Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. Oktober 2006
Aktenzeichen: 25 W (pat) 15/04

(BPatG: Beschluss v. 02.10.2006, Az.: 25 W (pat) 15/04)

Tenor

1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. November 2003 ist wirkungslos, soweit über den Widerspruch aus der Marke 2 089 577 entschieden worden ist.

2. Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke gegen den Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. November 2003 wird zurückgewiesen, soweit die Löschung der Dienstleistungen wegen des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 30 072 angeordnet worden ist.

3. Auf die Anschlussbeschwerde der aus der Gemeinschaftsmarke 30 072 Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. November 2003 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 30 072 für die Dienstleistungen "computergestützte elektronische Informations- und Kommunikationsdienste; interaktive Beratungsdienstleistungen, insbesondere elektronische Abfragen im Zusammenhang mit Börsengeschäften" zurückgewiesen worden ist. Die angegriffene Marke 301 05 662 ist wegen des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 30 072 auch insoweit zu löschen.

Gründe

I.

Die am 29. Januar 2001 angemeldete und am 19. April 2001 eingetragene Marke 301 05 662 INVESTRO ist nach einer Teillöschung nunmehr noch für die Waren und Dienstleistungen

"Programme für die Datenverarbeitung und für die Lieferung von Daten; mit Programmen und sonstigen Daten versehene Datenträger, soweit in Klasse 9 enthalten; Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Börsenwesen; Darstellung von Informationen im Zusammenhang mit Börsengeschäften; Telebanking; Telekommunikation; Liefern und Übertragen von Daten; Übermitteln von Wertpapierkauf- und Wertpapierverkaufsaufträgen; computergestützte elektronische Informations- und Kommunikationsdienste; Bereitstellen von Informationen in elektronischen Netzwerken; interaktive Beratungsdienstleistungen, insbesondere elektronische Abfragen im Zusammenhang mit Börsengeschäften; Ausbildung; Veranstaltung von Lehrgängen und Seminaren; Veröffentlichung von Informationen im Zusammenhang mit Börsengeschäften; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Entwicklung und Implementierung von Programmen für die Datenverarbeitung; Sammeln, Speichern, Zusammenstellen, Verarbeiten, Aktualisieren und Analysieren von Daten; Betrieb eines computerunterstützten Börsenhandels- und Entscheidungssystems; Betrieb von Suchsystemen in Computernetzwerken, einschließlich des Internets; Betrieb eines Informationssystemes in elektronischen Netzwerken für Börsengeschäfte; Betrieb einer Datenbank, einschließlich der Vermietung der Zugriffszeiten; Aufbau, Bereitstellung, Betrieb von Netzwerken und von Telekommunikationsnetzen"

geschützt.

Die Inhaberin der am 1. April 1996 angemeldeten und am 14. Oktober 1999 eingetragenen Gemeinschaftsmarke 30 072 INVESCO hat dagegen Widerspruch erhoben und im Widerspruchsformular erklärt, dass sich der Widerspruch gegen "alle identischen Waren und/oder Dienstleistungen" richte. Im Beschwerdeverfahren erklärt die Widersprechende, dass sich ihr Widerspruch gegen die folgenden Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke richte:

"Börsenwesen; Darstellung von Informationen im Zusammenhang mit Börsengeschäften; Übermitteln von Wertpapierkauf- und Wertpapierverkaufsaufträgen; Veröffentlichung von Informationen im Zusammenhang mit Börsengeschäften; Betrieb eines computerunterstützten Börsenhandels- und Entscheidungssystems; Betrieb eines Informationssystemes in elektronischen Netzwerken für Börsengeschäfte; computergestützte elektronische Informations- und Kommunikationsdienste; interaktive Beratungsdienstleistungen, insbesondere elektronische Abfragen im Zusammenhang mit Börsengeschäften."

Daneben wurde von ihr auch Widerspruch aus der inzwischen gelöschten Wortbild-Marke 2 089 577 "INVESCO" gegen "alle identischen Waren und/oder Dienstleistungen" eingelegt, der mit Eingabe vom 19. Dezember 2003 zurückgenommen wurde.

Die Gemeinschaftsmarke 30 072 ist für die Dienstleistungen

"Finanzwesen, Investment- und Spargeschäfte, Vermittlung von Vermögensanlagen, im wesentlichen in Fonds, in Immobilien, in Gesellschaften, in Aktien und/oder Geld, Vermögensverwaltung"

geschützt.

Bereits während des Widerspruchsverfahrens vor dem DPMA hat die Inhaberin der angegriffenen Marke auf die ihrer Ansicht nach identischen oder sehr ähnlichen Dienstleistungen "Finanzwesen; Geldgeschäfte; Dienstleistungen eines Finanz- und Wertpapiermaklers; Handel mit Fondsanteilen; Handel und Vermittlung von Wertpapieren" verzichtet.

Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 10. November 2003 durch eine Prüferin des höheren Dienstes die angegriffene Marke wegen der beiden Widersprüche teilweise gelöscht, nämlich für "Börsenwesen; Darstellung von Informationen im Zusammenhang mit Börsengeschäften; Übermitteln von Wertpapierkauf- und Wertpapierverkaufsaufträgen; Veröffentlichung von Informationen im Zusammenhang mit Börsengeschäften; Betrieb eines computerunterstützten Börsenhandels- und Entscheidungssystems; Betrieb eines Informationssystemes in elektronischen Netzwerken für Börsengeschäfte", und im Übrigen die beiden Widersprüche zurückgewiesen.

Die Markenstelle geht von durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken aus. Die Dienstleistungen "Börsenwesen; Darstellung von Informationen im Zusammenhang mit Börsengeschäften; Übermitteln von Wertpapierkauf- und Wertpapierverkaufsaufträgen; Veröffentlichung von Informationen im Zusammenhang mit Börsengeschäften; Betrieb eines computerunterstützten Börsenhandels- und Entscheidungssystems; Betrieb eines Informationssystemes in elektronischen Netzwerken für Börsengeschäfte" seien als ähnlich zu den von den Widerspruchsmarken beanspruchten Dienstleistungen "Finanzwesen, Investment- und Spargeschäfte, Vermittlung von Vermögensanlagen, im wesentlichen in Fonds, Vermögensverwaltung" einzustufen. Im Hinblick auf die im engsten Ähnlichkeitsbereich liegenden Dienstleistungen sei ein erhöhter Abstand der gegenüberliegenden Marken erforderlich, um die Gefahr von Verwechslungen zu vermeiden. Die angegriffene Marke halte diesen Abstand nicht ein. Die Wörter stimmten in Silbenzahl und Vokalfolge überein und kämen sich sowohl im Sprechrhythmus als auch im Gesamtklangbild verwechselbar nahe. Die Übereinstimmungen überwögen derart, dass die abweichenden Verbindungskonsonanten die Gefahr klanglicher Verwechslungen bei diesen Dienstleistungen nicht mehr ausschließen könnten. Die übrigen Dienstleistungen seien nicht als ähnlich zu denen der Widerspruchsmarken einzustufen. Insbesondere reiche es nicht aus, dass Finanzdienstleistungen auch unter Zuhilfenahme von Datenverarbeitungsprogrammen erbracht werden, da EDV nahezu in allen Gebieten eingesetzt werde.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat dagegen Beschwerde eingelegt und beantragt (sinngemäß), den Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. November 2003 aufzuheben, soweit die Löschung der Marke 301 05 662 angeordnet worden ist, und den Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke Nr. 30 072 zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass sich der Widerspruch ursprünglich nur gegen identische Dienstleistungen gerichtet habe, die in ihrem Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen nicht mehr enthalten seien. Damit der Widerspruch zulässig und nicht zu unbestimmt sei, sei eine enge Auslegung anzunehmen. Der Umfang des Widerspruchs sei zumindest bestimmbar gewesen, nämlich dahingehend, dass alles, was formal identisch sei, mit dem Widerspruch angegriffen werde. Die Erklärung der Beschwerdegegnerin vom 7. März 2006, nach der sich der Widerspruch gegen bestimmte Dienstleistungen richte, sei außerhalb der Widerspruchsfrist abgegeben worden und könne den ursprünglich nur gegen identische Dienstleistungen gerichteten Widerspruch nicht erweitern.

Zwischen den sich gegenüberstehenden Dienstleistungen bestehe keine oder allenfalls nur eine geringe Ähnlichkeit. Endkunden der von der Anmelderin unter der Bezeichnung "INVESTRO" angebotenen Dienstleistungen seien ausschließlich Finanzdienstleister. Die Anmelderin biete unter dieser Bezeichnung ein vollelektronisches Fondsabwicklungssystem an. Es werde von Finanzdienstleistern, z. B. Banken, zur Abwicklung von Fondsgeschäften eingesetzt. Die Bezeichnung "INVESCO" werde von der Widersprechenden dagegen unmittelbar zur Kennzeichnung einer Kapitalanlagegesellschaft und der von dieser emittierten Fonds eingesetzt. Die Widersprechende erbringe ihre Dienstleistungen - also den Absatz eigener Fonds - überwiegend direkt gegenüber Verbrauchern. Bei den sich gegenüber stehenden Dienstleistungen handele es sich somit um Dienstleistungen unterschiedlicher "Herstellungsstufen", die gegenüber unterschiedlichen Abnehmern erbracht würden. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit komme es auf die Auffassung der Finanzdienstleister an, bei denen es sich um Fachkreise handele, die zwischen den von Finanzdienstleistern erbrachten Finanzdienstleistungen und den Dienstleistungen, denen sich Finanzdienstleister bedienten, trennen könnten. Eine markenrechtlich relevante Ähnlichkeit zwischen den sich gegenüberstehenden Dienstleistungen bestehe daher nicht. Eine Zuordnung der von der Markenstelle gelöschten Dienstleistungen zu dem breit gefächerten Oberbegriff "Finanzwesen" sei nicht ausreichend, um eine die Verwechslungsgefahr begründende Ähnlichkeit anzunehmen.

Es bestehe auch keine Ähnlichkeit der sich gegenüber stehenden Zeichen. Die Ähnlichkeiten beschränkten sich auf den beschreibenden Bestandteil "invest", was für eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr nicht ausreiche. Außerdem wiesen die Marken klangliche und schriftbildliche Unterschiede auf, die von den beteiligten Verkehrskreisen wahrgenommen würden. Darüber hinaus sei der Fachverkehr sorgfältig und es gewohnt, auf Unterschiede zu achten. Die Kennzeichnungsschwäche und das Freihaltungsbedürfnis des Bestandteils "INVEST" führten außerdem dazu, dass der Schutzumfang der Marke "INVESCO" eng zu bemessen sei.

Die Widersprechende hat Anschlussbeschwerde eingelegt und beantragt, die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke zurückzuweisen und die Eintragung der Marke 301 05 662 auch für die Dienstleistungen "computergestützte elektronische Informations- und Kommunikationsdienste; interaktive Beratungsdienstleistungen, insbesondere elektronische Abfragen im Zusammenhang mit Börsengeschäften" zu löschen.

Die Beschwerdegegnerin ist der Ansicht, dass ihre Erklärung, der Widerspruch richte sich gegen "Börsenwesen; Darstellung von Informationen im Zusammenhang mit Börsengeschäften; Übermitteln von Wertpapierkauf- und Wertpapierverkaufsaufträgen; Veröffentlichung von Informationen im Zusammenhang mit Börsengeschäften; Betrieb eines computerunterstützten Börsenhandels- und Entscheidungssystems; Betrieb eines Informationssystemes in elektronischen Netzwerken für Börsengeschäfte; computergestützte elektronische Informations- und Kommunikationsdienste; interaktive Beratungsdienstleistungen, insbesondere elektronische Abfragen im Zusammenhang mit Börsengeschäften" keine Erweiterung darstelle, da ihr Widerspruch gegen die identischen Dienstleistungen nicht formal zu verstehen sei, sondern inhaltlich, also alles angegriffen sei, was unter Finanzwesen falle. Die gelöschten Dienstleistungen sowie diejenigen, gegen die sich die Anschlussbeschwerde richte, seien mit den Dienstleistungen der Widerspruchsmarke ähnlich. Es komme auf die eingetragenen Dienstleistungen an. "Finanzwesen" richte sich sowohl an den Fachverkehr als auch an Laien. Auch würden Finanzdienstleistungen in elektronischen Netzwerken angeboten, so dass eine erhebliche Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Dienstleistungen bestehe. Die Widerspruchsmarke besitze zumindest normale Kennzeichnungskraft. "INVES" könne nicht mit "INVEST" gleichgesetzt werden. Es sei davon auszugehen, dass die relevanten Verkehrskreise die Marken klanglich verwechselten. Im Hinblick auf die Identität und teilweise hochgradige Ähnlichkeit der zu vergleichenden Dienstleistungen sei ein großer Abstand der jüngeren Marke zu der Widerspruchsmarke erforderlich, um die Gefahr von Verwechslungen auszuschließen. Dieser werde nicht eingehalten.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt weiterhin, die Anschlussbeschwerde zurückzuweisen.

Sie nimmt insoweit in der Sache noch dahingehend Stellung, dass auch hinsichtlich der von Softwareunternehmen erbrachten Dienstleistungen, welche mit der Anschlussbeschwerde angegriffen seien, keine Ähnlichkeit mit den Dienstleistungen der Widerspruchsmarke vorliege.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. November 2003 ist gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog wirkungslos, soweit über den Widerspruch aus der Marke 2 089 577 entschieden worden ist, denn die Widersprechende hat den Widerspruch aus dieser Marke vor Rechtskraft des Beschlusses mit Eingabe vom 19. Dezember 2003 zurückgenommen (vgl. dazu BGH Mitt 1998, 264 - Puma).

2. Die zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke gegen den Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. November 2003, hat hinsichtlich der Löschung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 30 072 in der Sache keinen Erfolg.

Auch wenn die Widersprechende in ihrem Widerspruchsschriftsatz erklärt hat, dass sich der Widerspruch gegen alle identischen Waren und Dienstleistungen richte, handelt es sich entgegen der Ansicht der Inhaberin der angegriffenen Marke vorliegend um einen unbeschränkten Widerspruch. Nach § 65 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG i. V. m. § 30 Abs. 1 MarkenV muss ein Widerspruch Angaben enthalten, die es erlauben, die Identität der angegriffenen Marke, der Widerspruchsmarke sowie des Widersprechenden festzustellen. Dagegen handelt es sich bei der Angabe der Waren und Dienstleistungen, gegen die der Widerspruch sich richtet, um keine zwingende Vorschrift (§ 65 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG i. V. m. § 30 Abs. 2 Nr. 11 MarkenV). Es besteht daher entgegen der Ansicht der Inhaberin der angegriffenen Marke auch kein Anlass, anzunehmen, der Widerspruch sei nur dann zulässig, wenn man sich für die engste formale Auslegung entscheidet, die im Zweifel deshalb gewollt sei, nämlich dass nur die sprachlich identisch formulierten Begriffe angegriffen seien. So wird z. B. die bei Widerspruchserhebung regelmäßig verwendete Formulierung "gegen alle identischen (gleichen) oder ähnlichen (gleichartigen) Waren/Dienstleistungen" als Angriff gegen alle Waren/Dienstleistungen ausgelegt. Eine Beschränkung auf die erst durch die Widerspruchsentscheidung als solche festgestellten identischen oder ähnlichen Waren/Dienstleistungen würde nämlich eine für Verfahrenserklärungen unzulässige Rechtsbedingung bedeuten (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. § 42 Rdn. 33). Entsprechendes gilt auch vorliegend, da die Formulierung "gegen alle identischen Waren und Dienstleistungen" zu unbestimmt ist und deshalb keine zulässige Beschränkung des Widerspruchs darstellt.

Hierfür spricht bereits, dass das Wort "identisch" im hier maßgeblichen Zusammenhang nicht eindeutig ist, da damit einerseits die identisch formulierten Dienstleistungen gemeint sein könnten, also nur die zum Zeitpunkt der Widerspruchseinlegung noch eingetragenen Dienstleistungen "Finanzwesen", andererseits aber auch alle Dienstleistungen, die dem Inhalt nach identisch sein könnten oder die in Teilbereichen sich mit den Dienstleistungen der Widersprechenden überschneiden könnten. Die engste Auslegung, dass nur die identisch formulierten Dienstleistungen gemeint sein sollten, wird der Widerspruchserklärung nicht gerecht, da alle identischen Dienstleistungen angegriffen werden sollten und nicht nur der identisch formulierte Dienstleistungsbegriff "Finanzwesen". Die weitere Auslegung, dass alle die Dienstleistungen angegriffen werden sollten, die sich irgendwie überschneiden könnten, ist vorliegend keine hinreichend bestimmte Einschränkung und würde auch eine für Verfahrenserklärungen unzulässige Rechtsbedingung bedeuten. Dies gilt umso mehr als die Beteiligten auch darüber streiten, ob die verbleibenden, in Rede stehenden Dienstleistungen identisch sein können. Hinzu kommt, dass nach der vorliegenden Widerspruchserklärung auch identische Waren angegriffen werden sollten, obwohl nur die angegriffene Marke, nicht aber die Widerspruchsmarke für Waren eingetragen ist. Dies ist ein weiteres Indiz dafür, dass nicht nur sprachlich identisch formulierte Begriffe angegriffen werden sollten. Die Einschränkung des Widerspruchs auf identische Waren und Dienstleistungen ist im vorliegenden Fall daher so unbestimmt, dass diese Einschränkung unzulässig ist und insgesamt von einem zunächst unbeschränkt eingelegten Widerspruch auszugehen ist. Da bei der Widerspruchseinlegung die Angabe, gegen welche Waren und Dienstleistungen sich der Widerspruch richtet, keine zwingende Angabe ist, führt die Unklarheit der vorliegenden Erklärung nur zur Unwirksamkeit der Einschränkung, nicht aber zur Unzulässigkeit des Widerspruchs.

Erst mit der Eingabe vom 7. März 2006 wurde er auf bestimmte Dienstleistungen eingeschränkt, nämlich auf die nach Beschwerde und Anschlussbeschwerde noch in Streit stehenden Dienstleistungen "Börsenwesen; Darstellung von Informationen im Zusammenhang mit Börsengeschäften; Übermitteln von Wertpapierkauf- und Wertpapierverkaufsaufträgen; computergestützte elektronische Informations- und Kommunikationsdienste; interaktive Beratungsdienstleistungen, insbesondere elektronische Abfragen im Zusammenhang mit Börsengeschäften; Veröffentlichung von Informationen im Zusammenhang mit Börsengeschäften; Betrieb eines computerunterstützten Börsenhandels- und Entscheidungssystems; Betrieb eines Informationssystemes in elektronischen Netzwerken für Börsengeschäfte".

Die Markenstelle des DPMA hat hinsichtlich der Dienstleistungen "Börsenwesen; Darstellung von Informationen im Zusammenhang mit Börsengeschäften; Übermitteln von Wertpapierkauf- und Wertpapierverkaufsaufträgen; Veröffentlichung von Informationen im Zusammenhang mit Börsengeschäften; Betrieb eines computerunterstützten Börsenhandels- und Entscheidungssystems; Betrieb eines Informationssystemes in elektronischen Netzwerken für Börsengeschäfte" zutreffend eine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG bejaht. Diese Dienstleistungen sind mit den Dienstleistungen "Finanzwesen, Investment- und Spargeschäfte, Vermittlung von Vermögensanlagen, im wesentlichen in Fonds, in Immobilien, in Gesellschaften, in Aktien und/oder Geld, Vermögensverwaltung" identisch bzw ähnlich. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der beiderseitigen Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Dienstleistungen kennzeichnen; hierzu gehören insbesondere die Art der Dienstleistungen, ihre regelmäßige betriebliche Herkunft und Erbringungsart, ihre wirtschaftliche Bedeutung, und ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder sich ergänzende Leistungen (zur Definition der Ähnlichkeit von Waren/Dienstleistungen vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. § 9 Rdn. 44). Insbesondere kommt es darauf an, ob der Verkehr erwartet, dass die beiderseitigen Dienstleistungen unter der Kontrolle desselben Unternehmens erbracht werden. Die genannten Dienstleistungen der angegriffenen Marke betreffen einzelne Aspekte der umfassenden Dienstleistungen des Finanzwesens und weisen daher, soweit sie nicht sogar identisch sein können, eine erhebliche Nähe auf. Soweit die Inhaberin der angegriffenen Marke geltend macht, dass die Abnehmerkreise unterschiedlich seien und verschiedenen Stufen angehörten, da die Abnehmer der Inhaberin der angegriffenen Marke ausschließlich Finanzdienstleister seien, die Widersprechende dagegen ihr Zeichen zur Kennzeichnung einer Kapitalanlagengesellschaft und der von ihr emittierten Fonds einsetze, ist zu berücksichtigen, dass vorliegend der jeweilige Registerstand entscheidend ist und es nicht darauf ankommt, gegenüber welchen Abnehmern zur Zeit die Beteiligten ihre jeweiligen Dienstleistungen erbringen. Die sich gegenüber stehenden Dienstleistungen können sich nach dem Rollenstand jeweils sowohl an Finanzdienstleister als auch an Endabnehmer gleichermaßen richten, so dass auch insoweit kein maßgeblicher Unterschied besteht.

Bei der Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit ist mangels anderer Anhaltspunkte von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft auszugehen. In ihrer Gesamtheit ist sie nicht waren- oder dienstleistungsbeschreibend und auch nicht eng an die beschreibende Angabe "INVEST" angelehnt.

Die Zeichen "INVESCO" und "INVESTRO" sind klanglich so ähnlich, dass bei den sich gegenüberstehenden Dienstleistungen, welche eine erhebliche Ähnlichkeit aufweisen und sich teilweise überschneiden können, eine Verwechslungsgefahr besteht. Auch wenn wegen der Schutzunfähigkeit des Anfangsbestandteils "INVEST" der angegriffenen Marke der Verkehr verstärkt auf die Endungen achtet, reichen die Unterschiede nicht aus, eine Verwechslungsgefahr im maßgeblichen Gesamtklangbild zu verhindern. Die Anfangslaute "INVES-", der Betonungsrhythmus, Silbenzahl und Vokalfolge stimmen überein. Dabei ist auch der Vokal am Ende der Zeichen identisch, so dass das Klanggerüst der Zeichen ebenfalls übereinstimmt. Der Unterschied zwischen "C" und "TR" in der unbetonten Endsilbe ist bei den vorhandenen zahlreichen Übereinstimmungen nicht so deutlich, dass eine Verwechslungsgefahr nicht mehr bestünde. "C" und "T" haben als harte Konsonanten eine gewisse Klangähnlichkeit und der zusätzliche Konsonant "R" ist klangschwach. Die Verwechslungsgefahr beruht vorliegend auch nicht entscheidend auf Übereinstimmungen allein mit einer beschreibenden Angabe (vgl. BGH GRUR 2003, 963 AntiVir/AntiVirus), da die Widerspruchsmarke den beschreibenden Bestandteil "INVEST" gar nicht enthält und zudem die Zeichen auch in weiteren Lauten eine Übereinstimmung oder Ähnlichkeit aufweisen. Im Gesamtklangbild sind die Zeichen daher so ähnlich, dass sie zumindest aus der Erinnerung heraus selbst vom Fachverkehr, der Markenbezeichnungen aufmerksamer begegnet, nicht hinreichend sicher auseinander zu halten sind. Außerdem können sich die Dienstleistungen nach dem Registerstand auch an Laien wenden, die um so mehr klanglichen Verwechslungen unterliegen können.

Da auch mit rein klanglichen Begegnungen der Zeichen zu rechnen ist, reicht die Verwechslungsgefahr in klanglicher Hinsicht aus, so dass dahingestellt bleiben kann, ob die Zeichen auch schriftbildlich ähnlich sind.

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat daher keinen Erfolg.

3. Auf die Anschlussbeschwerde der aus der Gemeinschaftsmarke 30 072 Widersprechenden ist der Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. November 2003 insoweit aufzuheben, als der Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 30 072 für die Dienstleistungen "computergestützte elektronische Informations- und Kommunikationsdienste; interaktive Beratungsdienstleistungen, insbesondere elektronische Abfragen im Zusammenhang mit Börsengeschäften" zurückgewiesen worden ist. Die angegriffene Marke 301 05 662 ist wegen des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 30 072 auch hierfür zu löschen, da eine Verwechslungsgefahr besteht.

Entgegen der Ansicht der Markenstelle sind auch die Dienstleistungen "computergestützte elektronische Informations- und Kommunikationsdienste; interaktive Beratungsdienstleistungen, insbesondere elektronische Abfragen im Zusammenhang mit Börsengeschäften", die Gegenstand der Anschlussbeschwerde sind, mit der Dienstleistung "Finanzwesen" der Widersprechenden ähnlich. Es geht vorliegend nämlich nicht um die Frage der Ähnlichkeit von "Datenverarbeitungsprogrammen" und "Finanzwesen" wie bei der von der Beschwerdeführerin genannten "GeDIOS"-Entscheidung des BGH (GRUR 2004, 241), sondern um Informations- und Kommunikationsdienste sowie interaktive Beratungsdienstleistungen, welche auch von Finanzdienstleistern erbracht werden können, und zum Finanzwesen eine enge Beziehung haben können, teilweise sogar davon umfasst werden können. Dass diese Dienstleistungen mit Hilfe von Computern erbracht werden, kann an der Ähnlichkeit nichts ändern. Hier geht es nicht darum, ob der Dienstleister im Rahmen des Finanzwesens sich eines Computerprogramms bedient, sondern dass die Dienstleistungen der Information, Kommunikation und Beratung selbst eine Dienstleistung des Finanzdienstleisters sein kann und hierfür nicht bzw. nicht nur Softwarehersteller in Betracht kommen.

Da auch insoweit eine erhebliche Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Dienstleistungen besteht, ist bei vorliegender durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke die klangliche Ähnlichkeit im maßgeblichen Gesamtklangbild so groß, dass mit rechtserheblichen Verwechslungen zu rechnen ist. Hinsichtlich der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die entsprechenden Ausführungen unter 3. Bezug genommen, welche für die vorliegenden Dienstleistungen gleichermaßen gelten.

4. Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs. 1 MarkenG.






BPatG:
Beschluss v. 02.10.2006
Az: 25 W (pat) 15/04


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