Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. April 2000
Aktenzeichen: 10 W (pat) 23/99

(BPatG: Beschluss v. 10.04.2000, Az.: 10 W (pat) 23/99)

Tenor

Die Beschwerde des Anmelders gegen den Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse G 06 K des Deutschen Patentamts vom 25. Februar 1998 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Anmelder hat am 13. Juli 1992 "um Verfahrenskostenhilfe angesucht, unter Einbeziehung von Anmeldegebühr, Prüfungsgebühr, Jahresgebühr" und um Beiordnung eines Patentanwalts gebeten.

Mit Beschluß vom 21. April 1993 wurde dem Anmelder Verfahrenskostenhilfe für das Erteilungsverfahren mit Wirkung zum 13. Juli 1992 bewilligt, ohne daß Monatsraten oder sonstige Zahlungen auf die Verfahrenskostenhilfe zu leisten wären. Dem Anmelder wurde antragsgemäß Patentanwalt Dipl.-Ing. D... als Vertreter beigeordnet.

Innerhalb der zuschlagsfreien Zahlungsfrist wurde die 3. Jahresgebühr nicht bezahlt. Das Patentamt wies den Anmelder deshalb mit Benachrichtigung gemäß § 17 Abs 3 Satz 3 PatG vom 2. November 1994 darauf hin, daß die 3. Jahresgebühr mit dem Zuschlag in Höhe von 110,-- DM innerhalb von vier Monaten nach Ablauf des Zustellmonats zu entrichten sei, andernfalls die Patentanmeldung als zurückgenommen gelte.

Vor Ablauf dieser Nachholungsfrist beantragte der Anmelder jeweils fristgerecht am 25. November 1994 die Stundung der 3. Jahresgebühr mit dem Zuschlag. Mit Beschluß vom 16. Januar 1995 wurde ihm gemäß § 18 Abs 1 PatG Stundung bis zum 31. Juli 1995 gewährt. Dabei wurde der Anmelder darauf hingewiesen, daß der gestundete Betrag vor Ablauf der Stundungsfrist entweder zu zahlen oder ein weiterer Stundungsantrag zu stellen sei, andernfalls die Anmeldung als zurückgenommen gelte.

Gemäß Absprache mit seinem beigeordneten Vertreter stellte der Anmelder selbst jeweils fristgerecht am 24. Juli 1995 Antrag auf Stundung auch der 4. Jahresgebühr und am 6. Mai 1996 auch für die 5. Jahresgebühr. In beiden Fällen wurde die Stundung mit Bescheid vom 19. Oktober 1995 bis zum 31. Juli 1996 und mit Bescheid vom 4. September 1996 bis zum 31. Juli 1997 bewilligt, jeweils unter Einbeziehung der bereits gestundeten Jahresgebühren. Jeder Bescheid enthielt den oben genannten Hinweis.

Der 31. Juli 1997 verstrich, ohne daß der gestundete Betrag eingezahlt oder weiterer Stundungsantrag gestellt worden war.

Am oder unmittelbar vor dem 14. November 1997 erfuhr der beigeordnete Vertreter des Anmelders, daß die Anmeldung wegen Nichtzahlung der gestundeten Gebühren als zurückgenommen gelte. Daraufhin hat der Anmelder am 4. Dezember 1997 Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist gestellt.

Er hat geltend gemacht, daß er nach Absprache mit seinem beigeordneten Anwalt selbst die Stundungsanträge stellen werde, da er die notwendigen Unterlagen zum Nachweis seiner Bedürftigkeit ohnehin beibringen müsse.

Das Schreiben seines Anwalts vom 7. Juli 1997, in dem dieser ihn an die Frist zur erneuten Stellung eines Stundungsantrages erinnert habe, habe ihn nicht erreicht. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse hätten sich Anfang 1997 drastisch verschlechtert. Er habe daher im Frühjahr 1997 seine Wohnung aufgeben und sich auf Sozialhilfe stützen müssen. Allerdings habe ihn sein Anwalt vor Absendung des Briefes vom 7. Juli 1997 telefonisch an die Frist zur Stellung eines erneuten Stundungsantrages erinnert und ihn auch gebeten, seine neue Anschrift mitzuteilen. Seine Unterlagen seien aber im Zuge des Umzugs derart verpackt worden, daß sie für ihn nicht greifbar gewesen seien. Im übrigen habe er darauf vertraut, daß er vor Ablauf der Frist wie üblich noch einmal vom Patentamt auf den drohenden Fristablauf und die Folgen der Säumnis hingewiesen werde. Unter diesen Umständen könne ihm kein Sorgfaltspflichtverstoß angelastet werden.

Durch Beschluß vom 25. Februar 1998 hat das Patentamt den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen, weil der Anmelder die Frist zur Zahlung der 3. Jahresgebühr mit dem Zuschlag nicht unverschuldet versäumt habe.

Gegen diese dem Anmelder am 4. März 1998 zugestellte Entscheidung richtet sich seine am 3. April 1998 eingegangene Beschwerde.

Er beantragt sinngemäß, 1. den Beschluß des Patentamts vom 25. Februar 1998 aufzuheben und dem Antrag auf Wiedereinsetzung stattzugeben, 2. die Benachrichtigung gemäß § 17 Abs 3 Satz 3 PatG vom 2. November 1994 für ungültig zu erklären und 3. ihm Verfahrenskostenhilfe für die Beschwerdegebühr zu bewilligen.

Im Anschluß an eine mündliche Verhandlung am 2. August 1999 hat der Anmelder Entscheidung im schriftlichen Verfahren beantragt.

Im Beschwerdeverfahren macht er ergänzend geltend, daß die Benachrichtigung gemäß § 17 Abs 3 PatG zu Unrecht ergangen und daher unwirksam sei. Er habe nämlich mit dem Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe vom 13. Juli 1992 ausdrücklich die Einbeziehung der Jahresgebühren in die Verfahrenskostenhilfe begehrt. Dazu habe sich der Bewilligungsbeschluß vom 21. April 1993 überhaupt nicht geäußert. Nachdem die 3. Jahresgebühr am 31. Juli 1994 fällig geworden sei, habe er nochmals innerhalb der zuschlagsfreien Zweimonatsfrist am 10. September 1994, also lange vor Zugang der Benachrichtigung vom 2. November 1994, Verfahrenskostenhilfe auch für die fällige 3. Jahresgebühr beantragt. Das Patentamt habe darauf nicht reagiert. Nachdem ihm die Benachrichtigung nach § 17 Abs 3 Satz 3 PatG zugestellt worden sei, habe er dann Stundung beantragt. Mit Rücksicht auf die vorgenannten Anträge hätte die Benachrichtigung nicht ergehen dürfen; sie habe daher die Rechtsfolge des § 58 Abs 3 PatG nicht auslösen können.

Durch Beschluß vom 2. August 1999 ist dem Präsidenten des Patentamts anheimgegeben worden, dem Verfahren beizutreten. Er hat seinen Beitritt mit Schriftsatz vom 22. Oktober 1999 erklärt und beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen seiner Begründung wird auf den Inhalt seines Schriftsatzes vom 22. Oktober 1999 verwiesen.

II.

Der zulässigen Beschwerde ist kein Erfolg beschieden.

1. Die Benachrichtigung gemäß § 17 Abs 3 Satz 3 PatG vom 2. November 1994 ist wirksam. Zu diesem Zeitpunkt war die 3. Jahresgebühr mit dem Zuschlag zu zahlen, da bis dahin weder diese Gebühr eingezahlt noch erneut Stundungsantrag gestellt worden war. Somit hatte das Patentamt die Benachrichtigung gemäß § 17 Abs 3 Satz 3 PatG zuzustellen. Die Wirksamkeit der Zustellung ist nicht in Abrede gestellt worden.

Dem steht nicht entgegen, daß der Anmelder mit seinem Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe vom 13. Juli 1992 auch die Einbeziehung der Jahresgebühren in die Verfahrenskostenhilfe begehrt hat. Wird Verfahrenskostenhilfe bewilligt, ohne daß Raten auf die Verfahrenskostenhilfe zu leisten sind, können Jahresgebühren nicht in die Verfahrenskostenhilfe einbezogen werden (§ 130 Abs 5 PatG iVm § 115 Abs 3 ZPO). Dies ist dem Anmelder auch bekannt (vgl Schriftsatz vom 4. August 1999). Der Bewilligungsbeschluß vom 21. April 1993 beinhaltet daher, ohne dies ausdrücklich auszusprechen, die Versagung der Einbeziehung von Jahresgebühren in die Verfahrenskostenhilfe. Die Entscheidung hat der Anmelder nicht angefochten. Der Beschluß ist rechtskräftig geworden.

Ein weiterer Antrag auf Einbeziehung der Jahresgebühren in die Verfahrenskostenhilfe vom 10. September 1994 befindet sich nicht in den Akten.

Die Benachrichtigung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil der Stundungsbescheid vom 4. September 1996 unrichtig ist. Der in ihm enthaltene Hinweis auf die Rechtsfolge bei Nichtzahlung der gestundeten Gebühren oder bei Unterlassen eines weiteren Stundungsantrages innerhalb der genannten Frist sagt aus, daß die genannte Rechtsfolge eintritt, wenn der gesamte gestundete Betrag (3. bis 5. Jahresgebühr) nicht rechtzeitig entrichtet wird. Das ist hier unrichtig, da bezüglich der 4. und 5. Jahresgebühr (noch) keine Benachrichtigung gemäß § 17 Abs 3 Satz 3 PatG zugestellt worden ist, so daß die Einzahlung der 3. Jahresgebühr mit dem Zuschlag bereits ausgereicht hätte, die angedrohte Rechtsfolge zu vermeiden. Auf die Wirksamkeit der Benachrichtigung vom 2. November 1994 bezüglich der 3. Jahresgebühr mit dem Zuschlag hat eine Unrichtigkeit des später erlassenen Stundungsbescheids keine Bedeutung, so daß - sollte die Gebühr nicht gezahlt oder Stundung nicht beantragt sein - die in der Nachricht angekündigte Rechtsfolge unmittelbar eintritt.

Eine andere Frage ist dagegen, ob und wie sich der unrichtige Inhalt des Stundungsbescheids vom 4. September 1996 auf seinen Bestand auswirkt. Dem Antragsteller wurde wirksam Stundung bewilligt, die Unrichtigkeit des darüber informierenden Bescheids berührt die Wirksamkeit der Bewilligung nicht.

Unrichtige Stundungsbescheide können allenfalls zur Gewährung von Wiedereinsetzung führen, wenn ein Anmelder etwa geltend macht, die Fristversäumung beruhe darauf, daß er die Jahresgebühr, bezüglich der er eine Benachrichtigung gemäß § 17 Abs 3 Satz 3 PatG erhalten hat, zwar hätte zahlen können, nicht aber den gestundeten Betrag, und wenn er begründen kann, daß er einen anstelle der Zahlung möglichen Stundungsantrag unverschuldet nicht gestellt hat. Einen solchen Wiedereinsetzungsgrund hat der Anmelder nicht geltend gemacht.

2. Der Anmelder hat keinen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 123 Abs 1 PatG gewährt, wenn eine dem Patentamt gegenüber einzuhaltende Frist, deren Versäumung nach einer gesetzlichen Vorschrift einen Rechtsnachteil zur Folge hat, ohne Verschulden versäumt wurde.

Der Anmelder hat die - durch Stundung verlängerte - am 31. Juli 1997 abgelaufene Nachholungsfrist des § 17 Abs 3 Satz 3 PatG zur Zahlung der 3. Jahresgebühr mit dem Zuschlag versäumt. Er hat bis zu diesem Zeitpunkt wurde weder erneut Stundung beantragt, noch die 3. Jahresgebühr mit dem Zuschlag bezahlt. Das hat gemäß § 58 Abs 3 PatG zur Folge, daß die Patentanmeldung als zurückgenommen gilt.

Zur Beseitigung dieses Rechtsnachteils hat der Anmelder zwar rechtzeitig Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt und die versäumte Handlung - Stellung eines erneuten Stundungsantrages anstelle der Zahlung - nachgeholt.

Der Anmelder war aber nicht ohne Verschulden gehindert, die Nachholungsfrist einzuhalten.

Ohne Verschulden handelt, wer die übliche Sorgfalt anwendet, deren Beachtung im Einzelfall zumutbar war. Der Anmelder hat in Kenntnis der im ersten Stundungsbescheid vom 16. Januar 1995 enthaltenen Belehrung selbst am 24. Juli 1995 und 6. Mai 1996 rechtzeitig und erfolgreich Stundungsanträge auch für die 4. und 5. Jahresgebühr gestellt. Die Fristen liefen jeweils am dem Antrag folgenden 31. Juli ab. Wegen des langen Zeitraums von Jahr zu Jahr bzw von der Bewilligung der Stundung auch der 5. Jahresgebühr am 4. September 1996 bis zum 31. Juli 1997 hätten zwar die drastische Verschlechterung der Lebensumstände, die Aufgabe der Wohnung und die Abhängigkeit von Sozialhilfe Anlaß sein mögen, den Termin zu vergessen. Indes hat aber der beigeordnete Anwalt den Anmelder kurz vor Ablauf der Frist, Anfang Juli 1997, telefonisch daran erinnert, diese Frist zu beachten und das Nötige zu veranlassen. Der beigeordnete Patentanwalt durfte darauf vertrauen, daß sein Mandant die Frist in bewährter Art und Weise beachtet, denn der Anmelder hat seinem Anwalt gegenüber nicht verlauten lassen, daß er an seine Unterlagen nicht herankomme oder aus sonstigen Gründen an der rechtzeitigen Antragstellung gehindert sei. Bei dieser Sachlage wäre es geboten gewesen, Vorkehrungen gegen die Fristversäumung zu treffen, etwa dadurch, daß der Anmelder wegen seiner unglücklichen Situation diesmal seinen Patentanwalt um die Antragstellung gebeten hätte, was anläßlich des Telefonats ohne weiteres möglich gewesen wäre. Das Unterlassen entsprechender Maßnahmen stellt einen Verstoß gegen die dem Anmelder obliegenden und ihm zumutbaren Sorgfaltspflichten dar.

Die Annahme, das Patentamt sende einem Anmelder üblicherweise vor Ablauf der verlängerten Nachholungsfrist eine weitere Benachrichtigung zu, führt zu keiner anderen Beurteilung. Der Anmelder hat nicht dargelegt, weshalb ihn eine Benachrichtigung des Patentamts - die seinem Anwalt zuzustellen gewesen wäre - veranlaßt hätte, rechtzeitig einen weiteren Stundungsantrag zu stellen, nicht aber die Erinnerung des Patentanwalts kurz vor Ablauf der Frist.

3. Einer Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe für die Beschwerdegebühr bedurfte es nicht, da die Beschwerde gebührenfrei ist. Die Beschwerdegebühr wird zurückgezahlt.

Bühring Winkler Schuster E.






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