Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 25. September 2008
Aktenzeichen: 4a O 197/08
(LG Düsseldorf: Urteil v. 25.09.2008, Az.: 4a O 197/08)
Tenor
I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurück-gewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des aus diesem Urteil zu vollstreckenden Betrages ab-wenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Si-cherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, un-bedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkann-ten Bank oder Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand
Die Antragstellerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents X (nachfolgend: Verfügungspatent). Das Verfügungspatent wurde am 09.12.2005 unter Inanspruchnahme der Priorität der X vom 22.11.2005 angemeldet, die Anmeldung wurde am 23.05.2007 offengelegt. Die Veröffentlichung der Erteilung des Verfügungspatents erfolgte am 28.05.2008.
Das Verfügungspatent trägt die Bezeichnung "Staubsaugerfilterbeutel mit Ablenkvorrichtung". Sein Patentanspruch 1 lautet:
Staubsaugerfilterbeutel (1) mit einer Einlassöffnung (3) und einer im Bereich der Einlassöffnung (3) angeordneten Ablenkvorrichtung (2), die derart ausgebildet ist, dass ein durch die Einlassöffnung (3) eintretender Luftstrom ablenkbar ist, wobei die Ablenkvorrichtung (2) im Beutelinneren mit dem Filtermaterial der Staubsaugerfilterbeutelwand verklebt oder verschweißt ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Ablenkvorrichtung (2) zum Aufteilen des Luftstroms in wenigstens zwei Teilströme mit unterschiedlichen Strömungsrichtungen ausgebildet ist.
Nachfolgend werden einige Figuren aus der Verfügungspatentschrift wiedergegeben, die bevorzugte Ausführungsbeispiele der Erfindung betreffen.
Figur 1 zeigt die Ansicht eines ersten Ausführungsbeispiels einer Ablenkvorrichtung gemäß der vorliegenden Erfindung. In den Figuren 2 und 3 sind die Querschnitte durch weitere Ausführungsbeispiele der erfindungsgemäßen Ablenkvorrichtung dargestellt. Figur 4 bildet ein Foto mit einem Vergleich eines herkömmlichen Staubsaugerfilterbeutels und eines erfindungsgemäßen Staubsaugerfilterbeutels ab.
Die Antragsgegnerin ist ein Unternehmen der X Gruppe und stellt wie die Antragstellerin Staubsaugerfilterbeutel her. Zu ihrem Sortiment gehört ein unter der Bezeichnung "X, Typ G XL" an X gelieferter Staubsaugerfilterbeutel, welcher wie folgt gestaltet ist:
Die Antragstellerin meint, die angegriffene Ausführungsform verwirkliche die durch das Verfügungspatent beanspruchte Lehre wortsinngemäß. Insbesondere sei die Ablenkvorrichtung (2) im Bereich der Einlassöffnung (3) angeordnet. Dafür sei es nicht erforderlich, dass sich die Ablenkvorrichtung unmittelbar im Bereich der Einlassöffnung befinde. Funktional gehe es darum, dass die Ablenkvorrichtung es erlaube, dass ein durch die Einlassöffnung eintretender Luftstrom ablenkbar sei. Demgegenüber werde die Ausdehnung der Ablenkvorrichtung durch das Verfügungspatent offen gelassen. Darüber hinaus sei die Ablenkvorrichtung auch zum Aufteilen des Luftstroms in wenigstens zwei Teilströme mit unterschiedlichen Strömungsrichtungen ausgebildet. Aus dem Wortsinn des Patentanspruchs ergebe sich nicht, dass eine unmittelbare Aufteilung des Luftstroms zu erfolgen habe und dass die aufgeteilten Luftströme in entgegengesetzter Richtung und unmittelbar in den gesamten Beutel abströmen müssten. Bei funktionaler Betrachtung bezwecke dieses Merkmal, eine gleichmäßigere Verteilung des Filterkuchens zu erreichen und die Belastung der Beutelwände mit Hilfe von Teilströmen zu reduzieren. Maßgeblich dafür sei, ob der Staubsaugerfilterbeutel durch die Teilströme mit unterschiedlichen Strömungsrichtungen insgesamt durchströmt werde, so dass es zu einer weitgehend gleichmäßigen Verteilung des Filterkuchens im Staubsaugerfilterbeutel komme.
Darüber hinaus sei die Antragstellerin auch auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung angewiesen. Die Angelegenheit sei dringlich, da in Kürze die Stiftung Warentest Staubsauger für die alljährlich im Frühjahr anstehenden Vergleichsberichte einkaufe. In den letzten Jahren hätten diese Testkäufe jeweils im Oktober und November stattgefunden. Die Antragstellerin habe Miele Exklusivität für Staubsaugerfilterbeutel mit Ablenkvorrichtungen in Verbindung mit hochwertigen Filtermaterialien eingeräumt und produziere für Miele unter der Bezeichnung "X" patentgemäß hergestellte Staubsaugerfilterbeutel. In die Bewertung von Staubsaugern gehe immer wesentlich die Leistung des mitgelieferten Staubsaugerfilterbeutels ein, da dieser, insbesondere bei teilgefüllter Filtertüte, die Saugleistung stark beeinflusse.
Die Antragstellerin habe erfahren, dass bei der Erstausstattung bestimmter Siemens Staubsauger die angegriffenen Filterbeutel eingesetzt würden und versucht, diese Staubsaugerfilterbeutel bei X zu bestellen. Nachdem zunächst Produkte ohne Ablenkvorrichtung geliefert worden seien (alter Stand), habe die Antragstellerin am 12.06.2008 eine Lieferung der patentverletzenden Produkte erhalten. Da die Antragstellerin zu diesem Zeitpunkt noch nicht definitiv gewusst habe, wer Hersteller der Staubsaugerfilterbeutel sei, habe sie mit Schreiben vom 01.07.2008 eine Berechtigungsanfrage an Siemens versandt. Mit Schreiben vom 04.08.2008 habe Siemens sodann mitgeteilt, dass die jetzige Antragsgegnerin die Herstellerin der angegriffenen Staubsaugerfilterbeutel sei.
Die Antragstellerin beantragt daher mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 11.08.2008,
es der Antragsgegnerin bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, zu vollziehen an dem Geschäftsführer Dr. Spix, aufzugeben,
zu unterlassen,
Staubsaugerfilterbeutel mit einer Einlassöffnung und einer im Bereich der Einlassöffnung angeordneten Ablenkvorrichtung, die derart ausgebildet ist, dass ein durch die Einlassöffnung eintretender Luftstrom ablenkbar ist, wobei die Ablenkvorrichtung im Beutelinneren mit dem Filtermaterial der Staubsaugerfilterbeutelwand verklebt oder verschweißt ist,
herzustellen oder herstellen zu lassen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen, wenn
die Ablenkvorrichtung zum Aufteilen des Luftstroms in wenigstens zwei Teilströme mit unterschiedlichen Strömungsrichtungen ausgebildet ist.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, die angegriffene Ausführungsform mache von der durch das Verfügungspatent beanspruchten Lehre keinen Gebrauch. Patentgemäß sei es erforderlich, dass die gesamte Ablenkvorrichtung unmittelbar im Bereich der Einlassvorrichtung angeordnet sei. Nach dem Verfügungspatent müssten weiterhin die abgelenkten Luftströme von der Ablenkvorrichtung sodann in den gesamten Beutel abströmen, um eine gleichmäßige Staubverteilung im gesamten Beutel zu ermöglichen. Diesen Anforderungen werde die angegriffene Ausführungsform weder wortsinngemäß, noch äquivalent gerecht. Die angegriffene Ausführungsform weise keine erfindungsgemäße Ablenkvorrichtung auf, die es ermöglichen könne, den eintretenden Luftstrom unmittelbar in mindestens zwei Teilströme mit unterschiedlichen Strömungsrichtungen aufzuteilen, die sodann unmittelbar in den übrigen Filterbeutel eintreten und abströmen müssten. Vielmehr werde das Beutelinnere selbst unterteilt, so dass eine Art "Zwei-Kammer-Beutel" entstehe. Darüber hinaus pralle der eintretende und aufprallende Luftstrom zunächst auf das Kammervlies auf. Bei dem erstmaligen Aufprallen könne der eintretende und aufprallende Luftstrom nur in eine Richtung abströmen. Eine sofortige Aufteilung in zwei Teilströme erfolge demgegenüber nicht. Das Kammervlies bilde quasi für den eintretenden Luftstrom einen ersten Unter-Staubsaugerfilterbeutel. Erst wenn dieser sich mit Luft gefüllt habe, verwirbele sich der Luftstrom in dem ersten Filterbeutelabschnitt. Der verwirbelte Luftstrom trete dann durch die schlitzartigen Austritte in den zweiten Beutelabschnitt.
Im Übrigen sei das Verfügungspatent nicht rechtsbeständig. Die Antragsgegnerin habe deshalb Einspruch gegen die Erteilung des Verfügungspatents eingelegt. Insbesondere sei die neuheitsschädliche Entgegenhaltung D1 (X) im Erteilungsverfahren nicht berücksichtigt worden.
Die Antragstellerin tritt dem entgegen.
In Ergänzung dieses Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Gründe
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat in der Sache keinen Erfolg. Die Antragstellerin hat das Vorliegen eines Verfügungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht. Ein solcher folgt insbesondere nicht aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1 PatG, § 9 S. 2 Nr. 1 PatG. Die angegriffene Ausführungsform macht von der technischen Lehre des Verfügungspatents keinen Gebrauch.
I.
Das Verfügungspatent betrifft einen Staubsaugerfilterbeutel mit verbesserten Filtereigenschaften und einer erhöhten Standzeit.
Aus dem Stand der Technik sind verschiedene Arten von Staubsaugerfilterbeuteln bekannt, welche in unterschiedlicher Art und Weise versuchen, gute Filtereigenschaften und eine lange Standzeit bereitzustellen.
Die X offenbart einen Staubsaugerfilterbeutel mit einer Filterstruktur, bei der in Richtung des Luftstroms aus dem Beutelinneren nach Außen ein Grobfilter vor einem Feinfilter angeordnet ist. Der Grobfilter weist eine hohe Staubspeicherkapazität auf, so dass Staubpartikel in seinen Poren über die gesamte Dicke eingelagert werden. Auf diese Weise wird ein Verstopfen des Filtermaterials verzögert und damit die Standzeit des Beutels erhöht (vgl. Anlage PBP 1, Sp. 1, Z. 10 - 19).
Aus der X ist ein Staubsaugerfilterbeutel bekannt, bei dem auf der der Eingangsöffnung gegenüberliegenden Beutelwand eine Schutzschicht aus einem widerstandsfähigen Material vorgesehen ist. Dadurch wird verhindert, dass die der Einlassöffnung des Beutels gegenüberliegende Beutelwand durch die mit hoher Geschwindigkeit direkt auftreffenden Partikel beschädigt wird (vgl. Anlage PBP 1, Sp. 1, Z. 20 - 27).
Die X lehrt ein Verbindungsstück zum Verbinden eines Filterbeutels mit dem Saugeinlass eines Staubsaugers. Dabei wird ein Filterbeutel lösbar mit dem Saugeinlass mit einem geeigneten Adapterverbindungsstück verbunden, wobei ein Schmutzabfängermittel am Auslassende des Verbindungsstücks vorgesehen ist (vgl. Anlage PBP 1, Sp. 1, Z. 28 - 34).
Die X zeigt einen Verschluss für einen Staubsauger, bei dem ein Stutzen mit einem schleifenförmigen Band über einen Luftkanal gestreift wird (vgl. Anlage PBP 1, Sp. 1, Z. 35 - 37).
Aus der X ist ein Anschlussstück eines Filtersacks mit einem auf einem Gerät-Anschlussstutzen aufzusteckenden Aufsteckteil bekannt. Das Anschlussstück weist eine Abdeckmembran auf, die durch eine Schlitzanordnung in kreissektorenförmige Membranteile unterteilt ist (vgl. Anlage PBP 1, Sp. 1, Z. 38 - 43).
Die X offenbart ein Verfahren und Mittel zum Einsammeln von Staub aus einem Luftstrom. Die Öffnung eines Beutels ist mit einem Kanal lösbar verbunden, wobei der Kanal mit einem Mundstück in konischer Form versehen ist (vgl. Anlage PBP 1, Sp. 1, Z. 44 - 48).
Aus der X ist eine Düse für ein Verteilungssystem zum gleichmäßigen Verteilen von Flüssigkeit auf einer Oberfläche bekannt (vgl. Anlage PBP 1, Sp. 1, Z. 49 - 51).
Schließlich werden weitere Staubsaugerfilterbeutel mit einer Ablenkvorrichtung in der X, der X und der X offenbart (vgl. Anlage PBP 1, Sp. 1, Z. 49 - 51).
Das Verfügungspatent verfolgt daher die Aufgabe (das zu lösende technische Problem), angesichts der aus dem Stand der Technik bekannten Beutel einen verbesserten Staubsaugerfilterbeutel bereitzustellen, der eine erhöhte Standzeit bei sehr guten Filtrationseigenschaften aufweist.
Dies geschieht gemäß Patentanspruch 1 mit einer Kombination der folgenden Merkmale:
Staubsaugerfilterbeutel (1) mit
(a) einer Einlassöffnung (3) und
(b) einer Ablenkvorrichtung (2)
die Ablenkvorrichtung (2)
(a) ist im Bereich der Einlassöffnung (3) angeordnet,
(b) ist im Beutelinneren mit dem Filtermaterial der Staubsaugerfilterbeutelwand verklebt oder verschweißt,
(c) ist so ausgebildet, dass ein durch die Einlassöffnung eintretender Luftstrom ablenkbar ist und
(d) ist zum Aufteilen des Luftstroms in wenigstens zwei Teilströme mit unterschiedlichen Strömungsrichtungen ausgebildet.
Den Kern der Erfindung bildet somit eine im Bereich der Einlassöffnung angeordnete Ablenkvorrichtung, die derart ausgebildet ist, dass ein durch die Einlassöffnung eintretender Luftstrom ablenkbar ist. Eine derartige Anordnung hat nach den Angaben des Verfügungspatents zur Folge, dass die Standzeit des Staubsaugerfilterbeutels bei hervorragenden Filtereigenschaften signifikant erhöht ist. Darüber hinaus wird durch die erfindungsgemäße Ablenkvorrichtung ein durch die Einlassöffnung eintretender Luftstrom abgelenkt, so dass die mitgeführten Partikel gleichmäßig im Beutelinneren verteilt werden und folglich eine gleichmäßige Verteilung des sich bildenden Filterkuchens und damit eine erhöhte Standzeit erreicht wird. Des Weiteren prallen die im Luftstrom mitgeführten Partikel nicht ungehindert und mit großer Geschwindigkeit auf die der Einlassöffnung gegenüberliegende Beutelwand, so dass diese nicht zerstört wird. Ferner kann die Ablenkvorrichtung durch ihre Anordnung an der Einlassöffnung auf besonders einfache Weise mit dem Staubsaugerfilterbeutel verbunden werden (vgl. Anlage PBP 1, Sp. 2, Z. 9 - 35). Schließlich wird durch eine Aufteilung des Luftstroms in zwei oder mehr Teilströme eine noch gleichmäßigere Aufteilung des Filterkuchens erreicht. Außerdem ist die Zahl der Partikel pro Teilchenstrom im Vergleich mit dem eintretenden Luftstrom verringert, was die Belastung der Beutelwände durch die einzelnen Luftströme reduziert (vgl. Anlage PBP 1, Sp. 2 Z. 56 - Sp. 3 Z. 3).
III.
Die Antragstellerin hat das Bestehen eines Verfügungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht. Ihr steht kein Anspruch auf Unterlassung der Herstellung und des Vertriebs nebst der entsprechenden Vorbereitungshandlungen aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1, 9 S. 2 Nr. 1 PatG zu.
Die angegriffene Ausführungsform macht von der durch Patentanspruch 1 des Verfügungspatents beanspruchten Lehre keinen Gebrauch. Zwischen den Parteien ist zu Recht nicht umstritten, dass es sich bei der angegriffenen Ausführungsform um einen Staubsaugerfilterbeutel (1) handelt, welcher eine Einlassöffnung besitzt (Merkmal 1 a)). Jedoch ist es der Antragstellerin nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass bei dem beanstandeten Beutel der Luftstrom durch eine im Bereich der Einlassöffnung angeordnete Ablenkvorrichtung in wenigstens zwei Teilströme mit unterschiedlichen Strömungsrichtungen aufgeteilt wird (Merkmale 2 a) und d)).
1.
Patentgemäß muss die Ablenkvorrichtung im Beutelinneren an der Einlassöffnung angeordnet sein, so dass ein durch die Einlassöffnung eintretender Luftstrom ablenkbar ist (vgl. Anlage PBP 1, Abschnitt [0014]). Somit wird ein durch die Einlassöffnung eintretender Luftstrom abgelenkt, so dass die mitgeführten Partikel gleichmäßig im Beutelinneren verteilt und eine gleichmäßige Verteilung des Filterkuchens und damit eine erhöhte Standzeit erreicht werden (vgl. Anlage PBP 1, Abschnitt [0014]). Durch die im Bereich der Einlassöffnung angeordnete Ablenkvorrichtung können die im Luftstrom mitgeführten Partikel nicht ungehindert mit großer Geschwindigkeit auf die der Einlassöffnung gegenüberliegende Beutelwand prallen und diese zerstören (vgl. Anlage PBP 1, Abschnitte [0015], [0020]). Ferner kann durch die Anordnung der Ablenkvorrichtung im Beutelinneren an der Einlassöffnung die Ablenkvorrichtung auf einfache Weise mit dem Staubsaugerfilterbeutel verbunden werden (vgl. Anlage PBP 1, Abschnitt [0016]).
Dabei ist dem Wortlaut von Patentanspruch 1 nicht eindeutig zu entnehmen, in welchem Umfang sich die Ablenkvorrichtung in das Innere des Beutels erstrecken darf. Die Verfügungspatentschrift offenbart insoweit lediglich, dass die Ablenkvorrichtung aus einem breiten Vlies bestehen kann (vgl. Anlage PBP 1, Abschnitt [0085]). Auch lehrt das Verfügungspatent, dass die Ablenkvorrichtung eine größere Fläche als die Einlassöffnung aufweisen kann (vgl. Anlage PBP 1, Abschnitt [0023] sowie Unteranspruch 6). So wird weitestgehend vermieden, dass der Luftstrom lediglich um die Ablenkfläche herumgelenkt wird und danach mit im Wesentlichen unveränderter Strömungsgeschwindigkeit auf die der Einlassöffnung gegenüberliegende Seite trifft (vgl. Anlage PBP 1, Abschnitt [0023]). Insoweit offenbart die Verfügungspatentschrift dem Fachmann weiterhin, dass jede Ablenkfläche eine Größe von 15 cm² bis 100 cm², vorzugsweise zwischen 40 cm² bis 60 cm² aufweisen soll (vgl. Anlage PBP 1, Abschnitt [0023] a. E.).
Funktional erkennt der Fachmann aus den Ausführungen in der Verfügungspatentschrift, dass die durch das Verfügungspatent angestrebte gleichmäßige Verteilung des Filterkuchens nur gewährleistet werden kann, wenn die Ablenkvorrichtung den Luftstrom unmittelbar nach seinem Eintritt durch einen Aufprall umlenkt, so dass die sodann weg geprallten Partikel sich frei und gleichmäßig im gesamten Beutelinneren verteilen können. Dabei kann durch eine größer als die Einlassöffnung ausgestaltete Aufprallfläche weitestgehend vermieden werden, dass der Luftstrom lediglich um die Ablenkfläche herumgelenkt wird und danach mit im Wesentlichen unveränderter Strömungsgeschwindigkeit auf die der Einlassöffnung gegenüberliegende Seite trifft. Aus der in der Beschreibung zugleich angegebenen Größe der Ablenkfläche erkennt der Fachmann jedoch auch, dass die Ablenkfläche nicht beliebig groß ausgestaltet sein darf. Zwar wird durch eine größere Ablenkfläche verhindert, dass der Luftstrom lediglich um diese herumgeleitet wird. Jedoch verhindert eine zu große Aufprallfläche, dass sich die in dem Luftstrom enthaltenen Partikel nach dem Aufprall frei in dem Staubsaugerfilterbeutel verteilen können. Mithin erschließt sich dem Fachmann, dass er zwar einerseits die Aufprallfläche möglichst groß gestalten muss, um ein ungehindertes Aufprallen der Partikel auf die gegenüberliegende Seite zu verhindern. Zugleich lehrt die Verfügungspatentschrift ihn aber auch, dass die im Bereich der Einlassöffnung angeordnete Ablenkeinrichtung nur so groß gestaltet sein darf, dass dadurch die gleichmäßige Verteilung der Staubpartikel im Filterbeutel nicht beeinträchtigt wird.
2.
Ausgehend von diesen Grundsätzen besitzt die angegriffene Ausführungsform keine im Bereich der Einlassöffnung angeordnete Ablenkvorrichtung, durch welche ein Luftstrom in wenigstens zwei Teilströme mit unterschiedlicher Strömungsrichtung aufgeteilt wird.
a)
Bei dem beanstandeten Beutel der Antragsgegnerin ist zwischen den beiden vliesartigen Wänden des Staubsaugerfilterbeutels, die über einen Außenfalz miteinander verbunden sind, ein weiteres Vlies angeordnet. Dieses erstreckt sich parallel zu den beiden Wänden des Staubsaugerfilterbeutels von einer Seite bis zu einer Linie hinter der Einlassöffnung des Beutels, so dass sie auch zwischen der Einlassöffnung und der gegenüberliegenden Beutelwand liegt. Das mittig angeordnete Vlies ist an drei Seiten mit den vliesartigen Beutelwänden an den Falz heran verbunden. An der Seite, an der das Vlies nicht bis zu dem Falz heranreicht, ist es in der Nähe der Einlassöffnung mit der oberen Beutelwand verklebt.
b)
Der Antragstellerin ist es, auch unter Berücksichtigung ihres Vorbringens in der mündlichen Verhandlung, nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass der durch die Einlassöffnung eintretende Luftstrom sich, nachdem er durch das Zwischenvlies abgelenkt worden ist, in wenigstens zwei Strömungsrichtungen aufteilt.
(1)
Die Antragstellerin beruft sich insoweit auf die als Anlage PBP 28 vorgelegte Fotoserie einschließlich einer auf diese Bezug nehmende und als Anlage PBP 29 vorgelegte eidesstattliche Versicherung. Danach habe die Antragstellerin zunächst 20 g Staubsaugerprüfstaub (X) bei der Einstellung "max" des verwendeten Staubsaugers X innerhalb von fünf Sekunden aufgesaugt. Die Ergebnisse seien in den Fotos 1 bis 5 dokumentiert. Foto 1 zeige die Einbausituation des Beutels im Gerät. Die Faltung des Beutels erkläre die Bereiche des Beutels, die schlecht oder nicht durchströmt würden. Auf Foto 2 sei ein Beutel nach dem Aufsaugen von 20 g Prüfstaub dargestellt. Der Beutel sei volumetrisch noch leer. Auf der Außenseite des Beutels sei jedoch die Verfärbung durch den eingelagerten Prüfstaub erkennbar. Foto 3 zeige den Beutel mit abgeschnittenen Schweißnähten. Im nächsten Schritt sei der Beutel entlang der Linie A - B aufgefaltet worden, sodass in Foto 4 die Innenseiten des Beutels sichtbar seien. Es sei offensichtlich, dass der Staub durch die beiden Strömungskanäle geführt werde und dabei die Innenseite der Beuteloberseite belaste und auf diesem Weg auf die Beutelunterseite geführt werde. Schon nach einer geringen Staubmenge seien alle Innenflächen des Beutels als Abscheideflächen verwendet worden. Für Foto 5 sei die Ablenkvorrichtung im Bereich der Einlassöffnung abgetrennt und entlang der Linie A - B auf die Beutelinnenseite abgelegt worden. Auf der rechten Hälfte des Fotos sei die Oberseite der Ablenkvorrichtung zu sehen. Der Aufprallbereich der Strömung sei deutlich zu erkennen. Von dort führten zwei Strömungswege links und rechts an der Befestigungsstelle vorbei. Somit teile die Ablenkvorrichtung die Strömung in zwei unterschiedlich gerichtete Teilströmungen auf. Die Anfärbung der Innenseite der Beutelunterseite sei nur so zu erklären. Schließlich verdeutliche Figur 6, dass die Ablenkvorrichtung direkt unter der Einlassöffnung angeordnet sei und direkt unter der Einlassöffnung eine Umlenkung von zwei Teilströmen erfolge.
(2)
Dieses Vorbringen genügt jedoch zur Glaubhaftmachung, dass bei dem beanstandeten Beutel der Luftstrom durch eine im Bereich der Einlassöffnung angeordnete Ablenkvorrichtung in wenigstens zwei Teilströme mit unterschiedlichen Strömungsrichtungen aufgeteilt wird, nicht. Vielmehr ist der auf das Vlies aufprallende Luftstrom nur an einer Seite durch die Klebeverbindung des Zwischenvlieses mit der oberen Beutelwand an einer Ausbreitung gehindert. Ansonsten kann sich der abgelenkte Luftstrom ungehindert verteilen. Wenn tatsächlich eine Aufteilung des Luftstroms erfolgten sollte, so kann sie nur beiderseits der Klebeverbindung zwischen dieser und den Seitenwänden des Beutels erfolgen. Hier ist aber zwischen den Parteien umstritten und letztlich durch die Antragstellerin auch unter Berücksichtigung des in der mündlichen Verhandlung demonstrierten Experiments nicht glaubhaft gemacht worden, dass tatsächlich der gesamte Luftstrom sich sofort entsprechend aufteilt und dieser nicht vielmehr zu einem großen Teil zunächst in der sogenannten ersten Kammer fächerartig verteilt. Insbesondere ist der konkrete Strömungsverlauf der eintretenden Luft den durch die Antragstellerin als Anlagen MBP 28 und MBP 29 im Rahmen der eidesstattlichen Versicherung von Herrn X vorgelegten Fotografien nicht zu entnehmen. Auch lässt sich der Strömungsverlauf anhand der durch die Antragstellerin in Figur 5 dieser Anlagen eingezeichneten Pfeile nicht nachvollziehen. Zwar ist dort die (rot eingekreiste) Aufprallstelle der einströmenden Luft ersichtlich. Demgegenüber erschließt sich der weitere Strömungsverlauf nicht. Vielmehr erscheint es in gleicher Weise möglich, dass der eintretende Luftstrom entsprechend dem Vorbringen der Antragsgegnerin zunächst ohne Aufteilung in die erste Kammer abgelenkt wird, sich dort fächerartig verteilt und die Luft erst dann, wenn sich die erste Kammer gefüllt hat, in die zweite Kammer abgegeben wird. Zur Glaubhaftmachung hat auch die Antragsgegnerin als Anlage AG 7 Fotografien vorgelegt. Insbesondere aus den dortigen Bildern 3 - 8 ist erkennbar, dass bei der angegriffenen Ausführungsform keine gleichmäßige Verteilung des Staubs eintritt. Vielmehr sammelt sich eine große Zahl von Staubpartikeln sowohl in der ersten Kammer, als auch auf der Vliesschicht unregelmäßig an.
(3)
Schließlich ist auch das durch die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vorgeführte Experiment nicht geeignet, den konkreten Verlauf des Luftstroms nach dem Einströmen durch die Einlassöffnung zu demonstrieren. Zum Einen handelt es sich bei dem dort verwendeten Beutel nicht um die angegriffene Ausführungsform. Vielmehr ersetzte die Antragsstellerin einen Teil der Beutelwand durch eine luftundurchlässige Plastikfolie. Somit ist nicht auszuschließen, dass es dadurch zu einer Veränderung des Strömungsverhaltens kommt. Zum Anderen waren auch im Rahmen des Experiments die konkreten Strömungsverläufe nicht zu erkennen. Somit steht es nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit fest, dass bei der angegriffenen Ausführungsform tatsächlich wie von der Antragstellerin behauptet der einströmende Luftstrom durch eine im Bereich der Einlassöffnung angeordnete Ablenkvorrichtung in zwei unterschiedliche Strömungsrichtungen aufweisende Teilströme aufgeteilt wird.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 (1. Halbsatz) ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 6, 711 Satz 1 und 2; 108 ZPO.
Der Streitwert wird auf 1.250.000,- EUR festgesetzt. Bei der Bemessung des Streitwertes hat die Kammer sowohl die lange Restlaufzeit des Verfügungspatents, als auch die Tatsache berücksichtigt, dass die Antragstellerin unbestritten 30 Millionen Staubsaugerfilterbeutel pro Jahr an Miele liefert, so dass das einstweilige Verfügungsverfahren für die Antragstellerin eine hohe wirtschaftliche Bedeutung besitzt.
LG Düsseldorf:
Urteil v. 25.09.2008
Az: 4a O 197/08
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