Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 14. Oktober 2004
Aktenzeichen: 6 U 169/02
(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 14.10.2004, Az.: 6 U 169/02)
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 19.07.2002 verkündete Urteil der 11. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 250.000,-- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an den Mitgliedern ihres Vorstandes, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
1. die Änderung der dauerhaften Voreinstellung des Anschlusses von Kunden auf das Verbindungsnetz der Klägerin (Pre-Selection) bewusst nicht zu dem von der Beklagten der Klägerin ausdrücklich und/oder durch Positivbescheid im Sinne der Spezifikation VNB-Wechsel und/oder dem jeweiligen Kunden ausdrücklich mitgeteilten Zeitpunkt auszuführen, wenn ein entsprechender Pre-Selection-Vertrag zwischen dem jeweiligen Kunden und der Klägerin besteht,
und/oder
2. an Kunden ein Auftragsbestätigungsschreiben für ein Produkt der Beklagten zu verschicken, wenn der jeweilige Kunde zuvor keine Willenserklärung abgegeben hat, die auf den Abschluss eines Vertrages mit der Beklagten über das Produkt, auf das sich das Auftragsbestätigungsschreiben bezieht, gerichtet gewesen ist,
wenn durch den bestätigten Tarif ein Wechsel des betroffenen Kunden von der Beklagten zu der Klägerin nicht mehr oder nur zeitlich verzögert möglich ist,
und/oder
3. gegenüber der Klägerin wörtlich oder sinngemäß zu behaupten und/oder behaupten zu lassen, eine Ausführung der Änderung der Voreinstellung eines Kunden zugunsten der Klägerin sei aufgrund eines bestehenden Hindernisses, beispielsweise wegen eines €Stornos€ des Kunden, nicht möglich, und/oder unter Berufung auf derartige Hindernisse die Änderung der dauerhaften Voreinstellung des Anschlusses von Kunden auf das Verbindungsnetz der Klägerin (Pre-Selection) nicht auszuführen,
wenn der Kunde zuvor nicht den entsprechenden Pre-Selection-Auftrag widerrufen und/oder eine andere Willenserklärung abgegeben hat und/oder keine wirksame vertragliche Bindung des Kunden zur Beklagten besteht, die eine Änderung der Voreinstellung ausschließt.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 150.000,-- € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Die Beschwer beider Parteien beträgt 150.000,- €.
Gründe
I.
Die Klägerin wirft der Beklagten vor, in zahlreichen Fällen die von Telefonnutzern gewünschte Änderung der dauerhaften Voreinstellung (Pre-Selection) zu Gunsten der Klägerin ohne ausreichenden Grund abgelehnt bzw. die bereits bestätigte Umstellung nicht ausgeführt zu haben. Wegen der Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO); zu ergänzen ist folgendes:
Die Beklagte als Teilnehmernetzbetreiberin und verschiedene Verbindungsnetzbetreiber - darunter die Klägerin - haben sich hinsichtlich des im Zusammenhang mit der Änderung der dauerhaften Voreinstellung (Pre-Selection) zu beachtenden Verfahrens auf eine €Spezifikation VNB-Wechsel 2.5€ (Anlage K 4 zur Klageschrift, Bl. 28 ff. d. A.) verständigt. Danach gibt der Telefonnutzer seine Erklärung, die Voreinstellung zu einem bestimmten Zeitpunkt ändern zu wollen, gegenüber dem neuen Verbindungsnetzbetreiber ab, der sie an die Beklagte weiterleitet. Die Beklagte kann der Umstellung innerhalb von zwei Tagen widersprechen (so genannter €Negativbescheid€). Reagiert die Beklagte innerhalb von zwei Tagen auf die Mitteilung nicht, gilt der Wechsel zum genannten Zeitpunkt als bestätigt (so genannter €Positivbescheid€). Der €Spezifikation VNB-Wechsel€ ist als Anlage 1 ein vom Verbindungsnetzbetreiber zu benutzendes Fax-Formular mit Rückantwort durch die Beklagte beigefügt (Bl. 47 d. A.).
Im Fall €X€ hat die Beklagte der Klägerin die Änderung der Voreinstellung zum 03.07.2001 schriftlich bestätigt (Bl. 50 d. A.).
Die Klägerin hat ihre Ansprüche unter Hinweis auf das nahezu vollständige Monopol der Beklagten im Bereich der Festnetzanschlüsse auch auf §§ 19, 20 GWB gestützt.
Im Berufungsverfahren wiederholen und vertiefen beide Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Die Beklagte trägt zum Fall €X€ ergänzend vor, dass die Umstellung zum Termin 03.07.2001 nicht habe vorgenommen werden können, weil der bestehende A - Tarif des Kunden seinerzeit eine Änderung der Voreinstellung nicht erlaubt habe.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern,
und die Beklagte bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu € 250.000,--, ersatzweise von Ordnungshaft bzw. von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an den Mitgliedern des Vorstandes zu verurteilen, es zu
unterlassen
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
1. die Änderung der dauerhaften Voreinstellung des Anschlusses von Kunden auf das Verbindungsnetz der Klägerin (Pre-Selection) nicht zu dem von der Beklagten der Klägerin ausdrücklich und/oder konkludent und/oder dem jeweiligen Zeitpunkt ausdrücklich mitgeteilten Zeitpunkt auszuführen, wenn ein entsprechender Pre-Selection-Vertrag zwischen dem jeweiligen Kunden und der Klägerin besteht;
und/oder
2. an Kunden ein Auftragsbestätigungsschreiben für ein Produkt der Beklagten zu verschicken, wenn der jeweilige Kunde zuvor keine Willenserklärung abgegeben hat, die auf den Abschluss eines Vertrages mit der Beklagten über das Produkt, auf das sich das Auftragsbestätigungsschreiben bezieht, gerichtet gewesen ist;
und/oder
3. gegenüber der Klägerin wörtlich oder sinngemäß zu behaupten und/oder behaupten zu lassen, eine Ausführung der Änderung der Voreinstellung aufgrund eines Pre-Selection-Auftrages zu Gunsten der Klägerin sei aufgrund eines schriftlichen und/oder mündlichen €Stornos€ durch den Kunden und/oder wegen einer anderen Willenserklärung des Kunden und/oder wegen des Widerspruchs zu einem derzeitigen Vertrag des Kunden mit der Beklagten nicht möglich und/oder unter Berufung auf derartige Umstände die Änderung der dauerhaften Voreinstellung des Anschlusses von Kunden auf das Verbindungsnetz der Klägerin (Pre-Selection) nicht auszuführen, wenn der Kunde zuvor nicht den entsprechenden Pre-Selection-Auftrag widerrufen und/oder eine andere Willenserklärung abgegeben hat und/oder eine wirksame vertragliche Bindung des Kunden zur Beklagten besteht, die eine Änderung der Voreinstellung ausschließt.
hilfsweise zu 1.:
die Änderung der dauerhaften Voreinstellung des Anschlusses von Kunden auf das Verbindungsnetz der Klägerin (Pre-Selection) bewusst nicht zu dem von der Beklagten der Klägerin ausdrücklich und/oder durch Positivbescheid im Sinne der Spezifikation VNB-Wechsel und/oder dem jeweiligen Kunden ausdrücklich mitgeteilten Zeitpunkt auszuführen, wenn ein entsprechender Pre-Selection-Vertrag zwischen dem jeweiligen Kunden und der Klägerin besteht;
hilfsweise zu 2:
an Kunden ein Auftragsbestätigungsschreiben für ein Produkt der Beklagten zu verschicken, wenn der jeweilige Kunde zuvor keine Willenserklärung abgegeben hat, die auf den Abschluss eines Vertrages mit der Beklagten über das Produkt, auf das sich das Auftragsbestätigungsschreiben bezieht, gerichtet gewesen ist, wenn durch den bestätigten Tarif ein Wechsel des betroffenen Kunden von der Beklagten zu der Klägerin nicht mehr oder nur zeitlich verzögert möglich ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung - auch unter Abweisung der zuletzt gestellten Haupt- und Hilfsanträge - zurückzuweisen.
Der Senat hat Beweis erhoben über den Inhalt des zwischen dem Zeugen Z 1 und einer Mitarbeiterin der Beklagten am 16.10.2001 geführten Telefongesprächs; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 08.06.2004 (B. 858 ff. d. A.) Bezug genommen.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche in dem vom Senat zuerkannten Umfang zu.
1.
Die von der Klägerin zuletzt gestellten Klageanträge sind hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO). Dies gilt auch, soweit sich das Unterlassungsbegehren gemäß dem Hilfsantrag zu 1. gegen die €bewusste€ Nichtausführung von Umstellungsaufträgen richtet. Welche Verhaltensweisen mit dieser, auf Anregung des Senats in den Antrag aufgenommene Formulierung erfasst werden, ergibt sich mit hinreichender Klarheit jedenfalls aus der nachfolgenden Begründung des vorliegenden Urteils.
2.
Mit dem Klageantrag zu 1. (Hauptantrag) soll der Beklagten generell untersagt werden, in den Fällen, in denen sie der Klägerin einen Termin für die Änderung der Voreinstellung bereits - auch durch so genannten €Positivbescheid€ - bestätigt hat, diese Umstellung tatsächlich nicht auszuführen; der Hilfsantrag zu 1. richtet sich lediglich gegen die bewusste Nichtausführung der Umstellung in diesem Fällen.
a)
Ein Unterlassungsanspruch des mit dem Hauptantrag zu 1. geltend gemachten Umfangs steht der Klägerin nicht zu; denn soweit hiermit auch andere Fälle als die bewusste Nichtausführung der Änderung der Voreinstellung erfasst werden, insbesondere die lediglich versehentliche Versäumung der Umstellung, fehlt es an dem für einen Wettbewerbsverstoß erforderlichen Merkmal der Wettbewerbshandlung (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG in der seit 08.07.2004 geltenden Fassung), weil im Hinblick auf die Besonderheiten des vorliegenden Sachverhalts die Beklagte mit einer solchen versehentlichen Nichtausführung der Umstellung nicht das Ziel verfolgt, den Absatz ihrer eigenen Leistungen zu fördern.
Dies folgt allerdings nicht bereits daraus, dass die Beklagte mit der Nichtausführung einer von ihr bereits bestätigten Umstellung zugleich einen Vertragsverstoß gegenüber ihrem bisherigen Telefonkunden begeht. Soweit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. GRUR 02, 1093, 1094 - Kontostandsauskunft - m.w.N.) die bloße Nicht- oder Schlechterfüllung eines Vertrages grundsätzlich noch nicht den Vorwurf wettbewerbswidrigen Verhaltens begründet, beruht dies auf der Erwägung, dass Vertragsverletzungen, die ein Unternehmen gegenüber seinem eigenen Kunden begeht, in der Regel schon objektiv nicht geeignet sind, den Wettbewerb dieses Unternehmens mit seinen Konkurrenten zu beeinflussen. Abweichend von diesem Grundsatz führt im vorliegenden Fall die Nichtausführung der Umstellung jedoch zugleich dazu, dass der Kunde entgegen seinem Wunsch seine Telefongespräche weiter über das Netz der Beklagten statt über das der Klägerin führen muss. Die Beklagte vereinnahmt ihr nach der Vertragslage nicht zustehende Gebühren, während gleichzeitig der Klägerin, ihr zustehende Gebühren entgehen. Damit liegt in der Nichtausführung der Umstellung zugleich eine objektive Förderung des eigenen Absatzes der Beklagten.
Die objektive Eignung einer Handlung, den eigenen Absatz zu fördern, begründet zugleich die - widerlegbare - Vermutung, dass der Handelnde auch ein entsprechendes Ziel verfolgt; insoweit besteht kein Anlass, im Rahmen der Auslegung von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG n.F. andere Maßstäbe als diejenigen anzulegen, die die Rechtsprechung (vgl. auch hierzu BGH a.a.O.) nach altem Recht zum Begriff der Wettbewerbsabsicht entwickelt hat.
Die Vermutung der Absatzförderungsabsicht ist im vorliegenden Fall auch nicht allein dadurch widerlegt, dass die versehentliche Nichtausführung der Umstellung eine Fehlleistung darstellt, der keine zielgerichtet gesteuerte Handlung zugrunde liegt. Denn es kann keinem Zweifel unterliegen, dass ein Unternehmer wettbewerbsrechtlich auch für versehentlich vorgekommene Fehler haftet, soweit die Voraussetzungen einer (objektiv) unlauteren Wettbewerbshandlung erfüllt sind; der Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 UWG n. F. setzt - wie bereits der Gegenschluss aus der Regelung für den Schadensersatzanspruch (§ 9 UWG n. F.) ergibt - nicht einmal Fahrlässigkeit voraus. Die Frage, ob solchen versehentlichen Fehlleistungen die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG n. F. genannte Zielsetzung zugrunde liegt, kann daher nicht an der Fehlleistung selbst ansetzen, sondern an der allgemeinen (zielgerichteten) Tätigkeit als solcher, in deren Rahmen die Fehlleistung unterläuft. Soweit es sich dabei um Tätigkeiten handelt, die - wie in der Regel - der Erreichung des Unternehmenszwecks dienen, beruhen auch die dabei vorkommenden versehentlichen Fehlleistungen auf dem in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG n. F. bezeichneten Ziel.
Der vorliegende Sachverhalt zeichnet sich jedoch durch besondere Umstände aus, die dazu führen, die versehentliche Nichtausführung der Umstellung durch die Beklagte - ungeachtet der damit erreichten objektiven Absatzförderung - ausnahmsweise als nicht von einer Absatzförderungsabsicht getragen anzusehen. Bei der Umstellung der Voreinstellung handelt es sich nicht um eine Tätigkeit, mit der die Beklagte ihr unternehmerisches Ziel verfolgt. Die Beklagte nimmt die Umstellung - mit der sie sogar eigene Kunden an ihre Mitbewerber verliert - lediglich in Erfüllung der ihr durch § 43 Abs. 6 TKG a. F. (§ 40 Abs. 1 S. 2 TKG n. F.) übertragenen Aufgabe im Interesse der Kunden und der anderen Verbindungsnetzbetreiber vor. Wenn daher im Zuge dieser - an sich wettbewerbsneutralen - Aufgabenerfüllung die Ausführung der Umstellung zum von der Beklagten bestätigten Termin in Einzelfällen versehentlich unterbleibt, kann hieraus nicht der Schluss gezogen werden, dem liege eine Absatzförderungsabsicht der Beklagte zugrunde. Dass es in diesen Fällen gleichwohl zu einer objektiven Förderung des eigenen Absatzes kommt, ist vielmehr als von der Beklagten nicht bezweckte Nebenfolge eines außerwettbewerblichen Verhaltens einzuordnen.
b)
Demgegenüber ist das mit dem Hilfsantrag zu 1. verfolgte Unterlassungsbegehren gerechtfertigt. Soweit die Beklagte bzw. deren Mitarbeiter, für deren Verhalten die Beklagte nach § 8 Abs. 2 UWG n. F. (§ 13 Abs. 4 UWG a. F.) einzustehen hat, eine Umstellung der Voreinstellung zu dem bereits - etwa durch €Positivbescheid€ - bestätigten Termin bewusst nicht ausführen, kann daraus - im Gegensatz zur versehentlichen Nichtausführung der Umstellung - nur geschlossen werden, dass damit auch das Ziel verfolgt wird, von der hiermit zugleich verbundenen Förderung des eigenen Absatzes zu profitieren. Damit liegt aus den unter a) bereits dargelegten Gründen sowohl ein Handeln €zu Zwecken des Wettbewerbs€ im Sinne von § 1 UWG a. F. als auch eine €Wettbewerbshandlung€ im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. UWG n. F. vor. Dabei ist von einer €bewussten€ Nichtausführung der Umstellung immer dann auszugehen, wenn ein mit der Bearbeitung des Umstellungsauftrages befasster Mitarbeiter der Beklagten in Kenntnis des Umstandes, dass eine Umstellung zu erfolgen hat, davon absieht, die hierfür erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
Die dargestellte Wettbewerbshandlung ist auch sowohl im Sinne von § 1 UWG a. F. als auch im Sinne von §§ 3, 4 Nr. 10 UWG unlauter, weil die Beklagte die Klägerin hiermit gezielt behindert; die Nichtausführung der Umstellung führt dazu, dass die Klägerin ihre Verpflichtungen aus dem bereits begründeten Vertragsverhältnis mit ihren Neukunden nicht erfüllen und aus diesem Vertragsverhältnis keine Einnahmen erzielen kann. Der Vorwurf der Wettbewerbswidrigkeit setzt im vorliegenden Fall keine gezielte oder planmäßige Vorgehensweise der Beklagten voraus; eine entsprechende Einschränkung lässt sich dem UWG weder nach altem noch nach neuem Recht entnehmen.
Die Beklagte hat anlässlich des Falles €X€ einen Wettbewerbsverstoß der dargelegten Art begangen. Nachdem sie die Änderung der Voreinstellung zum 03.07.2001 schriftlich bestätigt hatte, ist die Umstellung zu diesem Termin nicht ausgeführt worden. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf, die Umstellung zum bestätigten Termin 03.07.2001 habe wegen des bestehenden A-Tarifs des Kunden gar nicht vorgenommen werden können. Die von der Beklagten behaupteten Hinderungsgründe waren nämlich nicht technischer, sondern allein vertragsrechtlicher Natur, weil der seinerzeitige A-Tarif eine Änderung der Voreinstellung nicht erlaubte. Dies führte jedoch allenfalls dazu, dass die Beklagte möglicherweise berechtigt gewesen wäre, dem gewünschten Umstellungstermin zu widersprechen. Das hat die Beklagte jedoch gerade nicht getan, sondern diesen Termin im Gegenteil bestätigt. Damit hat sie konkludent auch der Beendigung des A-Tarifs des Kunden zugestimmt und war verpflichtet, die Umstellung zum bestätigten Zeitpunkt vorzunehmen. Erst als die Umstellung anstand, hat offensichtlich einer ihrer Mitarbeiter bemerkt, dass die Beklagte die Umstellung zu dem bestätigten Zeitpunkt aus den genannten Gründen gar nicht hätte akzeptieren müssen, und sich deshalb fälschlicherweise für berechtigt gehalten, nunmehr die Umstellung zu unterlassen. Dies stellt eine €bewusste€ Nichtausführung der Umstellung dar, für die die Beklagte nach den oben dargelegten Grundsätzen wettbewerbsrechtlich haftet. Denn in diesem Zusammenhang ging es der Beklagten nicht mehr um die ihr nach § 43 Abs. 6 TKG a. F. übertragene €verwaltungsmäßige€ Bearbeitung eines Umstellungsauftrages. Vielmehr war der betreffende Mitarbeiter bestrebt, nach Erkennen eines Fehlers bei der Bestätigung des Umstellungstermins diesen Fehler nachträglich durch Unterlassen der Umstellung zu korrigieren. Ein solches Verhalten ist ein von Absatzförderungsabsicht getragener Versuch, den Kunden bei der Beklagten zu halten.
Aufgrund des begangenen Wettbewerbsverstoßes ist der Klägerin als unmittelbar Verletzter zunächst ein Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG a. F. entstanden. Nach Inkrafttreten der Neufassung des UWG am 08.07.2004 besteht dieser Unterlassungsanspruch fort; er ergibt sich nunmehr aus §§ 3, 4 Nr. 10, 8 Abs. 1 UWG n. F. Insbesondere handelt es sich bei dem beanstandeten Wettbewerbsverhalten, dessen Fortsetzung die Interessen der Klägerin nicht unerheblich beeinträchtigen würde, nicht nur um einen Bagatellverstoß im Sinne von § 3 UWG n. F.; dies gilt insbesondere, da das Verbot nur die bewusste Nichtausführung von Umstellungsaufträgen betrifft.
3.
Der Klageantrag zu 3. erfasst den Fall, dass die Beklagte die gewünschte Änderung der Voreinstellung mit einer - jedoch unzutreffenden - Begründung des im Antrag genannten Inhalts ablehnt, wobei ihr sowohl die Angabe der falschen Gründe gegenüber der Klägerin als auch die darauf gestützte Nichtausführung der Umstellung untersagt werden soll.
Der Klägerin steht auch dieser Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG a. F., §§ 3, 4 Nr. 10, 8 Abs. 1 UWG n. F. zu.
Ein Handeln in Wettbewerbsabsicht bzw. mit der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG n. F. genannten Zielsetzung ist in diesem Fall zu bejahen, da die mit einer Begründung versehene Ablehnung der Umstellung stets ein bewusstes Handeln in dem oben unter 2. b) erläuterten Sinn darstellt. Die Ablehnung der Umstellung mit der - den Tatsachen nicht entsprechenden - Begründung, der Telefonkunde habe den Umstellungsauftrag widerrufen bzw. unterliege einer die Umstellung ausschließenden vertraglichen Bindung mit der Beklagten, beinhaltet eine mit § 1 UWG a. F., §§ 3, 4 Nr. 10 UWG n. F. unvereinbare gezielte Behinderung der Klägerin.
Nach dem Ergebnis der vor dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme hat die Beklagte im Zusammenhang mit dem Fall Z 1 Wettbewerbsverstoß der dargelegten Art begangen. Die Beklagte hat die Ausführung der Umstellung mit dem Hinweis €andere WE€ abgelehnt und macht geltend, der Zeuge habe telefonisch einen B-Tarif in Auftrag gegeben, der eine Änderung der Voreinstellung vertraglich ausgeschlossen habe. Nach der Aussage des Zeugen Z 1 steht jedoch zur Überzeugung des Senats fest, dass dieser anlässlich des mit einer Mitarbeiterin der Beklagten geführten Telefongesprächs am 16.01.2001 lediglich einen Standardanschluss (T-Net-100) in Auftrag gegeben hatte. Dies hat der Zeuge bei seiner Vernehmung klar und widerspruchsfrei bekundet. Dass der Zeuge sich gegenüber der Mitarbeiterin der Beklagten missverständlich ausgedrückt haben könnte, erscheint ausgeschlossen. Denn der Zeuge war als - damaliger - Mitarbeiter der Klägerin gerade an einem Standard-Anschluss interessiert, da er ohnehin in den Genuss von besonderen Mitarbeiterkonditionen der Klägerin kommen konnte. Zudem hat der Zeuge Z 1 bei seiner Vernehmung einen in jeder Hinsicht überzeugenden Eindruck vermittelt.
Zum (Fort-)Bestehen des Unterlassungsanspruchs kann auf die obigen Ausführungen unter 2. b) verwiesen werden.
Die bewiesene Verletzungshandlung rechtfertigt den Erlass des beantragten, kerngleiche Abwandlungen einbeziehenden Unterlassungstenors. Bei der Fassung des Tenors hat der Senat insoweit eine im Klageantrag enthaltene offenbare Unrichtigkeit korrigiert, als es heißen muss €und/oder keine wirksame vertragliche Bindung des Kunden zur Beklagten besteht, die eine Änderung der Voreinstellung ausschließt€.
4.
Mit dem Klageantrag zu 2. wendet sich die Klägerin gegen die Übersendung unrichtiger, das heißt mit der Auftragserteilung inhaltlich nicht übereinstimmender Auftragsbestätigungen, wobei der Beklagten mit dem Hauptantrag die Übersendung unrichtiger Auftragsbestätigungen generell und mit dem Hilfsantrag nur für den Fall untersagt werden soll, dass der unrichtig bestätigte Tarif dem Kunden einen Wechsel der Klägerin durch Änderung der Voreinstellung erschwert.
a)
Hinsichtlich des Hauptantrages zu 2. ist die Klage unbegründet, da die Übersendung einer unrichtigen Auftragsbestätigung an Kunden jedenfalls nicht in allen Fällen eine Wettbewerbshandlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG n. F. darstellt. Denn soweit - was auch in Bezug auf die Beklagte denkbar ist - hierdurch der eigene Absatz des die Auftragsbestätigung versendenden Unternehmens objektiv nicht gefördert wird, fehlt es auch an einer hierauf gerichteten Absicht, wie sie § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG n. F. vorsieht.
b)
Dagegen steht der Klägerin ein Unterlassungsanspruch im Umfang des Hilfsantrages zu 2. aus § 1 UWG a. F., §§ 3, 4 Nr. 10, 8 Abs. 1 UWG n. F. zu.
Soweit die Übersendung der unrichtigen Auftragsbestätigungen dazu führt, dass die Änderung der Voreinstellung zumindest gefährdet wird, weil der unrichtig bestätigte Tarif im Gegensatz zum tatsächlich vereinbarten Tarif eine solche Umstellung ausschließt, liegt sowohl ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs im Sinne von § 1 UWG a. F. als auch eine Wettbewerbshandlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG n. F. vor. Denn durch die Erschwerung des Wechsels zur Klägerin fördert die Beklagte zugleich objektiv ihren eigenen Absatz; dem liegt unter Berücksichtigung der unter 2. dargestellten Erwägungen auch eine entsprechende Absicht zugrunde, weil die Versendung von Auftragsbestätigungen an die eigenen Kunden der Erreichung des Unternehmenszwecks dient.
Die Übersendung von unrichtigen Auftragsbestätigungen, die dem Kunden aus den genannten Gründen eine Änderung der Voreinstellung erschweren können, stellt eine mit § 1 UWG a. F., §§ 3, 4 Nr. 10 UWG n. F. unvereinbare gezielte Behinderung der Klägerin dar.
Im Fall Z 1 hat die Beklagte einen Wettbewerbsverstoß der dargelegten Art begangen, da sie dem Zeugen Z 1 eine Auftragsbestätigung über den - eine Änderung der Voreinstellung ausschließenden - Tarif ... übersandt hat, obwohl - wie unter 3. ausgeführt - der Zeuge tatsächlich den B-Anschluss in Auftrag gegeben hatte, der eine Umstellung zuließ.
Hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen für den Unterlassungsanspruch kann wiederum auf die Ausführungen unter 2. b) verwiesen werden.
5.
Soweit die genannten wettbewerbsrechtlichen Anspruchsgrundlagen nicht durchgreifen, stehen der Klägerin die Klageansprüche auch unter keinem anderen rechtlichen Gesichtspunkt zu.
In der lediglich versehentlichen Nichtausführung eines Umstellungsauftrages durch die Beklagte kann kein Verstoß gegen Bestimmungen des TKG (§ 43 Abs. 6 a. F. bzw. § 40 Abs. 1 S. 2 n. F.) gesehen werden, der einen Unterlassungsanspruch der Klägerin aus § 40 Abs. 1 TKG a. F. bzw. § 44 Abs. 1 TKG n. F. begründen könnte.
Soweit die Klägerin ihr Klagebegehren unter Hinweis auf die weitgehende Monopolstellung der Beklagten im Bereich der Festnetzanschlüsse auch auf §§ 19, 20 GWB stützt, kommt eine Verurteilung der Beklagten unter diesem Gesichtspunkt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin zu den einzelnen Anspruchsvoraussetzungen substantiiert nichts vorgetragen hat. Unter diesen Umstanden bedurfte es auch keiner Verweisung des Rechtsstreits an den Kartellsenat (§ 91 GWB).
6.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO; dabei hat der Senat berücksichtigt, dass dem abgewiesenen Hauptantrag zu 1. nach der Interessenlage beider Parteien ein erhebliches Gewicht zukommt.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO war die Revision zuzulassen. Dem Rechtsstreit kommt grundsätzliche Bedeutung zu, da sich die höchstrichterlich noch ungeklärte Frage der wettbewerbsrechtlichen Verantwortlichkeit der Beklagten für die in Rede stehenden Fehler bei der Ausführung von Umstellungsaufträgen auch künftig in einer Vielzahl von Fällen stellen wird.
OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 14.10.2004
Az: 6 U 169/02
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