Brandenburgisches Oberlandesgericht:
Beschluss vom 21. Februar 2011
Aktenzeichen: 1 Ws 123/10
(Brandenburgisches OLG: Beschluss v. 21.02.2011, Az.: 1 Ws 123/10)
Die Vergütung des gemäß § 68b StPO als Zeugenbeistand beigeordneten Rechtsanwalts erfolgt nach Nr. 4301 Ziffer 4 VV RVG (Einzeltätigkeit).(Aufgabe der bisher vertretenen Auffassung)
Tenor
Die Beschwerde des Rechtsanwalts €..gegen den Beschluss des Landgerichts Neuruppin vom 17. Juni 2010 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
In der zu Grunde liegenden Strafsache wurde dem Zeugen € mit Beschluss des Strafkammervorsitzenden vom 18. Dezember 2009 der Beschwerdeführer, Rechtsanwalt€., unter Bezugnahme auf § 68b StPO als Beistand beigeordnet. Der Beschwerdeführer begann daraufhin diverse Sacherörterungen zur Vorbereitung der Zeugenaussage und nahm dann an der Hauptverhandlung am 27. Januar 2010 als Zeugenbeistand teil. Anschließend beantragte er die Festsetzung seiner Vergütung in Höhe von 666,40 €. Hierfür machte er neben Fahrtkosten die Grundgebühr, die Verfahrensgebühr und die Terminsgebühr nach Nr. 4100, 4112, 4114 VV RVG geltend.
Mit Beschluss vom 8. März 2010 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die zu erstattende Vergütung auf 304,64 € fest, da sie statt der beantragten Gebühren nach Nr. 4100, 4112, 4114 VV RVG lediglich eine Gebühr für eine Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 Ziffer 4 VV RVG als erstattungsfähig erachtete.
Hiergegen richtete sich der zutreffend als Erinnerung ausgelegte Rechtsbehelf des Beschwerdeführers vom 15. März 2010. Der zuständige Einzelrichter der Kammer hat die Sache dann wegen der grundsätzlichen Bedeutung durch Beschluss vom 28. Mai 2010 gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. 33 Abs. 8 Satz 2 RVG auf die Kammer übertragen.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 17. Juni 2010 hat die 3. große Strafkammer des Landgerichts Neuruppin die Erinnerung des Beschwerdeführers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es sich der gleichlautenden Meinung der Kostenbeamtin des Gerichts und des Bezirksrevisors in seiner Stellungnahme vom 23. März 2010 angeschlossen und ausgeführt, dass inzwischen in der Rechtsprechung eine von der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Februar 2007, Az.: 1 Ws 23/07; zitiert nach juris) abweichende Meinung im vordringen sei, welcher nach Betrachtung der Systematik der in Betracht kommenden Gebührentatbestände des 4. Teils des VV RVG der Vorzug zu geben sei.
Gegen diese am 15. Juli 2010 zugestellte Entscheidung hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 16. Juli 2010 Beschwerde eingelegt und darauf hingewiesen, dass die angefochtene Entscheidung sich nicht genügend mit der entgegenstehenden Rechtsprechung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auseinandergesetzt habe. Gerade im vorliegenden Fall sei es um komplexe Anklagevorwürfe gegangen, die sich nur in einer Einzeltat mit denen dem Zeugen €bisher zur Last gelegten Taten überschnitten habe. Der Zeuge sei aber als Mitwirkender bei den hiesigen Taten vernommen worden, weshalb für jeden einzelnen Tatkomplex für den Zeugen ... die Voraussetzungen des § 55 StPO zu prüfen gewesen seien. Es seien weitergehende Erörterungen mit dem Mandanten und dem Strafkammervorsitzenden im Vorfeld der Zeugenvernehmung zu führen gewesen. Eine €Disqualifizierung€ dieser Tätigkeit des Beschwerdeführers als €Einzeltätigkeit€ im Sinne der Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG sei unangemessen.
Mit Entscheidung vom 21. Juli 2010 hat die 3. große Strafkammer des Landgerichts Neuruppin der Beschwerde des Beschwerdeführers nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG statthafte Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Ihr ist nicht abgeholfen worden (§ 33 Abs. 4 RVG). In der Sache ist sie unbegründet.
Zutreffend hat das Landgericht Neuruppin in der angefochtenen Entscheidung die uneinheitliche Rechtsprechungspraxis zur Frage der Vergütung des gemäß § 68b StPO als Zeugenbeistand beigeordneten Rechtsanwalts wie folgt dargestellt:
€Teilweise wird ebenso wie durch das Brandenburgische Oberlandesgericht auch eine Vergütung nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG zugelassen (vgl. etwa OLG Köln, 2. Strafsenat, Beschluss vom 07.05.2008 - 2 Ws 220/08, StraFo 2008, 350; OLG Düsseldorf, 2. Strafsenat, Beschluss vom 07.11.2007 - 111-2 Ws 257/07, 2 Ws 257/07, zitiert nach juris; so auch noch OLG Hamm, 2. Strafsenat, Beschluss vom 07.11.2007 - 2 Ws 289/07, StraFo 2008, 45, siehe allerdings die Aufgabe dieser Auffassung mit Beschluss vom 14.07.2009 - 2 Ws 159/09; OLG Dresden, 2. Strafsenat, Beschluss vom 06.11.2007 - 2 Ws 495/06, AGS 2008, 126; OLG München, 1. Strafsenat, Beschluss vom 29.03.2007 - 1 Ws 354/07, AGS 2008, 120; OLG Stuttgart, 1. Strafsenat, Beschluss vom 14.11.2006 - 1 Ws 331/06, NStZ 2007, 343; OLG Schleswig, 1. Strafsenat, Beschluss vom 03.11.2006 - 1 Ws 450/06; NStZ-RR 2007, 126; OLG Koblenz, 1. Strafsenat, Beschluss vom 11.04.2006 - 1 Ws 201/06 NStZ-RR 2006, 254; so auch noch KG Berlin, 5. Strafsenat, Beschluss vom 15.03.2006 - 5 Ws 506/05, StraFo 2007, 41, siehe allerdings die a. A. des nunmehr zuständigen 1. Strafsenats des KG, Beschluss vom 07.05.2009 - 1 Ws 47/09 -; siehe im Übrigen auch: Burhoff, RVG, 2. Aufl., Vorbemerkung 4.1 Rnr. 6 ff.; Schmahl in Riedel/Sußbauer, RVG, 9. Aufl., VV Teil 4 Abschnitt 1 Rnr. 189), wobei auch innerhalb dieser Auffassung ungeklärt ist, welche der dem Verteidiger nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG eröffneten Gebühren einem Zeugenbeistand zu vergüten sind. Das Spektrum reicht von der regelmäßig erfolgenden Festsetzung der einem Verteidiger entsprechenden Vergütung über die regelmäßig nur die Grund- und Terminsgebühr nicht aber die Verfahrensgebühr umfassende Festsetzung bis hin zu der Auffassung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, wonach eine Vergütung je nach den Umständen des Einzelfalls vom bloßen Vorliegen einer Einzeltätigkeit bis hin zu der gleichen Vergütung wie für einen Verteidiger in Betracht kommt. Hingegen wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung in jüngerer Zeit teilweise eine Vergütung lediglich wegen einer Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 Ziffer 4 VV zugelassen (vgl. etwa OLG Hamburg, 2. Strafsenat, Beschluss vom 05.05.2010 - 2 Ws 34/10, zitiert nach juris; OLG Hamm, 2.Strafsenat, Beschluss vom 14.07.2009 - 2 Ws 159/09, StraFo 2009, 474; KG, 1. Strafsenat, Beschluss vom 07.05.2009 - 1 Ws 47/09, zitiert nach juris; OLG Jena, 1. Strafsenat, Beschluss vom 09.02.2009 - 1 Ws 370/08, zitiert nach juris; OLG Düsseldorf, 3. Strafsenat, Beschluss vom 05.02.2009 - 111-3 Ws 45 1/08, 3 Ws 45 1/08, zitiert nach juris; OLG Karlsruhe, 1. Strafsenat, Beschluss vom 28.10.2008 - 1 Ws 176/08, StraFo 2009, 262; OLG Stuttgart, 5. Strafsenat, Beschluss vom 30.05.2008 - 5 - 2 StE 2/05, zitiert nach juris, allerdings offen lassend, ob in Ausnahmefallen nicht dennoch Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG Anwendung finden könne, NStZ-RR 2008, 328; OLG Hamm, 4. Strafsenat, Beschluss vom 28.05.2008 - 4 Ws 91/08, zitiert nach juris; OLG Bamberg, 1. Strafsenat, Beschluss vom 14.04.2008 - 1 Ws 157/08, DAR 2008, 493; OLG Zweibrücken 1. Strafsenat, Beschluss vom 19.02.2008 - 1 Ws 346/07, StRR 2008, 163; OLG Dresden, 3. Strafsenat, Beschluss vom 17.12.2007 - 3 Ws 84/07, RVGReport 2008, 265 unter Aufgabe der Rechtsprechung aus OLG Dresden, Beschluss vom 13.06.2007 - 3 Ws 36/07; OLG Celle, 1. Strafsenat, Beschuss vom 21.05.2007 - 1 Ws 195/07, zitiert nach juris; OLG Oldenburg, 1. Strafsenat, Beschluss vom 21.03.2007 - 1 Ws 101/07, zitiert nach juris; OLG Frankfurt, 5. Strafsenat, Beschluss vom 26.02.2007 - 5 - 1 BJs 322/85 -2- 3/05, 5-1 BJs 322/85-2-3/05, zitiert nach juris).€
Im vorliegenden Fall haben sich die Kostenbeamtin, der Bezirksrevisor und die 3. Strafkammer des Landgerichts Neuruppin in ihren jeweiligen Entscheidungen der zuletzt genannten Auffassung angeschlossen, wonach die Vergütung des beigeordneten Zeugenbeistandes nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG wegen einer Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 Ziffer 4 VV RVG zu erfolgen habe. Der Senat gibt nach Prüfung der genannten Entscheidungen seine bisherige Rechtsprechung zur Vergütung des beigeordneten Zeugenbeistands auf und schließt sich der in der angefochtenen Entscheidung dargestellten Auffassung an.
Die Strafkammer hat in der angefochtenen Entscheidung überzeugend argumentiert und dabei zutreffend die wesentlichen Gründe für eine Vergütung des beigeordneten Zeugenbeistands nach den Vorschriften für eine Einzeltätigkeit wie folgt dargestellt:
€[1.] Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der maßgeblichen Regelungen des Vergütungsverzeichnisses des RVG. Absatz 1 der Vorbemerkung zu Teil 4 VV RVG ordnet die entsprechende Anwendung der Vorschriften des gesamten Teils 4 VV RVG auf den Beistand eines Zeugen an. Eine entsprechende Anwendung setzt voraus, dass Art und Umfang der ausgeübten Tätigkeit festgestellt wird, da nur in diesem Fall die vergleichbaren und damit entsprechend anzuwendenden Gebührentatbestände ermittelt werden können. Art und Umfang der Tätigkeit des beigeordneten Zeugenbeistands folgt gemäß § 48 RVG aus dem Beiordnungsbeschluss. Der Umfang des Beiordnungsbeschlusses folgt seinerseits aus § 68b StPO. [Dieser] sieht vor, dass die Beiordnung €für die Dauer der Vernehmung€ erfolgt. Eine Beiordnung für die Dauer der Vernehmung entspricht hierbei der in Teil 4 Abschnitt 3 vorgesehenen Einzeltätigkeit als Beistand des Beschuldigten bei Vernehmungen gemäß Ziffer 4301 Nr. 4 VV RVG. Denn diese Tätigkeit als Beistand des Beschuldigten bei Vernehmungen erfordert ebenso wie die Tätigkeit als beigeordneter Zeugenbeistand Vorbereitung und Teilnahme an der Vernehmung, ohne dass gleichzeitig eine über diese einzelne Vernehmung hinausgehende umfassende Verteidigung oder sonstige Begleitung erfolgt. Die Vergütung des beigeordneten Zeugenbeistands als Einzeltätigkeit nach Ziffer 4301 Nr. 4 VV RVG ist nach dem Wortlaut der maßgeblichen Vorschriften die Folge.
[2.] Dieses Ergebnis entspricht auch dem dokumentierten Willen des Gesetzgebers sowie der Systematik des Gesetzes. Der Gesetzgeber hat in der Begründung zur Einführung des § 68b StPO im Gesetzentwurf zum Zeugenschutzgesetz vom 11. März 1997, BT-Drucks. 13/7165, auf S. 9 ausgeführt: €Der Entwurf schlägt vor, die Bestellung des anwaltlichen Zeugenbeistandes auf die Dauer der Zeugenvernehmung zu beschränken. Die Gebühren des anwaltlichen Zeugenbeistandes sollten sich nach 91 BRAGO richten [S. 9].€ § 91 BRAGO sah zu dieser Zeit eine Vergütung als Einzeltätigkeit vor. Der Gesetzgeber wollte also bei der Einführung des § 68b StPO, dass der beigeordnete Zeugenbeistand eine Vergütung für eine Einzeltätigkeit erhält. Dieser Wertung der Beistandsleistung eines beigeordneten Zeugenbestands als Einzeltätigkeit steht auch nicht entgegen, dass der Gesetzgeber in der Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 11. November 2003 (BT-Drucks. 15/1971 5. 220) ausgeführt hat: €Neu ist, dass der Rechtsanwalt auch im Strafverfahren als Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen die gleichen Gebühren wie ein Verteidiger erhalten soll. Damit wird die für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten und für Streitigkeiten vor den Gerichten der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeit in Absatz 1 der Vorbemerkung 3 (zu Teil 3) vorgesehene Regelung auch für das Strafverfahren übernommen. Damit sollen erstmals auch im Strafverfahren die Gebühren des Rechtsanwalts für seine Tätigkeit als Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen gesetzlich geregelt werden. Die Gleichstellung mit dem Verteidiger ist sachgerecht, weil die Gebührenrahmen ausreichenden Spielraum bieten, dem konkreten Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts Rechnung zu tragen€. Zwar können diese Ausführungen auch so verstanden werden, dass dem beigeordneten Zeugenbeistand die gleichen Gebühren wie einem Verteidiger zustehen sollen. Allerdings steht eine derartige Deutung der Gesetzesbegründung im Widerspruch zu der Systematik des Vergütungsverzeichnisses. Denn in den Vorbemerkungen zu Teil 3 Abs. 1 VV RVG, dem Abschnitt über Zivilsachen u. a., wird angeordnet, dass für die Tätigkeit als Beistand eines Zeugen €die gleichen Gebühren wie für einen Verfahrensbevollmächtigten in diesem Verfahren€ entstehen. In Teil 3 VV RVG steht damit fest, dass ein Beistand gleich einem Verteidiger zu vergüten ist. Entsprechendes ist auch in Teil 2 Abs. 2 sowie Teil 5 Abs. 1 geregelt. Hingegen sieht die Vorbemerkung zu dem hier maßgeblichen Teil 4 in Abs. 1 VV RVG lediglich vor, dass €die Vorschriften [des Teils 41 entsprechend anzuwenden sind€. Hätte der Gesetzgeber daher tatsächlich auch für den beigeordneten Zeugenbeistand nach § 68b StPO die gleiche Vergütung wie für einen Verteidiger festlegen wollen, so hätte die Verwendung der in den anderen Teilen des VV RVG verwendeten und dem Gesetzgeber damit bekannten Formulierung €die gleichen Gebühren wie für einen Verteidiger€ nahe gelegen. Dies deutet gleichzeitig darauf hin, dass der Gesetzgeber keine Vergütung eines jeden Zeugenbeistandes gleich einem Verteidiger wollte, da er die ihm bekannte Formulierung €die gleichen Gebühren wie für einen Verteidiger€ nicht verwendet hat. Vielmehr deutet die zu Beginn des Teils 4 VV RVG angeordnete entsprechende Anwendbarkeit des gesamten Teils 4 VV RVG darauf hin, dass der Gesetzgeber eine differenzierende Anwendung der Vergütungsregelungen nach der jeweiligen Art des Zeugenbeistandes eröffnen wollte. Denn er hat gerade nicht die Anwendung einer konkreten Regelung des Teils 4 VV RVG oder zumindest eines Abschnitts des Teils 4 VV RVG festgelegt. Vielmehr hat der Gesetzgeber angeordnet, dass im gesamten Teil 4 VV RVG eine entsprechende Anwendung von Vorschriften für Zeugenbeistände geprüft werden muss. Das Bedürfnis nach einer derartigen nur in Teil 4 VV RVG, nicht aber in Teil 2, 3 und 5 VV RVG differenzierenden Regelung über die Vergütung eines Zeugenbeistands erklärt sich wiederum zwanglos aus den Besonderheiten des für Teil 4 VV RVG maßgeblichen Strafprozessrechts. Denn lediglich im Anwendungsbereich der StPO ist neben einem gewählten Zeugenbeistand auch ein beigeordneter Zeugenbeistand denkbar, da nur die StPO in § 68b eine Beiordnung vorsieht. Die Unterschiede zwischen gewähltem und beigeordnetem Zeugenbeistand erfordern wiederum eine differenzierende Regelung. Denn der gewählte Zeugenbeistand ist ein von dem Zeugen selbst beauftragter Beistand, dem eine umfassende Beratung im gesamten Verfahren durch den Zeugen übertragen werden kann. Hingegen wird der beigeordnete Beistand in dem von § 68 b StPO vorgegebenen Rahmen tätig und ist lediglich für die Dauer der Vernehmung beigeordnet. Unter Berücksichtigung dieser unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche von gewähltem und beigeordnetem Zeugenbeistand lassen sich dann auch Gesetzesbegründung und Systematik wieder in Einklang bringen: Gewählter und beigeordneter Beistand sollen gemäß Abs. 1 der Vorbemerkung zu Teil 4 VV RVG nach Teil 4 VV RVG vergütet werden. Dem gewählten Beistand sollen hierbei nach der Begründung in BT-Drucksache 15/1971, S. 220 Abrechnungsmöglichkeiten wie einem Verteidiger, also nach Abschnitt 1 des Teils 4 VV RVG offenstehen. Für den beigeordneten Zeugenbeistand bleibt es hingegen bei der Aussage aus S. 9, BT-Drucks. 13/7165, er ist von der Staatskasse für eine Einzeltätigkeit zu vergüten. Denn der Gesetzgeber hat die in anderen Abschnitten des VV RVG verwendete Formulierung €die gleichen Gebühren wie für einen Verteidiger€ in dem hier maßgeblichen Teil 4 nicht verwendet.
[3.] Dieses aus Wortlaut, Gesetzesbegründung und Systematik abgeleitete Ergebnis fügt sich auch in Sinn und Zweck des Gesetzes ein. Denn ausweislich der Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 11. November 2003 stellt das RVG auch leistungsorientierte Vergütungsregelungen auf (BT-Drucks. 15/1971, S. 156). Eine Anwendung des 1. Abschnittes von Teil 4 VV RVG für den beigeordneten Zeugenbeistand stünde zu einer leistungsorientierten Vergütung in offensichtlichem Widerspruch. Denn eine Anwendung des 1. Abschnitts von Teil 4 VV RVG würde dazu führen, dass ein beigeordneter Zeugenbeistand im Vergleich zum Vernehmungsbeistand eines Beschuldigten bei vergleichbarem Aufwand ein Mehrfaches an Vergütung erhielte, obwohl sowohl der Zeugenbeistand als auch der Beschuldigtenbeistand jeweils die Vernehmung ihres Mandanten vorbereiten und begleiten müssen. Ferner würde die Anwendung von Abschnitt 1 Teil 4 VV RVG auf den beigeordneten Zeugenbeistand dazu führen, dass er im Vergleich zu einem Verteidiger für einen Bruchteil des Aufwandes die gleiche oder zumindest in Teilen gleiche Vergütung erhielte.€
Aus denselben Gründen haben sich auch das Hanseatische Oberlandesgericht (zunächst im oben schon genannten Einzelrichterbeschluss vom 5. Mai 2010, Az.: 2 Ws 34/10 und dann im Senatsbeschluss vom 2. August 2010, Az.: 2 Ws 95/10; beides zitiert nach juris) und das OLG Braunschweig (Beschluss vom 6. Juli 2010, Az.: Ws 163/10; zitiert nach juris) dafür entschieden, dass die Vergütung des beigeordneten Zeugenbeistandes nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG wegen einer Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 Ziffer 4 VV RVG zu erfolgen habe. Gleiches gilt für den Senat. Hinzukommt, dass diese Lösung im Vergleich zu der bisher vom Senat favorisierten Lösung in der Praxis zu weniger uneinheitlichen Entscheidungen führt, weil sie für den im Einzelfall zuständigen Kostenbeamten weniger Prüfungsaufwand hinsichtlich der jeweils von dem beigeordneten Zeugenbeistand entfalteten Tätigkeit bedeutet.
Soweit der Beschwerdeführer meint, seine Tätigkeit sei im vorliegenden Fall besonders aufwändig gewesen und werde durch die festgesetzte Vergütung €disqualifiziert€, ist ihm entgegen zu halten, dass es ihm unbenommen bleibt, aus diesen Gründen gemäß § 51 RVG als gerichtlich bestellter Rechtsanwalt einen Antrag auf Festsetzung einer Pauschalgebühr zu stellen. In Fällen, in denen die Einzeltätigkeitsgebühr den von dem beigeordneten Zeugenbeistand tatsächlich geleisteten Tätigkeitsumfang nur unzumutbar gering honoriert, ist dies der vom Gesetzgeber vorgesehene Weg zur Erreichung einer angemessene Vergütung des Rechtsanwalts (vgl. Hanseatisches OLG Hamburg Beschluss vom 5. Mai 2010, Az.: 2 Ws 34/10, zitiert nach juris). Der entsprechende Antrag auf Festsetzung einer Pauschalgebühr nach § 51 RVG kann auch dann noch vom beigeordneten Zeugenbeistand gestellt werden, wenn die gesetzlichen Gebühren bereits festgesetzt und sogar schon ausgezahlt worden sind (Thüringer OLG Beschluss vom 30. Oktober 2007, Az.: 1 AR (S) 72/07, zitiert nach juris).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.
Brandenburgisches OLG:
Beschluss v. 21.02.2011
Az: 1 Ws 123/10
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