Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Mai 2000
Aktenzeichen: 30 W (pat) 251/99
(BPatG: Beschluss v. 15.05.2000, Az.: 30 W (pat) 251/99)
Tenor
Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Bezeichnung TLON ist am 9. Dezember 1996 in das Markenregister eingetragen worden. Sie ist nach Einschränkung des Warenverzeichnisses in der mündlichen Verhandlung noch bestimmt für
"Elektronische Hardware und Software für dezentrale Netzwerke zur Maschinen- und Prozeßsteuerung, nämlich Automatisierungselemente in LON-Technologie".
Nach der Veröffentlichung der Eintragung am 29. März 1997 ist Widerspruch erhoben worden von der Inhaberin der älteren Marke TLAN eingetragen am 10. Mai 1996 für
"Elektrische, elektronische, optische, Meß-, Signal-, Kontroll- oder Unterrichtsapparate und -instrumente (soweit in Klasse 9 enthalten); Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten; magnetische oder optische Datenaufzeichnungsträger; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Juwelierwaren; Uhren und Zeitmeßinstrumente; Druckereierzeugnisse; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Büroartikel (ausgenommen Möbel); Regenschirme, Sonnenschirme, Lederwaren und Lederimitationen (soweit in Klasse 18 enthalten); Reise- und Handkoffer; Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen, Schuhwaren; Spiele, Spielzeug; gymnastische Geräte und Sportgeräte (soweit in Klasse 28 enthalten); Finanzwesen; Immobilienwesen; Bauwesen; Installation, Wartung und Reparatur von Einrichtungen für die Telekommunikation; Telekommunikation; Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation; Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; Organisation von sportlichen und kulturellen Veranstaltungen; Veröffentlichung und Herausgabe von Drucksachen; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Vermietung der Zugriffszeit zu Datenbanken; Vermietung von Datenverarbeitungseinrichtungen und Computern; Projektierung und Planung von Einrichtungen für die Telekommunikation".
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat - ausgehend von dem seinerzeit für die jüngere Marke maßgeblichen Warenverzeichnis - die Gefahr von Verwechslungen bejaht und deshalb die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Begründend ist ausgeführt, angesichts nahezu identischer Waren und der Übereinstimmung der Markenwörter in drei von vier Buchstaben sei die einzige Abweichung in dem Vokal "O" gegenüber dem Vokal "A" nicht ausreichend, um die Gefahr klanglicher Verwechslungen auszuschließen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat Beschwerde eingelegt. Sie meint, daß Verwechslungen nicht ernsthaft zu befürchten seien. Insbesondere verweist sie darauf, daß die allein in Betracht zu ziehenden Fachkreise die ganz unterschiedliche technische Bedeutung der Markenbestandteile "LON" (Local Operating Network) und "LAN" (Local Area Network), denen jeweils derselbe farblose Buchstabe vorangestellt sei, erkennen und von daher die Marken jederzeit sicher auseinanderhalten könnten.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, den Beschluß der Markenstelle aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.
Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält mit näheren Ausführungen die Entscheidung der Markenstelle für zutreffend.
Ergänzend wird auf den patentamtlichen Beschluß und die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin ist in der Sache ohne Erfolg. Es besteht Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Absatz 1 Nr 2 MarkenG, so daß die Markenstelle zu Recht die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet hat.
Der Senat geht bei seiner Entscheidung mangels anderer Anhaltspunkte von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus.
Nach der maßgeblichen Registerlage können sich die Marken auch nach der von der Inhaberin der angegriffenen Marke im Beschwerdeverfahren erklärten Beschränkung des Warenverzeichnisses hinsichtlich der Hardware auf identischen, hinsichtlich der Software auf eng benachbarten Waren begegnen; die Waren "elektronische Kontrollinstrumente; magnetische oder optische Datenaufzeichnungsträger; Datenverarbeitungsgeräte und Computer" der Widerspruchsmarke können angesichts dieser weiten Fassung des Warenverzeichnisses denselben Zwecken dienen, wie die Waren der angegriffenen Marke. Zwar ist im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke Software nicht enthalten, sondern nur Hardware; bei Hardware und Software handelt es sich aber um Waren, die aufeinander bezogen und häufig aufeinander abgestimmt sind, sich also gegenseitig ergänzen, wie auch durch die Fassung des Warenverzeichnisses der jüngeren Marke zum Ausdruck gebracht ist. Es liegt daher nahe, daß der Verbraucher wegen der Bezogenheit der Waren aufeinander von der Verantwortlichkeit ein und desselben Unternehmens für die Qualität der jeweiligen Waren ausgeht (vgl EuGH MarkenR 1999, 22 - CANON; BGH MarkenR 1999, 242 - CANON II). Außerem besteht zwischen der Dienstleistung "Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" der Widerspruchsmarke und Software engere Ähnlichkeit.
Auch wenn sich dies aus den Waren der angegriffenen Marke, die sich auch an kleine Betriebe wenden können, nicht zwingend ergibt, geht der Senat zugunsten der Inhaberin der angegriffenen Marke davon aus, daß die beteiligten Verkehrskreise in erster Linie Fachleute sind, die üblicherweise über Marken auf ihrem Fachgebiet gut unterrichtet sind und neuen Kennzeichnungen mit größerer Aufmerksamkeit begegnen als das breite Publikum. Gleichwohl sind auch Fachleute nicht dagegen gefeit, insbesondere klanglich ähnliche Marken zu verwechseln (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 69 mwN).
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände sind eher strenge Anforderungen an den zur Vermeidung der Gefahr von Verwechslungen erforderlichen Markenabstand zu stellen. Diesen Anforderungen wird die angegriffene Marke in klanglicher Hinsicht nicht gerecht.
Die Markenwörter "TLON" und "TLAN" stimmen im klanglichen Gesamteindruck in drei von vier Buchstaben überein; unter diesen Umständen reicht die einzige Abweichung im Vokal des jeweils dritten Buchstabens nicht aus, um die Marken stets mit hinreichender Sicherheit zu unterscheiden. Die Vokale "O" bzw "A" sind als dunkel klingende Vokale klangverwandt, so daß von einer nicht nur geringen Ähnlichkeit der Marken auszugehen ist. Dies gilt insbesondere, wenn beide Marken einsilbig ausgesprochen werden; aber auch bei zweisilbiger Aussprache "Telon" bzw "Telan" heben sich die Marken nicht deutlicher voneinander ab, insbesondere ergibt sich daraus kein unterschiedlicher Sprech- und Betonungsrhythmus. Die Betonung wird auf derselben Silbe erfolgen, nach allgemeinen Sprachgepflogenheiten wahrscheinlich auf der ersten Silbe; jedenfalls kann nicht unterstellt werden, daß die eine Marke stets nur auf der ersten Silbe betont werde und die andere Marke demgegenüber immer nur auf der zweiten Silbe; für eine solche Feststellung fehlt es angesichts der jeweils vorliegenden Phantasiebegriffe an Anhaltspunkten.
Zwar können, worauf die Inhaberin der angegriffenen Marke hinweist, Übereinstimmungen im Wort oder Klangbild von Marken durch deren abweichenden Sinngehalt so reduziert werden, daß eine Verwechslungsgefahr zu verneinen ist. Unabdingbare Voraussetzung für eine derartige Reduzierung der Verwechslungsgefahr durch einen abweichenden Sinngehalt ist aber, daß dieser vom Verkehr auch bei flüchtiger Wahrnehmung sofort erfaßt wird und sein Verständnis keinen weitergehenden Denkvorgang erfordert (vgl Althammer/Ströbele aaO § 9 Rdn 73, 74 mwNachw). Von einem derart ausgeprägten Sinngehalt kann jedenfalls nicht bei Wortverbindungen ausgegangen werden, in denen nur einzelne Bestandteile einen Begriffsgehalt aufweisen, der innerhalb der Kombination mehr oder weniger deutlich in Erscheinung treten kann (vgl Althammer/Ströbele aaO Rdn 74). Da hier die Bestandteile "LON" bzw "LAN", deren Sinngehalt nach Auffassung der Markeninhaberin die Verwechslungsgefahr kompensieren soll, in der Gesamtbezeichnung "TLON" bzw "TLAN" nicht hinreichend selbständig in Erscheinung treten, kann aber nicht davon ausgegangen werden, daß erhebliche Teile des Verkehrs sofort die Begriffe "LON" und "LAN" erkennen und deren Sinngehalte erfassen; eine andere Annahme erschiene willkürlich, da nicht dargelegt und ersichtlich ist, daß "LON" bzw "LAN" nach Art der hier vorliegenden Wortbildung Markenbestandteile darstellen, welche dem Verkehr eine Orientierung erleichtern und deshalb verwechslungsmindernd wirken; so wird der Begriff "LAN" (local area notwork) - auch in Wortverbindungen (zB LANManager, LANServer, vgl Linke/Winkler, Das M&T-Computerlexikon 2000) - nur selbständig hervorgehoben in der Computersprache als Kürzel verwendet.
Abgesehen davon kommt aber bei hochgradigen klanglichen - oder bildlichen - Übereinstimmungen ein Ausschluß der Verwechslungsgefahr durch einen abweichenden Sinngehalt regelmäßig nicht mehr in Betracht. Denn auch Abnehmern, denen die Bedeutung des einen oder des anderen Markenwortes ohne weiteres geläufig ist, nützt die begriffliche Abgrenzung nichts, wenn sie sich wegen der großen Schrift- oder Klangähnlichkeit verlesen bzw verhören, weil ihnen dann entweder der Sinngehalt überhaupt nicht oder der falsche Begriff zum Bewußtsein kommt (vgl BGH GRUR 1996, 496, 499 - PARK/Jean Barth). So liegt der Fall hier. Wie oben ausgeführt ist im Klang von einer hochgradigen Ähnlichkeit der Marken auszugehen.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bietet der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Absatz 1 MarkenG.
Dr. Buchetmann Sommer Winterbr/Hu
BPatG:
Beschluss v. 15.05.2000
Az: 30 W (pat) 251/99
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