Landgericht München I:
Urteil vom 17. Dezember 2009
Aktenzeichen: 5HK O 13344/09, 5HK O 13344/09, 5HK O 13344/09
(LG München I: Urteil v. 17.12.2009, Az.: 5HK O 13344/09, 5HK O 13344/09, 5HK O 13344/09)
Tenor
I. Das Versäumnisurteil des LG München I vom 8.10.2009, Az. 5HK O 13344/09 wird aufrechterhalten.
II. Der Kläger trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden.
Tatbestand
Die Parteien streiten mittels Nichtigkeitsklage um die Wirksamkeit eines Beschlusses der Hauptversammlung der Beklagten.
I.
Die Beklagte war im Jahr 2006 eine börsennotierte Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital von Euro 17.920.000,--, das in Stückaktien eingeteilt ist und aus 4.200.000 stimmberechtigten Stammaktien und 2.800.000 stimmrechtslosen Vorzugsaktien besteht, die jeweils auf den Inhaber lauten.
Am € lud die Beklagte zu ihrer ordentlichen Hauptversammlung; die Veröffentlichung der Einladung erfolgte am € im elektronischen Bundesanzeiger sowie in der € Zeitung. Die Einladung zur Hauptversammlung (Anlage B 3) enthielt unter anderem den Beschlussvorschlag zu Tagesordnungspunkt 5 über die Änderung von § 12 der Satzung und folgende Aussage über die Teilnahmebedingungen:
"5. Beschlussfassung über Satzungsänderungen zur Anpassung an das UMAG
Das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22.09.2005 hat unter anderem die Vorgaben des Aktiengesetzes über die gesetzliche Einberufungsfrist und die Teilnahmevoraussetzungen für die Hauptversammlung geändert. Die betroffenen Regelungen der §§ 11 und 12 der Satzung der Gesellschaft sollen daher entsprechend aktualisiert und abgeändert werden. Außerdem sieht das UMAG erweiterte Kompetenzen des Versammlungsleiters zur Begrenzung der Rede- und Fragezeiten der Aktionäre im Interesse einer zügig durch-- geführten Hauptversammlung vor. Um dem Rechnung zu tragen, soll § 13 Abs. T der Satzung redaktionell angepasst und inhaltlich ergänzt werden. Dabei soll zugleich klargestellt werden, dass der Versammlungsleiter sachlich zusammengehörige Beschlussgegenstände zu einem Abstimmungspunkt zusammenfassen kann.
§ 12 Abs. 1 und 2 der derzeitigen Fassung der Satzung regelt das Teilnahmerecht an der Hauptversammlung.
§ 12 Abs. 1 und 2 hat derzeit folgenden Wortlaut:
,(1) Zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts sind diejenigen Aktionäre berechtigt, die ihre Aktien ordnungsgemäß bei der Gesellschaft, bei einem deutschen Notar, bei einer Wertpapiersammelbank oder bei den in der Einladung zur Hauptversammlung bekanntgegebenen Hinterlegungsstellen hinterlegen.
(2) Die Hinterlegung ist ordnungsgemäß, wenn die Aktien spätestens vor Ablauf des siebten Tages vor dem Tag der Hauptversammlung bis zur Beendigung der Hauptversammlung verwahrt werden; fällt dieser Tag auf einen Samstag, Sonntag oder einen am Ort der Hinterlegung staatlich anerkannten allgemeinen Feiertag, so kann die Hinterlegung noch am nächstfolgenden Werktag erfolgen. Die Hinterlegung gilt auch dann als bei einer Hinterlegungsstelle bewirkt, wenn die Aktien mit Zustimmung einer Hinterlegungsstelle für diese bei einem Kreditinstitut gesperrt gehalten werden. Im Falle der Hinterlegung bei einem deutschen Notar oder einer Wertpapiersammelbank ist die von diesen auszustellende Bescheinigung spätestens am ersten Werktag nach Ablauf der Hinterlegungsfrist bei einer Hinterlegungsstelle einzureichen. Der Samstag gilt nicht als Werktag im Sinne dieser Bestimmung.'
Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor, folgende Beschlüsse zu fassen:
€
b) § 12 Abs. 1 und 2 der Satzung wird wie folgt neu gefasst:
,(1) Zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts sind nur diejenigen Aktionäre berechtigt, die sich rechtzeitig angemeldet und ihre Berechtigung durch Nachweis des Anteilsbesitzes nachgewiesen haben.
(2) Die Anmeldung und der Nachweis müssen der Gesellschaft spätestens am siebten Tag vor der Versammlung zugehen. Ist dieser Tag ein Samstag oder Sonntag oder ein am Ort des Sitzes der Gesellschaft gesetzlicher anerkannter Feiertag, müssen Anmeldung und Nachweis der Gesellschaft am vorhergehenden Werktag zugehen. Die Anmeldung erfolgt in Textform in deutscher oder englischer Sprache unter der in der Einberufung hierfür mitgeteilten Adresse. Der Nachweis des jeweiligen Aktionärs über den Anteilsbesitz ist durch eine in Textform in deutscher oder englischer Sprache erstellte Bescheinigung des depotführenden Instituts zu erbringen. Der Nachweis hat sich auf den gesetzlich festgelegten Stichtag zu beziehen.'
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Teilnahme an der Hauptversammlung
Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) am 01.11.2005 haben sich die Voraussetzungen für die Berechtigung zur Teilnahme an der Hauptversammlung und die Ausübung des Stimmrechts geändert. Für die Aktionäre der Gesellschaft bestehen alternativ nebeneinander die beiden nachfolgend genannten Möglichkeiten, die Voraussetzungen für die Berechtigung zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts herbeizuführen. Es ist ausreichend, die Voraussetzungen einer der beiden nachfolgend genannten Möglichkeiten zu erfüllen.
Teilnahmeberechtigung durch Hinterlegung
Zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung sind gemäß § 12 der Satzung in Verbindung mit § 16 Satz 2 des Einführungsgesetzes zum Aktiengesetz (EGAktG) diejenigen Aktionäre berechtigt, die ihre Aktien ordnungsgemäß bei der Gesellschaft, bei einem deutschen Notar, bei einer Wertpapiersammelbank oder bei einer der nachstehend genannten Banken und ihren Niederlassungen hinterlegen. Die Hinterlegung ist ordnungsgemäß, wenn die Aktien bis spätestens zum Beginn (0.00 Uhr) des Donnerstag, den 22.06.2006, hinterlegt und bis zur Beendigung der Hauptversammlung verwahrt werden. Die Hinterlegung gilt auch dann als bei einer Hinterlegungsstelle bewirkt, wenn die Aktien mit Zustimmung einer Hinterlegungsstelle für diese bei einem Kreditinstitut gesperrt gehalten werden.
Im Falle der Hinterlegung bei einem "deutschen Notar oder einer Wertpapiersammelbank ist die von diesen auszustellende Bescheinigung spätestens bis zum Ablauf des Freitag, den 07.07.2006 (24.00 Uhr), bei einer Hinterlegungsstelle einzureichen.
Die Hinterlegungsstelle ist die ... AG.
Teilnahmeberechtigung durch Nachweis des Anteilsbesitzes
Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass gemäß § 123 Abs. 3 Satz 2 AktG in Verbindung mit § 16 Satz 1 EGAktG als Nachweis der Berechtigung zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts auch ein in Textform erstellter besonderer Nachweis des Anteilsbesitzes durch das depotführende Institut genügt. Dieser Nachweis hat sich auf den Beginn (0.00 Uhr) des Donnerstag, den 22.06.2006, zu beziehen und muss der € bis spätestens zum Ablauf des Donnerstag, den 06.07.2006 (24.00 Uhr), unter der folgenden Adresse zugehen:
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Hinsichtlich der näheren Einzelheiten der Bekanntmachung der Einladung wird in vollem Umfang auf Anlage B 3 Bezug genommen.
Am 13.7.2006 fand die mit dem Beginn auf 9.30 Uhr terminierte Hauptversammlung der Beklagten statt, deren Aktionär der Kläger ist. Die Hauptversammlung der Beklagten stimmte dem Beschlussvorschlag einstimmig zu. Mittlerweile wurde die Satzungsänderung in das Handelsregister eingetragen.
II.
Zur Begründung seiner am 16.7.2009 per Telefax und am 21.7.2009 im Original bei Gericht eingegangenen Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, der Beschluss zu Tagesordnungspunkt 5 sei nichtig, weil die in der Einladung genannten Bedingungen für die Teilnahme der Aktionäre an der Hauptversammlung unzutreffend seien; die Verletzung der in § 121 Abs. 3 Satz 2 AktG genannten Mindestangaben führe zur Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse. Die Verletzung dieser Vorschriften ergebe sich aus der Fehlerhaftigkeit der Annahme, es gebe für die Aktionäre alternativ die beiden Möglichkeiten des Nachweises. § 16 EGAktG normiere dies nicht. Es gebe keine Verpflichtung einer börsennotierten Aktiengesellschaft, ihre Satzung an die Neuregelung des § 123 Abs. 2 und Abs. 3 AktG durch das UMAG anzupassen. Die Möglichkeit der Teilnahmeberechtigung durch Nachweis des Anteilsbesitzes setze gerade die Anpassung der Satzung an das UMAG voraus, was bei der Beklagten gerade nicht erfolgt sei.
III.
Das Landgericht München I hat mit Versäumnisurteil vom 8.10.2009 (Bl. 35 d.A.) die auf Feststellung der Nichtigkeit des zu Tagesordnungspunkt 5 gefassten Beschlusses der Hauptversammlung der Beklagten vom 13.7.2009 gerichtete Klage abgewiesen. Gegen das am 15.10.2009 zugestellte Versäumnisurteil hat der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 29.10.2009 (Bl. 37/38 d.A.), bei Gericht eingegangen am selben Tag, Einspruch eingelegt.
Der Kläger beantragt daher nunmehr:
I. Das Versäumnisurteil des LG München I vom 8.10.2009 wird aufgehoben.
II. Es wird festgestellt, dass der in der Hauptversammlung der Beklagten vom 13.7.2006 unter Punkt 5 der Tagesordnung gefasste Beschluss nichtig ist:
"§12 Abs. 1 und 2 der Satzung wird wie folgt neu gefasst:
(1) Zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts sind nur diejenigen Aktionäre berechtigt, die sich rechtzeitig angemeldet und ihre Berechtigung durch Nachweis des Anteilsbesitzes nachgewiesen haben.
(2) Die Anmeldung und der Nachweis müssen der Gesellschaft spätestens am siebten Tag vor der Versammlung zugehen. Ist dieser Tag ein Samstag oder Sonntag oder ein am Ort des Sitzes-der Gesellschaft gesetzlicher anerkannter Feiertag, müssen Anmeldung und Nachweis der Gesellschaft am vorhergehenden Werktag zugehen. Die Anmeldung erfolgt in Textform in deutscher oder englischer Sprache unter der in der Einberufung hierfür mitgeteilten Adresse/Der Nachweis des jeweiligen Aktionärs über den Anteilsbesitz ist durch eine in Textform in deutscher oder englischer Sprache erstellte Bescheinigung des depotführenden Instituts zu erbringen. Der Nachweis hat sich auf den gesetzlich festgelegten Stichtag zu beziehen."
IV.
Die Beklagte beantragt demgegenüber:
Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils des LG München I.
Zur Begründung beruft sie sich im Wesentlichen darauf, die Einladung zur Hauptversammlung sei ordnungsgemäß erfolgt, weil die Einladung mit ihren Angaben zur Hinterlegungsfrist weder gegen das Gesetz noch die Satzung der Beklagten verstoße. Wenn die Satzung als Teilnahmeberechtigung eine Hinterlegung vorsehe, Inhaberaktien ausgegeben seien und keine Vorratsbeschlüsse gefasst worden seien, könne der Nachweis der Teilnahmeberechtigung sowohl wie bisher durch Hinterlegung der Aktien als auch entsprechend der Vorschrift des § 123 Abs. 3 Satz 2 und 3 AktG durch einen in Textform erstellten Nachweis des Anteilsbesitzers durch das depotführende Institut erfolgen. Sinn und Zweck des § 16 EGAktG bestehe nicht darin, die in § 123 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 AktG aufgeführte Möglichkeit eines Nachweises der Teilnahmeberechtigung in Bezug auf die Hauptversammlung auszuschließen; vielmehr solle klargestellt werden, dass die bis zum damaligen Zeitpunkt in Satzungen aufgeführte Möglichkeit eines Nachweises der Berechtigung zur Teilnahme durch Hinterlegung fortgelte; § 16 Satz 2 EGAktG modifiziere nicht die Aussage von Satz 1 dieser Vorschrift.
V.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 8.10.2009 (Bl. 34/37 d.A.).
Gründe
I.
1. Der Einspruch gegen das Versäumnisurteil ist zulässig; er wurde als statthafter Rechtsbehelf insbesondere auch form- und fristgerecht durch Einreichung eines Schriftsatzes per Telefax eingelegt.
2. Die Klagen sind als Nichtigkeitsklagen zulässig, jedoch nicht begründet, weil die Voraussetzungen von § 241 Nr. 1 AktG nicht erfüllt sind. Ein Beschluss der Hauptversammlung ist danach nichtig, wenn er in einer Hauptversammlung gefasst worden ist, die unter Verstoß gegen § 121 Abs. 2 und 3 oder 4 AktG einberufen war. Von einer solchen Verletzung der Einberufungsbestimmungen des § 121 Abs. 3 Satz 2 AktG kann vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden.
a. Zwar wird davon auszugehen sein, dass Fehler bei der Bekanntmachung gem. § 123 Abs. 3 AktG zur Nichtigkeit und nicht lediglich zur Anfechtbarkeit des gefassten Beschlusses führen, weil der Wortlaut des Gesetzes in § 241 Nr. 1 AktG insoweit eindeutig ist (vgl. Heidel in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., Rdnr. 6 zu § 241).
b. Jedoch liegt kein Verstoß gegen die Vorschriften über den Nachweis der Teilnahmeberechtigung vor, wie sie in §§ 123 Abs. 3 AktG, 16 EGAktG sowie der Satzung der Beklagten enthalten sind. In einem Fall, in dem die Gesellschaft in der letzten Hauptversammlung vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22.9.2005, BGBl. I S. 2802 keinen Vorratsbeschluss gefasst hat, treten die alte statutarische Hinterlegungs- und die zwingende Regelung des Record Date gem. § 123 Abs. 3 Satz 2 und 3 AktG nebeneinander (vgl. OLG München AG 2008, 508; OLG Stuttgart 2008, 299 f.; OLG Frankfurt AG 2008, 896, 897; ZIP 2009, 1763, 1764; LG München I WM 2007, 975, 976; Ziemons in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, Rdn. 36 zu § 123; Reger in: Bürgers/Körber, AktG, Rdn. 18 zu § 123). § 16 Satz 2 EGAktG enthält die Bestimmung, dass die bisherige Satzungsregelung für die Teilnahme an der Hauptversammlung oder die Ausübung des Stimmrechts mit der Maßgabe fortgilt, dass für den Zeitpunkt der Hinterlegung oder der Ausstellung eines sonstigen Legitimationsnachweises auf den Beginn des 21. Tages vor der Versammlung abzustellen ist, solange eine börsennotierte Gesellschaft ihre Satzung noch nicht an § 123 AktG in der Fassung des UMAG angepasst hat. Aus dieser Regelung kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass die Record Date-Regelung des § 123 Abs. 3 AktG daneben nicht anwendbar sein könnte. Die Vorschrift des § 123 Abs. 3 AktG n.F. findet auf alle Hauptversammlungen Anwendung, zu denen nach dem 1. November 2005 einberufen wird.
Dem Regelungsgehalt dieser beiden Sätze von § 16 EGAktG kann - entgegen der Ansicht des Klägers - nicht entnommen werden, dass § 16 Satz 2 AktG so auszulegen wäre, dass damit der Anwendungsbereich des § 123 Abs. 3 AktG ausgeschlossen wäre und nur die Satzungsregelung für den Nachweis der Teilnahmeberechtigung maßgeblich sein sollte. Hierfür sprechen zum einen die Entstehungsgeschichte des Gesetzes und zum anderen der Normzweck dieser Übergangsvorschriften in § 16 Satz 1 und Satz 2 EGAktG. Damit soll die zeitliche Deckung mit dem stets ausreichenden Nachweis durch eine Depotbescheinigung erreicht werden. Der Record Date soll zwecks Vermeidung einer Verdoppelung des Stimmrechts für jegliche Form des Legitimationsnachweises auf den 21. Tag vor der Hauptversammlung festgelegt werden (vgl. BT-Drucks. 15/5693, S. 17 und 18). Daraus ist dann aber der Schluss zu ziehen, dass die Übergangsregelung in § 16 EGAktG nicht das Inkrafttreten der Vorschrift des § 123 Abs. 3 Satz 3 AktG hinausschieben will; vielmehr soll die Doppelvertretung durch die Anpassung des Zeitraums verhindert werden. Eine Doppelvertretung und damit eine Verdoppelung des Stimmrechts wäre ausgeschlossen, wenn der Gesetzgeber den neu geschaffenen Nachweis des § 123 Abs. 3 Satz 3 AktG hätte ausschließen wollen; einer Fristverlängerung für die Hinterlegung hätte es dann nicht bedurft (vgl. Butzke WM 2005, 1981, 1984; Kiefner/Zetzsche ZIP 2006, 551552; wohl auch Pluta in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., Rdn. 38 zu § 123). Der Regelungsgehalt von § 16 Satz 1 EGAktG und von § 16 Satz 2 EGAktG steht somit nebeneinander; eine Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 123 Abs. 3 Satz 3 AktG ist diesen Vorschriften gerade nicht zu entnehmen.
Für diese Ansicht spricht auch der Regelungszusammenhang des § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG, wonach die Satzung von den Vorschriften des Aktiengesetzes nur abweichen kann, wenn es ausdrücklich zugelassen ist. Der Ausschluss der Anwendung von § 123 Abs. 3 Satz 2 AktG für den Nachweis in Textform durch die Satzung ist im Aktiengesetz nicht vorgesehen. Dann aber muss davon ausgegangen werden, dass eine bloße Satzungsregelung, die vor dem 1.11.2005 entsprechend dem damals geltenden Recht möglich war, den Nachweis der Teilnahmeberechtigung gem. § 123 Abs. 3 Satz 2 AktG durch eine in Textform erstellte Bescheinigung des depotführenden Instituts seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts - UMAG - geltenden Formen des Nachweises nicht ausschließen kann. Die Regelung des § 123 Abs. 3 Satz 2 kann nicht durch eine Satzungsregelung abgeändert werden. Dies zeigt sich bereits ein Umkehrschluss aus § 123 Abs. 3 Satz 3 letzter Halbsatz AktG, wonach die Satzung nur eine kürzere Frist für den Zugang des Nachweises bei der Gesellschaft vorsieht. Dann aber hat der Nachweis durch eine Bescheinigung des depotführenden Instituts in Textform als solcher zwingenden Charakter. Aber auch aus den Gesetzgebungsmaterialien ergibt sich der zwingende Charakter des § 123 Abs. 3 Satz 2 AktG, von dem nicht durch die Satzung abgewichen werden kann. Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages wies nämlich darauf hin, dass lediglich nicht börsennotierte Gesellschaften hinsichtlich der Anforderungen an den Nachweis und den "Record Date" völlige Satzungsautonomie behalten sollen (vgl. BT- Drucks. 1575693 S. 17).
3. Eine Aussetzung des Verfahrens gem. § 148 ZPO kommt auch unter Berücksichtigung des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des OLG Frankfurt vom 13.1.2009, die beim BGH unter dem Aktenzeichen II 105/09 geführt wird, nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen ist. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt, da den beim II. Senat des BGH, Az. II ZR 105/09 und II ZR 43/09 anhängigen Verfahren, an dem die hiesige Beklagte, nicht beteiligt sind, im Hinblick auf das Streitverfahren allenfalls die Bedeutung eines Musterprozesses zukommt. Soweit in der Literatur eine Aussetzung bereits dann für möglich gehalten wird, wenn ein rein tatsächlicher Einfluss in Betracht kommt, den Vorgänge in einem anderen Prozess, wie etwa eine Beweisaufnahme, oder die Entscheidung des anderen Verfahrens auf die Entscheidung in dem zweiten Verfahren ausüben könnten (in diesem Sinne etwa Peters, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Aufl., Rdn. 10 zu § 148 bei Beteiligung derselben Parteien), kann dem nicht gefolgt werden. § 148 ZPO stellt nicht auf sachliche oder tatsächliche Zusammenhänge zwischen verschiedenen Verfahren, sondern auf die Abhängigkeit vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses ab. Allein die tatsächliche Möglichkeit eines Einflusses genügt dieser gesetzlichen Voraussetzung nicht und wäre im Übrigen auch ein konturenloses Kriterium, das das aus dem Justizgewährleistungsanspruch folgende grundsätzliche Recht der Prozessparteien auf Entscheidung ihres Rechtsstreits in seinem Kern beeinträchtigen würde. Die Aussetzung der Verhandlung wird aber auch nicht durch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift des § 148 ZPO gerechtfertigt. Dass in einem anderen Verfahren über einen gleich oder ähnlich gelagerten Fall nach Art eines Musterprozesses entschieden werden soll, rechtfertigt für sich genommen noch keine Analogie zu der in § 148 ZPO geregelten Fallkonstellation. Denn die Vorschrift dient zwar auch der Prozessökonomie, indem sie die Gerichte vor der doppelten Befassung mit zumindest teilweise identischem Streitstoff bewahrt (vgl. BGH NJW allgemeine Ermächtigung, die Verhandlung eines Rechtsstreits zur Abwendung einer vermeidbaren Mehrbelastung des Gerichts auszusetzen. Vielmehr ist die Aussetzung grundsätzlich nur dann eröffnet, wenn die Entscheidung in dem einen Rechtsstreit die Entscheidung des anderen rechtlich beeinflussen kann. Daran fehlt es jedoch, wenn lediglich dieselbe Rechtsfrage zu beurteilen ist (vgl. BGH NJW 2005, 1947; Thomas-Putzo, ZPO, 30. Aufl., Rdn. 4 zu § 148; Zöller-Greger, ZPO, 28. Aufl., Rdn. 5 zu § 148; Wagner in: Münchener Kommentar zur ZPO, 3. Aufl., Rdn. 9 zu § 148).
Angesichts dessen war das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.
II.
1. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Da das klageabweisende Versäumnisurteil aufrechterhalten wurde, muss der unterlegene Kläger auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits tragen.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 1 bis 3 ZPO.
LG München I:
Urteil v. 17.12.2009
Az: 5HK O 13344/09, 5HK O 13344/09, 5HK O 13344/09
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/29c1ab776767/LG-Muenchen-I_Urteil_vom_17-Dezember-2009_Az_5HK-O-13344-09-5HK-O-13344-09-5HK-O-13344-09