Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. Juni 2003
Aktenzeichen: 27 W (pat) 167/02
(BPatG: Beschluss v. 03.06.2003, Az.: 27 W (pat) 167/02)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Gegen die Eintragung der Wortmarke GAIA für "Bekleidungsstücke, auch aus Leder, Schuhe; Lederwaren, soweit in Klasse 18 enthalten" ist Widerspruch eingelegt aus der prioritätsälteren Wortmarke VILLA GAIA eingetragen unter der Nr 2 053 715 für "Oberbekleidung für Damen, Herren und Kinder; Gürtel, Schals, Taschen, Handschuhe, Mützen, auch aus Leder; Modeschmuck".
Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit zwei Beschlüssen vom 22. Februar 2000 und 23. Mai 2002, von denen einer im Erinnerungsverfahren erging, den Widerspruch zurückgewiesen. Auch im Hinblick auf die teilweise Warenidentität reiche der Abstand der Marken zum Ausschluss einer Verwechslungsgefahr aus. Denn in ihrem Gesamteindruck wiesen die Vergleichsmarken durch den nur in der Widerspruchsmarke anzutreffenden Bestandteil "VILLA" hinreichende klangliche und schriftbildliche Unterschiede auf. Die Widerspruchsmarke werde auch nicht allein durch den Bestandteil "GAIA" geprägt, weil der weitere Bestandteil "VILLA" nicht in den Hintergrund trete; denn dieser Ausdruck sei auf dem Bekleidungssektor weder beschreibend noch aufgrund einer Vielzahl an Drittzeichen verbraucht und in seiner Kennzeichnungskraft geschwächt. Auch eine assoziative Verwechslungsgefahr bestehe nicht, da Umstände dafür, dass der Verkehr den übereinstimmenden Bestandteil "GAIA" als Stammzeichen des Inhabers der älteren Marke ansehe, nicht erkennbar seien.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses anstrebt. Ihrer Auffassung nach wird die Widerspruchsmarke allein durch den Bestandteil "GAIA" geprägt. Denn der weitere Bestandteil "VILLA" sei im Modebereich häufig und daher kennzeichnungsschwach, wofür bereits die Anzahl von 13 Drittzeichen auf diesem Warensektor mit diesem Begriff spreche; im übrigen seien nicht nur Zeichen in der Warenklasse 25 zu berücksichtigen, sondern alle 241 in sämtlichen Klassen eingetragene Marken, da die Verkehrskreise nicht in Waren- und Dienstleistungsklassen denken würden. Der markenmäßige Schwerpunkt der älteren Marke liege daher auf dem Element "GAIA", der wegen der Schwäche des Bestandteils "VILLA" auch derart hervorsteche, dass der Gedanke an ein Serienzeichen nahe liege.
Der Inhaber der angegriffenen Marke hat sich zur Beschwerde nicht geäußert.
In der mündlichen Verhandlung, an welcher der Beschwerdegegner wie vorher angekündigt nicht teilnahm, hat die Beschwerdeführerin ihren Standpunkt aufrechterhalten und vertieft.
II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil die Markenstelle zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt, die Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken im Sinne des §§ 42 Abs 2 Nr 1, 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG verneint hat.
Von ihrem jeweiligen Gesamteindruck, auf den unabhängig vom Prioritätsalter der sich gegenüberstehenden Zeichen grundsätzlich abzustellen ist (vgl EuGH GRUR 1998, 397, 390 Tz 23 - Sabèl/Puma; BGH GRUR 2000, 233 f - Rausch/Elfi Rauch), sind beide Zeichen hinreichend dadurch unterschieden, dass die Widerspruchsmarke den in der jüngeren Marke nicht enthaltenen Zusatz "VILLA" dem gemeinsamen Bestandteil "GAIA" vorangestellt hat.
Entgegen der Ansicht der Widersprechende wird das Widerspruchszeichen auch nicht allein von dem Bestandteil "GAIA" geprägt. Dies wäre nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nur der Fall, wenn diesem Bestandteil in der Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung zukommen würde und er deshalb geeignet wäre, die Erinnerung an das Gesamtzeichen wachzurufen, während die weiteren Elemente der Marke so in den Hintergrund treten, daß sie für den Verkehr an Bedeutung verlieren und zum Gesamteindruck des Zeichens nicht beitragen (vgl BGH, aaO, S 234 - Rausch/Elfi Rauch). Es wird auch von der Widersprechenden nicht in Abrede gestellt, dass der Bestandteil "VILLA" die beanspruchten Waren nicht beschreibt. Soweit die Widersprechende ein Zurücktreten des Bestandteils "VILLA" aus einer Kennzeichnungsschwäche wegen dem Vorhandensein zahlreicher Drittmarken herzuleiten glaubt, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zwar finden sich auf allen Warengebieten zahlreiche Marken, welche in diesen Bestandteil aufweisen; es ist aber entgegen der Auffassung der Widersprechenden anerkannt, dass eine Schwächung der Kennzeichnungskraft eines Zeichens oder eines seiner Bestandteile nur durch Drittzeichen anzunehmen ist, welche in gleichen oder benachbarten Warengebieten, Dienstleistungsbereichen oder Branchen benutzt werden (vgl BGH GRUR 2002, 898, 899 - defacto). Im hier interessierenden Modesektor gibt es aber nur (noch) 13 bestandskräftige Marken, welche ebenfalls diesen Bestandteil haben. Abgesehen davon, dass über deren tatsächliche Benutzung nichts bekannt ist und auch die Widersprechende hierzu nichts vorgebracht hat, kann eine so geringe Anzahl an Drittzeichen nicht die Annahme rechtfertigen, der Bestandteil "VILLA" sei derart kennzeichnungsschwach, daß er vom Verkehr nicht beachtet werde. Sonstige Anhaltspunkte dafür, dass der Verkehr den Bestandteil "VILLA" in der Widerspruchsmarke eher vernachlässigt, sind nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen. Im übrigen hatte es die Widersprechende selbst in der Hand gehabt, den Bestandteil "GAIA" einem eigenständigen Schutz zuzuführen, wenn sie ihn gesondert angemeldet hätte (vgl hierzu Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl, § 14 Rn 709).
Es ist auch nicht zu befürchten, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden, weil der Verkehr, obwohl er die Vergleichsmarken nicht unmittelbar miteinander verwechselt, dem vorhandenen übereinstimmenden Element in beiden Marken einen Hinweis auf den Inhaber der älteren Marke entnimmt, weil die Zeichen in einem Bestandteil übereinstimmen, den der Verkehr als Stamm mehrerer Zeichen eines Unternehmens sieht und deshalb nachfolgende Bezeichnungen, die einen wesensgleichen Stamm aufweisen, dem gleichen Zeicheninhaber zuordnet (vgl BGH WRP 2002, 534, 536 - BIG; BGH WRP 2002, 537, 541 - BANK 24). Denn eine Zeichenserie mit diesem übereinstimmenden Bestandteil besitzt die Widersprechende nicht. Zwar kann ein gedankliches Inverbindungbringen auch vorliegen, wenn trotz Fehlens einer schon vorhandenen Zeichenserie der Verkehr wegen besonderer Umstände diesen Bestandteil als geeignet für die Bildung einer Zeichenserie ansieht (vgl BGH GRUR 1999, 587, 589 - Cefallone; BGH WRP aaO - BIG). Es sind aber vorliegend keine tatsächlichen Umstände vorhanden, aufgrund derer eine solche Annahme des Verkehrs naheläge. Hierfür reicht es jedenfalls nicht allein, dass auf dem hier interessierenden Warensektor soweit ersichtlich nur die beiden Vergleichsmarken bekannt sind, welche den übereinstimmenden Bestandteil "GAIA" enthalten. Denn solange vor der Anmeldung der angegriffenen Marke auf dem Markt nur die aus mehreren Elementen bestehende Widerspruchsmarke vorhanden war, hatte der Verkehr schon keine Veranlassung, ein Element dieser Kombinationsmarke als Stammbestandteil anzusehen, weil der erkennbare Charakter der Marke als aus - wie oben festgestellt wurde - gleichgewichtigen Bestandteilen bestehender Gesamtbegriff einen solchen Schluss nicht nahegelegt hat. Auch das bloße Hinzutreten der angegriffenen Marke kann hieran noch nichts geändert haben, weil der Verkehr daran gewöhnt ist, Marken mit übereinstimmenden Bestandteilen zu begegnen, ohne dass er hieraus allein den Schluss zieht, sie wiesen auf denselben Inhaber hin. Weitere Umstände, welche dem Verkehr einen solchen Schluss nahe legen könnten, etwa eine überdurchschnittliche Benutzung der Widerspruchsmarke wird eine dadurch erlangte gesteigerte Kennzeichnungskraft sind nicht erkennbar und von der Widersprechenden auch nicht vorgetragen.
Sonstige Umstände für das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Da die Markenstelle dem Widerspruch somit zu Recht den Erfolg versagt hat, war die hiergegen gerichtete Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.
Wegen der Kosten des Beschwerdeverfahrens wird auf § 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG verwiesen; Gründe, hiervon abzuweichen, bestehen nicht.
Dr. Schermer Dr. van Raden Schwarz Pü
BPatG:
Beschluss v. 03.06.2003
Az: 27 W (pat) 167/02
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