Anmelderin angeführte unterschiedliche Amtspraxis der einzelnen Eintragungsbehörden rechtfertigt schon deshalb keine Zulassung der Rechtsbeschwerde, weil § 83 Abs 2 Nr 2 MarkenG lediglich die Einheitlichkeit der Rechtsprechung betrifft, während die Sicherung einer einheitlichen Amtspraxis von Verwaltungsbehörden im In- und Ausland nicht Aufgabe des Bundesgerichtshofs ist.

Ebenso ist kein Grund ersichtlich, den Fall dem EuGH gemäß Art 234 EG zur Vorabentscheidung vorzulegen. Im vorliegenden Fall ist nicht die allgemeine Auslegung einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift unmittelbar entscheidungserheblich; vielmehr handelt es sich ausschließlich um die einzelfallbezogene Subsumtion eines konkreten Sachverhalts unter eine nationale Rechtsvorschrift.

Die Tatsache, daß die Anmelderin zur Zeit Klagen beim EuG betreibt, die sich gegen die Zurückweisung verschiedener Anmeldungen von dreidimensionalen Marken durch das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt richten, ist schließlich kein Grund für eine Aussetzung des Beschwerdeverfahrens gem § 82 Abs 1 Satz 1 iVm § 148 ZPO. Eine solche Aussetzung setzt gem § 148 ZPO voraus, daß die Entscheidung in dem hiesigen Rechtsstreit ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines jetzt beim EuG anhängigen Verfahrens der Anmelderin bildet. Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Gegenstand des europäischen Verfahrens sind die Vorschriften der Gemeinschaftsmarkenverordnung (GMV). Anders als die Vorschriften der Richtlinie 89/104/EWG des Europäischen Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken hat die Gemeinschaftsmarkenverordnung keine unmittelbare Bedeutung für die Auslegung des deutschen Markenrechts. Zwar ist eine europarechtskonforme Auslegung der nationalen Vorschriften, mit denen die Markenrechtsrichtlinie umgesetzt wurde, geboten, um eine Harmonisierung der Rechtsanwendung im europäischen Binnenmarkt zu erreichen. Die konkrete Ausgestaltung des nationalen Markenrechts, die stets im Rahmen der Prüfung zu berücksichtigenden nationalen Verkehrsgepflogenheiten und die nationale Verkehrsauffassung können jedoch zu unterschiedlichen Ergebnissen führen (vgl HABM GRUR Int 1998, 889, 890 f "LASTING PERFORMANCE"; GRUR 1999, 737, 738 f "ToxAlert"; Mitt 2000, 116, 117 "TEEKAMPAGNE").

Schließlich begründet auch die Tatsache, daß die Anmelderin bei einer Anmeldung beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt die Priorität der vorliegenden Marke beansprucht hat, keinen Aussetzungsgrund iSv § 148 ZPO. Denn für die geltend gemachte Priorität kommt es gem Art 29 GMV nur darauf an, ob die frühere Anmeldung nach dem innerstaatlichen Recht des Staates, in dem sie eingereicht worden ist, oder nach zwei- oder mehrseitigen Verträgen die Bedeutung einer vorschriftsmäßigen nationalen Anmeldung zukommt (Art 29 Abs 2 GMV). Das spätere Schicksal dieser Anmeldung ist dagegen ohne Bedeutung (Art 29 Abs 3 letzter Halbsatz GMV).

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