Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 17. April 2009
Aktenzeichen: 6 U 175/08

(OLG Köln: Urteil v. 17.04.2009, Az.: 6 U 175/08)

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das am 6. August 2008 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 O 786/04 - dahin geändert, dass der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin weitere 3.501,25 Euro nebst 8 % Zinsen seit dem 31. Dezember 2004 zu zahlen

Die Kosten des Verfahrens in der ersten Instanz trägt die Klägerin zu 3/4 und der Beklagte zu ¼. Die Kosten der zweiten Instanz trägt die Klägerin zu 5/7 und der Beklagte zu 2/7 .

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Begründung

I.

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Zahlungen für die unlizenzierte Nutzung und Ausstrahlung von acht Filmsequenzen, deren Länge zwischen den Parteien zunächst streitig war. Das Landgericht hat in seinem Urteil vom 6. August 2008 auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens das gesamte Fallmaterial als „selten“ eingeordnet und hierfür eine Lizenzgebühr von 1.500 Euro festgelegt. Aufgrund der zweimaligen Ausstrahlung der Sendung hat er einen Zahlungsanspruch in Höhe von 3.000 Euro nebst 8 % Zinsen seit dem 31. Dezember 2004 zugesprochen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie der Fassung der Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.

Die Klägerin wendet sich mit der Berufung gegen die vom Landgericht vorgenommene Bemessung der Lizenzgebühr. Sie macht geltend, dass nicht - wie vom Landgericht angenommen - eine Abrechnung nach Minuten, sondern nach Sekunden üblich sei und dass sie in der Vergangenheit regelmäßig 138 Euro/Sekunde von ihren Lizenznehmern erhalten habe. Nachdem sie erstinstanzlich 26.587,00 Euro nebst 8 % Zinsen ab Rechtshängigkeit verlangt hat, beantragt sie nunmehr,

das Urteil des Landgerichts Köln vom 6. August 2008 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 14.628,00 Euro nebst 8 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das schriftliche Gutachten der Sachverständigen vom 26. November 2007 und auf das Protokoll über ihre mündliche Anhörung vom 16. Juli 2008 Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

II.

1. Die Berufung ist in vollem Umfang zulässig. Die Auslegung des Berufungsantrags in Verbindung mit der Berufungsbegründung ergibt zweifelsfrei, dass die Klägerin nur einen weiteren Betrag von 11.628,00 Euro verlangt. Der Gesamtbetrag von 14.628,00 Euro ist in den Antrag ersichtlich nur für den Fall aufgenommen worden, dass der Senat den Tenor insgesamt neu fasst.

2. In der Sache hat die Berufung aber nur teilweise Erfolg. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Zahlungsanspruch auf weitere 3.501,25 Euro (5.201,00 Euro für die Erstausstrahlung + 1.300,25 Euro für die Zweitausstrahlung abzüglich vom Landgericht zugesprochener 3.000,00 Euro), weil der Beklagte durch die unberechtigte Ausstrahlung der Filmausschnitte in das Leistungsschutzrecht der Klägerin aus §§ 94, 95 UrhG eingegriffen hat. Der Zahlungsanspruch ergibt sich aus § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB. Etwaige Schadenersatzansprüche sind verjährt.

a) Da eine Herausgabe des tatsächlich Erlangten nicht möglich ist, ist der Beklagte verpflichtet, der Klägerin nach § 818 Abs. 2 BGB den objektiven Wert des Erlangten herauszugeben. Der objektive Gegenwert für den Gebrauch eines durch ein Leistungsschutzrecht geschützten Immaterialguts findet sich in der angemessenen Lizenz. Diese stellt die Werteinschätzung dar, welche die verkehrsbeteiligten Kreise einem solchen Gebrauch entgegenbringen (BGH GRUR 1982, 201 - Kunststoffhohlprofil II). Die Berechnung der angemessenen Lizenzgebühr im Rahmen eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs unterscheidet sich nicht von der Berechnung, die im Rahmen eines Schadenersatzanspruchs anzustellen ist. Bei der Berechnung eines Schadenersatzanspruches ist zu fragen, was vernünftige Vertragspartner als Vergütung für die vom Verletzer vorgenommene Benutzungshandlung vereinbart hätten (BGH WRP 2009, 319, 321 - whistling for a train; BGH GRUR 1987, 36 - Liedtextwiedergabe II; BGH GRUR 1990, 1008, 1009 - Lizenzanalogie).

b) Entgegen der Ansicht des Landgerichts lässt sich die Berechnung der angemessenen Lizenzgebühr nicht auf das Gutachten der Sachverständigen stützen. Dem Gutachten lässt sich nicht mit der gebotenen Klarheit und Überzeugungskraft entnehmen, dass sowohl die Abrechnung nach Minuten als auch der zugrunde gelegte Minutenpreis im Streitfall angemessen ist.

aa) Die Sachverständige hat in ihrem schriftlichen Gutachten ausgeführt, dass Lizenzgebühren in der Regel nach Minutenpreisen berechnet würden, dass aber „Sekundenpreise ausnahmsweise durchaus möglich sind“. In der mündlichen Verhandlung hat sie dies weiter konkretisiert und erklärt, dass „die Zeit über die Sekundenpreise eigentlich hinweg ist.“ Diese beiden einschränkenden Aussagen schließen es nach Ansicht des Senats nicht aus, dass im Einzelfall die Lizenzgebühr nach Sekunden berechnet wird. Gerade in Fällen, in denen - wie im Streitfall - kürzeste Sequenzen genutzt werden, ist eine Abrechnung nach Sekundenpreisen angemessener als eine Abrechnung nach pauschalen Minutenpreisen als eher fern liegend. Bestätigt wird diese Einschätzung durch die von der Klägerin vorgelegten Rechnungen aus den Jahren 1999 - 2006, in denen ebenfalls nach Sekunden abgerechnet wurde.

bb) Bedenken bestehen auch hinsichtlich der von der Gutachterin angegebenen Lizenzhöhe, die das Landgericht seiner Berechnung zugrunde gelegt hat. Im schriftlichen Gutachten führt die Sachverständige aus, dass der Sender, für den sie tätig ist, einen Betrag von 750 bis 1.500 Euro für die in Rede stehenden Filmsequenzen „anbieten würde“. Das lässt schon offen, ob der Anbieter der Sequenzen sich auf diesen Preis vernünftigerweise einlassen würde. Zudem hat die Gutachterin bei ihrer mündlichen Anhörung eingeräumt keine Zweifel daran zu haben, dass der Betrag von 138 Euro/Sekunde von anderen Sendern für ähnliche Sequenzen tatsächlich gezahlt worden sei. Es ist auch nicht zu übersehen, dass die Gutachterin auf die Frage, ob sie das Material für den - nach ihren Ausführungen zu hohen - Preis von 138 Euro/Sekunde gekauft hätte, erklärt hat, dass sie das „nur schwer beantworten kann“ und dazu „neigt, diese Frage zu verneinen“. Diese Unsicherheit überrascht auch nicht, weil das historische Filmmaterial über C V unstreitig von anderen Anbietern nicht bezogen werden kann. Die Feststellung eines marktgängig üblichen Lizenzpreises ist aufgrund dessen auch für einen Sachverständigen außerordentlich schwierig.

c) Der Senat sieht daher auch von der Beauftragung eines anderen Gutachters ab, die keine neuen Erkenntnisse erwarten ließe. Er sieht sich in der Lage, die Höhe der zu zahlenden Lizenzgebühr gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu bemessen. Den von der Klägerin anderen Lizenznehmern in den Jahren 2005 und 2006 ausgestellten und von diesen bezahlten Rechnungen sowie der Vergleichsvereinbarung aus dem Jahre 1999 lassen sich hinreichende Anhaltspunkte für eine Schätzung entnehmen. Da der Preis von 138 Euro/Sekunde von verschiedenen Lizenznehmern gezahlt wurde, kann davon ausgegangen werden, dass er den objektiven Wert der Nutzungsberechtigung widerspiegelt und somit angemessen ist. Die vorgelegten Unterlagen beziehen sich auf Filmmaterial, das zum Teil mit den streitgegenständlichen Sequenzen 1, 2, 6 und 8 vergleichbar ist. Ausweislich der Vergleichsvereinbarung handelt es sich bei den dort überlassenen Filmausschnitten ebenso wie bei den eben genannten streitgegenständlichen Materialien um die Darstellung des Herstellungsprozesses von Kondomen sowie die Werbung für diese Produkte durch C V als junge Frau. Eine weitere Rechnung über 11 Sekunden à 138 Euro aus dem Jahr 2006 betrifft Filmsequenzen aus einem Film „[...]“. Auch hier ist davon auszugehen, dass Material über C V Vertragsgegenstand war. Angesicht der Vorlage der Vergleichsvereinbarung und der Rechnungen ist das bloße Bestreiten des Beklagten, es handele sich nicht um vergleichbares Filmmaterial, nicht substantiiert.

Für die Filmausschnitte 1, 2, 6 und 8 erscheint somit eine Lizenzgebühr von 138 Euro/Sekunde angemessen. Den Filmausschnitten 3, 4, 5 und 7, die weder C V noch die Herstellung ihrer Produkte zeigen, sondern Briefeingänge, Schreibmaschinen, Paketversand und EDV, kommt - auch wenn es sich um historisches Material handelt - ein geringerer Seltenheitswert zu. Sie sind mit einer geringeren Lizenzgebühr zu vergüten. Das Gericht hält insofern im Wege der Schätzung die Hälfte von 138 Euro, also 69 Euro pro Sekunde, für angemessen.

Daraus folgt, dass für die Filmsequenzen 1, 2, 6 und 8, die insgesamt 26 Sekunden betragen, eine Lizenzgebühr von 3.614 Euro angemessen ist (1. Sequenz: 0,20 sec, 2. Sequenz: 5,10 sec; 6. Sequenz: 2,89 sec; 8. Sequenz 17,00 sec) und für die Sequenzen 3, 4, 5 und 7, die insgesamt 23 Sekunden betragen, eine Lizenzgebühr von 1.587 Euro (3. Sequenz: 7,97 sec; 4. Sequenz: 1,83 sec; 5. Sequenz: 6,08 sec; 7. Sequenz: 7,05 sec). Das ergibt für eine einmalige Ausstrahlung eine Lizenzgebühr in Höhe von zusammen 5.201 Euro.

Bei der Berechnung der Länge der Filmsequenzen war die Tabelle zugrunde zu legen, von der das Landgericht in seinem Beweisbeschluss vom 27. Oktober 2005 ebenso wie die Gutachterin in ihrem Gutachten 26. November 2007 ausgegangen sind. Dort sind sowohl die Anfangs- als auch die Endzeitpunkte der acht Filmsequenzen aufgelistet. Die Parteien haben - obwohl die Laufzeit der einzelnen Filmsequenzen zunächst streitig war - gegen diese Tabelle im weiteren Verlauf des Verfahrens keine Einwände mehr erhoben, so dass der Senat sie als unbestritten ansieht.

Für die Zweitausstrahlung veranschlagt der Senat im Wege der Schätzung nach § 287 ZPO einen Anteil von 25 % der Lizenzsumme für die Erstausstrahlung. Das sind 1.300,25 Euro. Eine Verringerung der Lizenzgebühr ist angezeigt, denn an einer Zweitausstrahlung hat der Lizenznehmer naturgemäß ein geringeres Interesse. Die Gutachterin hat zwar dargelegt, dass in den Lizenzgebühren für eine Erstausstrahlung eine weitere Ausstrahlung innerhalb von 48 Stunden enthalten ist. Doch erfolgte hier die Zweitausstrahlung nicht innerhalb von 48 Stunden, sondern nach über vier Wochen. Es kann daher nicht von einer vergütungsfreien Zweitausstrahlung ausgegangen werden. Die Klägerin wiederum hat eine Rechnung vorgelegt, aus der sich ergibt, dass sie für eine Wiederholungen nach vier Monaten 50 % der Lizenzgebühr verlangt hat. Angesichts der hier wesentlich zeitnäheren Zweitausstrahlung geht der Senat davon aus, dass insoweit ein Mittelwert von 25 % angemessen ist.

3. Offen bleiben kann die Frage, ob der Beklagte wissentlich gegen die Rechte der Klägerin verstoßen hat, weil eine weitere Erhöhung der Lizenzgebühr auch bei vorsätzlicher Schutzrechtsverletzung nicht in Betracht kommt. Abgesehen davon, dass das deutsche Recht einen allgemeinen Strafzuschlag nicht kennt und auch eine Parallele zur „doppelten Tarifgebühr“, die der BGH zugunsten der GEMA anerkannt hat, hier mangels Vergleichbarkeit ausscheidet, kommt ein Strafzuschlag bzw. die Berücksichtigung eines pauschalierten Kontroll- und Überwachungsaufwands im Bereicherungsrecht ohnehin nicht in Betracht.

4. Aus §§ 687 Abs. 2, 678 BGB kann die Klägerin keinen weitergehenden Zahlungsanspruch herleiten. Nach § 682 BGB kann der Geschäftsherr Schadenersatz verlangen, der sich hier ebenfalls nach den drei anerkannten Berechnungsmethoden richtet. Da die Klägerin aber weder für einen entgangenen Gewinn noch für einen konkreten Schaden Anhaltpunkte vorgetragen hat, liefe ein solcher Anspruch aus angemaßter Eigengeschäftsführung auch auf eine Berechnung des Schadens im Wege der Lizenzanalogie hinaus.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen. Es fehlt an einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sowie an dem Erfordernis der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nrn. 2, 3 ZPO). Die maßgeblichen Rechtsfragen sind durch die angeführte höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend geklärt oder nicht von grundsätzlicher Bedeutung.






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