Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. März 2011
Aktenzeichen: 25 W (pat) 501/11
(BPatG: Beschluss v. 10.03.2011, Az.: 25 W (pat) 501/11)
Tenor
Die Beschwerde der Markeninhaberin wird zurückgewiesen.
BPatG 152
Gründe
I.
Die Bezeichnung WISEPILOT ist am 5. September 2007 unter der Nummer 938 694 für die folgenden Waren und Dienstleistungen der Klassen 9 und 38 als IR-Marke international registriert worden:
"Global positioning system (GPS) consisting of computers, computer software, transmitters, receivers; equipment and apparatus for satelliteaided navigation; software. Advisory services relating to computer software; design and development of software."
Die Markenstelle für Klasse 9 IR des Deutschen Patentund Markenamts, besetzt mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes, hat nach entsprechender Beanstandung mit Beschluss vom 1. Oktober 2009 dieser IR-Marke den für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beantragten Schutz verweigert.
Aus Sicht der Markenstelle weist die IR-Marke keine Unterscheidungskraft auf (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Es handele sich hierbei um eine sprachüblich gebildete Zusammensetzung der englischsprachigen Wörter "wise" und "pilot" und ergebe in ihrer Gesamtheit die Bedeutung "kluger/s Wegweiser/Lotse/Steuergerät". Es sei daher für die angesprochenen Verkehrskreise naheliegend, diesen Gesamtbegriffi. S. e. "intelligenten Geräts" bzw. einer "intelligenten (gerätetechnischen) Software" zu verstehen, welche "den Weg weist, lotst bzw. steuert". Der Gesamtbegriff weise zu sämtlichen von der beantragten Schutzerstreckung erfassten Waren und Dienstleistungen einen hinreichend engen beschreibenden Bezug auf. Bei den beanspruchten Waren der Klasse 9 könne es sich um Geräte, Apparate, Systeme oder Software wie z. B. Navigationsgeräte, -systeme und -software handeln. Die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 42 könnten solche Navigationsgeräte, -systeme und -software zum Gegenstand haben, indem sie etwa auf die Erstellung, die Planung oder die Beratung bzgl. solcher Geräte und der dabei eingesetzten Software ausgerichtet seien.
Die Wörter "wise" und "pilot" seien sprachüblich zusammengesetzt worden, zumal im Zusammenhang mit Software, welche eine lenkende oder lotsende Funktion habe, sehr häufig Begriffsbildungen mit dem nachgestellten Bestandteil "pilot" verwendet würden. Da der Verkehr gewohnt sei, in der Werbung ständig mit neuen Begriffen konfrontiert zu werden, komme es nicht darauf an, dass der konkrete Begriff lexikalisch belegbar oder seine Verwendung im Verkehr nachweisbar sei. Zudem könnten auch bisher nicht verwendete oder grammatikalisch fehlerhafte, aber gleichwohl verständliche Sachaussagen als solche erkannt und nicht als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst werden. Vorliegend handele es sich um die bloße Kombination zweier beschreibender und allgemein bekannter Begriffe, die in ihrer Gesamtheit nicht über die Summe dieser Bestandteile hinausgehe. Sie weise keine ungewöhnliche Struktur auf, sondern treffe eine für den Verkehr sofort erfassbare Sachaussage über mögliche Merkmale und Eigenschaften der betreffenden Produkte und Dienstleistungen, ohne dass durch die Zusammenfügung zu einem Gesamtbegriff der vorgenannte sachbezogene Charakter verloren gehe. Für eine Verkehrsdurchsetzung ergäben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte.
Dagegen richtet sich die von der Markeninhaberin erhobene Beschwerde.
Die Markeninhaberin ist der Auffassung, dass hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen IR-Marke keine Schutzhindernisse gegeben sind. Diese IR-Marke bestehe nicht aus Angaben, welche i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zur Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen dienen könnten. Das Markenwort "WISEPILOT" stamme in seiner Gesamtheit weder aus der deutschen, noch aus der englischen Sprache. In der englischen Sprache sei es zudem unüblich, mehrere Wörter zu einem Gesamtwort zu verbinden. Selbst wenn davon auszugehen sei, dass der Verkehr die IR-Marke in ihre Bestandteile "wise" und "pilot" aufspalte, sei zu berücksichtigen, dass das erstgenannte Wort ein aus der englischen Sprache stammender Begriff sei, während der Verkehr in Deutschland im zweiten Bestandteil den ihm vertrauten Begriff "Pilot" erkennen und ihm die Bedeutung "Flugzeugführer" beimessen werde. Das Wort "wise" habe mehrere Bedeutungen, nämlich "weise", "klug", "sinnvoll", "verständig". Der Verkehr werde dem vorliegenden Markenwort die Bedeutung "kluger bzw. weiser Flugzeugführer" beimessen, woraus sich kein beschreibender Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen ergebe. Um zu einem vermeintlich beschreibenden Bedeutungsgehalt des Markenwortes zu kommen, bedürfe es hingegen einer analysierenden Betrachtungsweise, wobei der Verkehr zum einen erkennen müsse, dass das Wort "pilot" in der englischen Sprache einen breiteren Bedeutungsinhalt als nach dem o. g. Verständnis habe, und zum anderen aus einer Vielzahl möglicher Bedeutungen einen beschreibenden Aussagegehalt ermitteln müsse.
Die IR-Marke sei auch unterscheidungskräftig i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Wie ausgeführt, könnten die maßgeblichen inländischen Verkehrskreise dem Markenwort hinsichtlich der beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine unmittelbar beschreibende Bedeutung und keinen engen beschreibenden Bezug entnehmen. Sie würden eine ungewöhnliche, vom üblichen Sprachgebrauch erkennbar abweichende und phantasievolle Neubildung wahrnehmen, die als betrieblicher Herkunftshinweis geeignet sei.
Die Markeninhaberin beantragt (sinngemäß), den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 IR des Deutschen Patentund Markenamts vom 1. Oktober 2009 aufzuheben.
Die Markeninhaberin hatte ferner hilfsweise die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Nachdem sie eine Terminsladung mit einem eingehenden rechtlichen Hinweis des Senats vom 10. Februar 2011 erhalten hatte (Bl. 27 ff.
d. A.), teilte sie schriftsätzlich mit, an der anberaumten mündlichen Verhandlung nicht teilzunehmen (Bl. 39 d. A.). Der Termin zur mündlichen Verhandlung wurde daraufhin aufgehoben (Bl. 40 d. A.).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze der Markeninhaberin und auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere gemäß §§ 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthaft. Sie ist aber unbegründet. Entgegen der Auffassung der Markeninhaberin weist die IR-Marke 938 694 keine Unterscheidungskraft auf, so dass die Markenstelle zu Recht der IR-Marke den Schutz für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verweigert hat (§§ 107, 113, 124, 8 Abs. 2 Nr. 1, 37 Abs. 1 MarkenG).
1. Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428, 429 f., Tz. 30, 31 -Henkel; BGH GRUR 2006, 850, 854, Tz. 17, -FUSSBALL WM 2006). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH GRUR 2006, 850, 854, Tz. 19 -FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674, 678, Tz. 86 -Postkantoor). Ferner fehlt die Unterscheidungskraft auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH -FUSSBALL WM 2006, a. a. O.).
Die Bezeichnung "WISEPILOT" ist - für den Verkehr ohne weiteres erkennbar -aus den beiden englischen Wörtern "WISE" und "PILOT" zusammengesetzt. Der Wortbestandteil "Wise" ist hierbei nicht allein mit dem aufgrund seiner phonetischen Ähnlichkeit naheliegend erscheinenden Begriff "weise" zu übersetzen, sondern hat u. a. auch die Bedeutung "klug, erfahren, gescheit, schlau" (vgl. Muret-Sanders, Langenscheidts Großwörterbuch Englisch, Neubearb. 2001, S. 1245). Der weitere Bestandteil "Pilot" wird vom Verkehr nicht ausschließlich im Sinne des so auch in die deutsche Sprache übernommenen Wortes "Pilot" für "Flugzeugführer" verstanden. Vielmehr hat dieser Bestandteil in der englischen Sprache auch die Bedeutung "Lotse" (vgl. Muret-Sanders, Langenscheidts Großwörterbuch Englisch, Neubearb. 2001, S. 838) bzw. im Zusammenhang mit technischen Geräten ganz allgemein auch die Bedeutung "Führung, führen, steuern" (vgl. Schmitt, Langenscheidt Englisch-Deutsch, Fachwörterbuch Technik und angewandte Wissenschaften, 2. Aufl., 2004) und, wie sich aus den der Markeninhaberin mit der Terminsladung in Anlage übersendeten Belegen (Bl. 29 - 35 d. A.) ergibt, auch die Bedeutung "Steuergerät". Im letztgenannten Sinne wird der Begriff "Pilot" auch in der technischen Fachliteratur verwendet.
Im vorliegenden Fall bestehen die von den beanspruchten Waren und Dienstleistungen angesprochenen Verkehrskreise aus den Nutzern von GPS-gestützten Navigationssystemen und der dazu erforderlichen Hardund Software und den Kunden von damit in Zusammenhang stehenden Beratungsdienstleistungen bzw. Auftraggeber für die Erstellung von entsprechender Software. Diese Verkehrskreise sind in besonderer Weise an englischsprachige Fachausdrücke gewöhnt, zumal die englische Sprache gerade im Bereich der Informationstechnologie die maßgebliche und allgegenwärtige Fachsprache ist. Für sie ergibt sich aufgrund der o. g. Ausführungen im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen aus der Wortkombination "WISEPILOT" in einer naheliegenden, insbesondere eine in mehreren gedanklichen Schritten erfolgende analysierende Betrachtung nicht voraussetzenden Weise, dass diese Waren ein "intelligenter Lotse (Navigationsgerät)" bzw. eine "intelligentes (Steuer-)Gerät" sind bzw. über intelligente (Steuer-)Komponenten verfügen oder für solche Navigationsbzw. (Steuer-)Geräte oder Komponenten bestimmt sind (etwa Software für die Programmierung solcher Geräte oder Komponenten) und diese Dienstleistungen sich mit der Programmierung solcher Navigationsbzw. (Steuer-) Geräte befassen. Dann aber wird der Verkehr in der Wortkombination "WISE-PILOT" ausschließlich eine die Eigenschaften der damit gekennzeichneten und vorliegend beanspruchten Waren und Dienstleistungen werblich anpreisende Sachangabe und somit keinen betrieblichen Herkunftshinweis erkennen. Diese Wortkombination weist auch keine semantischen oder syntaktischen Besonderheiten auf, die zu einer anderen Beurteilung führen könnten. Zusammengesetzte Wortkombinationen sind auch in dem durch englischsprachige Begriffe geprägten Bereich der Informationstechnologie durchaus üblich und keineswegs ungewöhnlich, wie z. B. Begriffe wie "Colorpilot" oder "Parkpilot" zeigen.
Der Ansicht der Markeninhaberin, dass der Verkehr die angemeldete Bezeichnung lediglich im Sinne von "kluger Flugzeugführer" verstehen wird, kann nicht gefolgt werden. Die Markeninhaberin lässt hierbei außer acht, dass der beschreibende Gehalt einer Marke nicht abstrakt, sondern in Zusammenhang mit den konkret beanspruchten Waren zu beurteilen ist (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 8, Rdnr. 252 m. w. N.). Außerdem ist zu beachten, dass selbst die Mehrdeutigkeit eines Begriffs bzw. einer Bezeichnung regelmäßig dann nicht zur Schutzfähigkeit führt, wenn zumindest eine der Bedeutungen für die beanspruchten Produkte beschreibenden Charakter hat (vgl. EuGH GRUR 2004, 147 -DOUBLEMINT; BGH, GRUR 2008, 397 [Tz. 15] -SPA II), was hier der Fall ist.
Nach alledem steht der Erstreckung des Schutzes der IR-Marke 938 694 auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Aufgrund der vorgenannten Umstände spricht einiges dafür, dass auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG hier gegeben ist. Dies kann aber dahingestellt bleiben.
Die Beschwerde bleibt somit ohne Erfolg.
2. Der Durchführung einer mündlichen Verhandlung bedurfte es nicht. Mit Schriftsatz vom 24. Februar 2011 hat die Markeninhaberin erklärt, sie werde an der anberaumten mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen. Diese Erklärung ist zugleich als konkludente Rücknahme des von der Markeninhaberin hilfsweise gestellten Terminsantrags auszulegen, so dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 69 Nr. 1 MarkenG nicht mehr geboten war. Auch aus anderen Gründen war eine mündliche Verhandlung nicht angezeigt.
Knoll Grote-Bittner Metternich Hu
BPatG:
Beschluss v. 10.03.2011
Az: 25 W (pat) 501/11
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