Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Februar 2007
Aktenzeichen: 30 W (pat) 164/04

(BPatG: Beschluss v. 05.02.2007, Az.: 30 W (pat) 164/04)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 43 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 14. Juni 2004 aufgehoben.

Wegen des Widerspruchs aus der Marke 397 28 761 wird die Löschung der angegriffenen Marke 303 31 735 angeordnet.

Gründe

I.

Eingetragen für die Dienstleistung "Beherbergung von Gästen" ist seit dem 12. September 2003 die nachstehend wiedergegebene (farbige) Wort-Bild-Marke Wiedergabe der Marke Widerspruch eingelegt haben die Inhaberinnen der prioritätsälteren Wortmarke 397 28 761 "EUROSTAR", die seit dem 29. Juni 2001 u. a. für "Hotel- und insbesondere Dienstleistungen der vorübergehenden Beherbergung" eingetragen ist.

Die Markenstelle für Klasse 43 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch zurückgewiesen, weil auch vor dem Hintergrund identischer Dienstleistungen keine Gefahr von Verwechslungen zwischen beiden Marken bestehe, da nicht beide vom Verkehr mit dem Kennwort "Eurostar" benannt würden. Zum einen könne der Widerspruchsmarke nur bei wohlwollender Betrachtung die Schutzfähigkeit zugesprochen werden, wobei sich der Schutzumfang auf die konkrete Kombinationswirkung der beiden Einzelbegriffe beschränke. Hingegen seien die Einzelworte der angegriffenen Marke nach Eigenprägung und Erscheinungsbild gleichermaßen kennzeichnungsschwach, so dass sie nur in der konkreten Zusammenstellung schutzfähig und sich nur insgesamt als Kenn- und Merkwort anböten.

Gegen diesen Beschluss einer Beamtin des höheren Dienstes richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die zunächst rügen, dass die Markenstelle der Widerspruchsmarke nur sehr geringe Kennzeichnungskraft zugebilligt habe. Dies stehe sowohl im Widerspruch zum Erinnerungsbeschluss der Markenstelle vom 3. Mai 2000 im Anmeldungsverfahren der Widerspruchsmarke, der darin unter Aufhebung des Erstprüferbeschlusses vom 1. Dezember 1997 die uneingeschränkte Schutzfähigkeit bescheinigt worden sei, als auch im Widerspruch zur Entscheidung des 28. Senats des Bundespatentgerichts vom 6. Oktober 2004 (Az. 28 W (pat) 241/03), in welcher dem Wort "Eurostar" die kollisionsbegründende Wirkung zugebilligt worden sei. Zudem sei die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke durch intensive Benutzung und Werbung gesteigert, wobei insbesondere der gleichnamige Hochgeschwindigkeitszug hohe Bekanntheit genieße. Kollisionsrechtlich müsse der Widerspruchsmarke der gleichlautende Bestandteil in der angegriffenen Marke gegenübergestellt werden, da deren weiterer Wortbestandteil "hotel" als glatt beschreibender und damit schutzunfähiger Bestandteil die Marke nicht mitprägen könne. Angesichts identischer Dienstleistungen könne eine Verwechslungsgefahr dann nicht ausgeschlossen werden.

Die Widersprechenden beantragen sinngemäß, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Der Markeninhaber hat keinen Antrag gestellt und sich auch sonst nicht geäußert.

Wegen der sonstigen Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Der Senat hat den ursprünglich angesetzten Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben, nachdem die Widersprechenden ihren diesbezüglichen Antrag mit Schriftsatz vom 2. Februar 2006 zurückgenommen haben.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig und auch begründet, da nach Ansicht des Senats die Vergleichsmarken verwechselbar ähnlich im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG sind.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, wobei von einer Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen ist (vgl. BGH zuletzt WRP 2007, 183 Rz. 17 - Goldhase; GRUR 2006, 937 (938), Rz. 17 - Ichthyol II).

Da Benutzungsfragen noch nicht anstehen, denn die Widerspruchsmarke befindet sich noch in der Schonfrist nach § 43 Abs. 1 S. 1 MarkenG, ist hinsichtlich der zu vergleichenden Dienstleistungen von der Registerlage auszugehen. Insoweit stehen sich, wie die Markenstelle im angefochtenen Beschluss zureffend dargelegt hat, identische Dienstleistungen gegenüber. Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr ist daher ein strenger Maßstab anzulegen und von der angegriffenen Marke ein entsprechender Abstand zur älteren Widerspruchsmarke zu fordern, der vorliegend nicht eingehalten wird.

Zwar mögen die Marken in ihrer Gesamtheit wegen der deutlich unterschiedlichen grafischen Gestaltung der angegriffenen Marke ggfls. nicht miteinander verwechselt werden. Es ist im vorliegenden Fall jedoch kollisionsrechtlich geboten, bei der Prüfung einer die Verwechslungsgefahr begründenden Markenähnlichkeit den in der angegriffenen Marke enthaltenen und mit der Widerspruchsmarke identischen Wortbestandteil "Eurostar" isoliert heranzuziehen. Zwar wird einer Marke durch ihre Eintragung grundsätzlich Schutz nur in der eingetragenen Form gewährt, da im Eintragungsverfahren nur die Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke in ihrer Gesamtheit geprüft wird. Daraus folgt jedoch nicht, dass bei der Prüfung der Gefahr von Verwechslungen zwischen einer jüngeren Marke und einer älteren Widerspruchsmarke ausnahmslos von der jeweiligen Marke in ihrer Gesamtheit auszugehen ist. Maßgebend ist vielmehr jeweils der Gesamteindruck der betreffenden Marke, der in Ausnahmefällen auch durch einen von mehreren Bestandteilen bestimmt werden kann. Kollisionsbegründend ist ein solcher Bestandteil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (zuletzt BGH Mitt. 2006, 519, 521 - Malteserkreuz) dann, wenn er den Gesamteindruck der Marke dergestalt prägt, dass neben ihm ein weiterer oder mehrere andere Bestandteile in den Hintergrund treten. Bei Wort-Bild-Marken trifft dies jedenfalls in klanglicher Hinsicht in der Regel auf die Wortbestandteile als einfachster und kürzester Bezeichnungsform zu (vgl. BGH a. a. O. S. 522), zumal wenn diese grafisch oder größenmäßig besonders herausgestellt sind und dem Verkehr als Kenn- und Merkwort entsprechend angeboten werden; dies setzt allerdings voraus, dass es sich hierbei um selbständig kennzeichnende und markenschutzfähige Begriffe handelt. In der angegriffenen Marke trifft dies nur auf die Wortbestandteile "euroSTAR" zu, jedoch nicht auf den Zusatz "hotel". Letzterer ist nämlich für die beanspruchten Beherbergungsdienstleistungen glatt beschreibend, während die mit der Widerspruchsmarke identischen Anfangsbestandteile durchaus über eine - wenn auch nur unterdurchschnittliche - Kennzeichnungskraft verfügen. In einer neueren Entscheidung hat das Bundespatentgericht die Widerspruchsmarke - allerdings für "Fahrzeuge zur Beförderung auf dem Wasser" - ohne weiteres als markenschutzfähigen Begriff eingestuft (Entsch. vom 6. Oktober 2004, Az. 28 W (pat) 241/03 - EURO-STAR). Zudem hat ein anderer Senat kürzlich (Entsch. v. 29. November 2006, Az. 32 W (pat) 226/04 - EUROSTAR/EUROSPAR) eine Verwechslungsgefahr bejaht, weil der Widerspruchsmarke "EUROSPAR" wegen des mehrdeutigen Bestandteils "EURO" (Währungsbezeichnung und Kurzwort für "europäisch") noch durchschnittliche Kennzeichnungskraft zukomme.

Keinesfalls kann die Widerspruchsmarke in ihrem Schutzbereich auf Identität begrenzt werden mit dem Hinweis, dass ihr im Kollisionsverfahren nur aus Rechtsgründen der Schutz nicht insgesamt abgesprochen werden könne. Wenn also die Markenstelle meint, dass der Schutzumfang von der konkreten Kombinationswirkung der Bestandteile der Widerspruchsmarke bestimmt werde, dann muss dies auch in der angegriffenen Marke gelten, in welcher der glatt beschreibende Bestandteil "hotel" nichts zum Schutzumfang beitragen kann, zumal es entgegen der Auffassung der Markenstelle durchaus üblich ist, Beherbergungsbetriebe ohne den Zusatz "Hotel" zu benennen (z. B. Steigenberger, Marriott, Ibis, etc.). Auch ohne Rücksicht auf eine von den Widersprechenden geltend gemachte gesteigerte Kennzeichnungskraft durch intensive Benutzung sind daher nach Auffassung des Senats die Anfangswörter aus der angegriffenen Marke isoliert kollisionsbegründend heranzuziehen, zumal deren grafischer Bestandteil so werbeüblich und unbedeutend ist, dass er nicht die Schutzfähigkeit der Marke in ihrer Gesamtheit begründen kann. Damit stehen sich bei der Kollisionsprüfung letztlich identische Markenwörter gegenüber, was bei identischen Dienstleistungen zwangsläufig zur Annahme einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr führt.

Zu einer einseitig belastenden Kostenentscheidung besteht keine Veranlassung, § 71 MarkenG.






BPatG:
Beschluss v. 05.02.2007
Az: 30 W (pat) 164/04


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