Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Mai 2005
Aktenzeichen: 27 W (pat) 342/03
(BPatG: Beschluss v. 10.05.2005, Az.: 27 W (pat) 342/03)
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. September 2003 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 49 361 zurückgewiesen wurde. Im Umfang der Aufhebung wird die Löschung der Marke 300 23 759 für "Bekleidungsstücke, Papierbekleidungsstücke, Sportbekleidung" angeordnet.
Gründe
I Die Widersprechende hat gegen die am 27. März 2000 angemeldete und am 27. Juli 2000 u.a. für "Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Bekleidungsstücke aus Leder, Lederimitationen oder aus Pelz, Papierbekleidungsstücke, Sportbekleidung, -schuhe, Fußballschuhe und Stollen hierfür; Teile von Schuhen, nämlich Sohlen, Absätze, Stiefelschäfte; Gleitschützer für Schuhe; Kleidereinlagen, vorgefertigte Kleidertaschen; Spiele, Spielzeug; Turn- und Sportartikel, soweit in Klasse 28 enthalten" eingetragene Wortmarke MYJUNIOR beschränkt auf die vorgenannten Waren Widerspruch eingelegt aus ihrer für "gestrickte und gewirkte Leibwäsche" am 2. Februar 1998 eingetragenen Gemeinschaftsmarke 49 361 MEY.
Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit Beschluss vom 11. September 2003 den Widerspruch zurückgewiesen. Auch bei Anlegung strengster Maßstäbe seien die Marken nicht verwechselbar, weil trotz der klanglichen Übereinstimmung in einzelnen Markenteilen die durch die jeweils unterschiedlichen Bestandteile des jüngeren Zeichens bewirkte Abweichung eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr ausschließe. Weder dem Markenteil "MY" noch dem Markenteil "JUNIOR" in der angegriffenen Marke könne dabei eine prägende Stellung zugemessen werden, weil sie einen einheitlichen Gesamtbegriff bildeten, den das inländische Publikum ohne weiteres als solchen werten werde. Wegen des Charakters der angegriffenen Marke als Gesamtbegriff bestehe auch keine mittelbare Verwechslungsgefahr.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie hält die gegenüberstehenden Waren teils für identisch, teils für ähnlich. Die angegriffene Marke werde vom unbefangenen Betrachter als eine Kombination aus den Bestandteilen "MY" und "JUNIOR" angesehen. Während der weitere Bestandteil "JUNIOR" im Bekleidungsbereich eine rein beschreibende Bedeutung habe, dominiere der Bestandteil "MY" den Gesamteindruck auf Grund seiner Kürze und Prägnanz. Dabei sei zu berücksichtigen, dass das angesprochene Publikum bei Unterwäsche und Damentageswäsche überwiegend nur Einwortmarken kenne und daher in dem Bestandteil "MY" der angegriffenen Marke den selbständig kennzeichnenden Teil erkennen werde. Die sich gegenüberstehenden Begriffe "MY" und "MEY" seien sowohl klanglich als auch schriftbildlich hochgradig ähnlich. Auf Grund ihres Bekanntheitsgrades, des Marktanteils und der getätigten Werbeaufwendungen komme der Widerspruchsmarke außerdem eine erhöhte Kennzeichnungskraft zu. Daher bestehe für das Publikum auch die Gefahr einer assoziativen Verwechslungsgefahr.
Die Inhaber in der angegriffenen Marke ist dem entgegengetreten Ungeachtet einer etwaig erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bestreitet sie eine Ähnlichkeit mit der angegriffenen Marke, weil es sich bei dieser nicht um eine Zweiwort-, sondern eine Einwortmarke handele, aus der nicht einzelne Bestandteile herausgelöst werden könnten, so dass sie nicht nur von dem Bestandteil "MY" geprägt werde. Zudem seien die für die Widerspruchsmarke geschützten Waren allenfalls zu den Waren "Bekleidungsstücke sowie Sportbekleidung" der angegriffenen Marke ähnlich.
In der mündlichen Verhandlung, an der die Inhaberin der angegriffenen Marke wie vorher angekündigt nicht teilgenommen hat, hat die Widersprechende ihren Widerspruch auf die für die angegriffene Marke geschützten Waren "Bekleidungsstücke, Papierbekleidungsstücke, Sportbekleidung" beschränkt und im übrigen ihren Standpunkt aufrechterhalten und vertieft.
II Die zulässige Beschwerde hat nach der Beschränkung des Widerspruchs in der mündlichen Verhandlung Erfolg, weil in bezug auf die nunmehr allein noch angegriffenen Waren der jüngeren Marke die Gefahr besteht, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden, so dass die angegriffene Marke hinsichtlich dieser Waren nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zu löschen ist.
1. Die Gefahr von Verwechslungen ist von mehreren Komponenten abhängig, die miteinander in Wechselbeziehung stehen, und zwar insbesondere von der Ähnlichkeit oder Identität der Marken, der Ähnlichkeit oder Identität der von ihnen erfaßten Waren und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd/Loints), wobei bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Marken auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der betreffenden Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (EuGH MarkenR 1999, aaO). Ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren kann dabei durch einen größeren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH GRUR 1998, 387, 389 Tz. 23 f. - Sabèl/Puma; EuGH GRUR 1998, 922, 923 Tz. 16 f. - Canon; BGH GRUR 1999, 241, 243; st. Rspr.). Nach diesen Grundsätzen kann im vorliegenden Fall in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang eine Gefahr von Verwechslungen nicht verneint werden.
2. Wie auch die Inhaberin der angegriffenen Marke nicht in Abrede stellt, umfassen die für diese Marke geschützten Bekleidungsstücke auch die von der Widerspruchsmarke beanspruchten Waren "gestrickte und gewirkte Leibwäsche", so dass insoweit von Warenidentität auszugehen ist. Da die letztgenannten Waren auch für den Sportbereich angeboten werden, liegt Warenidentität auch hinsichtlich der von der angegriffene Marke beanspruchten "Sportbekleidung" vor. Im Hinblick auf ihre vergleichbare Funktion besteht schließlich eine enge Ähnlichkeit auch zu den ebenfalls angegriffenen Papierbekleidungsstücken.
3. Wie von der Widersprechenden im Beschwerdeverfahren im einzelnen dargelegt und von der Inhaberin der angegriffenen Marke auch nicht bestritten worden ist, hat die Marke "MEY" schon in dem für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr maßgeblichen Anmeldezeitpunkt der jüngeren Marke (27. März 2000) über eine beachtliche Verkehrsbekanntheit verfügt. So weist die von der Widersprechenden vorgelegte - auf einer bundesweiten Umfrage vom August/September 1999 bei rund 5000 Frauen im Alter von 14 bis 64 Jahren beruhende - BRIGITTE Kommunikations-Analyse 2000 mit dem Titel "Unterwäsche/Dessous" für die Marke "MEY" einen Bekanntheitsgrad von 34 % aus. Im vorausgehenden Jahr 1996 lag die Bekanntheit sogar bei 36 %, wie sich aus der ebenfalls auf der Basis von BRIGITTE Kommunikations-Analysen erstellten Tabelle über die Entwicklung des Marken-Dreiklangs "Bekanntheit/Sympathie/Besitz" der Marke, "MEY" von 1988 bis 2002 ergibt. Sie zeigt - beginnend mit einer Bekanntheit von 16 % im Jahr 1988 - eine Steigerung auf 38 % im Jahr 2002. Die Widersprechende verweist ferner auf das Ergebnis einer GfK-Studie 2000, in der für die Marke "MEY" ein Marktanteil von 7,1 % bezogen auf den insgesamt 41,7 % betragenden Anteil von Herstellermarken im Bereich Damentageswäsche ermittelt worden ist. Damit liegt sie zwischen der Marke "Schiesser" mit dem ausgewiesenen höchsten Marktanteil von 7,7 % und der Marke "Triumph" mit 6,3 %. Diese Studie rechtfertigt den Schluss, dass die Marke "MEY" auch im Jahr 2000 im Bereich Damenunterwäsche mit einem beachtichen Marktanteil präsent war, so dass von einer deutlich gesteigerten Kennzeichnungskraft der älteren Marke und einem entsprechend erweiterten Schutzumfang auszugehen ist. Dies stimmt im übrigen mit den Erkenntnissen des Senats in der Sache ELLA MAY (BPatGE 47, 198, 202, bestätigt durch BGH, Urteil vom 24.02.2005 - I ZB 2/04) sowie des 29. Senat in der Sache "My Sport" (29 W (pat) 287/02, veröffentlicht auf der PAVIS CD-ROM) überein.
4. In Wechselwirkung dazu reicht nach Ansicht des Senats der Abstand, den die angegriffenen Marke zu der Widerspruchsmarke hält, jedenfalls im Bereich der - mit dem Widerspruch nunmehr allein noch angegriffenen - Waren "Bekleidungsstücke; Papierbekleidungsstücke, Sportbekleidung" nicht aus, um die Gefahr von Verwechslungen auszuschließen. Denn es kann im Hinblick auf die erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass ein noch beachtlicher Teil des Verkehrs die angegriffene Marke aufgrund ihres mit der Widerspruchsmarke "MEY" klangidentischen Bestandteils "MY" mit dieser im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 MarkenG gedanklich in Verbindung bringt.
Eine solche Konstellation wird entgegen der Ansicht der Markeninhaberin und der Markenstelle nicht dadurch ausgeschlossen, dass es sich bei der jüngeren Marke um einen Gesamtbegriff handelt, der zwar trotz der Schreibweise in einem Wort erkennbar aus den beiden englischen Wörtern "MY" und "JUNIOR" zusammengesetzt ist, bei dem aber der Bestandteil "MY" ohne weiteres als englisches Possessivpronomen erkannt wird. Denn hierdurch wird lediglich eine unmittelbare Verwechslungsgefahr ausgeschlossen, weil die jüngere Marke dem Verkehr sowohl bei der visuellen wie auch bei der klanglichen Wahrnehmung stets nur mit dem in der Widerspruchsmarke nicht enthaltenen Zusatz "JUNIOR" begegnet, was wiederum darauf beruht, dass sie aus dem vorgenannten Grund auch bei ihrer Benennung nicht allein auf "MY" verkürzt wird. Dies schließt aber nicht aus, dass der Verkehr, auch wenn er die Unterschiede der Marken erkennt, sie aber wegen eines gleichen oder jedenfalls wesensgleichen Bestandteils, der in beiden Marken mit eigenständig kennzeichnender Wirkung hervortritt, irrtümlich dem gleichen Zeicheninhaber zuordnet (vgl. BGH WRP 2002, 534, 536 - BIG; BGH WRP 2002, 537, 541 - BANK 24).
Zwar ist äusserst zweifelhaft, ob in schriftbildlicher Hinsicht - in Wechselwirkung zu der erhöhten Bekanntheit der Widerspruchsmarke - eine als wesensgleich zu erachtende Annäherung des Bestandteils "MY" in der angegriffenen Marke "MYJUNIOR" an "MEY" noch angenommen werden kann, weil der Verkehr, der sich überhaupt Gedanken über die Zuordnung eines Zeichens zu dem Geschäftsbetrieb des Inhabers eines anderen Zeichens macht, in der Regel besonders aufmerksam ist und in visueller Hinsicht den Unterschied zwischen der erkennbar aus einem (Familien-) Namen bestehenden Widerspruchsmarke und dem als englisches Possessivpronomen "my" in der angegriffenen Marke enthaltenen Bestandteils in der jüngeren Marke noch erkennt (vgl Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 9 Rdn 480). Gerade wegen der Bekanntheit der älteren Marke werden beachtliche Teile des Verkehr aber jedenfalls dann, wenn sie der angegriffenen Marke im mündlichen Geschäftsverkehr begegnen, z.B. bei Verkaufsgesprächen oder bei mündlichen Empfehlungen, Nachfragen oder Auskünften (vgl BGH GRUR 1999, 241, 244 liSp - Lions), nicht erkennen können, ob es sich hierbei um das englische Possessivpronomens "my" oder die bekannte ältere Marke "MEY" handelt, die jeweils mit dem Zusatz "JUNIOR" verbunden sind, der auf dem hier relevanten Warensektor eine geläufige, den Abnehmerkreis beschreibende Angabe darstellt, die häufig der als "eigentlichem" Produktnamen empfundenen Marke - sei es als Serienzeichen oder als bloßer Sortimentsbezeichnung - hinzugefügt wird. Tritt der hier übereinstimmende Bestandteil "MY" in der jüngeren Marke aber deutlich wahrnehmbar hervor, während der weitere Bestandteil "JUNIOR" bei der akustischen Wiedergabe als üblicher warenbeschreibender Zusatz wahrgenommen wird, kann die Gefahr einer irrtümlichen gedanklichen Zuordnung zu der bekannten älteren klangidentischen Marke "MEY" nicht ausgeschlossen werden.
5. Auf die Beschwerde der Widersprechenden und den im Beschwerdeverfahren (weiter) eingeschränkten Widerspruch war der Beschluss der Markenstelle daher teilweise aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang anzuordnen.
6. Es sind keine Gründe ersichtlich, von dem Grundsatz des § 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG abzuweichen, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.
Dr. van Raden Prietzel-Funk Schwarz Na
BPatG:
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Az: 27 W (pat) 342/03
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