Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. September 2000
Aktenzeichen: 23 W (pat) 22/00
(BPatG: Beschluss v. 28.09.2000, Az.: 23 W (pat) 22/00)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamtes - Prüfungsstelle für Klasse H 05 K - vom 19. Januar 2000 aufgehoben. Die Anmeldung wird zur weiteren Sachbehandlung und Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
Die Beschwerdegebühr ist zurückzuzahlen.
Gründe
I Die am 22. Dezember 1992 unter Inanspruchnahme der Priorität der japanischen Voranmeldung vom 26. Dezember 1991 (Az: P 3-345327) eingereichte Anmeldung mit der Bezeichnung "Dünne Integrationsschaltungskarte" ist mit Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamtes - Prüfungsstelle für Klasse H 05 K - vom 19. Januar 2000 zurückgewiesen worden. Zur Begründung ist im Beschluß ausgeführt, daß die Anmelderin durch zwei Beanstandungsbescheide der Prüfungsstelle aufgefordert worden sei, unter Hinweis auf § 34 Abs 8 PatG den ihr bekannten Stand der Technik, zu dem insbesondere auch die im Verfahren vor ausländischen Patentbehörden entgegengehaltenen Schriften gehörten, vollständig und wahrheitsgemäß anzugeben. Trotz Zurückweisungsandrohung für den Fall der Nichterfüllung ihrer Auskunftspflicht habe die Anmelderin mit Eingabe vom 29. August 1997 nur fünf Druckschriften genannt, die ihr vom US-Patentamt entgegengehalten worden seien. Die parallele US-Patentschrift 5.677.568, veröffentlicht am 14. Oktober 1997, nenne jedoch außer den vom Deutschen Patent- und Markenamt und der Anmelderin benannten noch zehn weitere, also insgesamt 18 Druckschriften. Zwar sei zuzugestehen, daß die parallele US-Patentschrift 5.677.568 zeitlich nach der Antwort der Anmelderin veröffentlicht worden sei. Daß der Anmelderin sämtliche dort benannten Druckschriften bekannt gewesen seien, zeige jedoch die Benennung von fünf Druckschriften aus den insgesamt achtzehn dort angeführten. Wegen dieser unvollständigen und nicht wahrheitsgemäßen Beantwortung könne nicht ausgeschlossen werden, daß der Anmelderin weiterer Stand der Technik vorliege - insbesondere ein vom Japanischen Patentamt genannter und amtsseitig nicht ermittelbarer -, der gegebenenfalls patenthindernd entgegenstehe. Deshalb sei eine abschließende Prüfung der Anmeldung nicht möglich, weshalb sie zurückgewiesen werden müsse.
Nach Zustellung dieses Beschlusses am 3. Februar 2000 hat die Anmelderin am 25. Februar 2000 Beschwerde beim Deutschen Patentamt- und Markenamt eingelegt und gleichzeitig zum Nachweis der in parallelen Verfahren entgegengehaltenen Druckschriften Kopien der Deckblätter der US-amerikanischen Patentschriften 5.677.568, 5.735.040 und der französischen Patentschrift 2 687 817 mit dortigem Recherchebericht vorgelegt.
II Die zulässige Beschwerde, zu deren Entscheidung das Bundespatentgericht berufen ist, nachdem das Deutsche Patent- und Markenamt - Prüfungsstelle für Klasse H 05 K - ihr trotz vollständiger Angabe des in den parallelen ausländischen Verfahren US 5.677.568, 5.735.040 und FR 2 687 817 entgegengehaltenen Standes der Technik nicht abgeholfen hat, hat in der Sache Erfolg.
Nach Benennung des von der Prüfungsstelle angeforderten Standes der Technik durch die Anmelderin war der angefochtene Zurückweisungsbeschluß aufzuheben und die Anmeldung zur weiteren Sachbehandlung und Entscheidung nach § 79 Abs 3 Nr 1 PatG an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen, weil jedenfalls die Überarbeitung und Anpassung der Beschreibung laut Eingabe der Anmelderin vom 29. August 1997 zurückgestellt worden ist, bis Einvernehmen mit der Prüfungsstelle über die Gewährbarkeit des klargestellten Anspruchsbegehrens erzielt worden ist, was noch nicht geschehen ist.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr, über die das Gericht auch ohne darauf gerichteten Antrag der Beschwerdeführerin entscheiden kann (vgl Schulte, Patentgesetz, 5. Aufl, § 80 Rdn 28), war anzuordnen. Eine solche gerichtliche Entscheidung, die allerdings nur ausnahmsweise zu treffen ist, entspricht vorliegend der Billigkeit (§ 80 Abs 3 PatG), weil die Zurückweisung der Anmeldung erfolgt ist, obwohl der Prüfungsstelle zu diesem Zeitpunkt der vollständige im parallelen US-Verfahren 5.677.568 entgegengehaltene Stand der Technik und auch die von ihr selbst ermittelte JP 516 9885 vorgelegen hat. Dies folgt aus der von der Prüfungsstelle am 18. Januar 2000 - also ein Tag vor Erlaß der Zurückweisungsentscheidung - durchgeführten Computerrecherche, in der neben sechs weiteren Mitgliedern aus drei Ländern sowohl die JP 516 9885 als auch die US 5.677.568 als Mitglieder der Patentfamilie genannt sind, und aus den auf den Seiten 108 bis 123 vor der Zurückweisungsentscheidung in der Amtsakte einfoliierten vollständigen US-Patentschriften 5.677.568 und 5.735.040. Weshalb die Prüfungsstelle dennoch Anlaß gesehen hat, ihre Zurückweisungsentscheidung auf die Unterstellung unvollständiger oder gar nicht wahrheitsgemäßer Angaben der Anmelderin zum Stand der Technik zu stützen, obwohl die Prüfung danach, ob der Gegenstand der Anmeldung ua nach den §§ 1 bis 5 PatG patentfähig ist, zu den eigenen Aufgaben der Prüfungsstellen des Deutschen Patent- und Markenamtes gehört (vgl § 44 Abs 1 PatG; PrüfRichtl, Abschn "3.3.2.3 Recherche im Prüfungsverfahren: 3.3.2.3.1. Vorgehensweise"), ist nicht ersichtlich. In diesem Zusammenhang weist das Gericht noch darauf hin, daß jedenfalls mit der Möglichkeit einer Computerrecherche die Prüfungsstellen des Deutschen Patent- und Markenamtes selbstverständlich in die Lage versetzt sind, auch japanische Patentschriften als Stand der Technik zu ermitteln, wie vorliegend auch geschehen, so daß auch dieses von der Prüfungsstelle ins Feld geführte Argument keine Verletzung der der Anmelderin obliegenden Mitwirkungspflicht zu begründen vermag.
Unter Beachtung dieser den Prüfungsstellen des Deutschen Patent- und Markenamtes obliegenden Prüfungspflicht wäre eine abschließende Prüfung der Anmeldung möglich und die Beschwerde der Anmelderin nicht erforderlich gewesen, so daß deshalb eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr der Billigkeit entspricht.
Bei seiner Entscheidung über die Rückzahlung der Beschwerdegebühr hat das Gericht unberücksichtigt gelassen, daß die Anmelderin mit der Einlegung ihrer Beschwerde den der Prüfungsstelle bekannten Stand der Technik ihrerseits dem Deutschen Patent- und Markenamt vollständig vorgelegt hat, so daß mit einer deshalb allfälligen Abhilfeentscheidung die Anmeldung unverzüglich einer sachgerechten Erledigung hätte zugeführt werden können (§ 73 Abs 4 PatG).
Dr. Meinel Dr. Gottschalk Tronser Lokys E./Fa
BPatG:
Beschluss v. 28.09.2000
Az: 23 W (pat) 22/00
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