Landgericht Bielefeld:
Urteil vom 23. April 2013
Aktenzeichen: 23.04.2013

(LG Bielefeld: Urteil v. 23.04.2013, Az.: 23.04.2013)

Tenor

1. Der Beklagten wird es untersagt, hinsichtlich der von ihr angebotenen Kondome im geschäftlichen Verkehr zu werben mit: "KONDOME - Made in Germany"wie geschehen auf ihrer Homepage www.amor.ag wie nachstehend abgebildet

2. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht, wobei das einzelne Ordnungsgeld den Betrag von 250.000,00 €, die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf und letztere an den Geschäftsführern der Beklagten zu vollziehen ist.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Kosten in Höhe von 1.580,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.03.2013 zu zahlen.

4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

5. Das Urteil ist zu 3. und 4. vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages; im übrigen ist es gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 75.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Beide Parteien stellen Kondome auf der Grundlage des im Ausland gewonnenen Rohstoffs Latex her und vertreiben sie deutschlandweit und darüber hinaus. Die Klägerin ist seit 1948 am Markt vertreten und bietet die seit Oktober 1995 in ihrer Produktionsstätte in C. produzierten und verpackten Kondome insbesondere unter der Marke "S." an. Die Beklagte ist seit 1968 am Markt und hat seit 2011 ihren Sitz in B.. Sie ist seit 1997 ununterbrochen als Medizinproduktehersteller zertifiziert; mindestens einmal jährlich findet bei der Beklagten eine Auditierung durch den TÜV Rheinland statt.

Die Herstellung von Kondomen verläuft üblicherweise in sieben Produktionsschritten:

1. Eintauchen einer geeigneten Form in speziell aufbereitetes flüssiges Naturkautschuklatex;

2. Trocknen (Vulkanisieren) des nach dem Austauchen der Form anhaftenden flüssigen Gummifilms;

3. Abziehen des durch Vulkanisation verfestigten Gummifilms von der Form;

4. Waschen des Produkts; Beschichten der Oberfläche mit Puder etc.;

5. Trocknen des gewaschenen Produkts;

6. elektrische Einzelprüfung auf Dichtheit;

7. Aufrollen des Kondoms zum Abschluss der Herstellung.

Nach ihrer unbestritten gebliebenen Darstellung führt die Klägerin sämtliche dieser sieben Herstellungsschritte in ihrer Produktionsstätte in C. aus. Die Beklagte hingegen bezieht aus dem Naturprodukt Latex bestehende sog. Rohlinge, die auch als "Bulk-Ware" bezeichnet werden, aus dem Ausland. Nach Wareneingangsprüfung im Werk der Beklagten werden diese Rohlinge, sofern sie anders als die sog. "trockenen Kondome" als sog. "feuchte Kondome" vertrieben werden sollen, befeuchtet. Die Produkte werden in eine Folie eingeschweißt und die entsprechenden Kennzeichnungen (u.a. Chargennummer, Verfallsdatum und CE-Zeichen) auf dieser Folie aufgebracht. Eine oder mehrere dieser Einzelpackungen werden mit einem Beipackzettel versehen in eine Faltschachtel aus Karton verpackt und die Verbraucherpackung sodann derart verschlossen, dass auf den Inhalt nicht mehr unberechtigt zugegriffen werden kann. Ferner erfolgt bei der Beklagten in B. die Qualitätskontrolle entsprechend den deutschen Anforderungen, wobei alle in den normativen Anhängen der DIN ISO 4047 beschriebenen Prüfungen im dortigen Prüflabor stattfinden. Bei diesen stichprobenartigen Chargenprüfungen nach den Produktionsschritten Befeuchtung und Einsiegeln werden u.a. die Eigenschaften Reißfestigkeit und Dichtigkeit ermittelt.

Ende Januar 2012 wurde die Klägerin darauf aufmerksam, dass die Beklagte in ihrem Internetauftritt für die von ihr angebotenen Kondome mit der in Siegelform aufgemachten Behauptung "Kondome - Made in Germany" warb. Nach fruchtlos gebliebener Abmahnung erwirkte die Klägerin eine einstweilige Verfügung gegen die Beklagte (Beschlussverfügung vom 21.02.2012, bestätigt durch Urteil der Kammer vom 30.03.2012 in Verbindung mit dem Berufungsurteil des OLG Hamm vom 20.11.2012, 15 O 23/12 LG Bielefeld/I-4 U 95/12 OLG Hamm), die inhaltlich Ziffer 1 und 2 dieses Urteils entspricht. Das vorliegende Verfahren ist die -um einen Klageantrag auf Zahlung der Kosten des Abschlußschreibens nach einem Gegenstandswert von bis zu 80.000,00 €- erweiterte Hauptsacheklage, nachdem die Beklagte der Aufforderung zur Abgabe einer Abschlußerklärung nicht nachkam.

Die Klägerin steht, mit näherer Darlegung im einzelnen, auf dem Standpunkt, dass die Werbung der Beklagten für die von ihr vertriebenen Kondome mit dem Slogan "Kondome - Made in Germany" irreführend gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG sei (Irreführung über die geografische Herkunft).

Sie beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, so werben zu dürfen wie geschehen; eine Irreführung liege nicht vor: Das von ihr bezogenen Vorprodukt sei noch nicht verkehrsfähig; in finanzieller Hinsicht machten die bezogenen Rohlinge nur rund 19 % des Verkaufspreises aus. Erst durch Bearbeitung der Vorprodukte in ihrer Produktionsstätte in B., einschließlich Prüfung und Siegelung in verschiedenen Formen, werde die Verkehrsfähigkeit hergestellt. Das berechtige zur Werbung mit "Made in Germany". Das Herkunftsland des Vorprodukts sei demgegenüber nicht entscheidend; vielmehr komme es darauf an, dass durch die Herstellungsschritte in der deutschen Produktionsstätte der Beklagten den Anforderungen des deutschen Medizinproduktgesetzes und den deutschen Qualitätsanforderungen Genüge getan werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu; daneben ist auch die Forderung auf Zahlung von Kosten für das Abschlußschreiben in Höhe von 1.580,00 € berechtigt. Im einzelnen:

1. Der titulierte Unterlassungsanspruch ergibt sich aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1; 3; 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG. Dass die Klägerin als Mitbewerberin (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG) der Beklagten anspruchsberechtigt ist, steht ebenso außer Streit wie der Umstand, dass die beanstandete Werbung der Beklagten eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG darstellt. Diese geschäftliche Handlung ist unlauter im Sinne von §§ 8 Abs. 1; 3 Abs. 1 UWG. Denn die Aussage "Made in Germany" erfüllt in der konkret angegriffenen Verwendung den Tatbestand der Irreführung nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG. Nach den Ausführungen des OLG Hamm im vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren (Urteil vom 20.11.2012, I-4 U 95/12), denen die Kammer beitritt, beruht dies insbesondere auf folgendem:Die Aussage ist irreführend im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG, da durch sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen ein unrichtiger, da von den tatsächlichen Gegebenheiten abweichender Eindruck über die geografische Herkunft der von der Beklagten vertriebenen Kondome vermittelt wird. Wie eine Werbung verstanden wird, hängt maßgeblich von der Auffassung des Personenkreises ab, an den sie sich richtet. Die in Rede stehende Werbung richtet sich an jeden potentiellen Käufer eines Kondoms. Ihr Adressat ist also das allgemeine Publikum, mithin im Prinzip jedermann, und dessen Verkehrsauffassung kann der erkennende Richter aufgrund eigener Sachkunde beurteilen, ohne dass es hierfür besonderer Sachkunde bedürfen würde.Durch den -mit der optisch auffallende Darstellung über eine schlichte Angabe von Produkteigenschaften hinausgehenden- Hinweis auf das besondere Merkmal "Kondome - Made in Germany" vermittelt die Beklagte dem Verbraucher den Eindruck, die von ihr vertriebenen Kondome seien in Deutschland hergestellt worden. Denn die Aussage bezieht sich konkret auf die Produkte "Kondome" und stellt durch die Verwendung des geläufigen Anglizismus "Made in Germany" deren Fertigungsprozess in Deutschland besonders heraus. Hierdurch wird die Erwartung des Verbrauchers begründet, alle wesentlichen Fertigungsschritte des in Rede stehenden Industrieproduktes seien in Deutschland erfolgt (vgl. OLG Düsseldorf BeckRS 2011, 13055 zum Hinweis "produziert in Deutschland"), zumindest habe jedoch der maßgebliche Herstellungsvorgang, bei dem die Ware die bestimmenden Eigenschaften erhalte, die für die Wertschätzung des Verkehrs im Vordergrund stehen, in Deutschland stattgefunden.Diese Verbrauchererwartung erweist sich als falsch. Unstreitig finden nicht alle und noch nicht einmal der überwiegende Teil der wiedergegebenen sieben Herstellungsschritte für Kondome im Werk der Beklagten in Deutschland statt. Es kann noch nicht einmal festgestellt werden, dass der maßgebliche Herstellungsschritt, durch den die Kondome diejenigen Eigenschaften erhalten, derentwegen sie der Verbraucher als deutsche Leistung besonders Wert schätzt, in Deutschland erfolgt. Denn der einzig in Deutschland stattfindende Herstellungsschritt, den die Beklagte insoweit anführt, ist die unterschiedliche Befeuchtung des Teils der Produkte, die von ihr neben den sog. "trockenen Kondomen" als sog. "feuchte Kondome" vertrieben werden. Hierin liegt "nur" die Fertigung einer Alternative des Endprodukts Kondom. Dies rechtfertigt jedoch nicht die generelle Bezeichnung der Kondome als "Made in Germany", ohne dass es darauf ankommt, ob die "Befeuchtung" der oder auch nur ein maßgeblicher Herstellungsschritt ist.Das gekennzeichnete Einsiegeln, die Verpackung und die Qualitätskontrolle (stichprobenartige Chargenprüfungen nach Maßgabe der Norm DIN ISO 4047) haben mit der Herstellung des eigentlichen Endproduktes Kondom -und dessen Fertigung in Deutschland erwartet der Verbraucher aufgrund der konkreten Formulierung der in Rede stehenden Werbung- nichts mehr zu tun. Im Gegenteil setzen sie die abgeschlossene Fertigung des Endproduktes voraus. Das wird besonders bei der Beschreibung der Qualitätskontrolle durch die Beklagte deutlich. Dort wird "nur" nachgeprüft, ob die für die Wertschätzung des Verbrauchers maßgeblichen Kriterien der Reißfestigkeit und Dichtigkeit der Kondome erfüllt sind. Diese Eigenschaften aber erhalten die Produkte allein durch den bereits im Ausland abgeschlossenen Herstellungsprozess der sog. Rohlinge und nicht mehr nachträglich im Werk der Beklagten in Deutschland. Die vorbeschriebenen Schritte im deutschen Werk der Beklagten sind zweifellos von Belang, dies jedoch im wesentlichen für das Inverkehrbringen als Medizinprodukt "Kondom aus Naturkautschuklatex" nach den Vorschriften des deutschen Medizinproduktegesetzes. Der Verkehr mag darüber hinaus die Einhaltung dieser Vorschriften und deren Überprüfung durch die Beklagte als deutschem Unternehmen schätzen. Das aber sind nicht die wesentlichen Herstellungsschritte im Sinne der zitierten Rechtsprechung. In Deutschland vorgenommene Qualitätsprüfungen sind nicht mit Herstellung in Deutschland gleichzusetzen.Auch der Hinweis der Beklagten, die im Ausland bezogenen Vorprodukte machten vom Preis her nur 19 % des Verkaufsproduktes der Kondome aus, ändert nichts daran, dass die wesentlichen Herstellungsschritte noch nicht in Deutschland stattfinden. Zum einen verschiebt sich der prozentuale Anteil bereits, wenn der Unternehmergewinn herausgerechnet würde; zum anderen wirken sich die vielfach deutlich niedrigeren Produktionskosten im Ausland aus.Die nach allem anzunehmende Irreführung ist auch wettbewerblich relevant im Sinne des § 5 UWG. Allein aufgrund des Hervorrufens einer Fehlvorstellung kann auf die wettbewerbliche Relevanz der Irreführung geschlossen werden. Denn es kann gerade nicht davon ausgegangen werden, dass der in Rede stehende Umstand nur eine unwesentliche Bedeutung für das Marktverhalten der Kunden hat.Die Wiederholungsgefahr wird aufgrund des bereits verwirklichten Verstoßes tatsächlich vermutet. Da die Beklagte keine Unterwerfungs- oder Abschlußerklärung abgegeben hat, besteht sie fort.Die Androhung der Ordnungsmittel hat ihre Grundlage in § 890 ZPO.

2. Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass die für die Aufforderung zur Abgabe einer Abschlußerklärung nach erwirkter einstweiliger Verfügung entstandenen (Anwalts-) Kosten vom Unterlassungsschuldner zu ersetzen sind, und zwar in der Regel in Höhe einer auch hier eingeklagten 1,3-Geschäftsgebühr. Bei Zugrundelegung eines angemessenen Gegenstandswerts von 75.000,00 € (im einstweiligen Verfügungsverfahren ist der Streitwert unangefochten auf 50.000,00 € festgesetzt worden) führt das einschließlich Post- und Telekommunikationspauschale zum ausgeurteilten Betrag von 1.580,00 €. Der Zinsanspruch folgt insoweit aus § 291 BGB.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.






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