Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 19. Juli 2005
Aktenzeichen: III-2 Ws 231/05

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 19.07.2005, Az.: III-2 Ws 231/05)

Tenor

b e s c h l o s s e n :

Die Beschwerde wird als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

Das Landgericht hat durch den angefochtenen Beschluss die Beschwerde des Bezirksrevisors gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 20. Dezember 2004 als unbegründet verworfen und gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 6 Satz 1 RVG die weitere Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht vom 23. August 2004 war Rechtsanwalt ................ auf seinen Antrag dem Angeklagten gemäß § 140 Abs. 2 StPO als Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Rechtsanwalt ............. hatte sich bereits mit Schriftsatz vom 27. Mai 2004 unter Vorlage einer Vollmacht vom 26. Mai 2004 als Wahlverteidiger des Angestellt bestellt.

Das Landgericht hat sich in dem angefochtenem Beschluss auf den Standpunkt gestellt, dass die Vergütung des Pflichtverteidigers nach dem am 1. Juli 2004 in Kraft getretenen RVG zu bemessen sei, weil es für dessen Anwendbarkeit auf die nach diesem Zeitpunkt erfolgte Beiordnung ankomme.

Mit der weiteren Beschwerde verfolgt der Bezirksrevisor seine bereits im Beschwerdeverfahren vertretene Rechtsansicht weiter, nach der die Kostenfestsetzung auf der Grundlage der BRAGO zu erfolgen habe, weil Rechtsanwalt ............. bereits vor dem 1. Juli 2004 als Wahlverteidiger für den Angeklagten tätig geworden sei.

II.

Die nach der Zulassung gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 6 Satz 1 RVG statthafte weitere Beschwerde ist nicht begründet.

- 3 -

Der Senat schließt sich der herrschenden Ansicht in der Rechtsprechung an, wonach es für die Frage der Anwendbarkeit neuen oder alten Rechts in Fällen, in denen der bestellte Pflichtverteidiger vorher als Wahlverteidiger tätig gewesen ist, allein auf den Zeitpunkt der Bestellung des Pflichtverteidigers ankommt (vgl. OLG Hamm Rpfleger 2005, 214, 215 mwN; OLG Schleswig NJW 2005, 234 mwN; OLG Köln, Beschluss vom 18.2.2005 [2 ARs 28/05]; KG Rpfleger 2005, 276, 277; KG, Beschlüsse vom 11.2.2005 [5 Ws 656/04] und 17.2.2005 [5 Ws 633/04]; a.A. OLG Nürnberg, Beschluss vom 31.5.2005 [1 Ws 321/05]; LG Berlin Rpfleger 2005, 54,55).

Gemäß § 61 Abs. 1 RVG sind die Bestimmungen der BRAGO weiter anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit vor dem 1. Juli 2004 erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt gerichtlich bestellt oder beigeordnet worden ist. Nach dem Gesetzestext, der insoweit mit § 134 Abs. 1 Satz 1 BRAGO übereinstimmt, scheinen beide Voraussetzungen, nämlich unbedingte Auftragserteilung einerseits und gerichtliche Beiordnung andererseits, alternativ nebeneinander zu stehen mit dem Ergebnis, dass altes Gebührenrecht anzuwenden wäre, wenn ein vor dem 1. Juli 2004 tätig gewordener Wahlverteidiger nach diesem Stichtag als Pflichtverteidiger bestellt wird. Für die Beurteilung der Frage der Anwendbarkeit des neuen oder alten Rechts ist nach Auffassung des Senats aber ausschließlich der Zeitpunkt der Bestellung des Pflichtverteidigers maßgeblich. Denn die Wirkung der Beiordnung besteht in der Begründung einer öffentlichrechtlichen Pflicht des Rechtsanwalts, bei der ordnungsgemäßen Durchführung des Strafverfahrens durch sachgerechte Verteidigung des Angeklagten mitzuwirken. Spätestens mit dem Bestellungsakt endet der von dem Mandanten erteilte Wahlverteidigerauftrag, denn der Antrag auf Bestellung als Pflichtverteidiger enthält regelmäßig die konkludente Erklärung, die Wahlverteidigung solle mit der Beiordnung enden (vgl. OLG Düsseldorf JurBüro 1996, 189; NStZ 1986, 137; Meyer-Goßner, 48. Aufl., § 142 StPO Rdnr. 7 mwN).

- 4 -

Der Gesetzgeber (vgl. BT-Drucksache 15/1971) hat in Kenntnis des Meinungsstreits zu § 134 Abs. 1 Satz 1 BRAGO für die vorliegende Fallgestaltung ausdrücklich seine Vorstellung formuliert, dass die Gebührenbemessung ausschließlich nach neuem Recht erfolgen soll, wenn der Rechtsanwalt nach Niederlegung des Wahlmandats anschließend zum Pflichtverteidiger bestellt wird, weil dann kein Zusammentreffen mehrerer Tatbestände iSd § 61 Abs.1 Satz 1 RVG vorliege. Soweit sich der Regelungsgehalt einer Vorschrift weder aus ihrem Wortlaut, noch aus ihrem Bedeutungszusammenhang oder anhand ihres Regelungszwecks eindeutig bestimmen lässt, kommt der gesetzgeberischen Begründung jedenfalls dann maßgebliche Bedeutung zu, wenn Gesetzgebung und konkrete Rechtsanwendung zeitlich eng zusammenhängen.

Für die hier vertretene Auffassung spricht im übrigen auch die Regelung des § 48 Abs. 5 Satz 1 RVG, nach der ein Pflichtverteidiger die Vergütung rückwirkend auch für seine frühere Tätigkeit während des Wahlmandats erhält. Demgegenüber kommt dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes des Kostenschuldners, auf den auch der Bezirksrevisor abgehoben hat, keine durchschlaggebende Bedeutung zu, da sich die Bestellung zum Pflichtverteidiger als eigener prozessualer Akt darstellt, dessen gebührenrechtliche Folge der Kostenschuldner hinzunehmen hat (so auch KG Rpfleger 276, 277).

III.

Eine Kosten- und Auslagenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG).






OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 19.07.2005
Az: III-2 Ws 231/05


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