Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 11. April 2014
Aktenzeichen: 32 SA 26/14
(OLG Hamm: Beschluss v. 11.04.2014, Az.: 32 SA 26/14)
1.
Zum Vorliegen einer Urheberrechtsstreitsache.
2.
Ein Verweisungsbeschluss kann entgegen § 281 Abs. 1 Satz 4 ZPO ausnahmsweise keine Bindungswirkung entfalten, wenn das verweisende Gericht den Sachverhalt oder das Klagebegehren evident falsch erfasst (im Anschluss an Senat, MDR 2012, 1367).
Tenor
Als zuständiges Gericht wird das Landgericht N bestimmt.
Gründe
A.
Die Klägerin begehrt mit ihrer beim Landgericht N erhobenen Klage, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, ohne Einwilligung der Klägerin die produzierte Folge "DER U: FAMILIE STEC" selbst oder durch Dritte unter Benennung der Klägerin bzw. unter bildlicher Darstellung der Klägerin ganz oder auszugsweise zum Abruf anzubieten.
Mit Verfügung vom 29.10.2013 hat das Landgericht N die Parteien auf § 1 der nordrheinwestfälischen Verordnung über die Zusammenfassung von Geschmacksmusterstreitsachen, Kennzeichenstreitsachen und Urheberrechtsstreitsachen hingewiesen, wonach für Urheberrechtsstreitigkeiten das Landgericht C örtlich zuständig sei. Mit der Klage würden Unterlassungsansprüche geltend gemacht, die sich auch auf das Urheberrechtsgesetz und das KunstUrhG stützen ließen, so dass insoweit eine urheberrechtliche Streitigkeit vorliege. Zugleich hat das Landgericht N angefragt, ob Verweisung an das Landgericht C beantragt werde.
Mit Schriftsatz vom 01.11.2013 hat die Klägerin auf die Zuständigkeit des Landgerichts N verwiesen und ausgeführt, dass Gegenstand des Klageverfahrens die Geltendmachung von Persönlichkeitsrechtsverletzungen sei. Das Verfahren habe nichts zu tun mit Urheberrechten, so dass eine Sonderzuständigkeit nicht bestehe.
Mit Verfügung vom 08.11.2013 hat das Landgericht N der Klägerin aufgegeben, näher darzulegen, wie sie ihren Antrag zu 1. bezüglich der Unterlassung des Anbietens "durch Dritte", denen Nutzungsrechte eingeräumt würden, verstehe. Es hat die Frage aufgeworfen, wieso hierbei nicht (übertragene) Urheber-/Leistungsschutzrechte (des Regisseurs, Kameramanns, Autors usw.) betroffen sein sollen. Zudem hat es ausgeführt, dass es für das Vorliegen einer Urheberrechtsstreitigkeit ausreiche, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits auch von im Urheberrechtsgesetz geregelten Rechtsverhältnissen abhänge. Zumindest insoweit dürfte das Gericht nicht zuständig sein.
Mit Beschluss vom 05.12.2013 hat sich das Landgericht N für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf Antrag der Klägerin an das Landgericht C verwiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das angerufene Gericht sei örtlich nicht zuständig. Ausschließlich zuständig sein gemäß § 1 der Verordnung über die Zusammenfassung von Geschmacksmusterstreitsachen, Kennzeichenstreitsachen und Urheberrechtsstreitsachen das Landgericht C. Es liege eine Urheberrechtsstreitsache im Sinne der Vorschrift vor, jedenfalls hinsichtlich des Antrags zu eins aus der Klageschrift bezüglich der Unterlassung des Anbietens "durch Dritte", denen Nutzungsrechte eingeräumt worden sind. Hiervon seien auch (übertragene) Urheber-/Leistungsschutzrechte (des Regisseurs, Kameramanns, Autors etc.) betroffen. Für das Vorliegen einer Urheberrechtsstreitigkeit reiche es aus, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits auch von im Urheberrechtsgesetz geregelten Rechtsverhältnissen abhänge. Das sei hier nach Ansicht des Gerichts der Fall. Das Landgericht C sei auch hinsichtlich der weiteren geltend gemachten Ansprüche umfassend zuständig (Rechtsgedanke aus § 17 Abs. 2 GVG bei sog. gespaltener Zuständigkeit).
Das Landgericht C hat mit Beschluss vom 04.02.2014 die Übernahme des Rechtsstreits abgelehnt. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Verweisungsbeschluss entfalte ausnahmsweise keine Bindungswirkung nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO. Für die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht C habe nach Auffassung der Kammer keinerlei sachliche Grundlage bestanden. Die Klägerin habe ausdrücklich, auch nach dem rechtlichen Hinweis aus dem Schreiben des Landgerichts N vom 29.10.2013 daran festgehalten, dass ausschließlich Ansprüche wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und aus dem Kunsturheberrechtsgesetz geltend gemacht werden. Ausweislich des Schriftsatzes der Klägerin vom 01.11.2013 werde eine Verletzung eines Urheberrechtes der Klägerin durch die Beklagte nicht geltend gemacht. Dies gelte auch, soweit die Klägerin mit dem Antrag zu 1. aus der Klageschrift begehre, der Beklagten aufzugeben, es zu unterlassen, ohne Einwilligung der Klägerin die streitgegenständliche Folge durch Dritte ganz oder auszugsweise zum Abruf anzubieten. Für die Entscheidung des Rechtsstreits betreffend die geltend gemachten Ansprüche wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bzw. der Rechte der Klägerin aus dem Kunsturheberrechtsgesetz komme es auf etwaige Satzungs-/Leistungsschutzrechte, die Dritten übertragen worden seien, nicht an. Entgegen der Auffassung des Landgerichts N hänge die Entscheidung über die geltend gemachten Unterlassungsansprüche nicht von im Urheberrechtsgesetz geregelten Rechtsverhältnissen ab. Aus diesem Grunde bestehe keinerlei sachliche Grundlage für eine Verweisung an das Landgericht C unter dem Gesichtspunkt einer Urheberrechtsverletzung.
Mit Beschluss vom 26.02.2014 hat das Landgericht N die erneute Übernahme des Verfahrens abgelehnt und die Sache dem Oberlandesgericht Hamm zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
B.
Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor.
I.
Die Landgerichte in N und C haben sich beide rechtskräftig für örtlich unzuständig erklärt.
II.
Das Oberlandesgericht Hamm ist gemäß § 36 Abs. 1 ZPO als das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht zu der Zuständigkeitsbestimmung berufen.
C.
Als zuständiges Gericht ist das Landgericht N zu bestimmen.
I.
Das Landgericht N ist gemäß § 32 ZPO örtlich zuständig. Eine Zuständigkeit des Landgerichts C gemäß § 1 der Verordnung über die Zusammenfassung von Geschmacksmusterstreitsachen, Kennzeichenstreitsachen und Urheberrechtsstreitsachen sowie Streitigkeiten nach dem Olympiamarkenschutzgesetz vom 30.08.2011 ist im Streitfall nicht begründet, da keine Urheberrechtsstreitsache vorliegt.
1.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Unterlassung weiterer Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Anspruchsgrundlage ist insoweit § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. §§ 823 Abs. 2 BGB, 22 f. KUG, denn nach klägerischem Vortrag droht eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild sowie eine Namensrechtsverletzung. Zwar ist der Begriff der Urheberrechtsstreitsache weit auszulegen. So ist es nicht zwingend notwendig, dass der geltend gemachte Anspruch sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergibt, also auf einer darin geregelten Anspruchsgrundlage beruht. Es genügt, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits (auch) von im Urheberrechtsgesetz geregelten Rechtsverhältnissen abhängt (vgl. Wandtke/Bullinger/Kefferpütz, Urheberrecht, 3. Aufl., § 104 UrhG, Rn. 2 m.w.N.). Entgegen der Ansicht des Landgerichts N ist dies vorliegend jedoch nicht der Fall. Die Klägerin begehrt von der Beklagten, es zu unterlassen, die näher bezeichnete Folge der Serie selbst oder durch Dritte zum Abruf anzubieten. Auf etwaige Urheberrechte Dritter kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits ersichtlich nicht an. Auch soweit ein Unterlassen eines Anbietens durch Dritte im Streit steht, hängt die Entscheidung nicht von im Urheberrechtsgesetz geregelten Rechtsverhältnissen ab, denn unabhängig von etwaigen Urheberrechten Dritter kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits nur darauf an, ob sich die Beklagte eines Dritten bedienen darf, um die Sendung zum Abruf anzubieten. Dies beurteilt sich ausschließlich nach Normen, die nicht der Konzentrationsverordnung unterliegen.
2.
Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts N folgt aus § 32 ZPO. Der Erfolgsort einer Persönlichkeitsrechtsverletzung liegt am Wohnort der Klägerin, mithin in N (vgl. hierzu Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 32 ZPO Rn 17). Im Gerichtsstand des § 32 ZPO können auch Unterlassungsansprüche geltend gemacht werden (vgl. Zöller/Vollkommer, a. a. O., Rn 14).
Ob es neben N noch weitere besondere Gerichtsstände gibt, kann dahinstehen, da die Klägerin das Landgericht N als zuständiges Gericht gewählt hat und diese Wahl gemäß § 35 ZPO bindend ist.
II.
Eine Zuständigkeit des Landgerichts C ergibt sich auch nicht aus § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO, da der Verweisungsbeschluss des Landgerichts N vom 05.12.2013 im Streitfall ausnahmsweise keine Bindungswirkung entfaltet.
1.
Die Bindungswirkung gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO wird zwar nicht schon durch die bloße Unrichtigkeit der Beurteilung der Zuständigkeitsfrage infolge eines einfachen Rechtsirrtums des verweisenden Gerichts in Frage gestellt. Unbeachtlich ist ein solcher Beschluss jedoch dann, wenn er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht oder wenn er schwere offensichtliche Rechtsmängel aufweist oder gar jeder Rechtsgrundlage entbehrt und aus diesen Gründen objektiv willkürlich ist (BGH NJW 2002, S. 3634 ff.; NJW 1993, S. 1273; Zöller/Greger, a. a. O., § 281 ZPO Rn 17; Fischer, MDR 2005, S. 1091 ff.; Endell, DRiZ 2003, S. 133 ff.; Tombrink, NJW 2003, S. 2364 ff. - jeweils m. w. Nachw.).
2.
Ein solcher Ausnahmefall ist insbesondere dann gegeben, wenn - wie im vorliegenden Fall - ein Gericht den Sachverhalt oder das Klagebegehren evident falsch erfasst (Senat, MDR 2012, 1367; KG VersR 2008, 1234; MDR 1999, 438; Zöller/Greger, a. a. O.).
Wie bereits dargelegt, begehrt die Klägerin von der Beklagten, es zu unterlassen, selbst oder durch Dritte die Sendung zum Abruf anzubieten. Soweit das Landgericht N im Hinblick auf ein Anbieten durch Dritte meint, dass solche betroffen seien, denen Nutzungsrechte eingeräumt sind, wovon auch (übertragene) Urheber- / Leistungsschutzrechte betroffen seien, verkennt es das klägerische Begehren evident und stützt seine Entscheidung auf Erwägungen, die keine Grundlage im Parteivortrag finden. Es geht der Klägerin nicht darum, dass die Beklagte ein eigenverantwortliches Anbieten der Sendung durch Dritte unterbindet. Vielmehr soll es ihr neben einer persönlichen Bereitstellung untersagt werden, sich bei der Bereitstellung ihres eigenen Angebots eines Dritten, etwa eines Dienstleisters, zu bedienen. Insoweit sind Urheber- / Leistungsschutzrechte Dritter ersichtlich nicht betroffen.
Darüber hinaus lässt sich auch dem Parteivortrag nicht entnehmen, dass Dritten überhaupt Urheberrechte an der Sendung eingeräumt sind. Soweit das Landgericht N Regisseur, Kameramann und Autor beispielhaft anführt, handelt es sich um reine Spekulation, die keine Grundlage im Parteivortrag findet.
OLG Hamm:
Beschluss v. 11.04.2014
Az: 32 SA 26/14
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