Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 16. April 1993
Aktenzeichen: 6 U 185/92

(OLG Köln: Beschluss v. 16.04.1993, Az.: 6 U 185/92)

Tenor

Die Kosten des Verfügungsverfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.

Gründe

Nachdem beide Parteien das

Verfügungsverfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt

erklärt haben, war über die Kosten gem. § 91 a Abs. 1 ZPO unter

Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach

billigem Ermessen zu entscheiden.

Hiernach waren die Kosten dem

Antragsteller aufzuerlegen, da die Berufung der Antragsgegnerin

zulässig und begründet war und deshalb zu einer Abänderung des

angefochtenen Urteils und Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom

02.07.1992 sowie zur Zurückweisung des auf ihren Erlaß gerichteten

Antrags geführt hätte, wenn die Parteien das Verfahren nicht in

der Hauptsache für erledigt erklärt hätten.

Es mag dahinstehen, ob nicht bereits

die für eine Verurteilung der Antragsgegnerin vorausgesetzte und

erforderliche Erstbegehungsgefahr, die sich zunächst aus der

Androhung im Brief des Chefredakteurs der Antragsgegnerin an den

Bürgermeister von B. vom 15.06.1992, die Àffentlichkeit

entsprechend dem Briefinhalt zu informieren, ergab, entfallen war,

nachdem der "offene Kunstpreis 92" in der Zeit vom 05.09. bis

13.09.92 stattgefunden hatte. Denn jedenfalls ist ein

Unterlassungsanspruch des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin

nicht begründet.

1.

Ein Anspruch nach § 1 UWG wegen

geschäftsehrverletzender Àußerung scheitert daran, daß nicht

glaubhaft gemacht ist, daß die von dem Chefredakteur der

Antragsgegnerin angekündigte Information der Àffentlichkeit

entsprechend dem Inhalt des Briefs vom 15.06.1992 in

Wettbewerbsabsicht erfolgt sein würde.

Zwischen den Parteien ist unstreitig,

daß mit der Ankündigung die Veröffentlichung eines entsprechenden

Artikels in der Zeitschrift "A." der Antragsgegnerin gemeint war.

Diese hätte in Wettbewerbsabsicht gehandelt, wenn es ihr subjektiv

darum gegangen wäre, die eigene Geschäftstätigkeit zu Lasten des

Antragstellers zu fördern.

Die Wettbewerbsabsicht ist nicht

deshalb zu bejahen, weil die Parteien in einem

Wettbewerbsverhältnis zueinander stehen, da die von ihnen

herausgegebenen Kunstzeitschriften "K." (Antragsteller) und "A."

sich mit gleichartigen Leistungen an denselben Leserkreis

wenden.

Ebensowenig reicht es aus, daß die

Veröffentlichung der in dem Brief vom 15.06.1992 enthaltenen

beanstandeten Àußerungen über die Teilnahmebedingungen an dem

"offenen Kunstpreis 92" in der Zeitschrift der Antragsgegnerin

möglicherweise objektiv als Wettbewerbshandlung anzusehen wäre,

weil sich Àußerungen der beanstandeten Art regelmäßig nachteilig

nicht nur auf die Person des Antragstellers, sondern auch auf die

Geschäftstätigkeit seines Unternehmens auszuwirken pflegen und

deshalb (objektiv) geeignet sein könnten, die Absatzlage der

Zeitschrift "K." zum Vorteil der Zeitschrift der Antragsgegnerin zu

beeinflussen. Im vorliegenden Fall rechtfertigen derartige

objektive Umstände noch nicht die Annahme der weiterhin

erforderlichen Wettbewerbsabsicht.

Zwar spricht nach der Lebenserfahrung

im allgemeinen eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer

solchen Wettbewerbsabsicht, wenn Wettbewerber im geschäftlichen

Verkehr Àußerungen machen, die objektiv geeignet sind, den eigenen

Wettbewerb zum Nachteil des anderen zu fördern. Von einer solchen

Vermutung kann jedoch nicht ohne weiteres ausgegangen werden, wenn

es sich bei den beanstandeten Erklärungen um Presseäußerungen

handelt, bei denen im Hinblick auf die besondere Aufgabe der

Presse, die Àffentlichkeit über Vorgänge von allgemeiner Bedeutung

zu unterrichten und zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen,

eine Wettbewerbsabsicht nicht schon mit Rücksicht auf das

Wettbewerbsverhältnis der Beteiligten vermutet werden kann. Befaßt

sich ein Presseunternehmen kritisch mit Vorgängen, die von

allgemeiner Bedeutung oder sonst für die Àffentlichkeit von

Interesse sind, darf die Meinungs- und Informationsfreiheit nicht

durch ein zu weit gestecktes Verständnis des Begriffs der

Wettbewerbsabsicht beeinträchtigt werden. Ob bei

Presseverlautbarungen eine Wettbewerbsabsicht des Handelnden

anzunehmen ist, bedarf daher - um nicht die Darstellung öffentlich

interessierender Sachverhalte oder Meinungsäußerungen über das

sachlich Gebotene und verfassungsrechtlich Zulässige hinaus

einzuschränken - eingehender Prüfung aller dafür in Betracht zu

ziehenden Umstände, und zwar auch dann, wenn sich diese

Verlautbarungen gegen Mitbewerber richten. Denn auch in diesen

Fällen kann der Presse die öffentliche Berichterstattung und die

Teilnahme am Prozeß der Meinungsbildung nicht generell verwehrt

werden (vgl. BVerfG NJW 1982, 637, 638).

Die Teilnahmebedingungen für den

"offenen Kunstpreis 92" werden vom Chefredakteur der

Antragsgegnerin als künstlerfeindlich, in keiner Weise dem

entsprechend, wie in der Bundesrepublik Deutschland üblicherweise

seriöse Kunstwettbewerbe ausgelobt werden, sittenwidrig, um nicht

zu sagen unsittlich, Künstler über den Tisch ziehend und skandalös

gekennzeichnet. Begründet wird diese Kritik damit, daß die

Teilnahmebedingungen -unbestitten - den folgenden Kriterien für die

Ausschreibungsbedingungen des Bundesverbandes Bildender Künstler

widersprechen:

- keine Teilnahmegebühr für den

Künstler,

- angemessene Preise für die

teilnehmenden Künstler,

- Wettbewerbsjury bestehend aus

Kunstsachverständi- gen und Künstlern,

- Versicherung der ausgestellten

Exponate zu Lasten des Auslobers,

- Katalog der Wettbewerbsausstellung

auf Kosten des Auslobers,

- Ausschreibung in allen wichtigen

Kunstzeitschrif- ten.

Der Chefredakteur der Antragsgegnerin

bringt mit seinen oben aufgeführten kritischen Kennzeichnungen der

Teilnahmebedingungen für den "offenen Kunstpreis 92" zum Ausdruck,

daß nach seiner Auffassung ein seriöser Kunstpreis die vorgenannten

Kriterien für die Ausschreibungsbedingungen erfüllt, daß

demgegenüber aber Teilnahmebedingungen, die ausnahmslos in allen

Punkten hiervon abweichen, künstlerfeindlich, sittenwidrig bzw.

unsittlich und skandalös sind, daß sie in keiner Weise dem

entsprechen, wie in der Bundesrepublik Deutschland üblicherweise

seriöse Kunstwettbewerbe ausgelobt werden und daß sie die Künstler

über den Tisch ziehen.

Da es sich bei der Zeitschrift "A."

nach Angaben des Antragstellers um eine "Zeitschrift für Künstler"

handelt, würden durch eine Veröffentlichung der Kritik die direkt

Betroffenen über die Teilnahmebedingungen für den "offenen

Kunstpreis 92" aufgeklärt und würde ihr Meinungsbildungsprozeß

durch die kritischen Àußerungen gefördert. Damit würde es sich noch

um eine sachbezogene, wenn auch mit emotionaler Meinungsäußerung

verbundene, Unterrichtung handeln, die in der Absicht erfolgen

würde, am öffentlichen Meinungsbildungsprozeß teilzunehmen und die

interessierten Leserkreise aufzuklären. Es ist nicht ersichtlich,

daß bei einer Veröffentlichung der beanstandeten Àußerungen

wettbewerbliche Interessen - wenn überhaupt - mehr als nur eine

untergeordnete Rolle spielen würden. Den Àußerungen ist nicht zu

entnehmen, daß eine Diffamierung des Antragstellers bzw. seines

Verlags oder der von ihm herausgegebenen Zeitschrift im Vordergrund

stehen und daß die Àußerungen als Mittel zur Beeinflussung der

Leserschaft im wirtschaftlichen Konkurrenzkampf genutzt werden

sollten. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die Sachkritik an den

Teilnahmebedingungen von Beweggründen bestimmt oder wenigstens

mitbestimmt wäre, hinter denen etwaige den Wettbewerb betreffende

Nebenerwägungen zurücktreten würden.

2.

Ein Unterlassungsanspruch des

Antragstellers ist ferner nicht nach §§ 823, 1004 BGB in Verbindung

mit § 185, 186 StGB wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts des

Antragstellers begründet.

Die beanstandeten Àußerungen sind in

unterschiedlichem Maße - ohne daß es hier auf eine

Differenzierung ankäme - objektiv geeignet, den Antragsteller,

der für die Aufstellung der kritisierten Teilnahmebedingungen für

den "offenen Kunstpreis 92" verantwortlich gemacht wird, in seinem

sozialen Geltungsanspruch zu beeinträchtigen. Die Veröffentlichung

der angegriffenen Àußerungen wäre jedoch nicht rechtswidrig, da

andernfalls die Antragsgegnerin in unzulässiger Weise in ihrem

Grundrecht auf Meinungsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG

beschränkt wäre.

Die Zulässigkeit von Meinungsäußerungen

in Publikationen, die dem Pressebegriff unterfallen, wird am

Grundrecht der Meinungsfreiheit gemessen (vgl. BVerG NJW 1992,

1439, 1440). Ob daneben auch das Grundrecht der Pressefreiheit

betroffen ist, bedarf hier keiner Entscheidung.

Bei sämtlichen vom Antragsteller

beanstandeten Àußerungen handelt es sich um Meinungen und nicht um

Tatsachenbehauptungen. Denn alle Àußerungen enthalten Elemente der

Stellungnahme und Wertung. Dies gilt entgegen der Auffassung des

Antragstellers auch für den Begriff "sittenwidrig", ebenso für die

Erklärung, daß die Teilnahmebedingungen zu keiner Weise dem

entsprechen, wie in der Bundesrepublik üblicherweise seriöse

Kunstwettbewerbe ausgelobt werden. Denn die Entscheidung, was

seriös und was unseriös ist, nimmt der Chefredakteur der

Antragsgegnerin erkennbar ausschließlich nach seiner eigenen

Bewertung vor.

Das Grundrecht der Meinungsfreiheit

findet nach Artikel 5 Abs. 2 GG seine Schranken in den Vorschriften

der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze

der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre. Jedoch sind

grundrechtsbeschränkende Vorschriften des einfachen Rechts wiederum

im Lichte des eingeschränkten Grundrechts auszulegen, damit dessen

wertsetzende Bedeutung für das einfache Recht auch auf

Rechtsanwendungsebene zur Geltung kommt (vgl. BVerG, a. a. O.).

Die hiernach erforderliche Abwägung

zwischen der Bedeutung der Meinungsfreiheit und dem Rang des durch

die Meinungsäußerung beeinträchtigten Rechtsguts führt zu dem

Ergebnis, daß die beanstandeten rufschädigenden Àußerungen nur dann

unzulässig sind, wenn es sich um Schmähkritik handelt. Eine

herabsetzende Àußerung nimmt aber erst dann den Charakter der

Schmähung an, wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung in der

Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht.

Sie muß jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der

Herabsetzung der Person bestehen (BVerG NJW 1991, 95, 96 und NJW

1991, 1475, 1477).

Wird dieser im Interesse der

Meinungsfreiheit eng gefaßte Begriff der Schmähung (vgl. BVerG, a.

a. O.) bei der Beurteilung der beanstandeten Àußerungen zugrunde

gelegt, so können seine Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht

als erfüllt angesehen werden. Die zwar harsche und polemische

Kritik des Chefredakteurs der Antragsgegnerin bezieht sich

unmittelbar und ausschließlich auf die Teilnahmebedingungen für

den "offenen Kunstpreis 92" und läßt damit eindeutig einen

Sachbezug erkennen. Daß damit zugleich der Antragsteller als

Verantwortlicher für die Teilnahmebedingungen herabgewürdigt wird,

ist zwangsläufige Folge, steht aber keineswegs im Vordergrund.

Hierdurch unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem

Sachverhalt, welcher der vom Antragsteller zitierten Entscheidung

des Bundesgerichtshofs (GRUR 1982, 234 - "Großbanken-Restquoten")

zugrunde lag.

Entgegen der Auffassung des

Antragstellers kam es für die Bewertung der beanstandeten

Àußerungen nicht darauf an, ob die Antragsgegnerin den

Antragsteller in den Schriftsätzen dieses Verfügungsverfahrens

bzw. ob ihr Chefredakteur in seinem Brief an den Direktor des

Amtsgerichts B. vom 14.05.1992 den Antragsteller persönlich

angegriffen hat. Maß-geblich für die Abwägung konnten allein die

vom Antragsteller beanstandeten Àußerungen im Brief vom 15.06.1992

sein, deren unmittelbar bevorstehende Veröffentlichung der

Antragsteller befürchtete.

Da somit wegen des vorhandenen

Sachbezugs von einer Schmähkritik noch nicht ausgegangen werden

kann, liegt ein das Grundrecht der Meinungsfreiheit einschränkender

Verstoß gegen die Vorschriften der allgemeinen Gesetze nicht vor.

Insbesondere kam ein Verstoß gegen § 1 UWG wegen Óberschreitung des

Maßes der nach den Umständen notwendigen und angemessenen

Beeinträchtigung des Antragstellers (vgl. BVerG NJW 1992, 1153,

1154) nicht in Betracht, da aus den oben genannten Gründen eine

Veröffentlichung nicht in Wettbewerbsabsicht erfolgen würde.

3.

Schließlich sind Unterlassungsansprüche

gem. §§ 823, 1004 BGB wegen Eingriffs in den eingerichteten und

ausgeübten Gewerbebetrieb, §§ 823, 1004 BGB und §§ 826, 1004 BGB

nicht gerechtferigt, weil eine Veröffentlichung der vom

Antragsteller beanstandeten Àußerungen aus den vorgenannten

Gründen nicht rechtswidrig wäre.

Daher war entgegen der vom

Antragsteller im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 05.04.1993

vertretenen Auffassung in die Erwägung, wem die Kosten des

Verfügungsverfahrens aufzuerlegen waren, nicht mit einzubeziehen,

ob es sich bei dem "offenen Kunstpreis" um ein einmaliges Ereignis

handelte oder ob der Kunstpreis auch weiterhin vergeben werden

soll.






OLG Köln:
Beschluss v. 16.04.1993
Az: 6 U 185/92


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