Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. Oktober 2002
Aktenzeichen: 27 W (pat) 257/99

(BPatG: Beschluss v. 29.10.2002, Az.: 27 W (pat) 257/99)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. April 1998 und vom 29. September 1999 aufgehoben.

Gründe

I Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist am 27. Mai 1997 der Buchstabe E für die Waren

"Windkraftanlagen und deren Teile, nämlich Türme für Windkraftanlagen, Generatoren, Steuerungsschaltungen für Windkraftanlagen, Frequenzumrichter, Meß-, Signal- und Kontrollinstrumente, Rotorblätter für Windkraftanlagen, Rotoren für Windkraftanlagen"

zur Eintragung als Wortmarke in das Markenregister angemeldet worden.

Nach Beanstandung der angemeldeten Marke als nicht unterscheidungskräftige und freihaltungsbedürftige Abkürzung für "elektrisch, elektronisch", die auf das elektrische Umfeld der Waren hinweise, hat das Patentamt die Anmeldung in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG wegen mangelnder Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Nach Ansicht des Erstprüfers sind Einzelbuchstaben in normaler Schrift selbst bei markenmäßiger Alleinstellung nicht geeignet, vom Verkehr als individuelles betriebliches Unterscheidungsmittel aufgefaßt zu werden. Die Erinnerungsprüferin hat ergänzend ausgeführt, daß im Hinblick auf die beschränkte Verfügbarkeit von Einzelbuchstaben und die Üblichkeit ihrer Verwendung als Typen-, Serien-, Klassen-, Größenangaben udgl die Anforderung an die Unterscheidungskraft nicht gering angesetzt werden dürften. Diese Anforderungen könne ein Einzelbuchstabe in der angemeldeten gängigen Schrifttype nicht erfüllen. Hinzu komme, daß der Buchstabe "E" ua das Formelzeichen für "Energie" und "elektrische Feldstärke" sowie die "Empfindlichkeit" bei Meßgeräten sei. Ob diese Bedeutungen die Annahme eines Freihaltungsbedürfnisses an dem Buchstaben 'E" in bezug auf die beanspruchten, der Energiegewinnung beanspruchten Windkraftanlagen rechtfertigten könne dahingestellt bleiben. Jedenfalls sei dem einfachen Buchstaben "E" als Abkürzung für "Energie" jegliche Unterscheidungskraft auf dem Gebiet der Windkraftanlagen abzusprechen, zumal Buchstaben - anders als Zahlen - auch in Alleinstellung als Abkürzung für Fachwörter üblich und verständlich seien.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Zur Begründung ihres Antrags auf Aufhebung angefochtenen Beschlüsse trägt sie vor, der angemeldeten Marke könne unter Berücksichtigung des großzügigen Maßstabs, der nach der Rechtsprechung auch bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft eines als reine Wortmarke angemeldeten Einzelbuchstabens anzulegen sei, nicht jegliches Mindestmaß an Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Buchstaben begegneten dem Verkehr in großem Umfang als Unternehmenskennzeichen oder Firmenabkürzungen und würden von ihm daher als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefaßt. Eine andere Beurteilung sei nur dann gerechtfertigt, wenn dem Buchstaben im Einzelfall in bezug auf die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen ein eindeutig beschreibender Sinngehalt zukomme. Diese Voraussetzung sei hier aber nicht erfüllt, weil der Buchstabe "E" als Abkürzung einer Vielzahl von Begriffen nachweisbar sei, ohne daß eine einzige, zu einer klaren und unmittelbaren Beschreibung der Waren geeignete Bedeutung im Vordergrund stehe, wie schon die unterschiedlichen Begründungslinien der Markenstelle zeigten, in denen auf die Bedeutungen elektrisch, elektronisch, Energie, elektrische Feldstärke und Empfindlichkeit abgestellt worden sei.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Der angemeldeten Marke stehen unter Berücksichtigung der Grundsätze der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Eintragungshindernisse nach § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG nicht entgegen.

1. Wie der Bundesgerichtshof in der "K"-Entscheidung (GRUR 2001, 161) ausgeführt und in der "Zahl 1"- Entscheidung (MarkenR 2002, 291) erneut bekräftigt hat, ist es nicht gerechtfertigt, im Hinblick auf ein vermutetes generelles Freihaltungsinteresse der Allgemeinheit an Buchstaben und Zahlen erhöhte Anforderungen an die Beurteilung der Unterscheidungskraft zu stellen und diese insbesondere dann grundsätzlich zu verneinen, wenn ein Einzelbuchstabe oder eine Einzelzahl als reine Wortmarke beansprucht wird. Eine solche nicht konkret auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen bezogene Betrachtungsweise würde im Ergebnis die in § 3 Abs 1 MarkenG anerkannte Markenfähigkeit von Zahlen und Buchstaben unterlaufen und ist daher nicht zulässig. Die Verneinung der (konkreten) Unterscheidungskraft nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG setzt vielmehr auch bei Wortmarken in Form von Einzelbuchstaben - entsprechendes gilt für Zahlen - tatsächliche Feststellungen voraus, daß der Verkehr den Buchstaben für bestimmte Waren nicht als betrieblichen Herkunftshinweis versteht. Fehlt es an einem beschreibenden Inhalt des Buchstabens, kommt eine Verneinung jeglicher Unterscheidungskraft nicht in Betracht (vgl BGH aaO - Buchstabe "K").

2. Nach den Ermittlungen des Senats bestehen keine konkreten Anhaltspunkte für die Annahme, der in einfacher Schriftform wiedergegebene Buchstabe "E" werde von den angesprochenen Verkehrskreisen - in erster Linie Betreiber von Windkraftanlagen (Kommunen, Kraftwerke, Gewerbebetriebe) - in bezug auf die angemeldeten Waren als beschreibende Angabe ohne jede betriebliche Hinweisfunktion verstanden.

a) Der Großbuchstabe "E" ist als Abkürzung einer Vielzahl verschiedenster Begriffe nachweisbar (vgl Koblischke, Lexikon der Abkürzungen, Bertelsmann Verlag, 1994, S 159; www.acronymfinder.com), von denen einige in einem sachlichen Bezug zu Windkraftanlagen und deren Teilen stehen, wie Elektrizität, Elektronik, Energie, Erdung, Elektrode. Auch wenn diesen (ausgeschriebenen) Begriffen in Verbindung mit Windkraftanlagen, die der Erzeugung von Energie bzw Elektrizität dienen, mit Elektronik ausgerüstet sind sowie Erdungs- und Elektrodensysteme als Bestandteile enthalten, das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nicht zuerkannt werden könnte, folgt daraus noch nicht, daß die Abkürzung "E" als betrieblicher Herkunftshinweis ungeeignet wäre. Der auf Windkraftanlagen angebrachte Buchstabe "E" mag bei den angesprochenen Fachkreisen zwar vielfach die Assoziation von Energie oder Elektrizität hervorrufen. Gerade der Fachmann erkennt aber gleichzeitig, daß die Verwendung des "E" im Sinne von Energie oder Elektrizität für sich allein ungewöhnlich und als unmittelbare Sachangabe ungeeignet ist, denn die Abkürzung "E" erhält einen konkreten und eindeutig verständlichen Sinngehalt erst in Verbindung mit weiteren Angaben, die erkennen lassen, was mit dem "E" zum Ausdruck gebracht werden soll, also etwa E-Werk, E-Motoren, E-Generatoren, esupply (Stromversorgung) usw. Auch als beschreibender Hinweis auf die Ausrüstung von Windkraftanlagen mit Elektroden oder auf die Erdung von Trafo- und Übergabestationen solcher Anlagen ist der Buchstabe "E" in Alleinstellung ohne konkrete inhaltliche Aussagekraft. Dasselbe gilt für die Kurzform "E" als Hinweis auf Vorgänge bzw Tätigkeiten, die auf elektronischem Wege oder über das Internet durchgeführt werden, zB E-Commerce, E-Business, E-Mail, E-Procurement (vgl auch BGH GRUR 1997, 627, 628 - à la carte; GRUR 2002, 68 - INDIVIDUELLE).

b) Auch als Formelzeichen für verschiedene physikalische Grössen der Elektrotechnik wie Energie (als elektrische Energieeinheit), Beleuchtungsstärke, elektrische Feldstärke, Elastizität, Empfindlichkeit von Meßgeräten (vgl Brockhaus, Naturwissenschaften und Technik, 1992, Bd 1, S 288) wird der Buchstabe "E" grundsätzlich nicht in Alleinstellung, sondern nur als Bestandteil einer Gleichung oder Formel verwendet, denn erst aus dieser erschließt sich dem Fachmann, welche Bedeutung das Formelzeichen hat, zB E = 5 V/m (= Betrag der elektrischen Feldstärke), E = 5 kWh (= elektrische Leistung gemessen in Watt) oder E = mc (Einsteinsche Formel für die Äquivalenz von Energie und Masse).

c) Nach den Ermittlungen des Senats (zB Katalog Windkraftanlagen Markt 2001 mit technischen Daten von mehr als 200 Windkraftanlagentypen; ferner www.windmesse.de/windpowerenertec/welcome.html) ist es im Bereich der Windkraftanlagen und deren Teilen - hier: Türme, Generatoren, Steuerungsschaltungen, Meß-, Signal- und Kontrollinstrumente, Frequenzumrichter, Rotorblätter und Rotoren - auch nicht üblich, den Einzelbuchstaben "E" oder überhaupt Einzelbuchstaben als Typen-, Serien- oder Modellbezeichnungen mit beschreibender Bedeutung zu verwenden, wie dies etwa im KFZ-Bereich der Fall ist, wo Buchstaben und Buchstabenkombinationen dem Verkehr konkrete Sachinformationen über bestimmte technische Daten vermitteln und aufgrund dieser Gepflogenheiten in der Regel nicht als Unternehmenskennzeichen angesehen werden (vgl Teplitzki, Kombinationen beschreibender Buchstaben als Marken für Kraftfahrzeuge und deren Teile, WRP 1999, 461 ff; ferner BPatGE 44, 77- ATM). Zur Kennzeichnung von Windkraftanlagen werden Einzelbuchstaben allenfalls zusammen mit weiteren Buchstaben und Zahlen als Bestandteil individueller Typenbezeichnungen von Herstellern verwendet. So bedient sich zB die Anmelderin der Typenangaben "E40" oder "E112" (vgl VDI-Nachrichten vom 25. Oktober 2002, S 19), wobei der Fachverkehr das "E" in diesem Zusammenhang im allgemeinen als Initiale ihres Firmennamens und nicht nur als Abkürzung von Energie oder Elektrizität verstehen wird.

3. Der Einzelbuchstabe "E" unterliegt für sich betrachtet auch keinem Freihaltungsbedürfnis der Mitbewerber, weil er, wie oben ausgeführt, ohne ergänzende Erläuterungen keine übliche und ohne weiteres verständliche eindeutige beschreibende Angabe über Art und Beschaffenheit der angemeldeten Waren vermittelt. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem der Entscheidung des 30. Senats vom 13. Juli 2001 (30 W (pat) 52/01 - zur Veröffentlichung bestimmt) zugrundeliegenden Buchstaben "K" (BGH GRUR 2000, 161), der nach den dortigen tatrichterlichen Feststellungen auch bei Verwendung ohne weitere - an sich übliche - Zusätze jeweils nur einen einzigen, andere Deutungen ausschließenden beschreibenden Sinngehalt in bezug auf die beanspruchten einzelnen Bauelemente nahelegt und aus diesem Grund für einen Teil der Waren als nicht unterscheidungskräftige und freihaltungsbedürftige Angabe erachtet worden ist.

Gegenstand des Schutzes der angemeldeten Marke ist allerdings nur der in üblicher Schreibmaschinenschrift wiedergegebene Großbuchstabe "E" in Alleinstellung, die ihm seine Eigenart als inhaltlich unklare verschwommene Bezeichnung verleiht. Etwaigen Behinderungen der Mitbewerber im Gebrauch des Buchstabens "E", sei es in einer von der angemeldeten Form nicht mehr gedeckten Schrifttype, in einer unter Umständen zu einem Bedeutungswandel führenden Kleinschreibung (vgl dazu BPatG GRUR 2000, 897, 900 - CC 1000/Cec) oder im Rahmen eines die Bedeutung des "E" verändernden Textzusammenhangs, zB E-Werk oder E-Generator, ist in späteren Verfahrensabschnitten durch eine den Schutzumfang des Einzelbuchstabens sachgerecht beschränkende Handhabung des Begriffs der Verwechslungsgefahr zu begegnen (vgl auch BGH GRUR 1999, 988, 992 - HOUSE OF BLUES; GRUR 2001, 1054, 1056 - Farbmarke violettfarben).

Dr. Schermer Friehe-Wich Dr. van Raden Pü






BPatG:
Beschluss v. 29.10.2002
Az: 27 W (pat) 257/99


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