Landgericht Essen:
Urteil vom 29. Juni 2007
Aktenzeichen: 45 O 15/07
(LG Essen: Urteil v. 29.06.2007, Az.: 45 O 15/07)
Tenor
hat die 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen
auf die mündliche Verhandlung vom 29.06.2007
durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht M.,
den Handelsrichter Dr. H. und
den Handelsrichter L.
für R e c h t erkannt:
Die Klagen werden abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
Die Nebenintervenienten tragen ihre notwendigen Auslagen selbst.
Das Urteil ist gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Mit den Anfechtungsklagen begehren die Kläger und Nebenintervenienten die Überprüfung des in der Hauptversammlung der Beklagten vom 19.01.2007 mit 78,91 % der in der Hauptversammlung vertretenen Aktionärstimmen gefassten Beschluss zu TOP 8. Der gefasste Beschluss lautet: " § 9 der Satzung wird wie folgt neu gefasst: § 9, Zusammensetzung, Entsendungsrecht, Bestellung, Amtsdauer (1) Der Aufsichtsrat besteht aus 20 Mitgliedern, von denen 10 von den Aktionären und 10 von den Arbeitnehmern nach den Bestimmungen des Mitbestimmungsgesetzes vom 04.05.1976 bestellt werden. (2) Die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung (im fol- genden Stiftung) ist, wenn sie Stückaktien mit einem an- teiligen Betrag am Grundkapital der Gesellschaft von mindestens 10 v. H. hält, berechtigt, ein, wenn sie Stückaktien mit einem anteiligen Betrag am Grundkapital der Gesellschaft von Mindestens 15 v. H. hält, zwei, und wenn sie Stückaktien mit einem anteiligen Betrag am Grundkapital der Gesellschaft von mindestens 25 v. H. hält, drei der auf die Aktionäre entfallenden Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden. (3) Die Wahl der Aufsichtsratmitglieder erfolgt für die Zeit bis zur Beendigung der Hauptversammlung, die über die Entlastung des Aufsichtsrates für das vierte Geschäftsjahr nach Beginn der Amtszeit beschließt; hierbei wird das Ge- schäftsjahr, in dem die Amtszeit beginnt, nicht mitgerech- net. Die Hauptversammlung kann für gewählte Mitglieder der Aktionäre eine kürzere Amtszeit bestimmen. Die Wahl des Nachfolgers eines vor Ablauf seiner Amtszeit ausgeschiede- nen Mitgliedes erfolgt für den Rest der Amtszeit des ausge- schiedenen Mitgliedes. ... Der Kläger zu 1) ist seit mehreren Jahren - und insbesondere im Zeitpunkt der Einladung zur Hauptversammlung vom 19.01.2007 - Inhaber von Aktien der Beklagten. An der Hauptversammlung hat der Kläger nicht selbst teilgenommen, sondern hat sich durch seinen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dieser hat mit der Stimmkarte 2452 während der Hauptversammlung Widerspruch zum Beschluss zu TOP 8 erhoben. Der Kläger zu 2), der ebenfalls seit längerem und insbesondere zum Zeitpunkt der Einladung zur Hauptversammlung Aktionär der Beklagten ist, hat an der Hauptversammlung der Beklagten persönlich teilgenommen und gegen die Beschlussfassung in der Hauptversammlung Widerspruch zu Protokoll erklärt. Die Klägerin zu 3) ist ebenfalls seit längerem Aktionärin der Beklagten. Der Geschäftsführer der Klägerin, M., hat im Namen von 10 Aktien im Fremdbesitz an der Hauptverhandlung teilgenommen und während der Hauptversammlung Widerspruch erhoben und diesen zu Protokoll erklärt. Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung besaß die Stiftung 25,1 % der Aktien, die Beklagte hielt selbst ca. 5 % eigene Aktien. Die weiteren Aktien befinden sich im privaten Streubesitz. Die Kläger und Nebenintervenienten sehen in der beschlossenen Satzungsänderung einen erheblichen Verstoß gegen die allgemeinen Grundsätze des Aktienrechtes bzw. gegen allgemeine Rechtsgrundsätze und halten den in der Hauptversammlung gefassten Beschluss für unwirksam. Ihre Rechtsansichten begründen sie wie folgt: Das in die Satzungsänderung eingefügte Entsenderecht verstoße gegen den aktienrechtlich normierten Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53 a AktG). Mit der Wahl der Aufsichtsratmitglieder durch die Hauptversammlung erhalten die Anteilseigner das Recht gemäß ihrem Kapitalanteil Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen. Die beschlossene Regelung würde dagegen den Einfluss der Stiftung im Verhältnis zu ihren Kapitalanteilen überproportional erhöhen, da bei einer Beteiligung von mindestens 15 % zwei Aufsichtsratmitglieder und bei mindestens 25 % drei Aufsichtsratmitglieder entsendet werden können. Dies widerspräche auch dem Grundsatz des § 12 AktG (eine Aktie = eine Stimme). Zudem würde die Hauptversammlung durch die Satzungsänderung auf ihr Wahlrecht für bis zu drei Aufsichtsratmitglieder verzichten. Abgesehen davon, dass der Stiftung durch den strittigen Beschluss eine überproportionale Repräsentanz durch das Entsenderecht zugebilligt werde, würde die Stiftung zudem bei der Wahl der weiteren sieben Aufsichtsratmitglieder infolge ihres erheblichen Kapitalanteiles diese Wahl in einem erheblichen Umfange mitbestimmen. Dieser Sachzusammenhang würde somit zu einer doppelten Benachteilung der übrigen Aktionäre führen. Im Übrigen seien auch die Aktionäre für die Zukunft benachteiligt. Das gemäß § 101 Abs. 1 AktG gewährte Entsenderecht stelle ein Sonderrecht im Sinne von § 35 BGB dar. Dies habe zur Folge, dass der Stiftung das Entsenderecht nicht mehr ohne deren Zustimmung entzogen werden könne. Desweiteren läge ein Verstoß gegen § 243 Abs. 2 AktG vor. Der Stiftung sei mit der Einräumung eines an dem Kapitalanteil gemessenen überproportinalen Entsenderechtes ein Sondervorteil gewährt worden, durch den die Aktionärsrechte der übrigen Aktionäre in einem ungerechtfertigten Umfange eingeschränkt werden. Gerade die Möglichkeit, das Management im Sinne aller Aktionäre zu kontrollieren, werde durch die überproportionale Repräsentation des Großaktionärs geschwächt. Dadurch werde das Risiko gefördert, dass Partikularinteressen durch den Großaktionär im Aufsichtsrat einseitig verfolgt würden. Das beschlossene Entsenderecht liege auch nicht im Interesse der Gesellschaft. Es habe keinerlei Notwendigkeit bestanden, der Stiftung ein Sonderrecht einzuräumen. Die Stiftung besitze bereits ein entsprechend großes Aktienpaket und könne daher über diese Anteilsmehrheit auch ohne das Entsenderecht die Geschäftspolitik der Gesellschaft mitbeeinflussen. Der strittige Beschluss sei auch formal fehlerhaft zustande gekommen. Die Stiftung habe bei der Abstimmung in der Hauptversammlung einem Stimmrechtsverbot unterlegen. Zwar seien die Fallgruppen des § 136 AktG nicht gegeben. § 136 AktG habe jedoch den Sinn, den Aktionären, die bei einer Abstimmung Gefahr laufen würden, sich ausschließlich an ihrem eigenen Interesse und nicht auch am Gesellschaftsinteresse zu orientieren, mit einem Stimmverbot zu belegen. Da die Stiftung bei der Abstimmung genau in diesen Interessenkonflikt geraten sei, sei § 136 AktG analog anzuwenden. Die Beklagte habe auch gegen ihre Informationspflichten bei Einberufung bzw. während der Hauptversammlung verstoßen. Durch den Wortlaut des Berichtes zur strittigen Satzungsänderung werde der Eindruck erweckt, die einem Prozentualanteil entsprechende Anzahl der zu entsendenden Aufsichtsratmitglieder werde durch das Überschreiten der Schwelle von 10, 15 und 25 % bestimmt. Nach dem Wortlaut der beschlossenen Satzung sei dies jedoch bereits bei Erreichen der jeweiligen Schwellenwerte gegeben. Auch während der Hauptversammlung sei unzureichend informiert worden, Fragen unzureichend beantwortet worden, sodass ein Verstoß gemäß § 131 Abs. 1 AktG vorliege. Insbesondere sei der Ewigkeitscharakter des Entsenderechtes nicht in den Vordergrund gestellt worden. Zudem sei bei Bekanntmachung bzw. bei Begründung des Entsenderechtes darauf hingewiesen worden, dass dieses Sonderrecht auch in Übereinstimmung mit dem Corporate Governance Kodex stehe. Dies treffe gerade nicht zu, da in diesem Kodex aufgenommen sei, dass die Hauptversammlung die Anteilseignervertreter in den Aufsichtsrat wählt. Dieses Recht sei ein essentielles Recht der Aktionäre. Die Mitglieder des Aufsichtsrates seien nach dem gesetzgeberischen Verständnis Interessenwahrer sämtlicher Aktionäre, die gerade nicht die Partikularinteressen einzelner Aktionäre oder Aktionärsgruppen vertreten sollen. Entsprechend bedeutet die Einräumung des Sonderrechtes an die Stiftung ein Verstoß gegen den Corporate Covernance Kodex. Schließlich verstoße § 101 Abs. 2 Satz 1 AktG gegen das Recht der Europäischen Union, da es letztlich eine Hürde gegen die Übernahme der Gesellschaft durch andere aufbaue. Dadurch werde im erheblichen Umfange gegen die Grundsätze des freien Kapitalverkehrs (Artikel 56 EGV) und der Niederlassungsfreiheit (§ 43 EGV) verstoßen. Die Kläger und Nebenintervenienten beantragen, den Beschluss der Beklagten vom 19.01.2007 zu Punkt 8 der Tagesordnung (Beschlussfassung über die Änderung von § 9 der Satzung - Zusammensetzung, Wahl, Amtsdauer des Aufsichtsrates) für nichtig zu erklären; hilfsweise festzustellen, dass der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 19.01.2007 mit dem oben aufgeführten Inhalt nichtig ist bzw. festzustellen, dass der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 19.01.2007 mit dem oben aufgeführten Inhalt unwirksam ist. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte ist der Ansicht, dass den Klägern die Anfechtungsbefugnis gemäß § 245 Nr. 1 AktG fehle. Der Kläger zu 1) habe zwar darauf hingewiesen, dass für ihn sein Prozessbevollmächtigter aufgetreten sei. Dagegen sei richtig, dass der Prozessbevollmächtigte sich in der Hauptversammlung mit zwei Aktien im Fremdbesitz angemeldet habe. Dies bedeute, dass der einzelne Aktionär seinen Hauptversammlungteilnehmer ermächtigte, im eigenen Namen das Stimmrecht auszuüben. Daher sei der Prozessbevollmächtigte nicht Vertreter des Klägers zu 1) gewesen. Die Beklagte behauptet, dass der Kläger zu 2) nicht persönlich an der Hauptverhandlung teilgenommen habe. Vielmehr habe ein Herr G. teilgenommen, aber auch diese Person habe nicht den Widerspruch erklärt, sondern ein Aktionär namens L. Auch die Klägerin zu 3) sei nicht klagebefugt. Für die Klägerin habe Herr M: teilgenommen. Er habe sich zur Hauptversammlung mit 10 Akten im Fremdbesitz auf seinen Namen angemeldet. Daher sei diese Person nicht Stimmrechtsvertreter der Klägerin gewesen. Die Beklagte ist der Ansicht, dass der angefochtene Beschluss der Hauptversammlung vom 19.01.2007 rechtmäßig ergangen und insgesamt wirksam sei. Auf den umfangreichen Sachvortrag der Beklagten wird Bezug genommen. Insbesondere weist die Beklagte darauf hin, dass die 1966 gegründete Stiftung Erbin des Unternehmens Firma Friedrich Krupp, Essen, geworden sei. Durch Verschmelzung mit anderen Gesellschaften und Umwandlungen sei sie heute Großaktionärin der Beklagten. Die Stiftung sei eine gemeinnützige Körperschaft. Aufgrund ihrer Entstehung seien die Stiftung sowie ihre Organe nach der Satzung verpflichtet, bei Entscheidungen, die sich auf ihre Beteiligung an der das Unternehmen Friedrich Krupp fortführenden Kapitalgesellschaft beziehen, im Geiste des Stifters und seiner Vorfahren darauf zu achten, dass der Erhalt dieses Unternehmens gewahrt und die Einheit erhalten bleibe. Entscheidungsgründe: Die Klagen waren abzuweisen. Es kann dahinstehen, ob die Kläger klagebefugt sind, jedenfalls ist der angefochtene Beschluss zu TOP 8 der Hauptversammlung vom 19.01.2007 rechtmäßig zustande gekommen und wirksam. Im Wesentlichen wird von den Klägern für die Nichtigkeit des Beschlusses die Gewährung eines Entsenderechtes für Aufsichtsratmitglieder zugunsten der Stiftung angeführt, da dieses Sonderrecht zu einer im Aktienrecht nicht vorgesehenen Ungleichbehandlung der Aktionäre führe. In § 101 Abs. 2 AktG ist allerdings grundsätzlich die Einräumung eines solchen Entsenderechtes vorgesehen. § 101 Abs. 2 AktG ist als Gesetzesnorm nicht unwirksam bzw. beinhaltet keinen Verstoß gegen Europäisches Recht. Die Kapitalverkehrsfreiheit (Artikel 56 EGV) bzw. Niederlassungsfreiheit (Artikel 43 EGV) sind durch die deutsche Norm im Kern nicht beeinträchtigt. Das europäische Recht soll die Wirtschaftsteilnehmer vor staatlichen Eingriffen bzw. vor diskriminierenden Regelungen schützen. Derartige Eingriffe sind nicht gegeben. Nach § 101 AktG entscheidet nicht der Staat, sondern die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft selbst. Das heißt, dass die Aktionäre, die selbst betroffen sind, nach Prüfung und Wertung in eigener Sachzuständigkeit entscheiden können. Die Einräumung eines Entsenderechtes als Sonderrecht ist auch unter anderen Gesichtspunkten nicht unwirksam. Sicherlich ist die Begründung des Sonderrechtes eine Bevorzugung der Stiftung, bereits insofern, als sie sich für die Wahl "ihrer" Bewerber für den Aufsichtsrat nicht um Mehrheiten in der Hauptversammlung bemühen muss. Dies allein führt nicht zur Unwirksamkeit, da die Hauptversammlung selbst entschieden und damit auf eigene Rechte verzichtet hat. Das Sonderrecht führt auch nicht zu einer unangemessenen Bevorzugung der Stiftung. Der Umfang des Entsenderechtes entspricht zwar nicht rein rechnerisch dem Kapitalanteil der Stiftung. 25,1 % Kapitalanteil entsprechen 2,51 Aufsichtsratmitgliedern. Erst ein 30 prozentiger Kapitalanteil würde der Anzahl von 3 Aufsichtsratmitgliedern entsprechen. Dieses Zahlenbeispiel macht deutlich, dass das der Stiftung eingeräumte Sonderrecht nur geringfügig vom Verhältnis Kapitalanteil - Mitgliederanzahl abweicht. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Kapitalanteil der Stiftung nicht proportional in ganze Zahlen bzw. Personen umgerechnet werden kann. Die Ungleichgewichtung wäre somit nur dann erheblich, wenn gleichzeitig ein Verstoß gegen § 53 a AktG gegeben wäre. Ein derartiger Verstoß liegt jedoch nicht vor, da § 53 a AktG dispositives Recht ist (Höffer, Aktiengesetz, 7. Auflage § 53 a AktG, Rdnr. 5) und die Hauptversammlung durch die Beschlussfassung ihre Rechte aufgegeben hat. Im Übrigen erscheint eine Bevorzugung der Stiftung angemessen. Nach ihrer Satzung hat die Stiftung auf die Einheit der Aktiengesellschaft, auf den Erhalt des Unternehmens hinzuwirken. Sie ist daher mehr als jeder andere Aktionär dem Wohl der Aktiengesellschaft verpflichtet. Die Stiftung vertritt insbesondere keine Partikularinteressen, sondern steht, wie ein Unternehmer, für die wirtschaftliche Förderung der Aktiengesellschaft. Dabei kann nicht übersehen werden, dass die Stiftung möglicherweise andere Ziele verfolgt, als der einzelne Aktionär, bei dem die Renditeerzielung im Vordergrund steht. Dass dennoch die Hauptverhandlung sich für die Einräumung des Sonderrechtes entschieden hat, bedeutet, dass die Mehrheit der Hauptversammlung sich mit den Zielen der Stiftung identifiziert, diese akzeptiert und durch die Entscheidung diese Ziele zu den Zielen der Aktiengesellschaft gemacht hat. Entsprechend liegt auch kein Verstoß gegen § 243 Abs. 2 AktG vor. Da die Stiftung für die Ziele ihrer Körperschaft und damit auch für die Ziele der Beklagten einzutreten hat, kann sich die strittige Satzungsänderung nicht zum Schaden der Gesellschaft auswirken. Auch die einzelnen Aktionäre sind in ihren allgemeinen Rechten nicht beeinträchtigt. Es ist zwar zutreffend, dass sie in einem gewissen Umfang ein eingegrenztes Wahlrecht verlieren. Wenn man jedoch das Entsenderecht gemäß den §§ 53 a, 101 AktG für zulässig erachtet, dann kann der Verzicht auf dieses Wahlrecht nicht im Sinne des § 143 Abs. 2 AktG einen Schaden für den einzelnen Aktionär bedeuten. Die Stiftung unterlag bei der Abstimmung in der Hauptversammlung auch keinem Stimmrechtsverbot. Die im § 136 AktG aufgeführten Fälle, unter deren Voraussetzungen ein Stimmrechtsverbot eintritt, sind nicht gegeben. Eine Analogie zu § 136 AktG verbietet sich. Das Aktiengesetz ist erst vor kurzer Zeit neu normiert worden. Der Gesetzgeber hat hinsichtlich der Annahme eines Stimmrechtsverbotes bewusst auf eine Generalklausel verzichtet und hat lediglich einzelne Fallgruppen aufgestellt.
Die Aktionäre sind weder durch die Einladung noch durch die Berichte und die Diskussion in der Hauptversammlung in die Irre geführt worden. Der Beschlussentwurf ist ausgiebig vorgestellt und diskutiert worden. Es hat eine Fragestunde gegeben. Die Fragen sind beantwortet worden. Dass möglicherweise die Rechtsfolgen des Entsenderechtes (Stichwort: Ewigkeitsrecht) nicht deutlich dargelegt worden sind, führt nicht zu einem Anfechtungsrecht. Es ist ausreichend, wenn die Tatsachen von der Gesellschaft vorgetragen werden. Eine Bewertung hat jeder Aktionär für sich vorzunehmen, notfalls hat er sich rechtskundig zu machen. Auch die Ausführungen in der Hauptversammlung zum Corporate Governance Kodex seitens der Gesellschaft sind nicht zu beanstanden. Den Klägern ist Recht zu geben, dass im Corporate Governance Kodex Führungsgrundsätze niedergelegt sind und dass diese Richtlinien die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder durch die Hauptversammlung vorsehen. Der Corporate Governance Kodex ist jedoch nicht verbindlich, das heißt, dass ein Verstoß hiergegen nicht zur Unwirksamkeit führen kann. Im Übrigen entsprechen die vorgenannten Richtlinien auch der gesetzlichen Grundlage. Diese stellt jedoch dispositives Recht dar. Soweit in den Reden der Hauptversammlung auf den Corporate Governance Kodex Bezug genommen worden ist, ist auch keine bestimmte konkrete Richtlinie von den Rednern angesprochen worden. Vielmehr ist in den Vordergrund gestellt worden - was auch zutreffend ist -, dass die Stiftung als Großaktionär aufgrund ihrer Satzung verpflichtet ist, das Wohl und die Unternehmenseinheit der Beklagten zu wahren. Schließlich sind die weiteren, in den Anfechtungsklagen vorgetragenen formalen Gesichtspunkte nicht entscheidungserheblich. Dem Einladungsschreiben lag der Beschlussentwurf im vollen Umfang bei. Wenn in einzelnen Punkten eine kleine Differenz zwischen der Beschlussbegründung und dem Beschlussentwurf gegeben sein sollte, sind diese Differenzen so geringfügig, dass sie das Beschlussverfahren nicht unwirksam oder anfechtbar machen. In jedem Fall hätte man den Beschlussentwurf dem endgültigen Beschlusswortlaut entnehmen können. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 71, 7, 109 ZPO.
LG Essen:
Urteil v. 29.06.2007
Az: 45 O 15/07
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