Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Oktober 2000
Aktenzeichen: 33 W (pat) 27/99

(BPatG: Beschluss v. 10.10.2000, Az.: 33 W (pat) 27/99)

Tenor

1) Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 1 des Deutschen Patentamts vom 4. Mai 1998 insoweit aufgehoben, als die Löschung der Marke 394 05 518 angeordnet worden ist.

2) Die Anschlussbeschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die am 27. September 1995 für "Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke; Kunststoffe und Kunstharze im Rohzustand; Halbfabrikate aus Kunststoff, Dichtungs-, Packungs- und Isoliermaterial" eingetragene Marke 394 05 518 KEMIPUR hat die Widersprechende aus ihrer am 30. Juni 1971 eingetragenen und noch für "Dichtungsmassen und Klebstoffe für industrielle Zwecke (ausgenommen auf dem Bausektor) aus Polyurethan" geschützten Marke 882 495 Helmipur Widerspruch eingelegt.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten. Die Widersprechende hat im Verfahren vor dem Patentamt am 15. Oktober 1996 Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung vorgelegt. Daraufhin hat die Inhaberin der angegriffenen Marke die Benutzung für "gebrauchsfertige Dichtungsmassen für Endabnehmer, gebrauchsfertige Klebstoffe für Endabnehmer" anerkannt und im übrigen die Benutzung weiterhin bestritten.

Mit Beschluss vom 4. Mai 1998 hat die Markenstelle für Klasse 1 die angegriffene Marke für "Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke; Kunststoffe und Kunstharze im Rohzustand" gelöscht und bezüglich "Halbfabrikate aus Kunststoff, Dichtungs-, Packungs- und Isoliermaterial" den Widerspruch zurückgewiesen. Sie war der Auffassung, Dichtungsmassen und Klebstoffe auf Polyurethanbasis seien identisch mit den versagten Waren der angegriffenen Marke. Auch die gebrauchsfertigen Waren seien zumindest ähnlich mit Kunststoffen im Rohzustand.

Die Markenwörter wiesen vor allem in den Versalien große Ähnlichkeit auf. K und H kämen sich figürlich nahe. Allein das L in Helmipur könne keine Verwechslungsgefahr ausschließen.

Dagegen hat die Inhaberin der angegriffenen Marke Beschwerde eingelegt und ausgeführt, Rohstoffe seien zu verbrauchsfertigen Endprodukten nicht ähnlich. Die Marken seien nicht verwechselbar, zumal PUR eine verbrauchte Endung sei.

Demgegenüber trägt die Widersprechende vor, die Waren seien identisch oder jedenfalls ähnlich. Aus den Ausgangsstoffen könnten die Endprodukte ohne weitere Verarbeitungsschritte hergestellt werden. Die Marken seien verwechselbar, weil die Vokalfolge identisch sei.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen unddie Verwechslungsgefahr für alle Waren festzustellen.

II Die zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat in der Sache Erfolg, weil sich die Marken nicht verwechselbar iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG nahekommen. Die zulässige Anschlussbeschwerde der Widersprechenden hat dagegen keinen Erfolg.

Man kann zu Gunsten der Widersprechenden eine Benutzung ihrer Waren sowie deren teilweise Identität, bzw Ähnlichkeit zu denen der angegriffenen Marke unterstellen, eine Verwechslungsgefahr besteht bei normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke dennoch nicht. Dazu trägt auch bei, dass die Waren der beiden Marken ausschließlich Fachkreise ansprechen. Diese beachten Marken genauer als andere; bei ihnen laufen zudem die Bestellvorgänge in einer Weise ab, die eine Verwechslung mindert.

Die Übereinstimmung der Marken in der Endung PUR kann nicht ausschlaggebend für die Annahme einer Verwechslungsgefahr sein. Dieser Endung kommt als beschreibender Hinweis auf die Reinheit der Wirkstoffe nur eingeschränkte Kennzeichnungskraft zu, weshalb sich die Aufmerksamkeit des Publikums auf die grundsätzlich stärker beachteten unterschiedlichen Wortanfänge verlagert (so auch BPatG, Beschluss vom 19. Januar 1995, 25 W (pat) 153/93 - Echipur/ICHTOPUR; vom 27. September 1999, 30 W (pat) 30/99 - R+P PUR-ECHIN/ECHI-PUREN).

Helmi und KEMI unterscheiden sich im ersten - also ohnehin besonders auffälligen - Buchstaben von der Härte her ausreichend, um einer Verwechslungsgefahr entgegenzuwirken. Das K gilt psychophonetisch als besonders erregend und stark (Ertel, Suitbert, Psychophonetik, Göttingen, 1969, S. 63 ff, 94).

Das L in Helmi tritt als Unterscheidungsmerkmal hervor und beeinflusst zudem die Aussprache des vorausgehenden Vokals, so dass sich die Vokalfolgen nicht ganz entsprechen. Auf diese darf aber ohnehin nicht vorrangig abgestellt werden. Im Deutschen sind Konsonanten die eigentlichen Silben- und Sprachzeichenträger. Das Konsonantengerüst reicht zur Identifikation oft aus. Die Sprachwissenschaft nennt Vokale daher Phoneme zweiter Klasse; würden sie nicht manchmal zueinander in Opposition stehen (Bund/Band), wären sie bloß Sprecherleichterung für Konsonantensequenzen (Burkhardt, Armin, Mein geliebtes Deutsch und seine Schrecken, Muttersprache 1998, 110, 112, 114).

Im Schriftbild kommen sich K und H näher als klanglich. Dafür tritt hierbei das zusätzliche in Helmipur deutlicher in Erscheinung. Es besteht daher auch keine schriftbildliche Verwechslungsgefahr.

Der angefochtene Beschluss der Markenstelle ist nach alledem insoweit aufzuheben, als er der angegriffenen Marke den Schutz versagt. Die Anschlussbeschwerde der Widersprechenden ist entsprechend zurückzuweisen.

Es besteht kein Anlass, einem Beteiligten die Kosten gemäß § 71 Abs 1 MarkenG aufzuerlegen; jeder hat die ihm entstandenen Kosten selbst zu tragen.

Winkler Dr. Albrechtv. Zglinitzki Cl






BPatG:
Beschluss v. 10.10.2000
Az: 33 W (pat) 27/99


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/2a4e83694e3b/BPatG_Beschluss_vom_10-Oktober-2000_Az_33-W-pat-27-99




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share