Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. Juni 2011
Aktenzeichen: 10 W (pat) 45/08

(BPatG: Beschluss v. 27.06.2011, Az.: 10 W (pat) 45/08)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin hat am 26. Mai 2001 beim Deutschen Patentund Markenamt (DPMA) eine Erfindung mit der Bezeichnung "Fertigknödel auf der Basis von Kartoffelmehl und Verfahren zu seiner Herstellung" zum Patent angemeldet. Die Anmeldung, zu der bei Einreichung kein Prüfungsantrag gestellt wurde, hat das Aktenzeichen 101 25 787.2 erhalten.

Mit einem als "Wichtige Mitteilung!" überschriebenen Bescheid vom 30. Januar 2008, der an den Vertreter der Antragstellerin gerichtet war, wurde vom DPMA darauf hingewiesen, dass die Frist zur Stellung des Prüfungsantrags gemäß § 44 Abs. 2 PatG am 26. Mai 2008 ablaufen und im Falle des fruchtlosen Ablaufs dieser Frist die Patentanmeldung als zurückgenommen gelten würde. Der Vertreter der Antragstellerin hat daraufhin am 24. Mai 2008 zwar die Prüfungsantragsgebühr rechtzeitig und in voller Höhe von 350,--€ entrichtet, den Prüfungsantrag hat er jedoch erst mit Eingabe vom 3. Juni 2008, die am 5. Juni 2008 bei DPMA eingegangen war, gestellt. Infolgedessen wird die Anmeldung im Datenbestand des DPMA als mit Wirkung zum 27. Mai 2008 zurückgenommen geführt.

Der Vertreter der Antragstellerin hat am 24. Juni 2008 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Prüfungsantragsfrist gestellt. Der Antrag enthält lediglich die folgende, kurze Begründung: "Infolge Krankheit konnte der schriftliche Prüfungsantrag erst am 3. Juni 2008 erstellt werden."

Das DPMA -Prüfungsstelle 41 -hat mit Beschluss vom 8. August 2008 den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dem Antrag sei nicht zu entnehmen, dass der anwaltliche Vertreter der Antragstellerin seiner Sorgfaltspflicht nachgekommen sei. Für den Fall einer Verhinderung, z. B. durch Krankheit, müsse Vorsorge durch eine Vertretungsregelung getroffen werden. Hierfür gebe es aber nach dem Vortrag keine Anhaltspunkte.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 9. Oktober 2008 beim DPMA eingelegten Beschwerde. Sie beantragt (sinngemäß), den Beschluss der Prüfungsstelle 41 des Deutschen Patentund Markenamts vom 8. August 2008 aufzuheben und ihr die Wiedereinsetzung in die Frist zur Stellung des Prüfungsantrags zu gewähren.

Der anwaltliche Vertreter der Antragstellerin hat in der Beschwerdeschrift ergänzend ausgeführt, er leide seit vielen Jahren an unregelmäßig auftretenden Attacken extremer Kopfschmerzen. Am 26. Mai 2008 habe er wieder eine solche Schmerzattacke erleiden müssen. Er habe einer Hilfskraft in seiner Kanzlei noch am selben Tag den Auftrag übermittelt, den Prüfungsantrag zu stellen. Diese habe zwar die Akte gezogen, jedoch sei sie der Meinung gewesen, mit Zahlung der Prüfungsantragsgebühr sei alles Notwendige veranlasst worden.

Der Senat hat der Antragstellerin mit Zwischenbescheid vom 29. März 2011 mitgeteilt, dass ihre Beschwerde voraussichtlich keinen Erfolg haben werde. Es liege keine hinreichend verständliche und geschlossene Schilderung der Umstände vor, die zur Versäumung der Prüfungsantragsfrist geführt hätte. Insbesondere sei offen geblieben, ob ein schuldhaftes Verhalten bestimmter Personen für die Fristversäumung ursächlich gewesen sei, was zu ihren Lasten gehe.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Die Prüfungsstelle 41 des DPMA hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Stellung des Prüfungsantrags zu Recht zurückgewiesen.

1.

Die Antragstellerin hat die Frist zur Stellung des Prüfungsantrags versäumt. Der Antrag hätte gemäß § 44 Abs. 2 Satz 3 PatG, da der Anmeldetag der Patentanmeldung der 26. Mai 2001 war, bis zum 26. Mai 2008 gestellt werden müssen. Innerhalb dieser Frist ist zwar die Prüfungsantragsgebühr entrichtet worden; die Gebührenzahlung kann aber nicht als Antragstellung gewertet werden (vgl. auch Senatsbeschluss vom 29. Oktober 2009, Az.: 10 W (pat) 18/08 -"Vorrichtung zur Papierfärbung", nachgewiesen im Internet unter Juris¨). Der entsprechende Prüfungsantrag ging beim DPMA vielmehr erst am 5. Juni 2008, also zehn Tage später ein. Die Patentanmeldung gilt daher gemäß § 58 Abs. 3 PatG als zurückgenommen.

2.

Der Wiedereinsetzungsantrag ist zulässig. Nachdem er bereits am 24. Juni 2008, also wenige Tage nach Ablauf der Frist für den Prüfungsantrag, gestellt wurde, ist auch die zweimonatige Antragsfrist des § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG gewahrt.

3. Der Wiedereinsetzungsantrag ist aber unbegründet. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 PatG kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur gewährt werden, wenn ein Antragsteller glaubhaft darlegt, dass weder er noch sein anwaltlicher Vertreter (§ 85 Abs. 2 ZPO) in schuldhafter Weise eine gesetzliche Frist, deren Versäumung einen Rechtsnachteil zur Folge hat -hier § 58 Abs. 3 PatG -, versäumt haben. Im Streitfall fehlt es an der Darlegung eines mangelnden Verschuldens des anwaltlichen Vertreters.

Ein Anwalt muss seine Kanzlei nicht nur so organisieren, dass Fristversäumnisse unter normalen Umständen nicht vorkommen. Darüber hinaus muss er auch für den Fall, dass er wegen Krankheit ausfällt, hinreichend Vorsorge treffen; andernfalls entspricht sein Verhalten nicht der gebotenen Sorgfalt (vgl. BGH NJW 2008, 3571, 3572 und NJW 2006, 2412). In diesem Zusammenhang hat der Vertreter der Antragstellerin mit dem Wiedereinsetzungsantrag lediglich vorgetragen, dass er infolge Krankheit erst am 3. Juni 2008 in der Lage gewesen sei, den Prüfungsantrag zu stellen. Diese Ausführungen sind so knapp, dass sie keinerlei Rückschlüsse zulassen, auf welche konkreten Umstände die Fristversäumung beruht. Legt aber ein Antragsteller die Umstände nicht hinreichend dar, die zur Versäumung der Frist geführt haben, geht dies zu seinen Lasten. Eine Wiedereinsetzung ist in diesem Falle bereits ausgeschlossen, wenn die tatsächlichen Abläufe nicht so umfassend und verständlich geschildert worden sind, dass ein Verschulden ausgeschlossen werden kann (BGH NJW 2008, 3501, 3502).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem mit der Beschwerdeschrift ergänzend vorgetragenen Sachverhalt, wonach der anwaltliche Vertreter seit vielen Jahren an unregelmäßig auftretenden Attacken extremer Kopfschmerzen leide und dass er am 26. Mai 2008, gerade am letzten Tag der Frist, wieder eine solche Schmerzattacke erlitten habe. Hierbei ist bereits zweifelhaft, ob dieser Vortrag noch berücksichtigt werden kann, da er mehr als drei Monate nach dem Wiedereinsetzungsantrag erfolgt ist. Grundsätzlich müssen die Tatsachen, aufgrund derer die Wiedereinsetzung begehrt wird, gemäß § 123 Abs. 2 Satz 1 und 2 PatG innerhalb der zweimonatigen Antragsfrist für die Stellung des Wiedereinsetzungsantrags vorgetragen werden. Hierbei kann der Tatsachenvortrag zwar ergänzt werden, dagegen darf das Wiedereinsetzungsbegehren nach Ablauf der Frist nicht mehr auf eine neue Tatsachengrundlage gestellt werden (vgl. Schulte, PatG mit EPÜ, 8. Aufl., § 123 Rn. 39, 41). Letztlich kann diese Frage aber dahingestellt bleiben, da selbst unter Berücksichtigung des ergänzenden Vortrags eine Wiedereinsetzung nicht in Frage käme. Bei den Schmerzattacken, unter denen der anwaltlichen Vertreter zu leiden hat, handelt es sich nach eigenen Angaben um solche, die schon seit vielen Jahren in unregelmäßigen Abständen auftreten. Derartige Attacken stellen jedoch keine unvorhersehbare Erkrankungen dar, selbst wenn sie im Einzelfall plötzlich aufzutreten pflegen (vgl. BGH NJW 2006, 2412). Im Falle von -wie hier -regelmäßig wiederkehrenden, vorhersehbaren Erkrankungen muss ein anwaltlicher Vertreter, um seiner Sorgfaltspflicht zu genügen, durch die Bestellung eines Vertreters oder zumindest in anderer Weise gewährleisten, dass fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig erstellt und abgesandt werden können (vgl. BGH a. a. O.). Hierfür liefert aber auch der nachgeschobene Sachverhalt keine ausreichenden Anhaltspunkte.

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Az: 10 W (pat) 45/08


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