Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 5. Oktober 2011
Aktenzeichen: I-20 U 29/11
(OLG Düsseldorf: Urteil v. 05.10.2011, Az.: I-20 U 29/11)
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 8. Dezember 2010 verkündete Teilurteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Krefeld aufgehoben und das Verfahren an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückverwiesen.
Kosten für das Berufungsverfahren werden nicht erhoben, im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem landgerichtlichen Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000,00 Euro abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I.
Der Kläger handelt neben seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt mit hochwertigen Uhren. Der Beklagte zu 2. ist Uhrmachermeister. Er hat Deutschland im Jahr 2005 verlassen und in Frankreich die Beklagte zu 1. gegründet, die sich mit der Entwicklung von Uhrwerken befasst. Im Jahr 2010, nach Eintritt der Rechtshängigkeit, hat der Beklagte zu 2. seinen Wohnsitz in die Schweiz verlegt.
Der Kläger ließ in den Jahren 2005 bis 2008 Uhrwerke für hochwertige Armbanduhren von den Beklagten entwickeln, die später unter seinem Namen auf den Markt gebracht werden sollten. Der Beklagte zu 2. war ihm aus zuvor erteilten Uhrenreparaturaufträgen bekannt. Auftragsgegenstand war die Konstruktion und Entwicklung von zwei Uhrwerken Kaliber 793 X. und 793 Y. in runder Form sowie Kaliber 794 X. und 794 Y. in eckiger Form, die später in Serie produziert werden sollten, wobei die Parteien darüber streiten, zu welchen Bedingungen dies geschehen sollte. Die Bezahlung sämtlicher Kosten ist durch den Kläger erfolgt und zwar sowohl der Kosten der zu verbauenden Teile, die überwiegend spezialangefertigt und bei Drittfirmen bestellt werden mussten, die Kosten der zum Zusammenbau erforderlichen Arbeitsgeräte als auch die Vergütung des zeitlichen Aufwandes der Beklagten. Die Beklagten haben bislang drei Prototypen an den Kläger ausgeliefert.
Die Beklagten haben parallel zu den vom Kläger finanzierten Entwicklungsarbeiten weitere Uhrwerke in runder Form mit den Kalibern 770 und 781, Gehäuse und Zifferblätter entwickelt, die sie für ihre eigene Firma auf der Messe in B. im März/April 2009 vorgestellt haben. Zu ihrem Sortiment gehören noch die Kaliber 773 und 776. Zur Bewerbung ihrer Produkte unterhielten sie einen in deutscher und französischer Sprache verfassten Internetauftritt.
Der Kläger sieht hierin eine Verletzung ihrer Vereinbarung, aber auch eine unerlaubte Handlung und zwar unter dem Gesichtspunkt der Vorlagenfreibeuterei, des Eingriffs in den Gewerbebetrieb, des Betruges und der Untreue. Er behauptet, es sei vereinbart gewesen, dass die Beklagten ausschließlich für ihn tätig seien. Gleichwohl hätte sie im fraglichen Zeitraum nicht nur Uhrwerke mit den Kalibern 770 und 781 entwickelt und präsentiert, sie hätten dabei auch die Konstruktionen der für ihn entwickelten Uhrwerke übernommen und ihnen so ihre Exklusivität genommen.
Das Landgericht hat die auf Unterlassung des Vertriebs der Uhrwerke Kaliber 770 und 781 und der Verwendung der Konstruktionen der Uhrwerken Kaliber 793 sowie 794 für eigene Zwecke, Auskunft, Rechnungslegung und Schadensersatz gerichtete Klage durch Teilurteil als unzulässig abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es fehle an der internationalen Zuständigkeit. Wohn- beziehungsweise Geschäftssitz der Beklagten sei bei Klageerhebung in Frankreich gewesen. Dort sei auch der Erfüllungsort, die von den Beklagten geschuldete Entwicklung der Uhrwerke sei im Wesentlichen in B. erfolgt. Soweit sich der Kläger auf deliktische Anspruchsgrundlagen berufe, fehle es ebenfalls an einer deutschen Zuständigkeit, Handlungsort aber auch Erfolgsort seien in Frankreich zu suchen. Dort sei die behauptete Nachahmung begangen und das Produkt vermarktet worden. Der in deutscher und französischer Sprache verfasste Internetauftritt habe sich nicht überwiegend an deutsche Kunden gerichtet.
Über die Widerklage der Beklagten hat das Landgericht noch nicht entschieden. Die Beklagten begehren die Feststellung, dass die von ihnen angebotenen Uhrwerke Kaliber 770 und 781 sowie 773 und 776 eine andere Konstruktion aufweisen als die für den Kläger entwickelten Uhrwerke Kaliber 793 X. und 793 Y. sowie Kaliber 794 X. und 794 Y.
Gegen die Abweisung seiner Klage wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er trägt vor, eine internationale Zuständigkeit sei entgegen der Auffassung des Landgerichts gegeben. Sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort lägen in K. So habe der Beklagte zu 2. ihn regelmäßig dort aufgesucht und während der ganzen Zeit vorgetäuscht, zu hundert Prozent für ihn tätig zu sein; die Verwendung der Konstruktion für eigene wirtschaftliche Zwecke habe er ihm vorsätzlich verschwiegen. Auch zeige die von den Beklagten unterhaltene Internetpräsenz in deutscher und französischer Sprache die auf den deutschen Markt gerichtete Vermarktungsstrategie. Mit der in Deutschland ansässigen Firma C. sei eine Belieferung vereinbart worden. Für die vertraglichen Ansprüche gelte nichts Anderes, der Erfüllungsort liege in Deutschland. Die Verpflichtung zur Unterlassung der eigenen Vermarktung der Entwicklungsergebnisse habe auch in Deutschland bestanden, bei Begründung des Vertragsverhältnisses habe der Beklagte zu 2. noch in D. gewohnt.
Der Kläger beantragt,
das Teilurteil des Landgerichts Krefeld vom 08.12.2010 aufzuheben und
I. die Beklagten zu 1) und den Beklagten zu 2) zu verpflichten, es zu unterlassen
1. die Uhrwerke Kaliber 770 und 781 zu Gunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens im geschäftlichen Verkehr zu verwenden.
2. die Konstruktion der Uhrwerke Kaliber 793 Y., 793 X., 794 Y., 794 X. zu Gunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens im geschäftlichen Verkehr ganz oder teilweise zu verwenden, insbesondere die Konstruktion ganz oder teilweise Dritten zum Kauf anzubieten bzw. an Dritte zu verkaufen und Teile der Konstruktion gemäß der nachfolgenden Bestandsliste "Werk Komplett" zu Gunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens im geschäftlichen Verkehr zu verwenden mit Ausnahme der Teilereferenzen 5101-070, 5103-060, 5104-100, 5105-040, 5106-080, 5107-070, 5112-070, 5120-100, 5616-013-100, 906.20, 906.21, 9131-5863-12, 9131-5957, 93315880-9-R1, 5703-080, 5704-080, 5705-030, 5707-080.
(es folgt die im landgerichtlichen Urteil auf den Seiten vier bis neun wiedergegebene Auflistung, Bl. 299 bis 304 d. GA., auf die Bezug genommen wird)
3. die Beklagte zu 1) und den Beklagten zu 2) zu verpflichten, die Herstellerrechnungen der Firma F., betreffend die Lieferung von Produktionsteilen bezüglich der Werke 793 Y. und X. sowie 794 Y. und X. aus den Jahren 2007 und 2008 vorzulegen.
II. der Beklagten zu 1) und dem Beklagten zu 2) anzudrohen, dass für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die in I. Ziffer 1 und 2 ausgesprochenen Verpflichtungen ein Ordnungsgeld bis zu € 250.000,- und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten festgesetzt werden kann.
III. die Beklagte zu 1) und der Beklagte zu 2) zu verpflichten, die Rechnungen der Beklagten zu 1) an den Kläger mit den laufenden Nummern 1505 v. Oktober 2005; 01 v. 15.2.06; 03 v. 15.3.06; 04 v. 15.3.06; 05 v. 15.3.06; 09 v. 15.6.06; 10 v. 15.6.06; 11 v. 15.6.06; 14 v. 10.8.06; 16 v. 5.9.06; 18 v. 8.10.06; 20 v. 2.11.06; 22 v. 2.12.06; 24 v. 3.01.07; 25 v. 17.01.07; 29 v. 22.03.07; 31 v. 5.05.07; 32 v. 8.05.07; 33 v. 10.05.07; 39 v. 18.08.07; 40 v. 25.08.07, gemäß der Anlage B 1 zu konkretisieren, indem die jeweiligen Stückzahlen der Teile beziffert werden und deren Einkauf durch die jeweiligen Herstellerrechnungen belegt werden.
IV. festzustellen, dass die Beklagte zu 1) und der Beklagte zu 2) gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, Schadensersatz zu leisten, dadurch dass
1. die Beklagten zu 1) und 2) die Kaliber 770 und 781 auf Kosten des Berufungsklägers während der vom Berufungskläger bezahlten Arbeitszeit hergestellt haben unter Verwendung der. im Eigentum des Berufungsklägers stehenden Produktionsteile und durch Übernahme der Konstruktion der Werke Kaliber 793/794 FC und T des Berufungsklägers;
2. die Beklagten zu 1) und 2) die Uhrwerke Kaliber 770 und 781 zu Gunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens im geschäftlichen Verkehr verwendet haben;
3. die Beklagten zu 1) und 2) die Konstruktion der Uhrwerke Kaliber 793 Y., 793 X., 794 Y., 794 X. zu Gunsten des eigenen oder eines &emden Unternehmens im geschäftlichen Verkehr ganz oder teilweise verwendet haben, indem sie die Konstruktion ganz oder teilweise Dritten zum Kauf angeboten bzw. an Dritte verkauft haben und Teile der Konstruktion gemäß der zuvor stehenden Bestandsliste "Werk Komplett" zu Gunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens im geschäftlichen Verkehr verwendet haben;
4. die Beklagten zu 1) und 2) die Produktion des Berufungsklägers blockieren, indem sie sich weigern, die im Eigentum des Berufungsklägers stehenden Produktionsteile vollständig herauszugeben;
5. die Beklagten zu 1) und 2) im Mai 2009 die Bestellung des Berufungsklägers zur Herstellung von sechs Armbanduhren (5 Y., 1 X.) angenommen, als Liefertermin den September/Oktober 2009 bestätigt und bis heute nicht geliefert haben;
V. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, handelsübliche Rechnungen für die folgenden Zahlungen des Berufungsklägers zu erteilen: € 23.000,- vom 01.01.2008, € 35.000,- vom 01.01.2008, € 10.000,- vom 21.04.2008, € 8.500,- vom 21.04.2008, € 8.500,- vom 07.05.2008, € 38.500,- vom 02.06.2008, € 8.500,- vom 02.07.2008, € 5.300,- vom 23.07.2008, € 20.900,- vom 04.08.2008, € 20.000,- vom 07.08.2008, € 20.550,- vom 16.09.2008, € 8.500,- vom 01.10.2008, € 20.000,- vom 15.10.2008, € 8.500,- vom 19.11.2008.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen;
hilfsweise den Rechtsstreit an das Landgericht Krefeld zurückzuverweisen.
Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil. Eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte sei nicht gegeben. Der Erfüllungsort sei in Frankreich, dort sei die vertragscharakteristische Leistung, die Herstellung der Uhrwerke, erfolgt. Auch Handlungs- und Erfolgsort seien in Frankreich belegen. Sie hätten den Kläger nie getäuscht, zur Entwicklung eigener Uhrwerke seien sie berechtigt gewesen.
Für die Beklagte zu 1. wurde in Frankreich eine Insolvenzverwalterin ernannt. Ob das Insolvenzverfahren bereits eröffnet ist oder ob es sich um eine vorläufige Insolvenzverwaltung handelt, steht nicht fest. Die (vorläufige) Insolvenzverwalterin, Frau D., hat die Prozessbevollmächtigten der Beklagten vorsorglich zur Fortsetzung des Verfahrens ermächtigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, Bl. 296 ff. d. GA., wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers führt zur Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung an das Gericht des ersten Rechtszugs.
Das am 8. Dezember 2010 verkündete Teilurteil ist entgegen den Voraussetzungen des § 301 ZPO ergangen. Die Sache wird daher gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO unter Aufhebung des Urteils an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen. Eines entsprechenden Antrages bedarf es nicht, § 538 Abs. 2 Satz 3 ZPO.
Nach § 301 Abs. 1 ZPO kann das Gericht ein Teilurteil erlassen, wenn von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif ist. Auch bei grundsätzlicher Teilbarkeit des Streitgegenstands darf ein Teilurteil jedoch nur ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen - auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht - ausgeschlossen ist (BGH, NJW-RR 2011, 189 Rn. 21). Eine Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ist namentlich dann gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Das gilt auch insoweit, als es um die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen Urteilselementen geht, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden (BGH, NJW-RR 2011, 189 Rn. 21). Klage und Widerklage stehen daher in einem untrennbaren Zusammenhang, wenn beide wegen der gemeinsamen Vorfrage von demselben Gericht einheitlich zu entscheiden sind (BGH, NJW-RR 2005, 22). Denn bei einer materiellrechtlichen Verzahnung prozessual selbstständiger Ansprüche besteht die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen (BGH, NJW-RR 2011, 189 Rn. 22).
Gegenstand der Widerklage ist die von den Beklagten begehrte Feststellung, ihre Uhrwerke Kaliber 770 und 781 sowie 773 und 776 wiesen eine andere Konstruktion als die für den Kläger entwickelten Uhrwerke Kaliber 793 X. und 793 Y.sowie Kaliber 794 X. und 794 Y. auf. Die Frage der konstruktiven Vergleichbarkeit ist jedoch auch für die mit der Klage verfolgten Ansprüche in materiellrechtlicher Hinsicht entscheidend, zumindest soweit sich der Kläger auf die deliktsrechtliche Anspruchsgrundlage Vorlagenfreibeuterei stützt. Für den Fall einer Übernahme der konstruktiven Merkmale der für den Kläger entwickelten Uhrwerke Kaliber 793 sowie 794 kommen - wie der Senat bereits im vorgegangenen Verfahren auf Erlass ein einstweiligen Verfügung, Az. I-20 U 157/09, ausgeführt hat - ein Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 i. V. mit §§ 3, 4 Nr. 11 i. V. mit § 18 UWG (Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 17 Rn. 52) und ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. mit § 18 UWG (Köhler/ Bornkamm, a.a.O., § 17 Rn. 53) in Betracht.
Nach § 18 UWG macht sich strafbar, wer ihm im geschäftlichen Verkehr anvertraute Vorlagen oder technische Vorschriften unbefugt verwertet. Anvertraut sind Vorlagen, wenn sie vertraglich oder im Rahmen von Vertragsverhandlungen mit der ausdrücklich oder konkludent auferlegten Verpflichtung überlassen werden, sie nur im Interesse des Anvertrauenden zu verwenden (Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 18 Rn. 11). Damit sind bei der Prüfung des Anvertrautseins einerseits die vertraglichen Vereinbarungen zur Vertraulichkeit zu berücksichtigen und andererseits ist darüber hinaus im vorliegenden Fall zu diskutieren, inwieweit ein Überlassen an die Beklagte gegeben ist. Die für die geplante Serienproduktion erstellten Prototypen sind im Auftrag des Klägers von den Beklagten erstellt worden und ihm später in Erfüllung des Auftrages übergeben worden. Damit ist das dem Kläger geschuldete Konstruktionsergebnis tatsächlich in sein Unternehmen eingebracht worden. In der Kommentarliteratur (Köhler/Bornkamm, a.a.O. § 17 Rn. 16; § 18 Rn. 11; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 2. Aufl. § 17 Rn. 9) wird die Auffassung vertreten, dass es der Anvertrauung im Sinne von §§ 17, 18 UWG gleichstehe, wenn der Beschäftigte oder Empfänger einer Vorlage ein Geheimnis oder eine Vorlage selbst in den Betrieb z.B. gegen Entgelt einbringt und sich zur Geheimhaltung verpflichtet. Nach dieser Meinung wird darauf abgestellt, wem das Geheimnis oder die Vorlage, wirtschaftlich zuzuordnen ist, unabhängig davon, von wem sie ursprünglich stammen und geschaffen worden sind; es kommt darauf an, was in Bezug auf das Geheimnis oder die Vorlage zwischen den Parteien vereinbart worden ist.
Im hier zu entscheidenden Fall sind die Vorlagen, für die der Kläger Schutz in Anspruch nimmt, zwar erst im Laufe der Vertragsbeziehung von den Beklagten entwickelt worden, wobei der Erfolg der Konstruktion anfangs nicht gesichert und ungewiss gewesen ist, ob die in Auftrag gegebenen Uhrwerke überhaupt Serienreife erlangen würden. Das Ergebnis ist tatsächlich aber erreicht und dann dem Kläger zugeordnet worden.
Zwar vermeidet die landgerichtliche Entscheidung selbst insoweit die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen, als die Abweisung der Klage wegen Fehlens der internationalen Zuständigkeit und daher ohne Prüfung der materiellrechtlichen Voraussetzungen erfolgt ist. Das Landgericht hat bei seiner Entscheidung jedoch nicht die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen infolge einer abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht berücksichtigt (vgl. BGH, NJW-RR 2011, 189 Rn. 21). Im Falle einer Bejahung der internationalen Zuständigkeit müsste der Senat bei einer eigenen Sachentscheidung die Frage der Übernahme der konstruktiven Merkmale der für den Kläger entwickelten Uhrwerke Kaliber 793 sowie 794 bei den Uhrwerken 770 und 781 prüfen, wodurch die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen geschaffen würde.
Eine internationale Zuständigkeit für behaupteten die deliktischen Ansprüche, insbesondere für einen wettbewerbsrechtlichen Anspruch aus Vorlagenfreibeuterei, ist vorliegend gegeben. Das Landgericht Krefeld hat seine Zuständigkeit für wettbewerbsrechtliche Ansprüche zu Unrecht verneint.
Die internationale Zuständigkeit richtet sich nach der Verordnung (EG) Nr. 44/ 2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO); die Parteien haben ihre Wohn- beziehungsweise Geschäftssitze im Zeitpunkt der Klageerhebung in verschiedenen Staaten der Europäischen Gemeinschaft gehabt. Der Kläger hat seinen Wohnsitz in Deutschland, die Beklagten hatten ihren Geschäfts- beziehungsweise Wohnsitz in Frankreich. Der zwischenzeitliche Umzug des Beklagten zu 2. in die Schweiz ist unerheblich (Zöller-Geimer, ZPO, 27. Aufl., Anh I Art 2 EuGVVO Rn. 17 m. w. Nw.).
Nach Art. 2 Abs. 1 EuGVVO sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedsstaats zu verklagen. Ausnahmen von diesem Grundsatz regelt Art. 5 EuGVVO. Nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, in einem anderen Vertragsstaat vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichsteht, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Unter die Zuständigkeit des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO fallen Klagen auf Grund unerlaubter Wettbewerbshandlungen (BGH, GRUR 1988, 453, 454 - Ein Champagner unter den Mineralwässern). Der Ort des schädigenden Ereignisses i.S. des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist neben dem Handlungsort auch der Erfolgsort, d.h. der Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist (EuGH, GRUR Int 1998, 298 Tz. 20 - Shevill). Bei Wettbewerbsverletzungen im Internet ist der Erfolgsort im Inland belegen, wenn sich der Internet-Auftritt bestimmungsgemäß dort auswirken soll (BGH, GRUR 2005, 431, 432 - HOTEL MARITIME; GRUR 2006, 513 Tz. 21 - Arzneimittelwerbung im Internet). Die Zuständigkeit hängt allerdings nicht davon ab, dass tatsächlich eine Verletzung des nationalen Rechts erfolgt ist. Es reicht vielmehr aus, dass eine Verletzung behauptet wird und diese nicht von vornherein ausgeschlossen ist (BGH, GRUR 2005, 431, 432 - HOTEL MARITIME; GRUR 2006, 513 Tz. 21 - Arzneimittelwerbung im Internet).
Der Ort des schädigenden Ereignisses liegt demnach im Streitfall (auch) in Deutschland. Der Kläger ist in Deutschland im Uhrenhandel tätig. Die Beklagten präsentieren ihre Uhrwerke im Internet, ihr Internetauftritt ist jedenfalls auch auf Deutschland ausgerichtet. Die Beklagten werben in ihrem Internetauftritt nicht nur in französischer, sondern auch in deutscher Sprache für ihre Produkte und wenden sich mit der Werbung daher auch an das deutsche Publikum. Eine Beschränkung des Verbreitungsgebietes ist nicht erkennbar, eine Erklärung, Besteller in Deutschland nicht beliefern zu wollen, ein sogenannter Disclaimer, fehlt (vgl. BGH, GRUR 2006, 513, 515 - Arzneimittelwerbung im Internet). Eine überwiegende Ausrichtung auf den deutschen Markt ist nicht erforderlich.
Für die behaupten vertraglichen Ansprüche besteht allerdings auch nach Ansicht des Senats eine internationale Zuständigkeit nicht. Die Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 1 EuGVVO ist nicht einschlägig. Danach können Personen in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 EuGVVO. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung ist ein einziger Erfüllungsort zu bestimmen (EuGH, NJW 2002, 1407 Tz. 29 - Besix SA). Bei mehreren Erbringungsorten ist Erfüllungsort i. S. des Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 EuGVVO grundsätzlich der Ort, an dem die engste Verknüpfung zwischen dem Vertrag und dem zuständigen Gericht besteht, wobei dies im Allgemeinen der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung seien wird (EuGH, NJW 2010, 1189 Tz. 33 - Wood Floor Solutions). Kann der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung nicht anhand der Vertragsbestimmungen ermittelt werden, weil diese entweder mehrere Erbringungsorte oder ausdrücklich gar keinen bestimmten Erbringungsort vorsehen, so ist hilfsweise der Ort heranzuziehen, an dem die Tätigkeiten zur Erfüllung des Vertrages tatsächlich überwiegend vorgenommen worden sind (EuGH, NJW 2010, 1189 Tz. 40 - Wood Floor Solutions). Dabei ist auf die für den Vertrag charakteristische Leistung abzustellen (EuGH, NJW 2010, 1189 Tz. 34 - Wood Floor Solutions).
Die Beklagten schuldeten dem Kläger die Entwicklung neuer Uhrwerke. Auch wenn insoweit regelmäßige Besprechungen mit dem Kläger in Deutschland notwendig gewesen sind, haben die Beklagten diese für den Vertrag charakteristische Leistung zwangsläufig überwiegend an ihren Geschäfts- beziehungsweise Wohnsitz und mithin in Frankreich erbracht.
Soweit der Kläger eine vertragliche Verpflichtung zur ausschließlichen Tätigkeit für ihn und zur Unterlassung einer Konkurrenztätigkeit behauptet, wäre auch eine solche Verpflichtung zur Begründung einer internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht geeignet. Diese Unterlassungsverpflichtung bestünde ihrem Wesen nach überall und damit auch in allen Ländern der Europäischen Gemeinschaft. Eine vertragliche Unterlassungspflicht, die geografisch unbegrenzt gilt, führt zu dem Ergebnis, dass für die Verpflichtung Erfüllungsorte in allen Vertragsstaaten bestehen (EuGH, NJW 2002, 1407 Tz. 34 - Besix SA). Eine solche Häufung der Gerichtstände will die EuGVVO jedoch gerade vermeiden. Nach dem Erwägungsgrund 11. zum EuGVVO darf im Interesse der Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsvorschriften vom Grundsatz des Wohnsitzes des Beklagten nur in genau festgelegten Fällen abgewichen werden. Demnach ist Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 EuGVVO dahin auszulegen, dass die Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten in einem Fall, in dem die fragliche vertragliche Verpflichtung an verschiedenen Orten erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, einem Gericht nicht deshalb zuerkannt werden kann, weil in seiner örtlichen Zuständigkeit ein beliebiger dieser Erfüllungsorte liegt (EuGH, NJW 2002, 1407 Tz. 29 - Besix SA). Auch die Wahl des Ortes, an dem die fragliche Vertragsverletzung begangen wurde, als Erfüllungsort erscheint als Lösung ungeeignet. Mit ihr ließe sich in Fällen, in denen die fragliche Klausel in mehreren Vertragsstaaten nicht eingehalten wurde, die Zuständigkeit einer Vielzahl von Gerichten nicht vermeiden (EuGH, NJW 2002, 1407 Tz. 41 - Besix SA). Eine Unterlassungspflicht, die nach dem Parteiwillen geografisch unbegrenzt, also weltweit - und damit auch in allen Vertragsstaaten -, gilt, kann ihrem Wesen nach weder an einem bestimmten Ort lokalisiert noch einem bestimmten Gericht zugeordnet werden, das zur Entscheidung eines Rechtsstreits über diese Verpflichtung besonders geeignet wäre. Eine derartige Verpflichtung, etwas überall zu unterlassen, weist definitionsgemäß keine besonders enge Verknüpfung mit einem bestimmten Gericht auf (EuGH, NJW 2002, 1407 Tz. 49 - Besix SA). Deshalb lässt sich die Zuständigkeit in einem solchen Fall nur gemäß Art. 2 Abs. 1 EuGVVO bestimmen, der einen sicheren und verlässlichen Anknüpfungspunkt bietet (EuGH, NJW 2002, 1407 Tz. 50 - Besix SA).
Die Kosten des Berufungsverfahrens sind gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht zu erheben, da sie durch eine unrichtige Sachbehandlung, den Erlass eines unzulässigen Teilurteils, verursacht worden sind. Im Übrigen ist die Kostenentscheidung dem erstinstanzlichen Schlussurteil vorzubehalten. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Die hierfür in § 543 Abs. 2 ZPO niedergelegten Voraussetzungen sind nicht gegeben. Die relevanten Rechtsfragen sind durch die zitierten höchstrichterlichen Entscheidungen beantwortet. Als reine Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine revisionsgerichtliche Entscheidung i.S. des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
OLG Düsseldorf:
Urteil v. 05.10.2011
Az: I-20 U 29/11
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