Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Juni 2000
Aktenzeichen: 28 W (pat) 16/00
(BPatG: Beschluss v. 28.06.2000, Az.: 28 W (pat) 16/00)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen das am 19. Februar 1994 für die Waren "Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren (soweit in Klasse 14 enthalten); Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmeßinstrumente sowie deren Teile; Uhrarmbänder" angemeldete Zeichen RADIUS wurde von der Inhaberin der IR-Marke 2R 154 838 RADO, eingetragen für "Montres et mouvements de montres en tous genres" Widerspruch erhoben. Die Markenstelle für Klasse 14 Wz hat mit Beschluß vom 29. März 1999 den Widerspruch zurückgewiesen mit der Begründung, es bestehe keine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, denn trotz Warenidentität oder hochgradiger Warenähnlichkeit, seien die Abweichungen in den Endungen bei den sich gegenüberstehenden relativ kurzen und übersichtlichen Zeichenwörtern im Gesamteindruck unüberseh- und unüberhörbar.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.
Sie führt aus, bei bestehender Warenidentität sei noch zusätzlich die erhöhte Kennzeichnungskraft von RADO zu beachten. RADO gehöre zu den bekanntesten Uhrenmarken überhaupt. Sie legt Unterlagen aus Marktstudien vor, die eine Bekanntheit in Höhe von 35 % bzw 40 % belegen. Darüber hinaus trägt sie vor, daß insbesondere im klanglichen Eindruck der Abstand nicht gewahrt sei. Die Endungen der beiden Markenwörter seien nicht deutlich voneinander zu unterscheiden, denn die Vokale "O" und "IU" liegen nahe beieinander und der Schlußkonsonant "S" des Anmeldezeichens trete als üblicher Pluralkonsonant nicht markant hervor. Man betrachte ihn als eigentlich nicht zur Marke gehörig. Schriftbildlich gelte Gleiches. Die große Markenähnlichkeit führe insbesondere deshalb zu Verwechslungen, weil die Zeichenworte auf den Uhren stets sehr klein angebracht seien.
Sie stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Anmeldung von der Eintragung zurückzuweisen.
Die Anmelderin beantragt Zurückweisung der Beschwerde.
Sie bestreitet eine erhöhte Kennzeichnungskraft von RADO, denn diese stehe deutlich in ihrem Bekanntheitsgrad hinter Marken wie Junghans, Rolex, Seiko, Swatch und Casio zurück. RADO möge zwar eine regelmäßig und gut benutzte Marke sein, eine über den normalen Bereich hinausgehende Bekanntheit im Verkehr werde aber bestritten. Darüber hinaus gebe es noch andere Marken mit einem Bestandteil wie RADIO oder RADIAL. Sie verweist auf weitere ähnlich gelagerte Fälle, in denen ebenfalls keine Verwechslungsgefahr angenommen worden war. Trotz der Übereinstimmung am Wortanfang sei der klangliche Gesamteindruck bei den kurzen Markenwörtern durch eine deutliche Abweichung in den beiden Endbestandteilen ausreichend unterschiedlich geprägt. Anhand der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts sei erkennbar, daß bei kurzen Wörtern in der Regel Unterschiede in der zweiten Worthälfte ausreichten um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. Darüber hinaus sei die Klangprägnanz des hellen Vokals I im Wortbereich "DIUS" deutlich. In schriftbildlicher Hinsicht sei die Verwechslungsgefahr ebenfalls auszuschließen, denn die angemeldete Marke sei erkennbar länger als die Widerspruchsmarke und weise in ihrem bildlichen Eindruck im Endbestandteil keinerlei Übereinstimmungen auf.
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig jedoch unbegründet, denn zwischen den Marken besteht keine Verwechslungsgefahr gemäß §§ 152, 42 Abs 2, 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.
Die Gefahr markenrechtlich erheblicher Verwechslungen ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, die zueinander in einer Wechselbeziehung stehen, umfassend zu beurteilen. Zu den maßgeblichen Umständen gehören insbesondere die Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren sowie die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (EuGH GRUR 1998 S 387, 389 - Sabel Puma; BGH GRUR 1995 S 216, 219 - Oxygenol II).
Es stehen sich identische bzw sehr ähnliche Waren gegenüber. Diese werden auch von breitesten Verkehrskreisen erworben. Die dabei von einem informierten Verbraucher an den Tag gelegte Aufmerksamkeit wird bei der großen Bandbreite des Wertes dieser Waren vom Senat als durchschnittlich angesetzt.
Die von der Widersprechenden für sich in Anspruch genommene erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist angesichts des Bestreitens der Anmelderin nicht liquide. Die im Verfahren vorgelegten Unterlagen genügen jedenfalls den Anforderungen eines Vollbeweises für eine erhöhte Kennzeichnungskraft nicht, insbesondere wenn man sie an den sich aus den vorgelegten Marktstudien vorgetragenen Bekanntheitszahlen anderer Konkurrenten mißt und sie in Beziehung zu dem ganzen betroffenen Marktsegment setzt (GRUR 1967, 246 - Vitapur).
Deshalb verbleibt es bei dem grundsätzlich sowieso aufgrund der vorhandenen Warenidentität zu fordernden normal deutlichen und erheblichen Abstand zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen.
Bei der Prüfung der Zeichen im Hinblick auf ihre klangliche, bildliche und begriffliche Ähnlichkeit ist grundsätzlich vom Gesamteindruck auszugehen den sie hervorrufen, wobei die dominierenden Abweichungen den Übereinstimmungen abwägend gegenüberzustellen sind. Demnach weicht die Widerspruchsmarke jedoch sowohl in ihrem klanglichen wie auch schriftbildlichen Gesamteindruck so deutlich von der angemeldeten Marke ab, daß Verwechslungen nach Ansicht des Senats ausgeschlossen sind.
Daß die Zeichen sich in begrifflicher Hinsicht nicht ähnlich sind ist offensichtlich, denn RADO ist ein Phantasiewort, wohingegen "RADIUS" ein Wort mit Sinngehalt darstellt.
Schriftbildlich weisen die sich gegenüberstehenden Zeichen derart deutlich wahrnehmbare Unterschiede auf, daß sie beim Vergleich mit den übereinstimmenden Anfangsbuchstaben "RAD" dominierend für die Zeichen sind. Die Marke RADO schließt mit dem bauchigen "O" ab, das in seiner runden Form dem vorhergehenden Buchstaben "D" ähnlich ist, wodurch der den zweiten Wortteil bestimmende Eindruck von Rundungen verdoppelt wird. Hingegen sind die Endbuchstaben "US", insbesondere die Schlangenform des "S" in ihrer bildlichen Wahrnehmung ohne weiteres erkennbar anders. Dazu kommt die unterschiedliche Länge der Zeichenwörter sowie der zusätzliche und optisch nicht leicht zu übersehende Vokal "I" und zwar in Verbindung mit dem ihm nachfolgenden "U", was zu drei Oberlängenstrichen im Wortbild führt. Im Gegensatz dazu weist die Widerspruchsmarke bei einer Schreibweise in Versalien - wie angemeldet - keinen alleinstehenden Oberlängenstrich auf. Ihrem bildlichen Gesamteindruck nach sind die Zeichen auch dadurch hinlänglich verschieden, daß sie aus 4 bzw 6 Buchstaben bestehen, was zu einer unterschiedlichen Silbenzahl und damit zu einem anderen visuellen Erscheinungsbild insgesamt führt. Diese optischen Unterschiede werden durch die begriffliche Assoziation des Wortes "Radius" als allgemein verständlicher Begriff für "Durchmesser" verstärkt. Auch wenn dieses Wort keinen unmittelbaren Bezug zu den Waren aufweist, so ist mit ihm dennoch eine Vorstellung assoziiert, die dem Wort "RADO" als Phantasiewort gänzlich fehlt. Bei der Prüfung der Zeichen auf ihre bildliche Ähnlichkeit hin kann nicht die Tatsache entscheidend sein, daß die Zeichenwörter auf den Waren sehr klein aufgebracht sind und daher die Unterschiede möglicherweise schwerer zu erkennen sind, denn Marken treten im Verkehr auch noch in anderer Weise in Erscheinung als auf den Waren und sind daher nicht zwangsläufig schlecht erkennbar.
Im Hinblick auf klangliche Ähnlichkeit der Zeichen gilt Gleiches zum Gesamteindruck. Die unterschiedliche Länge der Wörter, resultierend aus Buchstaben- und Silbenzahl und der sich daraus ergebende unterschiedliche Sprechrhythmus zwischen RA-DO und RA-DI-US sowie der zusätzliche helle Vokal "I" in der Wortmitte gewährleisten den erforderlichen deutlichen Abstand. Darüber hinaus ist die Endsilbe "US" der Anmeldemarke klanglich ohne weiteres anders zu vernehmen als die Silbe "DO" der Widerspruchsmarke. Daß auch hier die Begrifflichkeit von Radius ein Rolle spielt ist nicht unerheblich.
Zu einer Auferlegung von Kosten gemäß § 71 MarkenG bestand keine Veranlassung.
Vorsitzender Richter Stoppel ist infolge Urlaubs gehindert zu unterschreiben.
Grabrucker Grabrucker Richterin Martens ist infolge Urlaubs gehindert zu unterschreiben.
Grabrucker Fa
BPatG:
Beschluss v. 28.06.2000
Az: 28 W (pat) 16/00
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