Bundesgerichtshof:
Urteil vom 8. Februar 2011
Aktenzeichen: II ZR 206/08
(BGH: Urteil v. 08.02.2011, Az.: II ZR 206/08)
Tenor
Die Revision des Klägers zu 38 gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 22. Juli 2008 in der Fassung der Berichtigungsbeschlüsse vom 25. Juli, 29. August und 12. September 2008 wird verworfen.
Auf die Revision der Beklagten wird das vorgenannte Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und auf den Hilfsantrag der Kläger zu 2 bis 5, 9 bis 14 und 22 bis 35 die Erledigung der Hauptsache festgestellt worden ist.
Auf die Berufung der Beklagten und unter Zurückweisung der Berufungen der Kläger zu 1 bis 5 und 36 bis 38 wird das Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30. März 2007 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klagen werden abgewiesen.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten im ersten Rechtszug tragen:
die Kläger zu 10, 23, 24 und 38 sowie die Streithelfer zu 41 und 42 zu jeweils 1/181, die Kläger zu 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 18, 19, 20, 21, 22, 25, 26 sowie die Streithelferin zu 39 zu jeweils 2/181, der Kläger zu 17 zu 3/181, die Streithelferin zu 43 zu 4/181, die Klägerin zu 1 zu 6/181, die Kläger zu 36 und 37 zu jeweils 9/181, und die Kläger zu 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35 und die Streithelferin zu 40 zu jeweils 10/181.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten im zweiten Rechtszug tragendie Klägerin zu 1 zu 4,7 %, die Kläger zu 2, 3, 4, 5, 9, 12, 22, 25 und 26 zu jeweils 1,57 %, die Kläger zu 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36 und 37 zu jeweils 7,05 %, die Kläger zu 10, 23 und 38 sowie der Streithelfer zu 41 zu jeweils 0,78 %, die Kläger zu 6, 7, 8, 11, 13, 14, 15, 16 und 18 zu jeweils 0,65 %, der Kläger zu 19 und 24 zu jeweils 0,32 %, die Kläger zu 27 und 28 zu jeweils 2,92 %, der Kläger zu 17 zu 0,97 %, und die Streithelferin zu 43 zu 1,3 %.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten im Revisionsverfahren tragen der Kläger zu 38 zu 56 %, die Kläger zu 10 und 23 sowie der Streithelfer zu 41 zu je 1,4 %, die Kläger zu 2, 3, 4, 5, 9, 12, 22, 25 und 26 zu je 1,7 % und die Kläger zu 29, 30, 31, 32, 33, 34 und 35 zu je 3,5 %.
Im Übrigen tragen die Kläger und Streithelfer ihre außergerichtlichen Kosten aller Instanzen selbst.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Hauptversammlung der Beklagten vom 13./14. Dezember 2005 beschloss u.a. unter TOP 2, die Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär gegen Gewährung einer Barabfindung zu übertragen, unter TOP 3, den Beschluss über die Zustimmung zu einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag in der Hauptversammlung vom 26. April 2004 zu bestätigen, unter TOP 4, genehmigtes Kapital zu schaffen, unter TOP 5 die Vergütung des Aufsichtsrats und die Satzung zu ändern, wählte unter TOP 6 die Abschlussprüfer, stimmte unter TOP 7 einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der Fa. C. GmbH mit der Beklagten als herrschendem Unternehmen zu, beschloss unter TOP 8 die Entlastung des Vorstands sowie unter TOP 9 des Aufsichtsrats und stimmte unter TOP 10 einer Änderung der Satzung zur Anpassung an das UMAG zu. In unterschiedlichem Umfang wandten sich die 38 Kläger gegen diese Beschlüsse mit der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage. Die Kläger zu 19 sowie 27 bis 35 beantragten darüber hinaus die Feststellung, dass die Hauptversammlung eine Sonderprüfung beschlossen habe. Das Landgericht wies die Klagen der Kläger zu 1 bis 8, 15 bis 21 und 36 bis 38 - letztere wegen Versäumung der Anfechtungsfrist - sowie den Beschlussfeststellungsantrag ab und erklärte die zu TOP 2 bis 10 gefassten Beschlüsse auf die Klagen der übrigen Kläger für nichtig.
Dagegen legten die Beklagte und die Kläger zu 1 bis 8, 15 bis 19 und 36 bis 38 Berufung ein. Während des Berufungsverfahrens wurde der Übertragungsbeschluss aufgrund der gerichtlichen Feststellung, dass die Erhebung der Klagen der Eintragung nicht entgegensteht (vgl. OLG Frankfurt, ZIP 2007, 629 und ZIP 2008, 138), im Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht. Die einzige verbliebene Aktionärin bestätigte daraufhin die Beschlüsse, die die Hauptversammlung am 13./14. Dezember 2005 gefasst hatte.
Nach der Bestätigung haben die Kläger zu 6 bis 8, 11, 13 bis 19, 24, 27 und 28 mit Zustimmung der Beklagten ihre Klagen zurückgenommen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht haben die Kläger zu 1 bis 5, 9, 10, 12, 22, 23, 25, 26 und 29 bis 37 sowie die Streithelfer zu 41 und 43 hilfsweise die Hauptsache für erledigt erklärt. Der Kläger zu 38, der weiter die Nichtigkeit des Beschlusses zu TOP 2 festgestellt bzw. erklärt wissen wollte, hat nach Schluss der mündlichen Verhandlung hilfsweise beantragt, diesen Beschluss für die Zeit bis zum Bestätigungsbeschluss für nichtig zu erklären.
Das Berufungsgericht hat die Berufungen der Kläger zu 1 bis 5 und zu 36 bis 38 zurückgewiesen, auf die Berufung der Beklagten unter Zurückweisung ihrer weitergehenden Berufung das Urteil des Landgerichts abgeändert, auf den Hilfsantrag der Kläger zu 2 bis 5, 9 bis 15 und 22 bis 35 festgestellt, dass die Klagen in der Hauptsache erledigt sind, deren Klagen im Übrigen und die Klagen der übrigen Kläger abgewiesen. Dagegen haben der Kläger zu 38 und die Beklagte - gegen die Kläger zu 2 bis 5, 9, 10, 12, 22, 23, 25, 26 und 29 bis 35 - Revision eingelegt, die das Berufungsgericht in den Gründen seines Urteils wegen Abweichung von einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg vom 14. März 2005 - 9 Wx 5/04, juris - zugelassen hat.
Gründe
Über die Revision der Beklagten ist hinsichtlich der Kläger zu 5, 9, 12, 22, 23, 25, 29 bis 35, die trotz ordnungsgemäßer Ladung im Termin nicht vertreten waren, durch Versäumnisurteil zu entscheiden, das aber inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern einer sachlichen Prüfung des Antrags beruht (BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81).
Die Revision des Klägers zu 38 ist als unzulässig zu verwerfen. Die Revision der Beklagten hat hingegen Erfolg. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des Berufungsurteils und Abweisung aller Klagen, soweit sie nicht zurückgenommen worden sind (§ 563 Abs. 3 ZPO).
I. Das Berufungsgericht (OLG Frankfurt, ZIP 2008, 2286) hat ausgeführt: Die Klage des Klägers zu 38 sei verfristet. Die Klagen derjenigen Kläger, denen nicht bereits die Anfechtungsbefugnis fehle, seien unbegründet geworden, nachdem die angefochtenen Beschlüsse in der Hauptversammlung vom 23. Januar 2008 bestätigt und diese Beschlüsse bestandskräftig geworden seien. Nichtigkeitsgründe lägen nicht vor. Da die Klagen aber ursprünglich wegen des rechtswidrigen Ausschlusses eines Aktionärsvertreters begründet gewesen seien, sei auf die von den Klägern zu 2 bis 5, 9 bis 14 und 22 bis 35 hilfsweise erklärte einseitige Erledigung hin diese festzustellen gewesen. Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Naumburg sei die einseitige Erledigungserklärung nur eines Teils der Kläger auch dann beachtlich, wenn eine notwendige Streitgenossenschaft bestehe. Die Erledigung durch Bestätigungsbeschlüsse könne nur für die Anfechtungs-, aber nicht für Nichtigkeitsgründe eintreten. Die Kläger hätten daher ein legitimes Interesse daran, einerseits die Nichtigkeitsgründe weiterzuverfolgen und andererseits das Kostenrisiko im Hinblick auf die Anfechtungsgründe zu begrenzen.
II. Die Revision des Klägers zu 38 ist unstatthaft, weil sie nicht zugelassen ist, § 543 Abs. 1 ZPO. Das Berufungsgericht hat die Revision wirksam nur für die Beklagte zugelassen.
1. Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision auf die Beklagte beschränkt. Von einer Beschränkung der Zulassung ist auszugehen, wenn die Zulassung nur wegen bestimmter Rechtsfragen ausgesprochen wird, die lediglich für die Entscheidung über einen selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs erheblich sein können (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2009 - II ZR 63/08, ZIP 2010, 879 Rn. 4; Urteil vom 16. Januar 1996 - XI ZR 116/95, ZIP 1996, 370, 371). Das Berufungsgericht hat die Revision wegen der Abweichung von der Entscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg vom 14. März 2005 - 9 Wx 5/04, juris - zugelassen. Diese Abweichung betrifft allein die einseitige Erledigungserklärung. Davon sind nur die Klagen der Kläger zu 1 bis 5, 9, 10, 12, 22, 23, 25, 26 und 29 bis 37 und die Beklagte betroffen, weil nur diese Kläger den Rechtsstreit hilfsweise für erledigt erklärt haben. Der Kläger zu 38 hat den Rechtsstreit nicht für erledigt erklärt.
2. Die Beschränkung ist wirksam. Die Zulassung der Revision kann auf die Prozesspartei beschränkt werden, zu deren Ungunsten die als grundsätzlich angesehene Rechtsfrage entschieden worden ist, soweit sie sich auf einen selbständig abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs bezieht (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 1995 - XII ZR 172/94, BGHZ 130, 50, 59; Urteil vom 5. November 2003 - VIII ZR 320/02, WM 2004, 853). Die mit der Erledigungserklärung aufgeworfenen Rechtsfragen betreffen einen selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs, nämlich die von den Klägern geltend gemachten Anfechtungsgründe, auf deren Antrag hin die Erledigung der Hauptsache festgestellt wurde. Die Revision kann auf einen aktienrechtlichen Beschlussanfechtungs- oder Nichtigkeitsgrund beschränkt werden (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2009 - II ZR 63/08, ZIP 2010, 879 Rn. 3; Beschluss vom 31. Mai 2010 - II ZR 105/09, ZIP 2010, 1898 Rn. 4). Die Sachverhalte, die zu verschiedenen Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgründen vorgetragen sind, sind abtrennbare Teile des Streitstoffs. Der Streitgegenstand der aktienrechtlichen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage wird durch die jeweils geltend gemachten Beschlussmängelgründe als Teil des zugrunde liegenden Lebenssachverhalts bestimmt.
In dem Prozessverhältnis der Kläger zur Beklagten ist eine Beschränkung der Revisionszulassung auf den Streitstoff des Hilfsantrags, die Erledigung festzustellen, möglich, weil er hier einen selbständig abgrenzbaren Teil des Hauptantrags betrifft. Bei der einseitigen Erledigungserklärung bleibt der für erledigt erklärte Anspruch verfahrensrechtlich die Hauptsache (BGH, Urteil vom 29. Oktober 2009 - I ZR 191/07, NJW 2010, 2270 Rn. 47 m.w.N.). Die einseitige Erledigungserklärung betrifft nur die geltend gemachten Anfechtungsgründe und keine Nichtigkeitsgründe, weil der Bestätigungsbeschluss nur die Anfechtbarkeit beseitigt (§ 244 Satz 1 AktG).
Von diesem Streitstoff ist der Kläger zu 38 nicht betroffen, weil er seine Klage nur auf Nichtigkeitsgründe und nicht auf von den anderen Klägern geltend gemachte Anfechtungsgründe stützen kann. Anfechtungsgründe sind nur zu berücksichtigen, wenn sie mit der Klage innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung geltend gemacht werden (BGH, Urteil vom 23. Mai 1960 - II ZR 89/58, BGHZ 32, 318, 322; Urteil vom 5. April 1993 - II ZR 238/91, BGHZ 122, 211, 240; Urteil vom 26. September 1994 - II ZR 236/93, ZIP 1994, 1857, 1858). Die Anfechtungsklage muss innerhalb eines Monats nach Beschlussfassung erhoben werden (§ 246 Abs. 1 AktG). Verspätet vorgetragene Gründe sind nur noch als Nichtigkeitsgründe beachtlich, die nicht nach § 242 AktG geheilt sind (BGH, Urteil vom 23. Mai 1960 - II ZR 89/58, BGHZ 32, 318, 324; Urteil vom 26. September 1994 - II ZR 236/93, ZIP 1994, 1857, 1858). Der Kläger zu 38 hat - wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat - die Anfechtungsfrist versäumt. Seine Klage ist zwar innerhalb eines Monats nach der Hauptversammlung bei Gericht eingegangen, aber erst am 16. Dezember 2006, lange nach Ablauf der Monatsfrist, zugestellt worden.
Die verspätete Zustellung ist nur dann als demnächst im Sinn des § 167 ZPO und damit fristwahrend anzusehen, wenn die Verzögerung einem Kläger nicht angelastet werden kann (BGH, Urteil vom 16. Februar 2009 - II ZR 185/07, BGHZ 180, 9 Rn. 51 - Kirch/Deutsche Bank). Die Verzögerung der Zustellung ist dem Kläger zu 38 anzulasten, weil er nach der Anforderung des Kostenvorschusses zeitweise untätig blieb und den Kostenvorschuss erst mehrere Monate nach der Aufforderung einzahlte. Der Kläger zu 38 war entgegen der Auffassung der Revision von der Zahlung des Gerichtskostenvorschusses für seine Klage (§ 12 Abs. 1 Satz 1 GKG) nicht befreit, weil mehrere Anfechtungsprozesse zu verbinden sind (§ 246 Abs. 3 Satz 5 i.d.F. des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts [UMAG] vom 22. September 2005, BGBl. I S. 2802; jetzt § 246 Abs. 3 Satz 6 AktG) und bereits andere Anfechtungsklagen erhoben waren. Die Gebühr für das Verfahren entsteht bereits mit der Einreichung der Klage (§ 6 Abs. 1 Satz 1 GKG) und die Klage soll erst nach Zahlung der Gebühr für das Verfahren zugestellt werden (§ 12 Abs. 1 Satz 1 GKG). Davon ist auch keine Ausnahme zu machen, wenn das Verfahren voraussichtlich zu einem Verfahren verbunden wird, für das die Gerichtsgebühren bereits entrichtet sind. Bereits entstandene Gebühren bleiben auch nach Prozessverbindung bestehen (Hartmann, Kostengesetze, 40. Auflage, § 35 GKG Rn. 12). Ob verschiedene Verfahren verbunden werden, ist außerdem vor der Zustellung der Klage ungewiss. Nur erhobene Anfechtungsklagen sind zwingend zu verbinden.
Den Kläger zu 38 kann auch nicht entlasten, dass er gegen die Anforderung der Verfahrensgebühr eingewandt hat, das Oberlandesgericht München habe in einem nicht veröffentlichten Beschluss vom 14. April 2005 (7 W 1299/05) eine Vorschusspflicht verneint. Auf den Beschluss des Landgerichts vom 30. Januar 2006, dass die Zustellung der Klage von der Einzahlung abhängig gemacht werde, blieb er in der Sache untätig. Der folgende Antrag auf Ablehnung des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt wegen der Besorgnis der Befangenheit war keine Tätigkeit in der Sache. Die gegen die Anordnung der Vorauszahlung vorgesehene Beschwerde (§ 67 Abs. 1 Satz 1 GKG) hat er erst am 24. Oktober 2006 lange nach der erneuten Vorschussanforderung durch das Landgericht Frankfurt vom 9. Juni 2006, an das die Sache abgegeben worden war, und nach der Einzahlung des Vorschusses am 23. Oktober 2006 eingelegt.
Der Beschränkung der Revisionszulassung auf die von den Klägern, die hilfsweise die Erledigung der Hauptsache erklärt haben, geltend gemachten Anfechtungsgründe steht nicht entgegen, dass der Kläger zu 38 notwendiger Streitgenosse der anderen Kläger war. Die Kläger, die Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen gegen denselben Beschluss der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft erheben, sind grundsätzlich notwendige Streitgenossen aus prozessualen Gründen, § 62 Abs. 1 Fall 1 ZPO. Über ihre Klagen muss einheitlich entschieden werden, weil die Nichtigerklärung eines Hauptversammlungsbeschlusses oder die Feststellung seiner Nichtigkeit gem. § 248 Abs. 1 Satz 1, § 249 Abs. 1 AktG für und gegen alle Beteiligten wirkt. Ein solches gemeinsames Prozessrechtsverhältnis entsteht aber nicht, wenn einzelnen Klägern die Anfechtungsbefugnis fehlt oder sie die Anfechtungsfrist versäumt haben. Dann ist auch keine einheitliche Entscheidung erforderlich (BGH, Urteil vom 16. März 2009 - II ZR 302/06, BGHZ 180, 154 Rn. 19 f. - Wertpapierdarlehen; Urteil vom 16. Februar 2009 - II ZR 185/07, BGHZ 180, 9 Rn. 55 - Kirch/Deutsche Bank). In einem solchen Fall kann nicht nur die Klage unabhängig von der Entscheidung über die Klagen der übrigen Streitgenossen abgewiesen, sondern auch die Zulassung der Revision beschränkt werden.
III. Soweit auf den Hilfsantrag der Kläger zu 2 bis 5, 9, 10, 12, 22, 23, 25, 26, 29 bis 35 festgestellt worden ist, dass ihre Klagen in der Hauptsache erledigt sind, hält das Berufungsurteil den Angriffen der Revision der Beklagten nicht stand.
1. Das Berufungsgericht hat die Erledigung in der Hauptsache der Klagen der Kläger zu 2 bis 5, 9, 10, 12, 22, 23, 25, 26, 29 bis 35 festgestellt. Soweit es in der Entscheidungsformel darüber hinaus ausgesprochen hat, dass auch die Klagen der Kläger zu 11, 13, 14, 24, 27 und 28 erledigt sind, ist es wegen einer offensichtlichen Unrichtigkeit zu berichtigen (§ 319 Abs. 1 ZPO). Im Tatbestand des Berufungsurteils ist festgehalten, dass diese Kläger ihre Klagen nach Einlegung und Begründung der Berufung zurückgenommen haben.
Das Berufungsgericht hat auf den Hilfsantrag des Klägers zu 5 die Erledigung seiner Klage festgestellt. Die Entscheidungsformel ist insoweit nicht zu berichtigen. Zwar hat der Kläger zu 5 die Hauptsache nach dem Tatbestand des Berufungsurteils nicht hilfsweise für erledigt erklärt. Das ist aber ein Schreibversehen, wie sich aus den Entscheidungsgründen ergibt, in denen er unter den Klägern aufgeführt ist, die die Hauptsache hilfsweise für erledigt erklärt haben.
2. Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass die Hauptsache nicht von allen Klägern für erledigt erklärt werden musste, sondern auch einzelne Kläger die Erklärung abgeben konnten. In einer aus prozessualen Gründen notwendigen Streitgenossenschaft kann jeder Kläger unabhängig von den anderen Streitgenossen seine Klage für erledigt erklären.
Die Kläger waren, soweit sie sich jeweils gegen denselben Hauptversammlungsbeschluss wandten, notwendige Streitgenossen. Diejenigen Kläger, die Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen gegen denselben Beschluss der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft erheben, sind notwendige Streitgenossen aus prozessualen Gründen, § 62 Abs. 1 Fall 1 ZPO. Bei der Streitgenossenschaft aus prozessualen Gründen kann jeder Streitgenosse unabhängig von den anderen die Hauptsache für erledigt erklären (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 62 Rn. 25 und § 91a Rn. 58 Stichwort "Streitgenossenschaft"; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 31. Aufl., § 62 Rn. 17; MünchKommZPO/ Schultes, 3. Aufl., § 62 Rn. 49; Zimmermann, ZPO, 8. Aufl., § 62 Rn. 10; aA ohne Unterscheidung zwischen den verschiedenen Formen der notwendigen Streitgenossenschaft Baumbach/Hartmann, ZPO, 69. Aufl., § 62 Rn. 20; Musielak/Wolst, ZPO, 7. Aufl., § 91a Rn. 60). Anders als bei der Streitgenossenschaft aus materiellen Gründen besteht kein Zwang zu einer gemeinsamen Rechtsverfolgung durch alle notwendigen Streitgenossen. Die Gefahr widersprüchlicher Sachentscheidungen besteht nicht, wenn ein Teil der Kläger die Klage zurücknimmt oder die Hauptsache für erledigt erklärt, während der andere Teil weiter die Nichtigerklärung oder die Feststellung der Nichtigkeit der Hauptversammlungsbeschlüsse begehrt. Verfahrensrechtlich bleibt der für erledigt erklärte Anspruch zwar die Hauptsache. Klageziel und Gegenstand der Entscheidung ist aber nach einer Erledigungserklärung nur noch die Feststellung der Erledigung. Die Wirkung der Nichtigerklärung oder die Feststellung der Nichtigkeit für und gegen alle Beteiligte (§ 248 Abs. 1 Satz 1, § 249 Abs. 1 Satz 1 AktG) steht der Feststellung der Erledigung der Klage oder der Abweisung des darauf gerichteten Antrags nicht entgegen. Über ein gemeinsames streitiges Rechtsverhältnis wird nicht mehr entschieden (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 2009 - II ZR 185/07, BGHZ 180, 9 Rn. 55 - Kirch/Deutsche Bank).
3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind indes die Anträge der Kläger zu 2 bis 5, 9, 10, 12, 22, 23, 25, 26 und 29 bis 35, die Erledigung der Hauptsache festzustellen, unzulässig, weil sie hilfsweise gestellt sind und in erster Linie weiterhin beantragt wurde, die Hauptversammlungsbeschlüsse für nichtig zu erklären.
Die hilfsweise Erledigungserklärung im Anfechtungsprozess ist unzulässig (BGH, Beschluss vom 16. August 2010 - II ZR 105/09, AG 2010, 749 Rn. 4). Für den Feststellungsantrag, der in einer einseitigen hilfsweisen Erledigungserklärung enthalten ist, fehlt das erforderliche rechtliche Interesse (§ 256 Abs. 1 ZPO), das regelmäßig in einer günstigen Kostenfolge liegt (BGH, Urteil vom 16. März 2006 - I ZR 92/03, NJW-RR 2006, 1378 Rn. 20; Urteil vom 27. Februar 2007 - XI ZR 55/06, juris Rn. 36). Außerdem wäre es widersprüchlich, nach einer Abweisung des Hauptantrags als unbegründet auf den Hilfsantrag die Erledigung festzustellen (BGH, Urteil vom 8. Februar 1989 - IVa ZR 98/87, BGHZ 106, 359, 368). Auch eine günstige Kostenfolge nach § 91a Abs. 1 ZPO ist mit einem entsprechenden Hilfsantrag regelmäßig nicht zu erreichen, weil im Rahmen der Kostenentscheidung stets zu berücksichtigen ist, dass die Klage mit dem Hauptantrag abgewiesen worden ist. Unzutreffend meint das Berufungsgericht, ein solches Feststellungsinteresse ergebe sich aus einer Besonderheit der Klage gegen Hauptversammlungsbeschlüsse, bei der die Bestätigungsbeschlüsse nur die Anfechtbarkeit, nicht aber die Nichtigkeit beseitigen. Die einseitige Erledigungserklärung dient nicht dazu, dem Kläger zu Lasten des Prozessgegners das Prozessrisiko für die Einschätzung abzunehmen, ob ein erledigendes Ereignis eingetreten ist, d.h. ob hier nicht behebbare Nichtigkeitsgründe vorliegen.
Die hilfsweise Erledigungserklärung der Kläger zu 2 bis 5, 9, 10, 12, 22, 23, 25, 26, 29 bis 35 ist nicht dahin auszulegen, dass die Feststellung begehrt wird, das mit dem Hauptantrag verfolgte Klageziel habe sich erledigt. Eine Erledigungserklärung kann in diesem Sinn ausgelegt werden, wenn über das Kosteninteresse hinaus ausnahmsweise ein rechtliches Interesse an der Feststellung vorhanden ist, dass der Klageanspruch - hier die Nichtigerklärung der angefochtenen Beschlüsse - bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses bestand, aber nicht mehr für die Zukunft geltend gemacht werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 1998 - I ZR 264/95, NJW-RR 1998, 1571, 1572 - Brennwertkessel). Für eine solche "Erledigungserklärung" fehlt im aktienrechtlichen Anfechtungsprozess das Bedürfnis. § 244 Satz 2 AktG lässt eine zeitlich beschränkte Nichtigerklärung zu und trägt einem gegebenenfalls bestehenden rechtlichen Interesse an der Feststellung Rechnung, dass die Anfechtungsklage bis zur Bestätigung begründet war.
Eine Umdeutung des unzulässigen Hilfsantrags auf Feststellung der Erledigung in einen Antrag nach § 244 Satz 2 AktG scheidet aus. Eine solche Umdeutung kommt in entsprechender Anwendung von § 140 BGB nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen der umgedeuteten Prozesshandlung eingehalten sind, die Umdeutung dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegensteht (BGH, Beschluss vom 3. März 2008 - II ZR 251/06, WM 2008, 1231 Rn. 8 m.w.N.). Die Voraussetzungen eines Antrags nach § 244 Satz 2 AktG fehlen, weil ein rechtliches Interesse der Kläger an der zeitlich beschränkten Nichtigerklärung nicht dargelegt und vom Berufungsgericht nicht festgestellt ist. Das Interesse an einer günstigen Kostenentscheidung genügt nicht, da sie mit der unbedingten Erledigungserklärung in der Hauptsache erreicht werden kann.
Bergmann Strohn Reichart Drescher Born Vorinstanzen:
LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 30.03.2007 - 3/5 O 111/06 -
OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 22.07.2008 - 5 U 77/07 -
BGH:
Urteil v. 08.02.2011
Az: II ZR 206/08
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