Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. April 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 159/99

(BPatG: Beschluss v. 13.04.2000, Az.: 25 W (pat) 159/99)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung Min vitalist nach Teillöschung des Warenverzeichnisses vor dem Deutschen Patent- und Markenamt noch für "Diätetische Lebensmittel für medizinische Zwecke (soweit in Klasse 5 enthalten); diätetische Erzeugnisse für nichtmedizinische Zwecke auf der Basis von Vitaminen und Mineralstoffen" eingetragen. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 30. Oktober 1996.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der am 28. Juli 1986 für "Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse" eingetragenen Marke 1 094 634 Mivitase, deren Benutzung bestritten ist, ausgenommen für Vitaminpräparate (Rote Liste, Hauptgruppe 84). Eine weitergehende Benutzung wird von der Widersprechenden nicht geltend gemacht.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in einem Beschluß eine Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Sie hat die Frage der bestrittenen Benutzung der Widerspruchsmarke ausdrücklich dahingestellt sein lassen und ausgeführt, daß aufgrund des engeren Ähnlichkeitsbereichs der Waren nach der Registerlage, einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der Berücksichtigung allgemeiner Verbraucher als Zielgruppe die Einhaltung eines deutlichen Markenabstands von der jüngeren Marke zu fordern sei. Diesen Anforderungen werde die angegriffene dreisilbige Marke "Min vital" wegen ihres von der viersilbigen Widerspruchsmarke "Mivitase" abweichenden Sprech- und Betonungsrhythmus, der unterschiedlichen Vokalfolge und Endlaute gerecht, wobei die jüngere Marke auch wegen der in der Wortmitte vorhandenen Konsonantenverbindung "nv" nicht so flüssig artikulierbar sei wie die Widerspruchsmarke. Verwechslungsmindernd wirke sich zusätzlich aus, daß der Bedeutungsanklang auf Mineralstoffe und Vitamine in der angegriffenen Marke deutlicher zum Ausdruck komme als in der Widerspruchsmarke. Schriftbildlich bestehe ebenfalls aufgrund des zusätzlichen "n" im ersten Teil der angegriffenen Marke, der Endung auf "l" und der bei handschriftlicher Wiedergabe bzw in Normalschrift hiermit verbundenen Oberlänge sowie der charakteristischen Endung "se" der Widerspruchsmarke keine Verwechslungsgefahr.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem sinngemäßen Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Waren befänden sich - wie zutreffend von der Markenstelle ausgeführt worden sei - in einem engen Ähnlichkeitsbereich, so daß strenge Anforderungen an den von der jüngeren Marke einzuhaltenden Markenabstand zu stellen seien. Aufgrund der identischen Vokalfolge und Anfangssilbe "Mi" sowie des gemeinsamen Hinweises auf Mineralstoffe und Vitamine sei ein Grad an Übereinstimmung beider Marken erreicht, der eine Verwechslungsgefahr begründe.

Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Widersprechende räume praktisch ein, daß die Widerspruchsmarke kennzeichnungsschwach sei, da sie auf Mineralstoffe und Vitamine hinweise. Die Vergleichsmarken seien wegen ihrer unterschiedlichen Silbenanzahl, der unterschiedlichen Anfangssilben "Mi" und "Min" und der zusätzlichen, den markanten Zischlaut "s" enthaltenden Endsilbe "se" der Widerspruchsmarke so verschieden, daß selbst bei strengen Anforderungen an den Markenabstand keine Verwechslungsgefahr begründet sei. Im übrigen bestehe zwischen den sich gegenüberstehenden Waren zum Teil sogar eine Warenferne, jedenfalls aber ein gewisser Warenabstand.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß sowie die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG.

In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Der Widerspruch ist deshalb von der Markenstelle zu Recht zurückgewiesen worden.

Der Senat geht bei seiner Entscheidung von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus, wobei weder aus der Sprechsilbe "Mi" noch aus dem weiteren Bestandteil "vit" auf eine Kennzeichnungsschwäche der Gesamtbezeichnung "Mivitase" geschlossen werden kann, selbst wenn unterstellt würde, daß erhebliche Teile des Verkehrs den nur sehr entfernt anklingenden und in die Gesamtbezeichnung eingebundenen warenbeschreibenden Sinnbezug ohne weiteres und ohne analytische Betrachtung aus der Widerspruchsmarke herauslösen und erkennen würden. Denn für die Beurteilung der Kennzeichnungskraft ist allein der durch die Wortverbindung erzielte Phantasiegehalt des Gesamtzeichens maßgebend, welches deshalb selbst bei einer Zusammenziehung mehrerer beschreibender oder aus sonstigen Gründen kennzeichnungsschwacher Angaben eine normale Kennzeichnungskraft besitzen kann (vgl hierzu BGH GRUR 1998, 815, 817 - Nitrangin ). Zu berücksichtigen ist auch, daß es bei pharmazeutischen Erzeugnissen der üblichen Praxis entspricht, Marken in der Weise zu bilden, daß einzelne Zeichenteile Art, Zusammensetzung, Wirkung, Indikation und dergleichen jedenfalls für den Fachmann erkennen lassen (vgl hierzu Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 121 aE; BGH, aaO, - Nitrangin ).

Nachdem der Inhaber der angegriffenen Marke zulässig gemäß § 43 Abs 1 MarkenG die Benutzung der Widerspruchsmarke für alle Waren mit Ausnahme für die Arzneimittelgruppe der Vitaminpräparate bestritten hat und die Widersprechende eine weitergehende Benutzung auch nicht behauptet, ist auf seiten der Widerspruchsmarke für die Intergrationsfrage von diesen Arzneimitteln (HG 84 der RL) auszugehen. Hiernach ist zwar unter Berücksichtigung der bereits vor dem Deutschen Patent- und Markenamt erklärten Beschränkung des Warenverzeichnisses der jüngeren Marke auf "Diätetische Lebensmittel für medizinische Zwecke (soweit in Klasse 5 enthalten); diätetische Erzeugnisse für nichtmedizinische Zwecke auf der Basis von Vitaminen und Mineralstoffen" ausgeschlossen, daß sich die gegenüberstehenden Marken auf identischen Waren begegnen. Allerdings können insbesondere diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke als Waren, welche Arzneimitteln (Vitaminpräparaten) am nächsten kommen, noch einen hohen Ähnlichkeitsgrad aufweisen.

So entspricht es auch ständiger Rechtsprechung der Senate des BPatG, daß insbesondere "diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke" enge Berührungspunkte zu "pharmazeutischen Erzeugnissen" und deshalb eine große Warenähnlichkeit aufweisen können (zB BPatG PAVIS PROMA, Kliems, 25 W (pat) 99/97 BIOGRAN = Biocarn; PAVIS PROMA, Knoll, 25 W (pat) 134/96 - INNOCEPT = IN-NOHEP; PAVIS PROMA, Knoll, 30 W (pat) 144/96 ISI 3 = ISIS; vgl auch Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 11. Aufl, "Diätetische Erzeugnisse" mit weiteren Hinweisen auf die ständige Rspr). Denn wenn diätetische Erzeugnisse einschließlich solcher für medizinische Zwecke auch in erster Linie als diätetische Lebensmittel der Ernährung dienen, so bestehen dennoch deutliche Überschneidungen mit pharmazeutischen Erzeugnissen bei den Herstellerbetrieben, den Vertriebswegen, Verkaufsstätten, insbesondere auch bei den Abgabeformen und Aufmachungen der Produkte sowie der stofflichen Beschaffenheit. Es darf weiterhin nicht vernachlässigt werden, daß diätetische Erzeugnisse für medizinischen Zwecke vor allem auch der Vorbeugung, Linderung und Heilung von Krankheitszuständen dienen und deshalb wegen ihrer medizinischen Zweckbestimmung und der damit verbundenen Berührungspunkte zu pharmazeutischen Erzeugnissen der Warenklasse 5 zugeordnet sind.

Ferner sind vorliegend für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr mangels Festschreibung einer Rezeptpflicht im Warenverzeichnis auch auf Seiten der Widerspruchsmarke die allgemeinen Verkehrskreise uneingeschränkt einzubeziehen, welche pharmazeutische Erzeugnisse - insbesondere auch Vitaminpräparate - häufig im Wege der Selbstmedikation ohne Einschaltung von Fachleuten erwerben. Zu berücksichtigen ist allerdings auch, daß selbst Laien allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegen (BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal) und deshalb nicht auf den flüchtigen Verbraucher abzustellen ist (vgl auch BGH GRUR 1998, 942, 943 li Spalte - ALKA-SELTZER).

Selbst wenn danach unter Berücksichtigung dieser Umstände zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG noch strenge Anforderungen an den von der jüngeren Marke einzuhaltenden Markenabstand zu stellen sind, so werden diese auch nach Auffassung des Senats in jeder Hinsicht noch eingehalten.

So kommt zwischen der Widerspruchsmarke "Mivitase" und der angegriffenen Mehrwortmarke "Min vital" eine Verwechslungsgefahr nur ernsthaft in klanglicher Hinsicht in Betracht, da im Schriftbild zu den Abweichungen in Anzahl und Kontur der Buchstaben noch die getrennte Schreibweise nur der angegriffenen Marke hinzukommt und hierdurch eine hinreichende Unterscheidung der Markenwörter gewährleistet ist. Hierbei ist auch noch zu berücksichtigen, daß die Marken im Schriftbild erfahrungsgemäß mit etwas größerer Sorgfalt wahrgenommen werden als im Wortklang, der häufig einen eher flüchtigen Eindruck vermittelt.

Aber auch in klanglicher Hinsicht unterscheiden sich die Markenwörter "Min vital" und Mivitase" in ihrem Gesamteindruck bereits wesentlich durch den mit der abweichenden Silbenanzahl verbundenen unterschiedlichen Sprechrhythmus. Hinzu kommt, daß die Marken mit Ausnahme der zweiten Silbe einen deutlich abweichenden Silbenaufbau aufweisen, insbesondere in den regelmäßig stärker beachteten jeweiligen Anfangssilben. So enthält nur die Anfangssilbe der angegriffenen Marke zusätzlich den Konsonanten "n", der nicht nur die Sprechweise des vorangehenden Vokals "i" beeinflußt und im Gegensatz zur Widerspruchsmarke zu einer verkürzten Sprechweise des Vokals führt, sondern zusätzlich und anders als bei der Widerspruchsmarke wegen des folgenden konsonantischen Anlauts "v" eine deutlich abgesetzte Sprechweise der zudem noch getrennt geschriebenen Markenbestandteile "Min vital" bewirkt. Berücksichtigt man ferner, daß auch die Endsilbe der Widerspruchsmarke "se", welche den klangstarken Laut "s" enthält, in der jüngeren Marke keine Entsprechung findet, so ist selbst bei ungünstigen Übermittlungsbedingungen oder einer undeutlicheren Artikulation der Markenwörter eine hinreichende klangliche Unterscheidung der Marken gewährleistet und deshalb eine Verwechslungsgefahr zu verneinen (vgl auch PAVIS PROMA, Kliems, 30 W (pat) 29/99 - VITACE ­ Mivitase). Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob der in der angegriffenen Marke etwas deutlicher als in "Mi" zum Ausdruck kommende Sinnanklang von "Min" für "Mineralien" in Verbindung mit dem als selbständiges Wort enthaltenen, jedermann geläufigen Begriff "vital" zusätzlich eine Orientierungshilfe bietet und deshalb verwechslungsmindernd wirkt.

Nach alledem war die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.

Kliems Knoll Engels Pü






BPatG:
Beschluss v. 13.04.2000
Az: 25 W (pat) 159/99


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