Bundespatentgericht:
Urteil vom 9. September 2008
Aktenzeichen: 1 Ni 28/07

(BPatG: Urteil v. 09.09.2008, Az.: 1 Ni 28/07)

Tenor

I. Das europäische Patent 0 804 365 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 1 und 2 sowie der Patentansprüche 7 und 8, letztere nur soweit unmittelbar auf Patentanspruch 2 rückbezogen, für nichtig erklärt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 1/3, die Beklagte 2/3.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des europäischen Patents 0 804 365, das am 25. November 1996 angemeldet und in deutscher Verfahrenssprache erteilt worden ist. Das Streitpatent nimmt die Priorität des deutschen Gebrauchsmusters 295 18 628 vom 24. November 1995 in Anspruch. Es ist bezeichnet mit "Verfahren und Vorrichtung zum Drehen von rotationssymmetrischen Behältern, wie Flaschen, während des Transports unter Staudruck". Es umfasst 8 Patentansprüche; in Anspruch 1 ist das Verfahren, in den Nebenansprüchen 2, 7 und 8 sind Vorrichtungen geschützt. Die Unteransprüche 3 bis 6 sind auf Anspruch 2 unmittelbar oder mittelbar rückbezogen.

Die Patentansprüche 1, 2, 3, 7 und 8 lauten in der erteilten Fassung wie folgt:

1. Verfahren zum Drehen von rotationssymmetrischen Behältern (10) an einer vorgegebenen Stelle längs einer Förderfläche (12), die seitlich durch Geländer (14) begrenzt ist und auf der die Behälter (10) unter Staudruck transportiert werden, dadurch gekennzeichnet,

-dass an der Stelle, an der sich die Behälter drehen sollen, der Abstand der Geländer (14) das 1,2-bis 1,6fache des Durchmessers der Behälter (10) beträgt und -dass in Förderrichtung nach dieser Stelle von zwei aufeinanderfolgenden Behältern (10) der eine stabil gegen das eine Geländer (14) und der andere stabil gegen das andere Geländer (14) angeordnet wird.

2. Vorrichtung zum Drehen von rotationssymmetrischen Behältern (10) an einer vorgegebenen Stelle längs einer Förderfläche (12) nach dem Verfahren von Anspruch 1, wobei die Förderfläche (12) seitlich durch Geländer (14) begrenzt ist und die Behälter (10) auf der Förderfläche (12) unter Staudruck transportiert werden, dadurch gekennzeichnet,

-dass am Ausgang der Vorrichtung eine Stabilisierungseinrichtung zur stabilen Anordnung des ersten von zwei aufeinanderfolgenden Behältern (10) an dem einen Geländer (14) und dadurch des anderen Behälters (10) an dem anderen Geländer (14) vorgesehen ist und -dass in dem der Stabilisierungseinrichtung vorausgehenden Bereich der Förderfläche (12) der Abstand der Geländer (14) des 1,2-bis 1,6fache des Durchmessers der Behälter beträgt.

3. Vorrichtung nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Stabilisierungseinrichtung dadurch gebildet wird, dass sich der gegenseitige Abstand der beiden seitlichen Geländer (14) in Förderrichtung auf etwa das 1,5fache des Durchmessers der Behälter (10) vergrößert und dann unter einem Winkel der seitlichen Geländer (14) zueinander von etwa 30 bis 100¡, vorzugsweise 50 bis 80¡, auf etwas mehr als den Durchmesser der Behälter (10) verringert.

7.

Vorrichtung zur Inspektion der Seitenwand oder zur Kontrolle der Etiketten von sich drehenden Behältern (10), die auf einem Transporteur (12) transportiert werden, mit einer Strahlungsquelle (18) auf der einen Seite des Transporteurs (12) und einer Erkennungseinrichtung (20) auf der anderen Seite des Transporteurs (12), dadurch gekennzeichnet, dass die Behälter (10) durch eine Vorrichtung nach einem der Ansprüche 2 bis 6 im Sichtfeld der Erfassungseinrichtung (20) gedreht werden.

8.

Vorrichtung zum Transport von rotationssymmetrischen Behältern (10) auf einer Förderfläche (12) unter Staudruck, wobei auf jeder Seite der Förderfläche (12) ein Geländer (14) angeordnet ist, gekennzeichnet durch mindestens eine Vorrichtung nach einem der Ansprüche 2 bis 6.

Wegen der Patentansprüche 4 bis 6 wird auf die Streitpatentschrift EP 0 804 365 B1 verwiesen.

Die Klägerin bezweifelt die Ausführbarkeit und die Patentfähigkeit der geschützten Lehre. Nach ihrer Auffassung ist der Gegenstand der Ansprüche 1, 2 und 8 durch den druckschriftlichen Stand der Technik vorweggenommen. Die Lehre des Anspruchs 7 beruhe zudem nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Zur Begründung bezieht sich die Klägerin auf:

-die deutsche Patentschrift 922 517 (Anlage Ni5) -die deutsche Offenlegungsschrift 1 786 483 (Anlage Ni6) -die britische Patentanmeldung 2 135 447 (Ni7) -die US-Patentschrift 2 725 138 (Ni13) -die internationale Anmeldung WO 83/00135 (Anlage Ni14).

Die Klägerin verweist darüber hinaus auf einen Bescheid des Deutschen Patentund Markenamtes vom 16. Juli 2008 im Löschungsverfahren des Gebrauchsmusters 295 18 628. Sie beruft sich weiter auf offenkundige Vorbenutzungshandlungen durch die Firma P... Co. ... im Jahre 1981, die Firma R... ... im Jahre 1978 sowie die Firma E... im Jahre 1975. Wegen des Vortrags zur offenkundigen Vorbenutzung wird auf die Klageschrift sowie den Schriftsatz der Klägerin vom 5. Dezember 2007 Bezug genommen.

Die Klägerin führt weiter einen Werbefilm der Firma B... über eine Bierabfüllvorrichtung aus dem Jahre 1937 ein, der das Verfahren nach Patentanspruch 1 vorwegnehme.

Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 0 804 365 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie tritt der klägerischen Auffassung zum Stand der Technik entgegen und bestreitet sämtliche Vorbenutzungen.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 23. Januar, 18. April und 14. August 2008 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage, mit der die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Ausführbarkeit und der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht werden (Art. 138 Abs. 1lit. a und b i. V.m. Art.52 Abs. 1, 54, 56 EPÜ i. V.m. Art.II § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 IntPatÜG) ist teilweise begründet.

I.

1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Drehen von rotationssymmetrischen Behältern wie Flaschen während des Transports auf einer Förderfläche, den Einsatz einer solchen Vorrichtung zur Inspektion der Behälter sowie den Einsatz einer derartigen Vorrichtung zum Transport solcher Behälter unter Staudruck. Der Staudruck, unter dem die Behälter an der vorgegebenen Stelle längs der Förderfläche transportiert werden, ergibt sich durch den Druck der

(z. B. durch ein Förderband) laufend nachgeförderten und gegen das jeweilige, stromaufwärts der vorgegebenen Stelle liegende Ende der Flaschenansammlung drückenden und dort gestauten Behälter in Verbindung mit einer Stabilisierungseinrichtung. Damit der Staudruck beim Betrieb der Vorrichtung erhalten bleibt, darf die Vorrichtung zumindest im Bereich kurz vor der "vorgegebenen Stelle" nicht leergefahren werden.

Bei den rotationssymmetrischen Behältern handelt es sich z. B. um Getränkeflaschen. Diese werden vor dem Wiederbefüllen auf das Vorhandensein von Verunreinigungen oder von Fremdkörpern untersucht. Dazu werden die Getränkeflaschen durch eine Inspektionseinrichtung geschleust und dabei durchleuchtet. Günstig ist, wenn sich die Flaschen um 360¡ drehen, um eine vollständige Inspektion zu ermöglichen.

In der Streitpatentschrift wird ausgeführt, dass sich bei den bekannten Vorrichtungen dieser Art Störungen, die zu einem Wechsel der Position eines Behälters führen, entgegen der Transportrichtung fortsetzten. Eine solche Positionsänderung könne daher zu einer Umkehrung der Drehrichtung weiterer Leerflaschen führen, so dass eine definierte Drehung -und damit eine vollständige Inspektion -der Leerflaschen nicht erzielbar sei (vgl. Abs. [0010] der Streitpatentschrift).

Der Erfindung liegt deshalb die Aufgabe zugrunde, das Drehen von unter Staudruck beförderten Behältern um ihre Längsachse in einfacher Weise zu ermöglichen (vgl. Abs. [0005] der Streitpatentschrift). Durch die erzielte stabile Anordnung soll zudem verhindert werden, dass sich eine Störung und ein dadurch verursachter Positionswechsel der einzelnen Behälter über die Förderstrecke hinweg fortpflanzt und das Inspektionsergebnis beeinträchtigt.

Die Lösung dieser Aufgabe wird gemäß den erteilten Patentansprüchen 1 und 2 in einem Verfahren und einer Vorrichtung mit folgenden Merkmalen gesehen:

Anspruch 1:

1.1 Verfahren zum Drehen von rotationssymmetrischen Behältern (10) an einer vorgegebenen Stelle längs einer Förderfläche (12), mit folgenden Merkmalen:

a) die Förderfläche (12) ist seitlich durch Geländer (14) begrenzt, b) die Behälter (10) werden auf der Förderfläche (12) unter Staudruck transportiert, c) an der Stelle, an der sich die Behälter (10) drehen sollen, beträgt der Abstand der Geländer (14) das 1,2-bis 1,6fache des Durchmessers der Behälter (10), undd) in Förderrichtung nach dieser Stelle wird von zwei aufeinander folgenden Behältern (10) der eine stabil gegen das eine Geländer (14) und der andere stabil gegen das andere Geländer (14) angeordnet.

Anspruch 2:

2.1 Vorrichtung zum Drehen von rotationssymmetrischen Behältern (10) an einer vorgegebenen Stelle längs einer Förderfläche (12) nach dem oben genannten Verfahren, mit folgenden Merkmalen:

e) die Förderfläche (12) ist seitlich durch Geländer (14) begrenzt, f) die Behälter (10) werden auf der Förderfläche (12) unter Staudruck transportiert, g) am Ausgang der Vorrichtung ist eine Stabilisierungseinrichtung zur stabilen Anordnung des ersten von zwei aufeinanderfolgenden Behältern (10) an dem einen Geländer (14) und dadurch des anderen Behälters an dem anderen Geländer (14) vorgesehen undh) in dem der Stabilisierungseinrichtung vorausgehenden Bereich der Förderfläche (12) beträgt der Abstand der Geländer das 1,2-bis 1,6fache des Durchmessers der Behälter (10).

2. Als Fachmann beschäftigte sich mit dem technischen Gebiet des Streitpatents im Anmeldezeitpunkt ein Diplom-Ingenieur (FH) der Fachrichtung Maschinenbau oder auch des Brauwesens bzw. der Getränketechnologie, der über Erfahrungen in der Konstruktion und Entwicklung von Transportanlagen für Behälter, die in Getränkeabfüllbetrieben eingesetzt werden, verfügt. Nach dem Verständnis dieses Fachmanns, das Maßstab sowohl für die Auslegung des Patentanspruchs als auch für die Beurteilung der erfinderischen Leistung ist, stellt sich der Gegenstand der Patentansprüche 1 und 2 des Streitpatents wie folgt dar:

Nach dem in Anspruch 1 offenbarten Verfahren werden die Behälter unter Staudruck transportiert. Die transportierten Behälter sind rotationssymmetrisch. Rotationssymmetrisch sind solche Gebilde, die bei Drehung um eine Achse mehr als einmal pro Umdrehung mit sich selbst zur Deckung kommen. Hierunter könnenz. B. auch viereckige Behälter bzw. Flaschen fallen. Im Streitpatent wird der Begriff offenbar enger im Sinne von "kreisrund" gesehen (vgl. die Figuren 1 bis 4). Die in den Ansprüchen 1 und 2 genannte vorgegebene Stelle ist nach den Merkmalen a) und e) durch Geländer begrenzt und durch den Abstand der Geländer charakterisiert. In den Patentansprüchen 1 und 2 bleibt offen, welche Länge diese vorgegebene Stelle hat, ob die Geländer hier geradlinig verlaufen oder ob sie parallel zueinander sind. Auch der Verlauf der Geländer an der Förderfläche vor wie auch nach der vorgegebenen Stelle ist nicht definiert. Die Stabilisierungseinrichtung, deren Ausgestaltung in den Ansprüchen 1 und 2 ebenfalls nicht festgelegt ist, drückt den ersten von zwei aufeinanderfolgenden Behältern an das erste Geländer. Der nachfolgende Behälter wird durch den vorliegenden Staudruck an den ersten Behälter und an das gegenüberliegende Geländer angelegt.

II.

1. Der so dem Streitpatent zu entnehmende Gegenstand der Patentansprüche 1 und 2 ist zwar ausführbar, jedoch gegenüber dem Stand der Technik nicht mehr neu.

1.1 Der hier zuständige Fachmann hat nach Überzeugung des Senats keine Schwierigkeit, die im Patent beanspruchte Erfindung auszuführen. Er könnte nämlich das Ausführungsbeispiel nach den Figuren 1 und 5 des Streitpatents nacharbeiten, um die Lehre des Anspruchs 2 bzw. 3 zu verwirklichen. Beim bestimmungsgemäßen Betrieb einer so aufgebauten Vorrichtung wird zwangsläufig das Verfahren nach Anspruch 1 ausgeübt. Die von der Klägerin vermissten Angaben zur Größe des Staudrucks, zu Reibungskoeffizienten etc. sind im Streitpatent zu Recht in das Wissen des Fachmanns gestellt.

1.2 Gegenüber der von der Patentinhaberin in den ursprünglichen PCT-Unterlagen genannten und in der Streitpatentschrift in Absatz [0010] erwähnten deutschen Patentschrift 922 517 (Anlage Ni5) ist der Gegenstand des Anspruchs 2 nicht mehr neu.

Die Druckschrift Ni5 betrifft nach dem Wortlaut ihres Patentanspruchs eine "Einrichtung zum Regeln des Flaschentransports auf einem Förderband in Verbindung mit Maschinen, von welchen die Flaschen gefasst werden sollen". Den Figuren 1 und 3 in Verbindung mit der zugehörigen Beschreibung der Ni5 ist Folgendes entnehmbar:

Die Flaschen a sind kreisrunde und somit rotationssymmetrische Behälter, die im Betrieb der Einrichtung längs einer Förderfläche (Förderweg) transportiert werden.

Die Förderfläche ist seitlich beidseitig durch (je ein Doppel-) Geländer g begrenzt (vgl. Merkmal e des Streitpatents). Die Behälter werden entsprechend Merkmal f auf der Förderfläche unter Staudruck transportiert. Dieser "Nachschubdruck" ist in den Zeilen 35 bis 40 der Beschreibung der Anlage Ni5 erläutert. In einem Bereich der in Figuren 2 und 3 von rechts nach links transportierenden Förderfläche (Förderband), nämlich in dem Bereich g', wird die Führung der Flaschen a auf ihrem Förderweg mittels der Geländer g zu einer "Transportbandführungserweiterung g' " verbreitert. Diese ist in den Zeilen 42, 54 bis 56 und 100 f. der Anlage Ni5 dargelegt. In dem verbreiterten Bereich beträgt der Abstand der Geländer g etwa das 1,4fache eines Behälterbzw. Flaschendurchmessers. Diesen Wert kann man der Zeichnung in den Figuren 2 und 3 der Ni5 entnehmen. Er liegt in der Mitte des in Merkmal h des Streitpatents beanspruchten Bereichs des 1,2-bis 1,6-fachen des Durchmessers der Behälter. In der Beschreibung der Ni5 ist in den Zeilen 55 ff. unter Bezug auf Figur 3 zu der Verbreiterung gesagt, dass die Flaschen allenfalls "seitlich zueinander versetzt stehen" können. In dem verbreiterten Bereich sind demnach von zwei aufeinanderfolgenden Behältern a der eine gegen das in Figur 3 obere (Doppel-) Geländer g und der andere gegen das untere Geländer g stabil angeordnet. Durch die in Förderrichtung R nach dem verbreiterten Bereich erfolgende Verringerung des Geländerabstands links von dem Schalterbügel s wird ein Widerstand bzw. Staudruck erzeugt, der entgegen der Förderrichtung R über den verbreiterten Bereich g' hinausreicht, solange Flaschen in ausreichender Zahl nachgefördert werden. Der Staudruck stellt in dem verbreiterten Bereich die stabile Anordnung von zwei aufeinanderfolgenden Behältern sicher. Mit dem sich verengenden Bereich der Förderstrecke nach dem linken abgewinkelten Ende des Schalterbügels s ist somit eine "Stabilisisierungseinrichtung" gegeben (vgl. Merkmal g des Streitpatents).

In der aus der Ni5 bekannten Vorrichtung rollen die unter Staudruck stehenden Behälter beim Transport im Bereich des Schalterbügels s, der eine vorgegebene Stelle bildet, aneinander und an den Geländern g ab und drehen sich dabei. Dieser Sachverhalt ergibt sich allein schon aufgrund der bei der vorbekannten Vorrichtung vorliegenden gegenständlichen Merkmale in gleicher Weise wie beim Gegenstand des Anspruchs 2 des Streitpatents. In beiden Fällen müssen -was dem Fachmann bekannt ist -geeignete Reibungsverhältnisse zwischen den Behältern untereinander sowie zwischen den Behältern und den Geländern sowie der Förderfläche vorliegen.

Die Merkmale 2.1 und e bis h des Anspruchs 2 sind daher durch die Einrichtung zum Regeln des Flaschentransports nach der Ni5 vollständig vorweggenommen.

1.3 Die deutsche Patentschrift 922 517 (Anlage Ni5) nimmt auch das Verfahren nach Anspruch 1 des Streitpatents vorweg. Denn beim bestimmungsgemäßen Betrieb der Vorrichtung nach Anspruch 2 des Streitpatents wird das Verfahren nach Anspruch 1 ausgeübt.

2.

Die Vorrichtung nach Anspruch 7, bei der die Behälter im Sichtfeld der Erfassungseinrichtung gedreht werden, beruht, sofern unmittelbar rückbezogen auf Anspruch 2 des Streitpatents, nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Zu dem Fachwissen des hier angesprochenen Fachmanns gehörte vor dem Prioritätstag des Streitpatents, dass Behälter (Flaschen) z. B. vor ihrer Befüllung inspiziert werden müssen. Als Beleg dafür wird auf den in der Streitpatentschrift selbst in den Absätzen [0002] und [0003] genannten Stand der Technik verwiesen, in dem Vorrichtungen zum Drehen von Behältern in Kombination mit Einrichtungen zur Inspektion der Seitenwand oder zur Kontrolle der Etiketten oder der Verschlüsse der Behälter, die auf einem Transporteur transportiert werden, dargestellt sind.

So zeigt und beschreibt die britische Patentanmeldung 2 135 447 (Ni7) eine Vorrichtung zur Kontrolle der Verschlüsse 10 von Flaschen 1. Die Vorrichtung weist einen Transporteur 20, 21, 22 und eine Erfassungseinrichtung mit den Komponenten 23 bis 27 auf. Die Behälter werden im Sichtfeld der Erfassungseinrichtung gedreht. Dies ist in Figur 2 in Verbindung mit Seite 1, Zeile 119 ff. dargelegt.

Es ist deshalb eine fachübliche Maßnahme, dass die Behälter an einer bestimmten, vorgegebenen Stelle, nämlich im Sichtfeld der Erfassungseinrichtung zur allseitigen Kontrolle gedreht werden. Dies gilt für unterschiedliche, dem Fachmann bekannte Arten von Erfassungseinrichtungen, also auch für solche, die mit einer Strahlungsquelle auf der einen Seite des Transporteurs und einer Erkennungseinrichtung auf der anderen Seite des Transporteurs arbeiten. Solche Erfassungseinrichtungen sind im Oberbegriff des Anspruchs 7 als bekannt vorausgesetzt.

3.

Der Gegenstand des Anspruchs 8, sofern unmittelbar auf Anspruch 2 des Streitpatents rückbezogen, ist ebenfalls durch die deutsche Patentschrift 922 517 (Anlage Ni5) vorweggenommen:

Die Entgegenhaltung Ni5 zeigt eine Vorrichtung zum Drehen von rotationssymmetrischen Behältern an einer vorgegebenen Stelle längs einer Förderfläche mit allen Merkmalen des Anspruchs 2 des Streitpatents. Im Betrieb der Vorrichtung nach der Ni5 findet ein Transport der Flaschen statt; auf jeder Seite der Förderfläche der Vorrichtung nach der Ni5 ist ein Geländer g angeordnet (s. dort insbesondere Figur 1). Im Übrigen wird auf die Ausführungen im vorstehenden Abschnitt 1.2 verwiesen.

4.

Demgegenüber erweisen sich die Gegenstände der Ansprüche 3 bis 6 als patentfähig. Diese Ansprüche sind direkt oder indirekt auf Anspruch 2 rückbezogen und betreffen sämtlich die Ausbildung der Stabilisisierungseinrichtung.

4.1 Die Stabilisisierungseinrichtung wird gemäß den kennzeichnenden Merkmalen des Anspruchs 3 dadurch gebildet, dassi sich der gegenseitige Abstand der beiden seitlichen Geländer (14) in Förderrichtung auf etwa das 1,5fache des Durchmessers der Behälter (10) vergrößertk und dann unter einem Winkel der seitlichen Geländer (14) zueinander von etwa 30 bis 100o, vorzugsweise 50 bis 80o, auf etwas mehr als den Durchmesser der Behälter (10) verringert.

Merkmal i stellt ab auf eine Vergrößerung des Abstands der beiden seitlichen Geländer in Förderrichtung. Das bedeutet, dass sich der Abstand der beiden seitlichen Geländer in Förderrichtung gegenüber dem Bereich vergrößert, in dem sich die Behälter drehen sollen und der der Stabilisisierungseinrichtung vorangeht. Dieser Bereich darf demnach in der Ausgestaltung nach Patentanspruch 3 nur eine maximale Breite von weniger als dem 1,5fachen des Durchmessers der Behälter aufweisen, also von weniger als dem in Anspruch 2 genannten Maximalwert vom 1,6fachen des Durchmessers der Behälter. Nur dann ist in der Stabilisisierungseinrichtung noch eine Abstandsvergrößerung der Geländer auf das 1,5fache des Durchmessers der Behälter möglich.

Der so verstandene Gegenstand nach Anspruch 3 ist gegenüber dem Stand der Technik neu und erfinderisch.

Weder den Entgegenhaltungen noch den Unterlagen zu den geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzungen oder dem genannten Werbefilm ist eine Vorrichtung zum Drehen von rotationssymmetrischen Behältern mit den Merkmalen e bis g entnehmbar, bei der in dem der Stabilisierungseinrichtung vorausgehenden Bereich der Förderfläche der Abstand der Geländer das 1,2-bis unter 1,5fache des Durchmessers der Behälter beträgt und bei der die Merkmale i und k vorliegen.

Die Vorrichtung nach Anspruch 3 des Streitpatents beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit:

Als nächstkommender Stand der Technik ist die vorstehend schon behandelte Vorrichtung nach der deutschen Patentschrift 922 517 (Anlage Ni5) zu sehen, die die Merkmale e bis h des Streitpatents aufweist. Wie bei der Beurteilung des Gegenstands des Anspruchs 2 schon ausgeführt, liegt ein sich verengender Bereich der Förderstrecke nach dem linken abgewinkelten Ende des Schalterbügels s als Stabilisisierungseinrichtung vor. Die beiden seitlichen Geländer weisen hier einen (den Figuren 2 und 3 entnehmbaren) Winkel zueinander von deutlich unter 12o auf.

Bei der Ni5 erfolgt eine Verringerung des Abstands der Geländer unmittelbar nach der Stelle, an der sich die Behälter drehen sollen (s. die Figuren 2 und 3). Eine auf die genannte Stelle folgende Vergrößerung des gegenseitigen Abstands der Geländer in Förderrichtung, die einem sich verengenden Bereich der Förderstrecke vorausgeht, ist weder im Patentanspruch, noch in der Beschreibung, noch in den Zeichnungen der Ni5 offenbart und auch nicht angedeutet. Die Druckschrift Ni5 konnte sonach keine Anregung für die Ausbildung der Stabilisisierungseinrichtung nach den Merkmalen i und k geben.

Die Hinzunahme des weiteren Stands der Technik führt zu keinem anderen Ergebnis.

Nach dem Vortrag der Klägerin soll eine im Jahr 1981 von einer Firma N... nach Ä... gelieferte und dort installierte Abfüllanlage eine Vorrichtung zum Drehen von Flaschen aufgewiesen haben. Auf zwei Fotos in der dazu vorgelegten Anlage Ni8 ist jeweils eine Reihe von Flaschen in versetzter Anordnung hinter einem in Gänze geradlinig verlaufenden Geländer erkennbar. Die Anlage Ni8 enthält weiter eine Skizze, die nach dem Vortrag der Klägerin eine Vorrichtung zum Drehen von Flaschen als Teil der Abfüllanlage zeigen soll. In der Skizze sind Führungsschienen (guide rails) für die Flaschen gekennzeichnet, die sich in Förderrichtung nach einem Inspektionsbereich verbreitern und wieder verengen. Nach dem der Anlage Ni8 beigefügten Schreiben des Herrn M... von der Firma P... vom 19. Februar 2004 soll im Inspektionsbereich eine Drehung der Flaschen stattgefunden haben. Die Führungsschienen sollen dort einen Abstand von etwa dem 1,5-fachen des Flaschendurchmessers aufgewiesen haben.

Geht man von dem genannten Wert des 1,5-fachen des Flaschendurchmessers für den Führungsschienenabstand im Inspektionsbereich aus, der auch so der Skizze entnehmbar ist, ist der Abstand im nachfolgenden Bereich auf deutlich mehr als das 1,5-fache des Flaschendurchmessers vergrößert. Merkmal i des Streitpatents liegt damit nicht vor. Die dann in Förderrichtung nachfolgende Verringerung des Abstands der Führungsschienen auf etwa den Flaschendurchmesser zeigt -in Abweichung vom Wertebereich des Merkmals k des Streitpatents -einen Winkel der Geländer zueinander von etwa 25o.

Auch wenn man unterstellt, dass der Vortrag der Klägerin zu der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung zutrifft, konnte die beschriebene Vorrichtung keine Anregung zu den Merkmalen i und k liefern. Außerdem bleibt offen, warum der Fachmann überhaupt einen Bedarf hätte erkennen sollen, die vorhandene Stabilisisierungseinrichtung der Vorrichtung nach der Druckschrift Anlage Ni5 zu verbessern.

Die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften nach den Anlagen Ni6, Ni7, Ni13 und Ni14 liegen weiter ab. Sie zeigen keine Stabilisierungseinrichtung mit einer Vergrößerung des Geländerabstands. Entsprechendes gilt für die von der Klägerin geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzungen durch die Firmen R... ... und E... oder den von ihr eingeführten Werbefilm der Firma B....

4.2 Anspruch 4 wird von Anspruch 3 getragen.

4.3 Nach Anspruch 5 wird die Stabilisisierungseinrichtung gebildet durchl ein neben der Förderfläche um eine vertikale Achse frei drehbar angeordnetes Sternrad, das jeden zweiten Behälter gegen das gegenüberliegende Geländer legt.

Die Vorrichtung nach Anspruch 5 erfüllt die Patententierungsvoraussetzungen. Sie ist neu, denn keine der im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen oder geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzungen noch der Werbefilm der Firma B... zeigen eine Vorrichtung mit allen Merkmalen des Anspruchs 5.

Sie beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit:

Ein Sternrad zur Positionierung von Behältern in einer Vorrichtung zum Fördern der Behälter längs einer Förderfläche ist den Druckschriften nach den Anlagen Ni6 und Ni13 entnehmbar.

Die deutsche Offenlegungsschrift 1 786 483 (Anlage Ni6) offenbart eine Vorrichtung zum Verteilen von Verpackungseinheiten oder dgl., die auf einem Förderband transportiert werden. Eine Führung der ankommenden Verpackungseinheiten entlang des Förderbands erfolgt durch vertikale Wände 3 und 11 vor einem Sternrad (Verteilerrad 5). Das Sternrad hat die Funktion, die Verpackungseinheiten, die in direkter Anlage aneinander ohne seitlichen Versatz und ohne Staudruck zugefördert werden, zu verteilen (s. die linke Seite der Figur 2). Durch Wegdrängen jeder zweiten Verpackungseinheit durch das Sternrad werden die Behälter auf zwei getrennte Transportbahnen verteilt. Dies ergibt sich aus Anspruch 1 und den Figuren der Ni6. Dabei werden die Behälter weder an eine Wand bzw. ein Geländer angelegt noch dort gehalten. Eine Anregung für Merkmal l konnte demzufolge von der Ni6 nicht ausgehen, zumal gemäß der Druckschrift Ni6 ohne Staudruck transportiert werden soll und eine Stabilisisierungseinrichtung daher weder erforderlich noch sinnvoll ist.

Die US-Patentschrift 2 725 138 (Ni13) betrifft eine Vorrichtung zum Zuführen von kegelförmigen bzw. konisch verjüngten Gegenständen (tapered articles), z. B. Flaschen. Die Behälter werden unter Staudruck transportiert (vgl. Spalte 1, Zeilen 66 ff. der Ni13). Im Ausführungsbeispiel nach den Figuren 1 und 7 ist ein Sternrad 4 am Ende einer Förderfläche angeordnet. Durch das Sternrad 4 wird die Förderrichtung der Behälter geändert und die Behälter werden für die beabsichtigte Zuführung zu einer Maschine o. ä. unter einem bestimmtem Abstand vereinzelt weiterbefördert (s. Spalte 1, Zeilen 20 f.). Umlenkung und Vereinzelung führen dabei nicht dazu, dass die Behälter alternierend gegen ein Geländer angelegt werden. Dem Sternrad kommt hier somit eine ganz andere Funktion als die der Stabilisisierung zu, so dass die Druckschrift Ni13 nicht dazu anregen konnte, bei der Vorrichtung nach der Ni5 ein Sternrad als Stabilisisierungseinrichtung vorzusehen. Dies gilt um so mehr, als zum Einen die Ni5 schon eine Vorrichtung mit Stabilisisierungseinrichtung zeigt und zum Anderen bei der Ni13 bereits eine Stabilisisierung durch die Geländer bzw. Schienen 8, 9 oder 13, 14 erfolgt (s. Figuren 1 und 7 in Verbindung mit Spalte 1, Zeilen 20 f.).

Die Druckschriften nach den Anlagen Ni7 und Ni14 liegen bezüglich eines Sternrads als Stabilisisierungseinrichtung noch weiter ab; sie wurden zu Anspruch 5 von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung auch nicht aufgegriffen und diskutiert. Entsprechendes gilt für die geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzungen oder für den Werbefilm der Firma B....

4.4 Die Vorrichtung nach Anspruch 6 ist neu, denn aus dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik ist keine Vorrichtung mit den Merkmalen des Anspruchs 2 bekannt, die auch das Merkmal aufweist, dassm durch eine neben dem Transporteur mit etwa waagrechter Achse angeordnete Schnecke mit Gängen abwechselnd unterschiedlicher Tiefe gebildet wird, wobei die Anordnung so getroffen ist, dass die Gänge geringerer Tiefe jeden zweiten Behälter gegen das gegenüberliegende Geländer legen.

Sie beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der erörterte Stand der Technik gibt keinerlei Anregung dafür, bei einer Vorrichtung zum Drehen von rotationssymmetrischen Behältern an einer vorgegebenen Stelle längs einer seitlich durch Geländer begrenzten Förderfläche durch eine Schnecke mit Gängen abwechselnd unterschiedlicher Tiefe jeden zweiten Behälter zum Zwecke der Stabilisierung gegen eines der Geländer zu legen.

Auch die von der Klägerin hierzu angeführte deutsche Offenlegungsschrift 1 786 483 (Anlage Ni6), die eine Vorrichtung zum Verteilen von Verpackungseinheiten oder dgl. betrifft, konnte dem Fachmann nicht als Vorbild dienen. Dem in der Druckschrift gezeigten Sternrad kommt -wie bereits ausgeführt -schon nicht die Funktion einer Stabilisisierungseinrichtung zu. Darüber hinaus sieht der Senat entgegen dem Vortrag der Klägerin eine neben einem Transporteur angeordnete Schnecke mit Gängen unterschiedlicher Tiefe nicht als gleich bedeutend zu einem Sternrad an. Überdies sieht der Senat in einem Austausch eines Sternrads gegen eine derartige Schnecke keine fachübliche Maßnahme. Die Klägerin hat hierzu auch nichts vorgetragen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG, § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

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BPatG:
Urteil v. 09.09.2008
Az: 1 Ni 28/07


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