Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 22. September 2008
Aktenzeichen: 20 W 43/08
(OLG Köln: Beschluss v. 22.09.2008, Az.: 20 W 43/08)
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 2.5.2008 in Verbindung mit der Nichtabhilfeentscheidung vom 29.7.2008 - 4 O 544/07 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Das Landgericht hat zu Recht Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung verweigert. Die Antragsgegnerin ist nicht eintrittspflichtig für das der Versicherungsnehmerin, Rechtsanwältin Q., vorgeworfene
pflichtwidrige Verhalten im Zusammenhang mit dem Betreiben des Verfahrens 182 F 2877/04 AG Dortmund. Es liegt ein Risikoausschluss im Sinne von § 4 Nr. 5 der AVB vor, wonach sich der Versicherungsschutz nicht bezieht auf Haftpflichtansprüche wegen Schadenstiftung durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Machtgebers (Berechtigten) oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung.
Die Klausel ist Vertragsbestandteil der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung zwischen der Versicherungsnehmerin und der Antragsgegnerin geworden. Das einfache Bestreiten des Antragsstellers insoweit ist unbeachtlich. Die Antragsgegnerin hat mit der Anlage B 1 den Versicherungsschein aus dem Jahr 1994, ausgestellt durch die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin, vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass unverändert die Allgemeinen Versicherungsbedingungen, Risikobeschreibungen, Erläuterungen und Besonderen Versicherungsbedingungen gelten. Die Antragsgegnerin hat weiter die Allgemeinen Versicherungsbedingungen vorgelegt. Nichts spricht dafür, dass es sich bei den vorgelegten Bedingungen nicht um diejenigen Allgemeinen Bedingungen handelt, die seinerzeit dem Versicherungsverhältnis zugrunde gelegt wurden. Erst recht spricht nichts dafür, dass der Versicherungsnehmerin gar Bedingungen ohne die hier streitige Klausel gestellt worden sind. In der vorliegenden oder einer absolut vergleichbaren Form enthalten alle dem Senat bekannten Allgemeinen Bedingungen für eine Rechtsanwalts-Vermögenshaftpflichtversicherung eine derartige Risikoausschlussklausel. Die bloße ins Blaue hinein behauptete und rein theoretische Möglichkeit, es könnten andere AVB (ohne die hier streitgegenständliche Klausel) zugrunde liegen, ist schon prozessual unbeachtlich. Erst recht kann darauf nicht im Rahmen eines PKH-Verfahrens die Erfolgsaussicht einer beabsichtigten Klage gestützt werden.
Die Klausel ist auch wirksam, insbesondere im Hinblick auf § 307 Abs.1 und 2 BGB bzw. § 9 AGBG a.F. (vgl. BGH VersR 1991, 176). Ferner ist es der Antragsgegnerin nicht verwehrt, sich gegenüber dem Antragsteller auf den Risikoausschluss zu berufen. Trotz der grundsätzlichen Bindungswirkung der Feststellungen des Haftpflichtprozesses im Hinblick auf Pflichtverletzung und Schaden ist es dem Versicherer gestattet, rein versicherungsvertragliche Einwendungen geltend zu machen (BGH VersR 2001, 1103 m.w.N.). Dies gilt insbesondere für die Frage eines etwaigen Risikoausschlusses wegen wissentlicher Pflichtverletzung.
Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 5 AVB liegen vor. Die Versicherungsnehmerin hat wissentlich ihre Pflichten verletzt. Richtig ist, dass § 4 Nr. 5 AVB direkten Vorsatz erfordert. Der Versicherungsnehmer muss die von ihm verletzte Pflicht positiv gekannt und subjektiv das Bewusstsein gehabt haben, pflichtwidrig zu handeln (BGH VersR 1959, 691; BGH VersR 1987, 174; BGH VersR 2001, 1103). Richtig ist auch, dass darlegungs- und beweispflichtig für die subjektiven Voraussetzungen der beklagte Versicherer ist (BGH VersR 1991, 176). Ob hierfür ein Anscheinsbeweis (ebenso wie im ähnlich gelagerten Fall des § 152 VVG) nicht zuzulassen ist, mag dahinstehen. Jedenfalls kann im Allgemeinen unterstellt werden, dass fundamentale, allgemein geläufige Regeln und Vorschriften von jedem Rechtsanwalt gekannt werden (vgl. hierzu die Nachweise bei Voit/Knappmann in Prölss, VVG, 27. Aufl., Berufshaftpflichtversicherung Architekten IV Rn. 30). Ferner kann ohne weiteres im Wege des Indizienbeweises aus Art und Gewicht eines objektiven Pflichtenverstoßes auf das Maß der Vorwerfbarkeit geschlossen werden. Eine Pflichtverletzung, die schlechterdings nur vorsätzlich begangen werden kann, bedarf keiner weiteren Darlegung und keines weiteren Beweises hinsichtlich des Vorsatzes.
So liegt der Fall hier. Im Haftpflichtprozess gegen seine ehemalige Rechtsanwältin hat der Antragsteller geltend gemacht, die dortige Beklagte habe das Mandat (unter anderem) insofern mangelhaft bearbeitet, als sie das Versäumnisurteil gegen den Antragsteller habe rechtskräftig werden lassen und den Antragsteller nicht über die Zustellung des Versäumnisurteils informiert habe, nachdem sie zuvor Anordnungen des Gerichts zur Vorlage wesentlicher Unterlagen ignoriert habe, weshalb dem Antragsteller ein beträchtlicher Schaden entstanden sei. Aus den Akten des Verfahrens 182 F 2877/04 AG Dortmund ergibt sich darüber hinaus zweifelsfrei, dass der ehemaligen Prozessbevollmächtigten das Versäumnisurteil zuletzt gegen Zustellungsurkunde ordnungsgemäß zugestellt wurde (nachdem sie zuvor auf Anfragen des Gerichts, ein Empfangsbekenntnis bezüglich des Versäumnisurteils zurückzusenden, nicht reagiert hatte). Das Landgericht Dortmund und das Amtsgericht Dortmund haben auf dieser Grundlage die Beklagte (jeweils durch Versäumnisurteil) zum Schadenersatz verurteilt.
Danach ist für den hier interessierenden Deckungsprozess davon auszugehen, dass die Beklagte zumindest im Hinblick auf die Behandlung des Versäumnisurteils gegen ihren Mandanten gegen elementare, jedem Rechtsanwalt bekannte Pflichten verstoßen hat. Das Unterlassen jeglicher Reaktion auf das ihr zugegangene Versäumnisurteil (also weder das Einlegen eines Einspruchs noch die unverzügliche Information an den Mandanten) verstieß in einer derart krassen und fundamentalen Weise gegen elementare Pflichten eines Rechtsanwalts, dass andere Erklärungen als direkter Vorsatz nicht denkbar sind, jedenfalls aber soweit außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegen, dass sie keiner Ausräumung im Rahmen eines Zivilprozesses bedürfen. Über die Pflicht, seinen Mandanten über den Erlass eines Versäumnisurteils unverzüglich zu informieren, damit ein etwaiger Einspruch zumindest mit ihm besprochen wird, kann es bei einem Rechtsanwalt keinen Zweifel und keine Unsicherheit geben.
Ein nicht wissentlicher Verstoß gegen diese elementare Pflicht, den Mandanten zu informieren und drohenden Schaden von ihm abzuwenden (insbesondere, wenn man den Schaden durch vorangegangenes Fehlverhalten selbst zu verantworten hat), wäre hier nur denkbar, wenn die Rechtsanwältin ungeachtet der wirksamen Zustellung keine Kenntnis von dem Versäumnisurteil gehabt hätte. Dann aber läge eine Pflichtverletzung von vergleichbarem Gewicht und vergleichbarer Offenkundigkeit darin, dass sie sich dieser Kenntnisnahme selbst bewusst versperrt hätte, insbesondere, dass sie über mehrere Wochen völlig untätig geblieben wäre, also sich um die Geschäfte ihrer Kanzlei nicht gekümmert hätte, was sich ebenfalls nur mit unbedingtem Vorsatz erklären ließe. Selbst eine schwerwiegende Erkrankung der Prozessbevollmächtigten würde daran nichts ändern, denn auch dann bestünde die Verpflichtung, unverzüglich für einen Vertreter zu sorgen (§ 53 BRAO) und damit erst recht, das Kanzleipersonal und oder sonstige Personen (etwa die Rechtsanwaltskammer) von der Verhinderung zu unterrichten. Dass der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers nicht einmal das mehr möglich gewesen wäre (etwa wegen eines schweren Unfalls mit Koma), ist derart abseits jeglicher Wahrscheinlichkeit, dass es nicht der ausdrücklichen Widerlegung durch die Antragsgegnerin bedarf. Auch der Antragsteller zeigt - bezeichnenderweise - keine konkrete Möglichkeit auf, die letztlich einen geringeren Verschuldensgrad als unbedingten Vorsatz bedeuten würde. Er hat vielmehr im Rahmen des Verfahrens vor dem Landgericht Dortmund nur darauf verwiesen, dass die Anwältin ihn während des gesamten Unterhaltsrechtsstreits ohne jegliche Unterrichtung gelassen und auf Nachfrage nur "lapidar" geäußert habe, alles "laufe" (vgl. S. 6 der Anlage K 1). Das allerdings deutet lediglich auf eine Rechtsanwältin, der ihre Kanzlei und ihre Mandanten gleichgültig waren, möglicherweise verursacht durch gravierende wirtschaftliche und/oder persönliche Probleme, gibt aber keinen Anhaltspunkt für ein Verhalten, das nicht "wissentlich" erfolgt sei.
Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht.
OLG Köln:
Beschluss v. 22.09.2008
Az: 20 W 43/08
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