Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 15. Januar 2009
Aktenzeichen: 20 K 1673/07
(VG Köln: Urteil v. 15.01.2009, Az.: 20 K 1673/07)
Tenor
Es wird festgestellt, dass die Óbermittlung eines negativen Votums seitens des Bundesamtes für Verfassungsschutz an das Bundeskriminalamt im Rahmen des Akkreditierungsverfahrens für die FIFA-Fußballweltmeisterschaft in Deutschland 2006 rechtswidrig war.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist beruflich selbständig und bietet Dienstleistungen im Rahmen der
Organisation von Veranstaltungen sowie bei der Einrichtung und Bedienung der
technischen Ausrüstung an. Mit seinen Dienstleistungen bewarb er sich im Jahre
2006 bei der Firma X. & X1. GmbH Veranstaltungstechnik in E. , die Verträge im Zusammenhang mit der Veranstaltungstechnik für die Fußballweltmeisterschaft 2006 zu vergeben hatte. Diese Firma teilte die beabsichtigte Beauftragung des
Klägers der Akkreditierungsabteilung des Organisationskomitees des Deutschen
Fußball-Bundes e.V. mit, von dem sie mit E-Mail vom 06.04.2006 informiert wurde,
dass dem Antrag des Klägers auf Akkreditierung für die Fußballweltmeisterschaft
nicht entsprochen werden könne. Des Weiteren teilte die Akkreditierungsabteilung
des Organisationskomitees mit, dass der Kläger sich schriftlich bei dem für ihn zuständigen Landeskriminalamt über den Grund der Versagung der Akkreditierung informieren könne. Beide E-Mails wurden von der Firma X. & X1. GmbH an
den Kläger weitergeleitet, der am 26.04.2006 beim Landeskriminalamt Schleswig-Holstein Widerspruch gegen die Ablehnung seiner Akkreditierung einlegte. Das Landeskriminalamt Schleswig-Holstein teilte daraufhin dem Kläger mit Fax vom
27.04.2006 mit, dass die Ablehnung der Akkreditierung durch das Bundesamt für
Verfassungsschutz in Köln erfolgt sei, dem das Schreiben des Klägers zuständigkeitshalber weitergeleitet worden sei. Das Bundesamt für Verfassungsschutz teilte
dem Kläger unter dem 24.05.2006 mit, dass es wegen der Mitgliedschaft des Klägers
und seiner Aktivitäten für die Scientology-Organisation Bedenken gegen die Akkreditierung erhoben habe.
Mit Schreiben vom 07.06.2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm
Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten zu erteilen, insbesondere
auch über die Herkunft der Daten und an wen diese weitergegeben worden seien.
Mit Bescheid vom 06.09.2006 erteilte die Beklagte dem Kläger Auskunft über 6
gespeicherte Informationen, lehnte jedoch eine weitergehende Auskunftserteilung
gestützt auf § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 sowie Nr. 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG) ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies
das Bundesamt für Verfassungsschutz durch Widerspruchsbescheid vom 23.05.2007
zurück.
Am 26.04.2007 hat der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht erhoben, mit der
er die Feststellung begehrt, dass die Weitergabe personenbezogener Daten anlässlich seines Akkreditierungsverfahrens für die Fußballweltmeisterschaft 2006 rechtswidrig war.
Zur Begründung trägt er vor, dass er ein herausragendes Interesse an einer Rehabilitierung habe, denn er werde durch die Óbermittlung der Daten bei den Empfängern
als Extremist an den Pranger gestellt. Es bestehe auch die Gefahr einer Wiederholung der Beeinträchtigungen, denn er wolle sich im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit auch in Zukunft bei solchen Projekten bewerben, die denen der FußballWeltmeisterschaft vergleichbar sind. Des Weiteren beabsichtige er, Schadensersatz
von der Beklagten zu verlangen.
In der Sache habe die Beklagte rechtswidrig gehandelt, weil es für die Óbermittlung
von Daten zu seiner Person an einer rechtlichen Grundlage gefehlt habe. Soweit sich
die Beklagte diesbezüglich auf eine von ihm, dem Kläger, angeblich abgegebene
schriftliche Einwilligungserklärung im Akkreditierungs-Antragsformular berufe, sei
klarzustellen, dass er eine solche Erklärung zu keinem Zeitpunkt abgegeben habe.
Eine Einverständniserklärung sei auch nicht über die Firma X. & X1. abgegeben worden, diese habe von ihm im Rahmen des zu vergebenden Auftrages vielmehr lediglich eine Kopie seines Personalausweises verlangt. Gesetzliche Ermächtigungsgrundlagen für die Datenübermittlung seien, wie die Beklagte selbst einräume,
ebenfalls nicht vorhanden, insbesondere auch nicht im Bundesdatenschutzgesetz.
In der mündlichen Verhandlung vom 15.01.2009 sind Vertreter des Bundesamtes
für Verfassungsschutz angehört worden. Sie haben für die Beklagte ergänzend ausgeführt, dass das Bundesamt seinerzeit nochmals Rücksprache mit dem BKA genommen und die Information erhalten habe, dass der Kläger auch als Stadionsprecher eingesetzt werden sollte. Wesentlicher Grund für das abgegebene Votum sei
die Mitgliedschaft in der Scientology Kirche gewesen, für die der Kläger sehr aktiv
sei. So werde er in mehreren Zeitschriften der Organisation als eine Person erwähnt,
die erfolgreich Propaganda für die Organisation betrieben habe. In die Gesamtbewertung sei allerdings auch mit eingeflossen die frühere Tätigkeit des Klägers als
Privatdetektiv. Es sei durch einen älteren Spiegel-Bericht bekannt, dass der Kläger
früher als Privatdetektiv einzelne Mitarbeiter von Behörden bespitzelt habe. Wegen
der Einzelheiten wird insoweit auf das gefertigte Sitzungsprotokoll verwiesen.
Unter Berücksichtigung der Erörterung der Sach- und Rechtslage in der
mündlichen Verhandlung beantragt der Kläger nunmehr,
festzustellen, dass die Óbermittlung eines negativen Votums seitens des
Bundesamtes für Verfassungsschutz an das Bundeskriminalamt aus den
vorgenannten Gründen (wesentlicher Grund für das abgegebene Votum war
die bereits genannte Mitgliedschaft in der Scientologykirche; in die
Gesamtbewertung ist allerdings auch mit eingeflossen die vorher dargestellte
Tätigkeit als Privatdetektiv) im Rahmen des Akkreditierungsverfahrens für die
FIFA-Fußballweltmeisterschaft in Deutschland 2006 rechtswidrig war.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Klage für unbegründet und trägt vor, dass Grundlage für die
Zuverlässigkeitsüberprüfung der gestellte Akkreditierungsantrag sowie die
Einwilligungserklärung des Klägers zur weiteren Datenverarbeitung, insbesondere
zur Zuverlässigkeitsüberprüfung gewesen sei. Mit dem Akkreditierungsantrag sei
eine wirksame Einwilligung gemäß § 4 a) BDSG zur Datenverarbeitung im Rahmen
der Zuverlässigkeitsüberprüfung erteilt worden. Auf dieser Grundlage habe das
Bundesamt für Verfassungsschutz gegenüber dem BKA hinsichtlich des Klägers ein
negatives Votum abgegeben, da in dessen Person tatsächliche Anhaltspunkte für die
Gefahr der Begehung extremistischer Propagandadelikte oder sonstige Handlungen
mit extremistischem Hintergrund vorlägen, die geeignet gewesen seien, die
öffentliche Sicherheit oder auswärtige Belange oder das Ansehen Deutschlands zu
gefährden oder zu beschädigen. Grundlage hierfür seien die Aktivitäten des Klägers
für die Scientology Organisation gewesen. Im Óbrigen habe der Bundesbeauftragte
für den Datenschutz und die Informationsfreiheit am 11.05.2006 das
Akkreditierungsverfahren im Allgemeinen sowie die Fälle, in denen das Bundesamt
für Verfassungsschutz ein negatives Votum abgegeben hatte, geprüft und nicht
beanstandet. Gegenstand seiner Prüfung sei auch die Ablehnung der Akkreditierung
des Klägers gewesen. Sie gehe angesichts des Ablaufes des Akkreditierungsverfahrens für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 auch weiterhin davon aus, dass der
Kläger die vorgesehene Einwilligungserklärung, die in der €Datenschutzinformation"
enthalten gewesen sei, abgegeben habe. Insbesondere sei der Kläger auch ihrer
Darstellung im Bescheid vom 24.05.2006, dass ihm die Datenschutzinformation
bekannt sei, im Vorverfahren nicht entgegengetreten. Letztlich könne die Frage, ob
die €Datenschutzinformation" dem Kläger vorgelegt und von diesem unterzeichnet
worden sei, nur durch eine Zeugenvernehmung geklärt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug
genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen
Verwaltungsvorganges des Bundesamtes für Verfassungsschutz.
Gründe
Die Klage ist zulässig.
Streitgegenständlich ist im vorliegenden Klageverfahren - und war dies
unbeschadet der Umstellung des Klageantrages von Beginn an - die Frage, ob die
Abgabe und Weiterleitung eines negativen Votums seitens des Bundesamtes für
Verfassungsschutz anlässlich des Akkreditierungsverfahrens für die
Fußballweltmeisterschaft 2006 rechtswidrig oder rechtmäßig war. Dabei hat sich der
Kläger nicht nur auf die von ihm behauptete fehlende Einwilligungserklärung berufen,
sondern auch die nach seiner Meinung unberechtigte Ablehnungsempfehlung zu
seiner Person.
Für die vom Kläger insoweit erhobene Feststellungsklage nach § 43 VwGO liegt
insbesondere das erforderliche berechtigte Interesse vor, denn im Hinblick auf die
vom Kläger auch weiterhin ausgeübte berufliche Tätigkeit besteht in hinreichendem
Maße Wiederholungsgefahr, nämlich dass für Akkreditierungen bei anderen
Großereignissen die wiederholte Anwendung des hier durchgeführten Verfahrens
nicht ausgeschlossen werden kann. So ist - dies ist gerichtsbekannt - ein
weitgehend gleiches Akkreditierungsverfahren mit einer Zuverlässigkeitsüberprüfung
durch die Polizei- und Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder
sowie der entsprechenden Datenübermittlung auch für den G 8-Gipfel in
Heiligendamm im Frühjahr 2007 durchgeführt worden (mit Abweichungen, was die
dortige €Datenschutzinformation" anbetrifft). Auch hat die Beklagte in der mündlichen
Verhandlung ausdrücklich erklärt, dass sich dieses Verfahren bewährt habe und eine
erneute Anwendung nicht auszuschließen sei, wenn auch derzeit ein konkreter
Anwendungsfall nicht absehbar sei.
Das Feststellungsinteresse des Klägers wie auch die Sachurteilsvoraussetzungen im
Óbrigen sind auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt worden.
Die Klage ist auch begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Feststellung, dass die Weiterleitung des vom
Bundesamt getroffenen negativen Votums (an das BKA, das dann seinerseits die
abschließende Empfehlung der Akkreditierungsabteilung des Organisationskomitees
des Deutschen Fußball-Bundes e.V. übermittelte) rechtswidrig war.
Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger, was dieser bestreitet, persönlich die
Einwilligungserklärung abgegeben hat, dass er nach Maßgabe der für das
Akkreditierungsverfahren erstellten Datenschutzinformation der Datenverarbeitung,
insbesondere der Zuverlässigkeitsüberprüfung durch die Polizei- und
Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, zustimme. Diesbezüglich
ist der Beklagten allerdings einzuräumen, dass es nicht ohne weiteres
nachvollziehbar ist, dass bei einer fehlenden Einverständniserklärung des Klägers
die Akkreditierungsunterlagen von dem Organisationskomitee an das BKA und von
diesem an das Bundesamt für Verfassungsschutz weitergeleitet worden sind.
Andererseits erscheint es im Hinblick darauf, dass es sich bei dem Akkreditierungsverfahren für die Fußballweltmeisterschaft 2006 um ein Massenverfahren
gehandelt hat, nicht ausgeschlossen, dass dem Organisationskomitee ein Fehler
unterlaufen sein könnte.
Dieser Fragenkomplex bedurfte indes keiner weiteren Aufklärung seitens des
Gerichtes, denn jedenfalls war - und auch dies war vom Gericht in Ansehung des
klägerischen Vorbringens zu überprüfen - nach den sich bietenden Umständen die
Abgabe und Weiterleitung eines negativen Votums (€reject") betreffend den Kläger
wegen seiner Mitgliedschaft und Betätigung in/für die Scientology Organisation
rechtswidrig.
Soweit sich die Beklagte diesbezüglich auf den erstellten Kriterienkatalog, wie er in
der Datenschutzinformation wiedergegeben ist, beruft, sind diese Kriterien nach
Auffassung der Kammer in der Person des Klägers im Zusammenhang mit der von
ihm beworbenen Tätigkeit bei der Fußballweltmeisterschaft 2006 nicht erfüllt. Der
konkret zu vergebene Auftrag hatte seinerzeit die Einspielung von Musikbeiträgen
über die Audioanlagen der Fußballstadien, insbesondere die Einspielung der
jeweiligen Nationalhymnen der spielenden Nationalmannschaften umfasst. Nach
dem Akteninhalt kann nicht festgestellt werden, dass vor dem Hintergrund einer
solchen Tätigkeit in der Person des Klägers €tatsächliche Anhaltspunkte für die
Gefahr der Begehung extremistischer Propagandadelikte oder sonstiger Handlungen
mit extremistischem Hintergrund, die geeignet sind, die öffentliche Sicherheit oder
auswärtige Belange oder das Ansehen Deutschlands zu gefährden oder zu
beschädigen", vorgelegen haben (wie es das Bundesamt für Verfassungsschutz in
dem Antwortschreiben an den Kläger vom 24.05.2006 ausgeführt hat). Unstreitig ist
der Kläger allerdings Mitglied in der Scientology Organisation
und es liegen dem Bundesamt für Verfassungsschutz Informationen vor, wonach er
für diese Organisation erfolgreich geworben hat. Dies reicht indes nicht für die
Annahme des Vorliegens tatsächlicher Anhaltspunkte für die Gefahr einer
extremistischer Betätigung des Klägers bei der Fußballweltmeisterschaft aus. Das
Gericht verkennt dabei nicht, dass die €Scientology Kirche Deutschland e.V." durch
das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet wird und diese Beobachtung
sowohl von der erkennenden Kammer als auch vom Oberverwaltungsgericht für das
Land Nordrhein-Westfalen für zulässig erachtet worden ist.
Vgl. VG Köln, Urteil vom 11.11.2004 - 20 K 1882/03 -; OVG NRW,
Urteil vom 12.2.2008 - 5 A 130/05 -.
Es ist indes nicht erkennbar, inwiefern der Kläger als technischer Mitarbeiter bei
der Einspielung von Musikbeiträgen für Scientology Propaganda in dem in der
Datenschutzinformation beschriebenen Sinne hätte machen können und wollen.
Konkrete Anhaltspunkte für eine Gefahr von Handlungen des Klägers, die geeignet
gewesen wären, etwa das Ansehen Deutschlands zu gefährden, sind von der
Beklagten nicht in hinreichendem Maße dargelegt worden. Dies gilt auch für die in
der mündlichen Verhandlung erstmals erwähnte Zusatzinformation, wonach der
Kläger auch als Stadionsprecher habe eingesetzt werden sollen. Diese
€Zusatzinformation" bleibt vage; eine derartige Aufgabenübertragung erscheint auch
im Hinblick auf die berufliche Tätigkeit des Klägers und die bei der
Fußballweltmeisterschaft vorgesehene Aufgabenverteilung völlig fernliegend. Im
Óbrigen war diese Information - soweit ersichtlich - auch nicht ausschlaggebend für
das €reject"-Votum. Entsprechendes gilt auch für die in der mündlichen Verhandlung
von der Beklagten zusätzlich angeführte frühere Tätigkeit des Klägers als Privatdetektiv. Auch insoweit fehlt es an hinreichend aussagekräftigen, konkreten Darlegungen, die belegen könnten, dass der Kläger bei der von ihm konkret angestrebten
Tätigkeit bei der Fußballweltmeisterschaft 2006 die in der Datenschutzinformation
aufgeführten Kriterien in seiner Person erfüllt hätte. Die ablehnende Empfehlung zu
der vom Kläger beantragten Akkreditierung für dieses Ereignis war nach alledem
nicht gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 Abs. 1
VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
VG Köln:
Urteil v. 15.01.2009
Az: 20 K 1673/07
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