Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 7. Mai 2013
Aktenzeichen: 7 K 2289/11
(VG Köln: Urteil v. 07.05.2013, Az.: 7 K 2289/11)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Das streitgegenständliche Arzneimittel wurde auf Antrag der Klägerin durch Zulassungsbescheid des Bundesgesundheitsamtes vom 10.01.1986 mit der Bezeichnung
"W. G. supra" und dem Anwendungsgebiet "Zur Leistungssteigerung" zugelassen. Es enthält als Wirkstoff pro Kapsel RRR-alpha-Tocopherol 405 mg.
Unter dem 17.02.1998 zeigte die Klägerin dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte - BfArM - eine Änderung der Arzneimittelbezeichnung in "W. supra 600 I.E." an. Mit Bescheid vom 26.08.2004 verlängerte das BfArM auf Antrag der Klägerin vom 11.09.2000 die Zulassung für das Arzneimittel "W. supra 600 I.E." für 5 Jahre.
Ferner enthielt der Verlängerungsbescheid unter der Ziff. 6 die Auflage, die Arzneimittelbezeichnung "W. supra 600 I.E." zu ändern. Als zulässige Alternative wurde die Bezeichnung "W. 405 mg" vorgeschlagen. Die Auflage sei beim nächsten Neudruck der äußeren Umhüllung und der Beschriftung für das Behältnis, spätestens jedoch bis zum nächsten Verlängerungsantrag umzusetzen.
Die Auflage war auf §§ 28 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 2a i.V.m. §§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2; 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1; 11 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG gestützt. In der Begründung war ausgeführt, die gewählte Bezeichnung "600 I.E." sei irreführend und damit gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG nicht verkehrsfähig. Unter dem Begriff "W. " würden verschiedene alpha-Tocopherol-Derivate mit unterschiedlicher biologischer Wirksamkeit zusammengefasst. Der Verbraucher könne nicht erkennen, wie viel wirksame Äquivalente ein spezielles Vitamin-E-Präparat tatsächlich enthalte. Zur Vermeidung einer Irreführung sei es daher erforderlich, die Stärkeangabe insoweit zu korrigieren, dass sie auf die definierte Substanz "RRR-alpha-Tocopherol" bezogen werde. Die Verwendung von I.E.-Einheiten sei nicht mehr zulässig, da die WHO den Standard wegen der fehlenden, allgemein anerkannten Bezugsgröße bereits 1956 aufgegeben habe.
Hiergegen legte die Klägerin am 20.09.2004 Widerspruch ein. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, der Bezeichnungszusatz 600 I.E. sei nicht irreführend. Der Verbraucher kenne den Begriff der I.E.-Einheiten bei Vitamin-E-Präparaten - auch anderer Hersteller - seit vielen Jahren. Der Umstand, dass die WHO den Standard im Jahr 1956 aufgegeben habe, spiele für die Verbrauchererwartung keine Rolle.
Durch Widerspruchsbescheid vom 22.03.2011 wurde der Widerspruch bezüglich der Auflage Ziff. 6 als unbegründet zurückgewiesen. Die Bezeichnung der Stärke des Arzneimittels, also der Wirkstoffmenge, in biologischen Einheiten (I.E.) sei bei Vitamin E Präparaten rechtlich nicht zulässig. Gemäß § 10 Abs. 6 Nr. 2 AMG seien zur Bezeichnung der Stärke Maßeinheiten zu verwenden, soweit nicht biologische Einheiten oder andere Angaben zur Wertigkeit wissenschaftlich gebräuchlich seien. Die biologische Einheit sei bei Vitamin E veraltet und nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht mehr gebräuchlich. Dies sei durch die Rechtsprechung des OVG Münster bestätigt worden (OVG NRW, Urteil vom 12.08.2009 - 13 A 2147/06 - ).
Der Bezeichnungszusatz "600 I.E." sei auch irreführend, weil er geeignet sei, beim Verbraucher eine Fehlvorstellung über die tatsächlich in dem Medikament vorhandene Wirkstoffmenge zu erzeugen. Das vorliegende Arzneimittel enthalte lediglich 405 mg RRR-alpha-Tocopherol-Äquivalente. Durch die Bezeichnung "600 I.E." werde aber im Verhältnis zu anderen Arzneimitteln, bei denen in der Bezeichnung die RRR-alpha-Tocopherol-Äquivalente (hier 405 mg) angegeben würden, eine höhere Wirkstoffmenge und therapeutische Wirksamkeit suggeriert.
Außerdem sei der Bezeichnungszusatz "supra" irreführend, da er auf einen außerordentlich hohen Wirkstoffgehalt hinweise, der im Vergleich zu den tatsächlichen Verhältnissen am Markt bei diesem Arzneimittel nicht vorliege.
Am 19.04.2011 hat die Klägerin gegen die Auflage Ziff. 6 des Verlängerungsbescheides vom 26.08.2004 Klage erhoben.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Bezeichnungszusätze "600 I.E." und "supra" seien rechtlich zulässig und nicht irreführend. Hierzu wird im Wesentlichen vorgetragen:
Der Bezeichnungsbestandteil "600 I.E." sei nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 10 Abs. 6 Nr. 2 AMG rechtmäßig. Die Angabe von biologischen Einheiten (I.E. = Internationale Einheiten bzw. I.U. = International Units) sei nach wie vor in der Wissenschaft in Bezug auf die arzneiliche Verwendung von Vitamin E gebräuchlich. Die wissenschaftliche Aktualität ergebe sich bereits daraus, dass in zahlreichen aktuellen wissenschaftlichen Studien aus den Jahren 2010 bis 2013 in Bezug auf Vitamin E die biologischen Einheiten zur Bezeichnung verwendet würden. Demnach handele es sich keinesfalls um eine vereinzelte Verwendung einer veralteten Bezeichnung, sondern um einen aktuellen wissenschaftlichen Gebrauch.
In aktuellen wissenschaftlichen Abhandlungen von US-amerikanischen Gesundheitseinrichtungen werde darauf hingewiesen, dass der Vitamin-E-Gehalt von Nahrungsmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln üblicherweise in internationalen Einheiten (I.E. oder I.U.) angegeben werde.
Soweit Referenzwerte für Vitamin E in europäischen Rechtsvorschriften über Lebensmittel in Milligramm (mg) angegeben würden, sage dies ebenfalls nichts über die wissenschaftliche Gebräuchlichkeit im Arzneimittelbereich aus. Es geht gerade nicht um die Gebräuchlichkeit in der Gesetzgebung oder Verwaltung. Das BfArM könne auch nicht durch die Einführung einer neuen Verwaltungspraxis einen eigenen wissenschaftlichen Brauch statuieren und damit die gesetzliche Regelung in § 10 Abs. 6 Nr. 2 HS 2 aushebeln. Soweit das BfArM sich zur Entwicklung der Internationalen Einheiten durch die WHO äußere, beruhe dies auf einem veralteten Artikel aus Wikipedia.
Außerdem befänden sich auf dem Markt noch eine Vielzahl von Arzneimitteln mit dem Bestandteil Vitamin E, die in der Bezeichnung eine Stärkeangabe unter Verwendung der Einheit "I.E." enthielten.
Es sei auch nicht zutreffend, dass die WHO den Standard der biologischen Einheiten bei Vitamin E aufgegeben habe. In einer Studie der WHO aus dem Jahr 2009 zu den Effekten von Vitamin C und E bei schwangeren Frauen in Entwicklungsländern werde die Menge des verabreichten Vitamin E mit "400 iu" bezeichnet.
Auch das BfArM gehe selbst grundsätzlich von der Verwendungsmöglichkeit der "I.E." aus, da es in der kommentierten Fassung des "Wortlauts der für die Packungsbeilage vorgesehenen Angaben" von 2007 unter der Angabe von Stärke und Darreichungsform formuliere: "Die Stärke ist bevorzugt in den Einheiten microg, mg, g, % oder Internationale Einheiten pro Dosiereinheit anzugeben."
Soweit die deutsche Gesellschaft für Ernährung - DGE - die Referenzwerte für Vitamin E in Milligramm (mg) angebe, könne hieraus keine Schlussfolgerung auf die wissenschaftliche Handhabung im Arzneimittelbereich bezogen werden. Im Übrigen verwende die DGE selbst noch den Standard der Internationalen Einheiten. In einer Pressemitteilung der DGE vom 10.01.2012 für Vitamin D heiße es, die Menge werde in Mikrogramm oder in internationalen Einheiten angegeben.
Das BfArM könne sich nicht auf eine Sonderstellung von Vitamin E gegenüber anderen Vitaminen berufen, weil bei Vitamin E zwischenzeitlich eine physikalische oder chemische Mengenbestimmung möglich sei. Es halte selbst den Standard I.E. bei Vitamin A und Vitamin D noch für wissenschaftlich gebräuchlich. Jedoch sei es auch bei diesen Stoffen mittlerweile möglich, eine Quantifizierung in mg bzw. µg vorzunehmen. Gleichwohl würden diese noch mit biologischen Einheiten bezeichnet. Demnach sei eine andere Beurteilung bei Vitamin E nicht gerechtfertigt.
Die Angaben in biologischen Einheiten seien auch nicht irreführend im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG. Dem Verbraucher sei die Angabe von Internationalen Einheiten "I.E." als Mengenangabe bei Vitamin-E-Präparaten bekannt, weil eine Vielzahl von Vitamin-E-haltigen Arzneimitteln und Vitamin-E-haltigen Nahrungsergänzungsmitteln und dietätischen Lebensmitteln im Verkehr sei, die die Bezeichnung I.E. verwendeten. Dabei seien bei Vitaminpräparaten sowohl Mengenangaben in "I.E." als auch in "mg" (besonders bei Vitamin B) vertreten. Bei einigen Produkten werde mittlerweise neben der Angabe der Wirkstoffmenge in "I.E." zusätzlich die Menge in "mg" aufgeführt. Der Verbraucher wisse also, dass es einen Unterschied zwischen "I.E" und "mg" gebe und dass die "I.E."-Größe gerade nicht der "mg"-Größe entspreche.
Der informierte und aufmerksame Verbraucher werde also nicht dem Irrtum unterliegen, dass ein Produkt mit der Bezeichnung "600 I.E." den Wirkstoff in einer Menge von 600 mg enthalte bzw. dass die Wirksamkeit dem eines Präparates mit 600 mg Vitamin E als RRR-alpha-Tocopherol entspreche. Der interessierte Verbraucher, dem die Größe I.E. nicht bekannt sei, werde sich vielmehr durch einen Blick auf die Angabe der "Zusammensetzung" auf der Faltschachtel (hier auf den Seitenlaschen) Kenntnis über den Wirkstoffgehalt in mg alpha-Tocopherol-Äquivalenten verschaffen.
Schließlich komme es eigentlich nicht auf das Verbraucherverständnis an. Nach § 10 Abs. 6 Nr. 2 HS 2 AMG sei ausschließlich auf die wissenschaftliche Gebräuchlichkeit abzustellen. Demnach könne durch die Annahme eines fehlerhaften Verbraucherverständnisses die zwingende gesetzliche Regelung nicht umgangen werden.
Der Bezeichnungszusatz "supra" sei ebenfalls nicht als irreführend anzusehen. Das Wort "supra" komme aus dem Lateinischen und bedeute "über" bzw. "darüber". Der verständige Verbraucher verstehe diesen Zusatz in der Weise, dass dieses Arzneimittel höher dosiert sei als andere Vitamin E-Produkte in dem Vitamin-Sortiment der Klägerin. Das streitgegenständliche Medikament sei das stärkste Präparat im Sortiment der Klägerin. Dieser vertreibe die folgenden Vitamin-E-Präparate:
"W. G. 67 mg"
"W. 135 mg = 200 I.E."
"W. ultra 400 I.E."
"W. supra 600 I.E.".
Selbst wenn der Verbraucher in der Bezeichnung "supra" einen Hinweis auf einen höheren Wirkstoffgehalt als in anderen am Markt erhältlichen Vitamin-E-Präparaten sehe, wäre dieser Hinweis nicht irreführend, weil - insbesondere auf dem freiverkäuflichen Markt - zahlreiche niedriger dosierte, Vitamin-E-haltige Arzneimittel mit einem Wirkstoffgehalt zwischen 100 I.E. und 500 I.E. im Verkehr seien.
Die Auflage zur Änderung der Arzneimittelbezeichnung sei auch unverhältnismäßig. Sie greife in die Grundrechte der Klägerin aus Art. 12 und 14 GG ein, ohne dass eine Beeinträchtigung des Gesundheitsschutzes des Verbraucher ersichtlich sei (BGH, Urteil vom 12.11.2009 - I ZR 210/07 - ). Ferner sei das Willkürverbot des Art. 3 GG verletzt, weil sich neben dem Produkt der Klägerin noch zahlreiche andere Präparate mit der Bezeichnung I.E. im Verkehr befänden.
Das Urteil des OVG NRW vom 12.08.2009 - 13 A 2147/06 - stehe dieser Bewertung nicht entgegen. Dieses habe sich mit dem Zusatz "supra" nicht befasst. Außerdem sei das OVG NRW davon ausgegangen, dass die Bezeichnung der Wirkstoffmenge in "I.E." nicht mehr wissenschaftlich gebräuchlich sei, was die Klägerin mit den vorstehenden Ausführungen widerlegt habe.
Die Klägerin beantragt,
die Auflage Ziff. 6 der Anlage 1. zum Verlängerungsbescheid der Beklagten vom 26.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2011 aufzuheben;
hilfsweise,
die Beklagte unter Aufhebung der Auflage Ziff. 6 der Anlage 1. zum Verlängerungsbescheid der Beklagten vom 26.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2011 zu verpflichten, die Zulassung des Arzneimittels
"W. supra 600 I.E." unter dieser Bezeichnung zu verlängern.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Beklagte habe die Änderung der Arzneimittelbezeichnung zu Recht angeordnet. Diese sei gegenüber der Versagung das mildere Mittel und damit eine verhältnismäßige Maßnahme. Der Verlängerung der Zulassung mit der beantragten Bezeichnung stehe der Versagungsgrund des § 31 Abs. 3 Satz 1 AMG i.V.m. § 25 Abs. 2 Nr. 7, 1. Alt. AMG entgegen, da das Inverkehrbringen gegen gesetzliche Vorschriften, nämlich gegen § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AMG verstoße, da die gewählte Bezeichnung irreführend sei.
Zunächst sei die Angabe der Wirkstoffstärke mit "600 I.E." irreführend. Die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte habe bereits entschieden, dass die Angabe von biologischen Einheiten bei Vitamin-E-haltigen Arzneimitteln eine Fehlvorstellung über die im Arzneimittel vorhandene Wirkstoffmenge hervorrufen könne.
Nach der Rechtsprechung des OVG NRW (Urteil vom 12.08.2009 - 13 A 2147/06) erwarte ein durchschnittlicher Verbraucher, dass der Namensbestandteil "600 I.E." die Wirkstoffmenge des Medikaments zutreffend bezeichne und dass sich die Wirkstärke unmissverständlich auf eine wissenschaftlich noch gebräuchliche und einheitlich verwendete Maßeinheit beziehe, die dem Konsumenten ohne weiteren Umrechnungsakt einen Vergleich der am Markt angebotenen Vitamin-E-Präparate und ihrer therapeutischen Wirksamkeit ermögliche. Diese Vorstellung treffe hier aber nicht zu.
Bei Vitamin-E-Präparaten entspreche es dem aktuellen wissenschaftlichen Gebrauch, die Vitamin-E-Aktivität eines bestimmten Tocopherol-Derivates in RRR-alpha-Tocopherol-Äquivalenten in mg auszudrücken. So würden die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung - DGE - empfohlenen aktuellen Referenzwerte für die Zufuhr von Vitamin E in RRR-alpha-Tocopherol-Äquivalenten in mg angegeben. Das gleiche gelte für die Empfehlungen des amerikanischen National Research Council (NRC). Auch in Rechtsakten der Europäischen Union für den Bereich der Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel werde die Menge von Vitamin E in mg RRR-alpha-Tocopherol-Äquivalenten bezeichnet. Da hierdurch die Bezeichnung der Wirkstärke von Vitamin-E-Substanzen im Lebensmittelbereich europarechtlich einheitlich vorgegeben sei, müsse diese Bezeichnung erst recht für den Arzneimittelsektor gelten.
Die Notwendigkeit, eine einheitliche Stärkeangabe für alle Vitamin-E-Präparate festzulegen, resultiere für Vitamin E aus der Besonderheit, dass es sich um eine Sammelbezeichnung für verschiedene Tocopherol-Derivate (Ester, Stereoisomere) handele, bei denen Masse und Wirkstärke nicht identisch sei. Um die Wirkstärke bei allen Vitamin-E- Substanzen einheitlich auszudrücken, sei eine Umrechnung der Masse auf den Standard RRR-alpha-Tocopherol-Äquivalente in mg erforderlich, die mit einem substanzspezifischen Umrechnungsfaktor erfolge.
Demgegenüber sei die Verwendung von Internationalen Einheiten ("I.E.") bei Vitamin E-Produkten wissenschaftlich aktuell nicht mehr gebräuchlich. Die Internationale Einheit sei durch die WHO zu einer Zeit entwickelt worden, als es noch nicht möglich gewesen sei, für eine messbare biologische Wirkung eines Stoffes die Masse der Wirkstoffe anzugeben. Um die biologische Wirkung dennoch irgendwie quantifizieren zu können, sei die Internationale Einheit als Maß für die Katalysator-Effektivität eines Stoffes entworfen festgelegt worden. Das Verhältnis zwischen Internationaler Einheit und Masse oder Menge des Stoffes sei bei jedem Stoff unterschiedlich.
Die I.E. als Maß für die biologische Wirkung werde jetzt nur noch verwendet, wenn Substanzen nicht vollständig durch chemische oder physikalische Methoden charakterisiert und damit nicht in chemischen (Mol) oder physikalischen (Gramm) Maßeinheiten quantifiziert werden könnten. Dies sei aber bei Vitamin-E-Substanzen nicht mehr der Fall, da diese nunmehr durch die Bezugnahme auf RRR-alpha-Tocopherol-Äquivalente in mg quantifiziert werden könnten. Daher habe die WHO diesen Standard auch im Jahr 1956 aufgegeben. Wenn aber die WHO als "Erfinderin" des Systems der Internationalen Einheiten diese Wertberechnung aufgebe, habe dies maßstabsbildende Bedeutung für den Wissenschaftsbereich.
Hinzutrete, dass die Heranziehung des SI-Einheitensystems (Systeme International d’unités), das als Angabe der Masse die Einheit "kg" vorsehe, in fast allen Rechtsbereichen durch Richtlinien der EU aus Gründen des Verbraucherschutzes vorgesehen sei, worauf auch schon das OVG NRW maßgeblich abgestellt habe.
Der Umstand, dass die früher gebräuchliche Bezeichnung in "I.E." im fachbezogenen Schrifttum zu Vitamin E noch vereinzelt verwendet werde, ändere nichts daran, dass die Bezeichnung aus den angegebenen Gründen veraltet sei. Das gelte auch dann, wenn es sich um häufige Ausnahmen handele, wie aus den von der Klägerin vorgelegten Studien-Abstracts erkennbar sei. Die Anwendbarkeit der Regel werde hierdurch nicht berührt.
Die Klägerin könne auch nichts daraus herleiten, dass die Internationalen Einheiten bei anderen Stoffen, wie beispielsweise Vitamin D, nach wie vor wissenschaftlich gebräuchlich seien. Dieses Vitamin könne noch nicht vollständig durch chemische oder physikalische Methoden charakterisiert werden. Es treffe schließlich nicht zu, dass die WHO oder das BfArM die veraltete I.E.-Größe bei Vitamin E noch verwende.
Der Verbraucher werde irregeführt, da er durch die Rechtsakte der Europäischen Union und die entsprechenden Empfehlungen von WHO, NRC und DGE mit der Angabe in mg alpha-Tocopherol-Äquivalente vertraut sei und diese zur Beurteilung der Wirksamkeit heranziehe. Die angegebenen Zahlenwerte (600 I.E.) seien in bezug auf die alpha-Tocopherol-Äquivalente unzutreffend und damit irreführend. Das streitgegenständliche Arzneimittel habe nämlich nur eine Wirkstärke von 405 mg RRR-alpha-Tocopherol-Äquivalente. Bei flüchtiger Betrachtung könne der Verbraucher dem Irrtum unterliegen, es handele sich um 600 mg RRR-alpha-Tocopherol-Äquivalente. Jedenfalls aber werde der Verbraucher mit der höheren Zahlenangabe eine höhere therapeutische Wirksamkeit verbinden, sodass das Produkt mit der Angabe "600 I.E." eine größere Aufmerksamkeit auf sich ziehe als ein Arzneimittel mit der gleichen Wirkstärke, aber der Angabe "405 mg".
Die Beklagte habe aus diesen Gründen seit 2001 die Verwaltungspraxis dahingehend vereinheitlicht, dass für Vitamin E nur noch eine einheitliche Bezugsgröße, nämlich RRR-alpha-Tocopherol-Äquivalente in mg, anzugeben sei. Seither seien 209 Vitamin-E-Präparate nach § 31 AMG verlängert und die Bezeichnungen durch entsprechende Auflagen geändert worden. Dadurch sei eine neue Verkehrsauffassung geprägt worden, auch wenn sich noch einige Präparate im Verkehr befinden sollten, die die Bezeichnung I.E. verwendeten. Auf eine Gleichheit im Unrecht könne sich die Klägerin nicht berufen.
Auch der Bezeichnungszusatz "supra" sei irreführend. Dieses lateinische Wort sei nach der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts im deutschen Sprachgebrauch gleichbedeutend mit dem Begriff "super" und deute auf einen außerordentlich hohen Wirkstoffgehalt, der im Vergleich zu den tatsächlichen Verhältnissen am Markt nicht zutreffe. Die Klägerin habe selbst mehrere im Verkehr befindliche Vitamin-E-Präparate mit dem gleichen Wirkstoffgehalt (600 I.E. = 405 mg RRR-alpha-Tocopherol-Äquivalente) genannt. Darüberhinaus gebe es Medikamente mit einem weit höheren Gehalt von 800 I.E. = 536 mg RRR-alpha-Tocopherol-Äquivalente.
Es komme nicht darauf an, ob das Präparat in der Produktreihe der Klägerin den höchsten Wirkstoffgehalt aufweise. Die Bezeichnung beziehe sich gerade nicht auf die Produkte der Klägerin, wie noch in der früheren Bezeichnung "W. G. supra", sondern auf die Wirkstoffmenge (W. supra 600 I.E.). Dass das streitgegenständliche Präparat aber den höchsten Wirkstoffgehalt am Markt habe, habe die Klägerin selbst nicht behauptet. Ein Vergleich mit den Vitamin-E-Präparaten im freiverkäuflichen Bereich sei nicht hinreichend, weil eine Unterscheidung zwischen apothekenpflichtigen und freiverkäuflichen Medikamenten in den einschlägigen Werbeunterlagen und im Internet nicht stattfinde. Das Arzneimittel der Klägerin sei aber auch im Freiverkäuflichen Sektor nicht das höchstdosierte Präparat. Vielmehr sei das ebenfalls freiverkäufliche Solaguttae Vitamin E 600 mg Kapseln" mit einem Wirkstoffgehalt von 600 mg RRR-alpha-Tocopherol-Äquivalenten höher dosiert.
Die Auflage, die Bezeichnung entsprechend zu ändern, sei grundrechtskonform. Sie sei erforderlich und geeignet, die Bevölkerung vor einem beachtlichen Irrtum über eine wesentliche Arzneimitteleigenschaft zu schützen. Die wirtschaftlichen Nachteile für die Klägerin müssten demgegenüber zurücktreten. Im Übrigen habe die Beklagte durch die langen Umsetzungsfristen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in jeder Beziehung gewahrt.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge sowie alle sonstigen, von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.
Gründe
Der Hauptantrag auf Aufhebung der Auflage Ziff. 6 des Verlängerungsbescheides vom 26.08.2004 ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1., 1. Alt. VwGO statthaft und damit zulässig.
Die Klage richtet sich zwar gegen eine inhaltliche Beschränkung des Verlängerungsbescheides im Hinblick auf die beantragte Arzneimittelbezeichnung. Jedoch handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei einer Anordnung des BfArM, die ausdrücklich als Auflage zur Änderung der Informationstexte bezeichnet ist, nicht um eine konkludente Teilversagung der Zulassung, sondern um eine echte Auflage im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG, und damit um einen Verwaltungsakt, der mit der Anfechtungsklage anzugreifen ist,
vgl. BVerwG, Urteil vom 19.11.2009 - 3 C 10.09 - , NVwZ-RR 2010, 320.
Die Anfechtungsklage ist aber nicht begründet. Zwar ist die Auflage Ziff. 6, die die Klägerin zu einer Änderung der Arzneimittelbezeichnung in den Informationstexten nach § 28 Abs. 2 AMG verpflichtet, rechtswidrig, weil die Beklagte nicht gleichzeitig eine Teilversagung der Verlängerung im Hinblick auf die Bezeichnung ausgesprochen hat. Denn der Name des Arzneimittels ist ein wesentlicher und unverzichtbarer Bestandteil der Arzneimittelzulassung, über den somit in der Zulassungsentscheidung selbst entschieden werden muss (§§ 8 Abs. 1 Nr. 2, 10 Abs. 1 Nr. 2, 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a, 22 Abs. 1 Nr. 2, 25 Abs. 3 und 29 Abs. 2 AMG),
vgl. OVG NRW, Urteil vom 12.08.2009 - 13 A 2147/06 - ; VG Köln, Urteil vom 09.04.2013 - 7 K 2050/11 - .
Die rechtswidrige Auflage zur Änderung der Arzneimittelbezeichnung ist jedoch nicht isoliert aufhebbar, weil der Verlängerungsbescheid ohne die streitgegenständliche Auflage rechtmäßigerweise keinen Bestand haben könnte,
vgl. BVerwG, Urteil vom 18.05.2010 - 3 C 25.09 - A & R 2010, 186; OVG NRW, Urteil vom 07.11.2012 - 13 A 2710/08 - .
Die von der Klägerin beantragte Arzneimittelbezeichnung "W. supra 600 I.E." ist nicht zulassungsfähig, weil ihr der Versagungsgrund des § 31 Abs. 3 Satz 1 AMG i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 Alt. 1 AMG entgegensteht. Nach dieser Vorschrift ist die Zulassung zu versagen, wenn das Inverkehrbringen des Arzneimittels gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen würde. Im vorliegenden Fall würde das Inverkehrbringen des Arzneimittels mit der beantragten Bezeichnung gegen die gesetzliche Vorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AMG verstoßen. Danach ist es verboten, Arzneimittel in den Verkehr zu bringen, die mit irreführender Bezeichnung versehen sind. Dies ist hier hinsichtlich der Angabe der Bezeichnungszusätze "600 I.E." und "supra" der Fall.
Irreführend im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AMG ist eine Arzneimittelbezeichnung, wenn sie geeignet ist, bei einem nicht völlig unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise Fehlvorstellungen über wesentliche Eigenschaften des Präparats zu wecken. Hierbei sind mit Blick auf die Bedeutung des Rechtsguts Gesundheit und wegen der hohen Werbewirksamkeit gesundheitsbezogener Aussagen besonders strenge Anforderungen an den Ausschluss einer Irreführung zu stellen,
vgl. OVG NRW, Urteil vom 12.08.2009 - 13 A 2147/06 - ; Urteil vom 23.05.2007 - 13 A 3657/04 - .
Mit der Arzneimittelbezeichnung wendet sich der pharmazeutische Unternehmer in erster Linie an den Verbraucher, der sich bei seiner Kaufentscheidung mangels Fachkenntnissen vorrangig an der auf der äußeren Umhüllung befindlichen Bezeichnung, und nicht an den ausführlichen Informationen der Packungsbeilage orientiert. Das gilt nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts sogar bei apothekenpflichtigen Arzneimitteln,
vgl. OVG NRW, Urteil vom 12.08.2009 - 13 A 2147/06 - .
Demnach kommt der Bezeichnung bei frei verkäuflichen Medikamenten, wie dem streitgegenständlichen Vitaminpräparat, erst recht eine erhebliche Bedeutung zu. Diese werden neben dem Angebot in Apotheken hauptsächlich in Drogeriemärkten, Reformhäusern und im Internet vertrieben. Dort findet in der Regel keine Beratung statt. Insbesondere im Internet treten auch die sonstigen Informationstexte kaum in Erscheinung, so dass hier der Arzneimittelbezeichnung besondere Aufmerksamkeit zukommt.
Bei der Ermittlung der durch die Arzneimittelbezeichnung ausgelösten Verbrauchervorstellung ist auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen. Dieser stellt sich zu Recht vor, dass der Arzneimittelmarkt durch die zuständigen Behörden streng überwacht wird und die Bezeichnung eindeutig, klar und zutreffend ist. Er erwartet, dass Angaben zur Stärke des Arzneimittels in einheitlichen und dem aktuellen wissenschaftlichen Gebrauch entsprechenden Bezugsgrößen gemacht werden und dass diese - wenn möglich - dem Verbraucher geläufig sind und einen Vergleich der angebotene Präparate und ihrer therapeutischen Wirksamkeit ermöglichen,
vgl. OVG NRW, Urteil vom 12.08.2009 - 13 A 2147/06 - .
Diese Verbrauchererwartung wird aber durch den Bezeichnungszusatz "600 I.E." nicht erfüllt. Die Kennzeichnung der Stärke des Arzneimittels in der Arzneimittelbezeichnung in Internationalen Einheiten = I.E. entspricht nicht dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand. Sie ist einem durchschnittlich gebildeten Verbraucher regelmäßig nicht bekannt und täuscht ihn über die Menge und die Wirksamkeit der in dem Arzneimittel eingesetzten Vitamin E-Substanz. Sie erschwert einen Vergleich mit Arzneimitteln, die in ihrer Bezeichnung eine Stärke-Angabe in mg enthalten.
In dem streitgegenständlichen Arzneimittel ist der Wirkstoff RRR-alpha-Tocopherol in einer Menge von 405 mg enthalten. Dies entspricht nach dem allein maßgeblichen aktuellen wissenschaftlichen Standard einer Menge von 405 mg RRR alpha-Tocopherol-Äquivalenten. Nur dieser Standard gibt die Wirkstärke zutreffend und in einer vergleichbaren Weise für alle unter der Sammelbezeichnung Vitamin E erhältlichen Substanzen wider. Demgegenüber ist die Angabe in Internationalen Einheiten veraltet und entspricht keinem gültigen Standard der Weltgesundheitsorganisation WHO für die biologische Aktivität einer Substanz,
vgl. OVG NRW, Urteil vom 12.08.2009 - 13 A 2147/06 - .
Die Angabe "600 I.E." erzeugt allein wegen des höheren Zahlenwertes bei dem Verbraucher den Eindruck einer höheren Wirkstärke als sie dem Arzneimittel mit einer Wirkstärke in Höhe von 405 mg RRR alpha-Tocopherol-Äquivalenten zukommt. Selbst wenn dem Verbraucher die Abkürzung I.E. bei Vitamin-Präparaten (als Arzneimittel oder Nahrungsergänzungsmitteln) schon begegnet ist, ist ihm die Bedeutung der Abkürzung als Einheit für die biologische Wirksamkeit und ihr Verhältnis zur Angabe der Stoffmenge in Gewichtseinheiten ( mg alpha-Tocopherol-Äquivalente) nicht bekannt. Daher besteht die Gefahr, dass ein nicht unerheblicher Teil der Verwender irrtümlich annimmt, dass der Wirkstoff in einer Menge von 600 mg enthalten ist, jedenfalls aber in einer größeren Menge oder höheren Wirkstärke als bei einem Medikament mit der Bezeichnung "W. 405 mg". Da zahlreiche Medikamente nicht mehr mit der Bezeichnung der "I.E.", sondern nur noch mit der Bezeichnung in mg im Verkehr sind, ist auf der Grundlage der Arzneimittelbezeichnung "600 I.E." ein zutreffender Vergleich der Wirkstärke mit anderen Arzneimitteln nicht möglich oder zumindest erschwert.
Der Irrtum über die Wirkstärke wird durch die Gestaltung der Vorderseite der Faltschachtel des streitgegenständlichen Medikaments noch gefördert, weil diese den Zusatz "supra 600 I.E." in großer Schrift direkt unter der Bezeichnung "Vitamin C" enthält, hingegen in der kleiner gedruckten Angabe des Wirkstoffs RRR-alpha-Tocopherol" in der Zeile darunter gar keine Mengenangabe aufweist. Auf der Faltschachtel des Mitvertreibers R. Q. , der das streitgegenständliche Medikament unter der Marke "E. aktiv" vertreibt, ist zwar die Inhaltsmenge einer Kapsel ("405 mg Weichkapsel") unterhalb der Bezeichnung "Vitamin E" angegeben, jedoch wird nicht klar, dass sich diese Gewichtsangabe auf den Wirkstoff RRR-alpha-Tocopherol bzw. auf den Standard RRR alpha-Tocopherol-Äquivalente bezieht. Darüberhinaus fällt diese Mengenangabe gegenüber der 3-4 fach größeren Zahl "600 I.E." kaum ins Auge.
Die Annahme der Klägerin, dass einem informierten Konsumenten die Unterschiede zwischen I.E. und mg bekannt sind, ist nicht zutreffend. Der Umstand, dass eine Reihe von Vitamin-Präparaten auch mit einer Arzneimittelbezeichnung im Verkehr sind, die eine mg-Angabe beinhaltet, sagt dem Verbraucher noch nichts über die Größe I.E. und das Verhältnis zwischen I.E. und mg. Die Klägerin hat nur ein einziges Präparat nennen können, auf dessen Faltschachtel sich eine deutlich sichtbare Umrechnung von I.E. in mg befindet, nämlich das Präparat der Klägerin "W. 135 mg = 200 I.E." (Anlage K 33). Darüberhinaus kann die Umrechnung der Einheiten nicht von einem Arzneimittel auf ein anderes übertragen werden, weil diese von einem substanzspezifischen Umrechnungsfaktor abhängig ist, den der Verbraucher nicht kennt. Ungeachtet dessen kann ein Verbraucher erwarten, dass er mit einer Arzneimittelbezeichnung, die Angaben zur Wirkstärke macht, unmittelbar und eindeutig informiert wird, ohne dass eine Umrechnung mit Hilfe weiterer Angaben erforderlich ist.
Der Umstand, dass die Menge des Wirkstoffs in mg RRR alpha-Tocopherol-Äquivalenten an anderer Stelle in den Informationstexten auftaucht, beispielsweise auf der Seitenlasche der Verpackung oder in der Gebrauchsinformation, ist für die Frage der Irreführung des Verbrauchers durch die Bezeichnung nicht relevant, solange der pharmazeutische Unternehmer die irreführende Bezeichnung "600 I.E.", wie hier, als Blickfang optisch besonders hervorhebt und damit die Aufmerksamkeit des Verbrauchers gezielt auf diese Größe lenkt,
vgl. bereits OVG NRW, Urteil vom 12.08.2009 - 13 A 2147/06 - .
Hinzutritt, dass bei dem Vertrieb vitaminhaltiger freiverkäuflicher Arzneimittel ebenso wie bei dem Vertrieb der konkurrierenden vitaminhaltigen Nahrungsergänzungsmittel der Verkauf über das Internet eine erhebliche Rolle spielen dürfte. Auf entsprechenden Internetseiten stehen die oben genannten zusätzlichen Informationen über die Arzneimittelstärke aber nur eingeschränkt zur Verfügung: auf Abbildungen der Verpackungen (nur Vorderseite) sind die kleingedruckten Texte häufig kaum zu erkennen, Links zu den Gebrauchsinformationen sind nicht immer vorhanden. Aufschlussreich für die eingesetzten Werbemethoden ist beispielsweise die Werbung der Internetapotheke docmorris auf der Seite www. .de/bilder vom 14.05.2013. Hier erscheinen neben Präparaten anderer Hersteller ausschließlich die hochdosierten (600 I.E.) streitgegenständlichen Arzneimittel der Klägerin in einer durchlaufenden Bildersequenz, wobei die Faltschachteln jeweils nur für etwa 2-3 Sekunden so nahe herangezoomt werden, dass die großgedruckten Arzneimittelbezeichnungen lesbar sind. Die Wahrnehmung weiterer Texte ist nicht möglich. Daher sind weitere klarstellende Informationen nicht geeignet, eine Irreführung durch die Arzneimittelbezeichnung zu verhindern.
Eine Irreführung durch die Angabe "600 I.E." wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass diese veraltete Bezeichnung noch häufig im Warenverkehr mit Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln sowie in wissenschaftlichen Veröffentlichungen Verwendung findet. Dies wäre möglicherweise dann der Fall, wenn die Internationalen Einheiten als Bezeichnung für die Menge von Vitamin E gesetzlich vorgeschrieben wären,
vgl. OVG NRW, Urteil vom 12.08.2009 - 13 A 2147/06 - unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 23.01.1992 - 3 C 33.89 - BVerwGE 89, 320.
Dies ist jedoch - entgegen der Annahme der Klägerin - nicht der Fall. Vielmehr ist der pharmazeutische Unternehmer nach § 10 Abs. 6 Nr. 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG verpflichtet, zur Bezeichnung der Menge Maßeinheiten zu verwenden, und zwar grundsätzlich diejenigen nach dem Internationalen Einheitensystem (SI-Einheiten), das für die Angabe des Gewichts die Einheit Kilogramm ( bzw. g, mg, µg) vorsieht,
vgl. Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, § 10 Abs. 6 Nr. 2, Anm. 98.
Die Vorschrift des § 10 Abs. 6 Nr. 2 AMG schreibt eine Angabe von biologischen Einheiten, also auch von Internationalen Einheiten (I.E.), nur dann vor, wenn diese - anstelle der Maßeinheiten - wissenschaftlich gebräuchlich sind. Die veralteten "I.E." sind jedoch nicht mehr wissenschaftlich gebräuchlich, weil sie als Angabe für die biologische Wirksamkeit von der WHO aufgegeben und durch den einheitlichen Standard der RRR-alpha-Tocopherol-Äquivalente in mg ersetzt worden sind. Das ist in der Rechtsprechung des VG Köln bereits ausführlich begründet und vom OVG Münster in der vorgenannten Entscheidung bestätigt worden,
vgl. VG Köln, Urteile vom 18.04.2006 - 7 K 6979/04 - , 7 K 7060/04 - und 7 K 1543/04 - ; OVG NRW, Urteil vom 18.04.2009 - 13 A 2147/06 - .
Diese Annahme hat die Klägerin nicht dadurch widerlegt, dass sie zahlreiche Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel benennt, die noch eine Stärkeangabe in I.E. enthalten. Der Umstand, dass die Hersteller von Vitamin-Präparaten zum Zweck der besseren Vermarktung an den veralteten, aber höheren Internationalen Einheiten festhalten, sagt über die wissenschaftliche Gebräuchlichkeit dieser Bezeichnung nichts aus.
Auch die Tatsache, dass in zahlreichen aktuellen wissenschaftliche Studien mit Vitamin-E-Präparaten die Prüfmedikation noch mit "I.E." bzw. "I.U." bezeichnet wird, lässt nur die Schlussfolgerung zu, dass eine veraltete Angabe noch eine verbreitete Verwendung neben einer aktuellen Mengenangabe in Maßeinheiten findet. Gleichwohl ist die veraltete Angabe jedoch nicht mehr "wissenschaftlich gebräuchlich" im Sinne des § 10 Abs. 6 Nr. 2 AMG. Darunter kann nur eine Mengenangabe verstanden werden, die nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand anerkannt ist. Das ergibt sich aus Wortlaut und Zweck dieser Vorschrift sowie aus dem Zusammenhang mit anderen Vorschriften des Arzneimittelgesetzes.
In § 10 Abs. 6 Nr. 2 AMG heißt es: "Zur Bezeichnung der Menge (der Bestandteile) sind Maßeinheiten zu verwenden; sind biologische Einheiten oder andere Angaben zur Wertigkeit wissenschaftlich gebräuchlich, so sind diese zu verwenden." Aus der Reihenfolge der zu verwendenden Einheiten folgt, dass primär Maßeinheiten anzugeben sind. Nur wenn anstelle der Maßeinheiten biologische oder andere Einheiten wissenschaftlich gebräuchlich sind, sind diese anzugeben. Die Verwendung von Maßeinheiten und anderen Einheiten schließen sich damit auch gegenseitig aus: es sind entweder Maßeinheiten oder - bei wissenschaftlicher Gebräuchlichkeit - andere Einheiten anzuwenden. Insbesondere können Maßeinheiten und biologische Einheiten nicht wahlweise für die Bezeichnung der Menge eines bestimmten Bestandteils, insbesondere eines Wirkstoffs, verwendet werden. Dies würde nicht nur dem Wortlaut der Vorschrift, sondern auch dem Erfordernis der einheitlichen und unverwechselbaren Bezeichnung der Menge eines Bestandteils widersprechen, das aus Gründen der Arzneimittelsicherheit unverzichtbar ist (vgl. auch § 28 Abs. 2 Nr. 3 AMG). Eine veraltete Mengenbezeichnung kann daher neben einer aktuellen, wissenschaftlich fundierten Mengeneinheit nicht mehr "wissenschaftlich gebräuchlich" im Sinne der Vorschrift sein, auch wenn sie in der Praxis noch vielfach angewandt wird. Das ergibt sich auch daraus, dass es bei der Anwendung von wissenschaftlichen Maßstäben im Rahmen des Arzneimittelgesetzes immer auf die "anerkannten pharmazeutischen Regeln" (vgl. §§ 8 Abs. 1 Nr. 1, 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ) oder den gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ankommt (vgl. §§ 5 Abs. 2, 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 4, § 25 a Abs. 1, 26 Abs. 1 Satz 2).
Daraus folgt für den vorliegenden Streitfall, dass die Menge einer Vitamin-E-Substanz in einer Maßeinheit, nämlich in mg RRR-alpha-Tocopherol-Äquivalenten anzugeben ist. Denn die primär zu verwendende Maßeinheit kg (hier: mg) kann wissenschaftlich definiert werden und ist auch wissenschaftlich anerkannt und damit gebräuchlich, wie in der Rechtsprechung bereits geklärt ist. Demgegenüber ist die ältere Angabe in "I.E." bei Vitamin E nicht mehr wissenschaftlich gebräuchlich. Insoweit haben sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die sich in den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung -DGE - und des US-amerikanischen National Research Council für die Nährstoffzufuhr niederschlagen (vgl. Anlagen B2 und B3), nicht geändert.
Dies wird in einem aktuellen Artikel des Internetlexikons "Wikipedia" vom 17.12.2012 bestätigt, in dem es heißt: "Angaben über den Vitamin E-Bedarf werden korrekt in mg TE (Tocopherol-Äquivalente) gemacht. ... Die älteren IE basierten auf der relativen Vitamin-E-Aktivität von allracalpha-Tocopherylacetat und sollen nicht mehr verwendet werden." Eine Bestätigung findet die wissenschaftliche Anerkennung der Maßeinheit mg RRR-alpha-Tocopherol-Äquivalente auch in den von der Beklagten angeführten EU -Richtlinien 2002/46/EG und 90/496/EWG sowie im Verordnungsentwurf 2008/0028 (COD) aus dem Lebensmittelbereich, (Anlagen B4 - B6).
Es begegnet keinen Bedenken, wissenschaftliche Maßstäbe für die Kennzeichnung von Vitamin B-Präparaten aus dem Lebensmittelbereich im Bereich der Arzneimittel anzuwenden. Die Entwicklung des Standards der RRR-alpha-Tocopherol-Äquivalente beruhte auf der Notwendigkeit, ein einheitliches Maß für die biologische Wirksamkeit von verschiedenen Vitamin-E-Substanzen zu finden. Eine einheitliche Bezeichnung für die biologische Aktivität und damit die Wirkstärke einer Substanz hat aber gleichermaßen Bedeutung für die Ermittlung und Deckung des Tagesbedarfes und der sicheren Höchstwerte im Rahmen der Ernährung als auch für die Prüfung von Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Vitamin-E-haltigen Arzneimitteln. Ungeachtet dessen erscheint es im Interesse des Verbraucherschutzes geradezu notwendig, dass vitaminhaltige Nahrungsergänzungsmittel und Arzneimittel einheitlich ausgezeichnet werden, um Fehlvorstellungen des Konsumenten über den wirksamen Gehalt zu begegnen. Schließlich ist auch der Einwand der Klägerin, dass sich aus Rechtsvorschriften keine Aussage über die wissenschaftliche Gebräuchlichkeit einer Einheit entnehmen lasse, nicht berechtigt. Denn die Rechtsnormen der EU werden nicht willkürlich festgelegt, sondern spiegeln den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse - beispielsweise der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) - wieder.
Dass die Einheit RRR-alpha-Tocopherol-Äquivalente in mg dem Stand der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse über eine geeignete Bezeichnung der Menge der unterschiedlichen Tocopherol-Derivate entspricht, hat die Klägerin auch nicht bestritten oder widerlegt. Insbesondere ist keiner der vorgelegten Studien-Kurzberichte (abstracts) oder wissenschaftlichen Abhandlungen zu entnehmen, dass diese Festlegung aus wissenschaftlichen Gründen in Frage gestellt wird. Vielmehr wird in den zitierten Publikationen der amerikanischen Gesundheitseinrichtungen nur festgestellt, dass die verfügbaren Arzneimittel/Nahrungsergänzungsmittel noch vielfach mit der veralteten Mengenangabe "I.E." oder "I.U." im Verkehr sind und entsprechende Umrechnungstabellen mit den Angaben von I.U. in Klammern angeboten (vgl. Informationsblatt des US National Institut of Health, Datum unbekannt, Ausdruck vom 18.07.2011, Anlage K9 und Jennifer Hillan, University of Florida, Stand: 2006, Ausdruck vom 18.07.2011, Anlage K10).
In den vorgelegten Publikationen von Studienberichten wird ohne nähere Begründung die eingesetzte Prüfmedikation mit der früher üblichen Mengenbezeichnung I.E. oder I.U. versehen. Eine Diskussion über diese Bezeichnung findet nicht statt. Das ist auch naheliegend, weil bei den Studien nicht die korrekte Mengenbezeichnung im Vordergrund steht, sondern die Erforschung der Wirkungen von Vitamin E. Diese Erwägungen gelten auch für die von der WHO unterstützte Studie von Villar, et al. vom 15.02.2009 (Anlage K 18 b) über die Wirksamkeit von Vitamin E bei schwangeren Frauen in Entwicklungsländern. Aus der Angabe der Studienmedikation in "I.U." kann keineswegs entnommen werden, dass die WHO den von ihr geprägten Standard der RRR-alpha-Tocopherol-Äquivalente wieder aufgegeben hat. Vielmehr ist diese Frage nicht Gegenstand der Studie gewesen. Die weitere Verwendung der veralteten Maßstäbe ändert im Ergebnis nichts an der Tatsache, dass die "I.E." jedenfalls bei Vitamin E nicht mehr wissenschaftlich anerkannt sind.
Es ist auch nicht erkennbar, dass die DGE den aktuellen Standard wieder aufgegeben hätte. Die von der Klägerin zitierte Pressemitteilung der DGE vom 10.01.2012 (Anlage K 59) bezieht sich auf Vitamin D, und nicht auf Vitamin E. Allgemein kann aus den bei
den Vitaminen A und D noch wissenschaftlich üblichen Mengenangaben in Internationalen Einheiten kein Anspruch auf eine Gleichbehandlung bei Vitamin E abgeleitet werden, weil es sich um andere, nicht vergleichbare Stoffe handelt,
vgl. bereits OVG NRW, Urteil vom 12.08.2009 - 13 A 2147/06 - .
Die unterschiedliche Verfahrensweise hinsichtlich der Vitamine A und D einerseits und Vitamin E andererseits rechtfertigt sich aus den Monographien des Europäischen Arzneibuchs, die in der Definition des Stoffes bei den Vitaminen A und D neben der Angabe in Gewichtseinheiten (mg) auch noch die Angabe in I.E., sowie eine Umrechnung enthalten. Das ist bei der Monographie für Vitamin E nicht der Fall. Die Vertreterin der Beklagten hat hierzu in der mündlichen Verhandlung unbestritten und nachvollziehbar ausgeführt, dass die unterschiedliche Handhabung darauf beruhe, dass die WHO an dem Standard für die biologische Aktivität bei diesen Stoffen nach wie vor festhalte, den Standard für die Vitamin-E-Gruppe jedoch aufgegeben habe. Das BfArM verlange daher in der Deklaration von Vitamin A und D-Präparaten jeweils beide Angaben nebeneinander (Gewichtseinheit und I.E.). Demnach entspricht die Angabe von "I.E." bei den Vitaminen A und D noch den anerkannten pharmazeutischen Regeln, die durch das Arzneibuch festgelegt werden, nicht aber bei Vitamin E.
Eine von § 10 Abs. 6 Nr. 2 AMG abweichende Stärkeangabe bei Vitamin-E-Präparaten lässt sich auch nicht aus den - rechtlich unverbindlichen - Leitlinien des BfArM ableiten. Sowohl die Bekanntmachung des BfArM vom Januar 2007 über den "Wortlaut der für die Packungsbeilage vorgesehenen Angaben" (Anlage K 18 c) als auch die aktuelle Leitlinie vom März 2013 (Anlage zum Protokoll vom 07.05.2013) enthalten allgemeine Empfehlungen für alle Medikamente, die einer spezifischen Anpassung an das jeweilige Arzneimittel bedürfen. Die in der aktuellen Leitlinie von 2013 vorgesehene Möglichkeit, bei Generika anstelle der aktiven Substanz (Wirkstoff) und ihrer Stärke den Namen des Salzes (Wirkstoffverbindung) und das Gesamtgewicht von Wirkstoff und Salz in die Bezeichnung aufzunehmen, betrifft offensichtlich eine andere Fallgestaltung. Aus dieser Ausnahmebestimmung kann kein genereller Bestandsschutz für ältere Bezeichnungen abgeleitet werden. Ungeachtet dessen geht der Anspruch auf einen Bestandsschutz schon deshalb fehl, weil das ursprünglich zugelassene Medikament der Klägerin die umstrittene Stärkeangabe "600 I.E." überhaupt nicht enthielt; vielmehr wurde dieser Zusatz erst mit der Änderungsanzeige vom 17.02.1998 eingefügt, über die das BfArM erstmalig mit dem streitgegenständlichen Verlängerungsbescheid vom 26.08.2004 entschieden hat.
Demnach müssen gemäߠ § 10 Abs. 6 Nr. 2 AMG nunmehr Maßeinheiten für die Menge an Vitamin E verwendet werden. Die älteren Internationalen Einheiten sind nicht mehr wissenschaftlich gebräuchlich, weil sie nicht mehr wissenschaftlich anerkannt sind, auch wenn sie noch tatsächlich verwendet werden.
Eine Irreführung des Verbrauchers liegt auch hinsichtlich des Namensbestandteils "supra" vor. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin beabsichtigt hat, mit "supra" die höchste Dosierung in ihrer Produktreihe von Vitamin-E-Präparaten zu kennzeichnen. Maßgeblich ist die Sicht und Wahrnehmung eines durchschnittlichen Verbrauchers. Es ist jedoch zweifelhaft, ob der Verbraucher - außer auf der Internetseite der Klägerin - praktisch die Gelegenheit hat, die 4-teilige Produktserie der Klägerin in ihrer Gesamtheit zur Kenntnis zu nehmen und das streitgegenständliche Präparat als dasjenige mit der höchsten Wirkstärke einzuordnen. Die diesbezüglichen Erkundigungen des Gerichts haben ergeben, dass die Klägerin weder bei den befragten Apotheken, noch in Drogeriemärkten oder bei Internetapotheken mit der ganzen Produktpalette in einer vergleichbaren Präsentation vertreten ist. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat hierzu auch weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung angeben können, bei welchem Anbieter die Klägerin mit ihrer kompletten Produktreihe auftritt.
Unabhängig davon deuten die Zusätze "ultra" bei dem 400 I.E.-Präparat bzw. "supra" bei dem 600 I.E.-Präparat auch nicht auf eine Steigerung der Dosierung in einer Reihe hin. Bei der Bezeichnung "ultra" (lateinisch: jenseits) handelt es sich nämlich ebenfalls um die Kennzeichnung einer außergewöhnlich hohen Stärke, wie die Wörter "ultraviolett", "ultraleicht" oder "ultrarechts/links" verdeutlichen.
Vor diesem Hintergrund ist es naheliegend, dass ein durchschnittlich informierter Verbraucher mit der Bezeichnung "supra", die unmittelbar vor der Angabe "600 I.E." angeordnet ist, eine außergewöhnlich hohe Stärke und Wirksamkeit im Vergleich zu Präparaten mit einer niedrigeren Dosierung, aber auch zu gleich starken Produkten anderer Hersteller verbindet, die diesen Zusatz nicht haben. Das Wort "supra" ist dem normalen Verbraucher zwar nicht in seiner genauen Bedeutung bekannt, taucht aber in der Werbesprache häufig auf und wird am ehesten mit dem Wort "super" assoziiert, was auf ein Produkt mit besonders guten, hervorragenden Eigenschaften hindeutet,
vgl. BPatG, Beschlüsse vom 22.03.2005 - 24 W (pat) 178/04 - , vom 30.01.2002 - 28 W (pat) 130/01 - und vom 28.03.2001 - 26 W (pat) 73/00 - .
Diese Eigenschaften hat das Präparat der Klägerin aber nicht. Das Medikament ist nämlich zum einen nicht das am höchsten dosierte Vitamin-E-Präparat am Markt, auch nicht im Bereich der freiverkäuflichen Medikamente, wie die Beklagte unwidersprochen ausgeführt hat. Es ist zum anderen auch im Vergleich zu Arzneimitteln anderer Hersteller keineswegs besonders hoch dosiert. Vielmehr sind zahlreiche Vitamin-E-Produkte mit einer vergleichbaren Stärke, nämlich mit 600 I.E. oder 405 mg RRR-alpha-Tocopherol-Äquivalenten im Handel erhältlich. Bereits die Auflistung der Klägerin auf Bl. 43, 44 der Gerichtsakte (vgl. auch Anlagen K13 - zeigt, dass von den dort aufgeführten sieben Arzneimitteln mit der Stärkeangabe I.E. vier eine vergleichbare Stärke von 600 I.E. aufweisen. Im Vergleich mit diesen gleich starken Arzneimitteln kann durch den Zusatz "supra" der Eindruck hervorgerufen werden, das streitgegenständliche Produkt weise besondere Eigenschaften auf, die die Produkte der anderen Hersteller nicht haben.
Schließlich könnte der Verbraucher mit der Bezeichnung "supra 600 I.E." auch die Vorstellung verbinden, das Produkt habe nicht nur eine besonders hohe Dosierung, sondern auch eine besonders gute therapeutische Wirkung im Vergleich zu niedriger dosierten Produkten,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.12.2007 - 13 A 1178/05 - zum Bezeichnungszusatz "forte".
Diese Vorstellung trifft aber nicht zu. Eine besonders hohe therapeutische Wirksamkeit in den Anwendungsgebieten "Zur Behandlung eines Vitamin-E-Mangels" und "Zur Leistungssteigerung" gegenüber niedriger dosierten Präparaten hat die Klägerin nämlich selbst weder behauptet noch nachgewiesen. Vielmehr dürften zur Behandlung eines Vitamin-E-Mangels bei dem von der DGE angegebenen Tagesbedarf von Erwachsenen von 11 - 17 mg RRR alpha-Tocopherol-Äquivalenten auch wesentlich niedriger dosierte Arzneimittel genügen. Die Wirksamkeit des Arzneimittels im Anwendungsgebiet "Zur Leistungssteigerung" hat das BfArM im Verlängerungsbescheid nicht als hinreichend begründet angesehen und die Teilversagung lediglich aus Rechtsgründen wieder aufgehoben. Vor diesem Hintergrund kann dem streitgegenständlichen Arzneimittel die mit dem Zusatz "supra 600 I.E." in der Vorstellung des Verbrauchers verknüpfte Eigenschaft einer "superguten" Wirksamkeit nicht zuerkannt werden.
Die angeordnete Änderung der Bezeichnung begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie verletzt insbesondere nicht die Grundrechte der Klägerin aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 GG. Der Eingriff in die unternehmerische Freiheit und den Wert der arzneimittelrechtlichen Zulassung ist durch die Belange des Gesundheitsschutzes und des Verbraucherschutzes vor Täuschung gerechtfertigt,
vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 12.08.2009 - 13 A 2147/06 - .
Gesundheitsgefahren durch eine irrtümliche Bewertung des Produktes als besonders wirksames Mittel zur Leistungssteigerung mit der Folge einer verzögerten Behandlung von krankheitswertigen Zuständen von Leistungsschwäche oder Erschöpfung können entgegen der Auffassung der Klägerin nicht ausgeschlossen werden. Schließlich erweist sich die Änderung der Bezeichnung auch im Hinblick auf die langen Umsetzungsfristen als angemessen.
Die Beklagte war entgegen der Auffassung der Klägerin nicht verpflichtet, zumindest eine Verlängerung der Zulassung mit dem Zusatz "W. 600 I.E. (405 mg) supra" als milderes Mittel zum Schutz vor einer Irreführung zu erteilen. Eine derartige Verpflichtung lässt sich insbesondere nicht aus der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.02.2005 - 3 C 5.04 - zu Kennzeichnungsvorschriften für "Bier" ableiten, da der dort geschilderte Fall dem vorliegenden nicht vergleichbar ist. Abweichend von dem dort entschiedenen Fall ist das Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Medikaments mit der beantragten Bezeichnung "600 I.E." gerade nicht gesetzlich zulässig, da es - wie ausgeführt - gegen § 10 Abs. 6 Nr. 2 AMG verstößt. Darüberhinaus ist fraglich, ob der Klammerzusatz (405 mg) wirklich geeignet ist, eine irrige Verbrauchervorstellung von einer besonders hohen Wirkstärke des Arzneimittels, die an den Zahlenwert "600" anknüpft, eindeutig auszuschließen. Denn im Arzneimittelbereich bestehen höhere Anforderungen an einen Ausschluss der Irreführung als im Nahrungsmittelbereich, da eine Täuschung des Verbrauchers immer auch zu einer Gesundheitsgefahr führen kann.
Es liegt auch kein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG vor. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass sie seit 2001 die Angabe von Internationalen Einheiten in der Bezeichnung von Vitamin-E-Präparaten aus Anlass der Entscheidung über die Verlängerung der Zulassung grundsätzlich untersagt und bereits zahlreiche Präparate entsprechend geändert worden sind. Dies führt zwar wegen der teils sehr langen Bearbeitungszeiten von Verlängerungsanträgen und Widersprüchen derzeit noch zu einer gleichzeitigen Marktpräsenz von geänderten und noch nicht geänderten Arzneimitteln. Wegen des erheblichen Verwaltungsaufwandes und der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Ressourcen des BfArM ist dieses Verfahren der Umsetzung der aktuellen Gewichtseinheiten in mg RRR-alpha-Tocopherol-Äquivalenten jedoch aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, dass sich die langen Bearbeitungszeiten und unterschiedlichen Verlängerungszeitpunkte vergleichbarer Arzneimittel letztlich auch zugunsten der pharmazeutischen Unternehmer auswirken, die ihre Präparate während der Dauer des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens noch mit der überholten Bezeichnung in den Verkehr bringen können.
Der Hilfsantrag der Klägerin, die Beklagte unter Aufhebung der Auflage Ziff. 6 zu einer Verlängerung der Zulassung mit der beantragten Bezeichnung zu verpflichten, ist bereits unzulässig. Wie bereits ausgeführt, ist in dem hier vorliegenden Fall einer den Antragsteller belastenden Auflage allein die Anfechtungsklage, und nicht die Verpflichtungsklage die statthafte Klageart.
Die Klage hatte daher insgesamt keinen Erfolg. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
VG Köln:
Urteil v. 07.05.2013
Az: 7 K 2289/11
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/2960d00bf60b/VG-Koeln_Urteil_vom_7-Mai-2013_Az_7-K-2289-11