Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. November 2003
Aktenzeichen: 33 W (pat) 232/01

(BPatG: Beschluss v. 04.11.2003, Az.: 33 W (pat) 232/01)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Wortfolgevision to realitysoll zur Kennzeichnung der Dienstleistungen "Unternehmensberatung, Werbung, Marktforschung, Innovationsberatung, strategische Planung, Marketingberatung, Designberatung, IT-Beratung" in das Markenregister eingetragen werden.

Die Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 2. Juli 2001 aus den Gründen des Beanstandungsbescheids vom 8. Mai 2001 zurückgewiesen. Dort hatte die Markenstelle ausgeführt, dass dem Zeichen die erforderliche Unterscheidungskraft fehle, da die Wortfolge hinsichtlich der beanspruchten Dienstleistungen lediglich besage, dass diese geeignet und bestimmt seien, eine Vision hinsichtlich der Realität zu verwirklichen oder überhaupt darzustellen. Auf Grund dieses sachbezogenen Inhalts sei die Kennzeichnung daher nicht als Unternehmenshinweis geeignet. Da die Mitbewerber nicht gehindert werden dürften, ihre Dienste entsprechend zu beschreiben, unterliege das Zeichen auch einem Freihaltungsbedürfnis.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelder. Sie sind der Auffassung, dass die angemeldete Wortfolge ihre Unterscheidungskraft aus der unklaren Verkoppelung der beiden Begriffe "vision" und "reality" durch das Wort "to" beziehe. Es handle sich um eine abstrakte Verknüpfung, die infolge der Vieldeutigkeit der englischen Präposition "to" und des Fehlens eines Verbs unbestimmt bleibe und durch die sich eine erhebliche Vielfalt möglicher Bedeutungen ergebe. Um zu einem beschreibenden Begriffsinhalt zu gelangen, müssten weitere Ergänzungen hinzutreten. Auch die von der Markenstelle angenommene Bedeutung beruhe auf einer gedanklichen Ergänzung, sei aber mit der angemeldeten Wortfolge sprachlich nicht korrekt ausgedrückt. Mangels eines klaren beschreibenden Inhalts sei auch ein Freihaltungsbedürfnis für das Zeichen nicht erkennbar.

Die Anmelder beantragen sinngemäß

den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

Zu dem ihnen vom Senat übermittelten Rechercheergebnis haben sich die Anmelder nicht mehr geäußert.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, da dem Zeichen für die beanspruchten Dienstleistungen die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt (§ 8 Abs. 2 Nr.1 MarkenG).

Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs.2 Nr.1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Denn Hauptfunktion der Marke ist es, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d.h. jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (stRspr vgl. BGH WRP 2001, 1082 - marktfrisch; GRUR 2002, 540 - OMEPRAZOK, m.w.N.). Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in aller Regel so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt und er es keiner analysierenden Betrachtungsweise unterzieht. Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer geläufigen Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihr die vorerwähnte Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (BGH a.a.O.).

Nach diesen Grundsätzen fehlt der angemeldeten Marke für die beanspruchten Dienstleistungen die erforderliche Unterscheidungskraft, da "vision to reality" für sie eine im Vordergrund stehende Sachaussage darstellt.

Die Bestandteile der Wortfolge werden von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne weiteres, d.h. ohne analysierende Zwischenschritt, als schlagwortartige Verkürzung der Aussage "from vision to reality", also im Sinn von "von der Vision zur Wirklichkeit", "der Weg von der Vision zur Verwirklichung" oder "Vision und Wirklichkeit", verstanden. Das englische Wort "vision" entspricht dem deutschen "Vision" in seiner Bedeutung Traum- bzw. Zukunftsbild (Wahrig, Deutsches Universalwörterbuch 7. Aufl. 2000), der Bestandteil "reality" ist dem deutschen Fremdwort "Realität" nahezu gleich und gehört mit dieser und der Bedeutung "Wirklichkeit" zum englischen Grundwortschatz, ebenso wie die englische Präposition "to" für "zu, nach, hin" (Klett, Thematischer Grund- und Aufbauwortschatz Englisch 1999).

Die angesprochenen Verkehrskreise, bei denen es sich überwiegend um Geschäftsleute, daneben aber auch um Fachpublikum aus dem IT-Bereich handelt, und denen die englische Sprache als Fachsprache geläufig ist, werden demgemäss die angemeldete Wortfolge ohne weiteres als werbemäßig verkürzten sachbeschreibenden Hinweis auffassen, dass die beanspruchten Dienstleistungen dazu dienten, eine Vision in Realität zu verwandeln, was insbesondere auch deshalb nahe liegt, als es sich überwiegend um Beratungsdienstleistungen handelt bzw. bei Werbung und Marktforschung um solche, die die Weiterentwicklung eines Unternehmens oder die Wege dorthin betreffen. Dieses naheliegende Verständnis belegt auch das Ergebnis der Internetrecherche, bei der die angemeldete Wortfolge - neben dem Angebot der Anmelder - auch im Zusammenhang mit der zukunftsorientierten Handytechnik "vision to reality - our vision, your reality" verwendet wird. Vor allem hat aber die Suche im gesamten Web ergeben, dass die angemeldete Wortkombination im englischsprachigem Raum als schlagwortartige Verkürzung für "from vision to reality" steht. Dies zeigen u.a. die Web-Site des englischen Gesundheitsministeriums zum NHS-Plan (www.doh.gov.uk), die Überlegungen, eine Schulbibliothek in ein technologisches Schulinformationszentrum umzuwandeln (www.infotoday.com), die Geschichte der Grace Cathedral (www.gracecathedral.org), der gleichnamige Titel eines Buches für Manager von Tom Brown für "inside leadership" und die Museumsinformation auf der Web-Site africanamericanculture.org.

Die angesprochenen Verkehrskreise werden "vision to reality" in Verbindung mit den betroffenen Dienstleistungen dementsprechend stets nur im oben dargestellten Sinn verstehen und nicht als Herkunftshinweise auf einen bestimmten Anbieter ansehen.

Winkler Baumgärtner Kätker Cl






BPatG:
Beschluss v. 04.11.2003
Az: 33 W (pat) 232/01


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